BGH Beschluss v. - V ZB 29/22

Wirksamkeit des Beitritts bei Berufungseinlegung durch Streithelfer und erstinstanzlicher Verbindung des Beitritts mit Einspruch gegen Versäumnisurteil

Leitsatz

Das Berufungsgericht muss bei einer Berufungseinlegung durch den Streithelfer auch dann prüfen, ob der Beitritt den Anforderungen des § 70 Abs. 1 Satz 2 ZPO genügt, wenn der Beitritt bereits erstinstanzlich mit der Einlegung eines Einspruchs gegen ein Versäumnisurteil verbunden worden ist (Fortführung von , TranspR 2019, 39 Rn. 8).

Gesetze: § 70 Abs 1 S 2 ZPO

Instanzenzug: LG München I Az: 1 S 95/22vorgehend Az: 1292 C 1393/21 WEG

Gründe

I.

1Der Beklagte ist Mitglied der klagenden Gemeinschaft der Wohnungseigentümer und wird von ihr auf Zahlung von Wohngeld und der Abrechnungsspitze aus der Jahresabrechnung 2019 in Anspruch genommen. Das Amtsgericht hat ihn antragsgemäß durch Versäumnisurteil zur Zahlung von 1.402,92 € nebst Zinsen verurteilt. Mit Schreiben vom hat der Rechtsbeschwerdeführer (nachfolgend: Streithelfer) erklärt, dem Beklagten als Streithelfer beizutreten und für ihn Einspruch gegen das Versäumnisurteil einzulegen. Das Amtsgericht hat den Einspruch als unzulässig verworfen. Die von dem Streithelfer eingelegte Berufung ist von dem Landgericht ebenfalls als unzulässig verworfen worden. Hiergegen wendet sich der Streithelfer mit der Rechtsbeschwerde.

II.

2Nach Ansicht des Berufungsgerichts hängt die Zulässigkeit einer Berufung im Falle der Einlegung durch einen Streithelfer davon ab, ob dieser rechtzeitig - spätestens mit Einlegung der Berufung - und wirksam dem Rechtsstreit beigetreten ist. Hier sei ein wirksamer Beitritt des Streithelfers zum Rechtsstreit weder mit dem Schreiben vom noch mit der Einlegung der Berufung erfolgt. Es fehle an der erforderlichen bestimmten Angabe des dem Beitritt zugrundeliegenden Interesses gemäß § 70 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 ZPO. Eine nachträgliche Beseitigung oder Heilung dieses Mangels kämen nicht in Betracht.

III.

3Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

41. Die gemäß § 522 Abs. 1 Satz 4, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist allerdings zulässig, weil eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts zur Fortbildung des Rechts erforderlich ist (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Fall 1 ZPO). Der Streithelfer weist zutreffend darauf hin, dass der Bundesgerichtshof bislang lediglich entschieden hat, dass der Beitritt in den Fällen, in denen er mit der Einlegung der Berufung verbunden wird, den inhaltlichen Anforderungen des § 70 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 bis 3 ZPO genügen muss, und dass andernfalls die Berufung unzulässig ist (vgl. nur , TranspR 2019, 39 Rn. 8 mwN). Nicht, jedenfalls nicht eindeutig entschieden ist bislang, ob eine solche Prüfung durch das Berufungsgericht auch dann erfolgen muss, wenn der Beitritt - wie hier - bereits in der ersten Instanz zusammen mit der Einlegung eines Einspruchs gegen ein Versäumnisurteil erfolgt ist und der Streithelfer gegen das den Einspruch verwerfende Urteil Berufung einlegt. Auch im übrigen ergeben sich gegen die Zulässigkeit keine Bedenken, weil der Streithelfer im Rechtsbeschwerdeverfahren für den Streit über seine Berechtigung zur Einlegung der Berufung als rechtsmittelbefugt anzusehen ist (vgl. allgemein Senat, Urteil vom - V ZR 202/21, NJW 2022, 3003 Rn. 5 ff.).

52. In der Sache ist die Rechtsbeschwerde unbegründet.

6a) Da eine Berufung nur von Prozessbeteiligten eingelegt werden kann, hängt ihre Zulässigkeit im Falle der Einlegung durch einen Streithelfer davon ab, ob dieser rechtzeitig - spätestens mit Einlegung der Berufung (§ 66 Abs. 2 ZPO) - und wirksam dem Rechtsstreit beigetreten ist (, TranspR 2019, 39 Rn. 7; Beschluss vom - I ZR 208/94, NJW 1997, 2385; Beschluss vom - IX ZR 152/93, NJW 1994, 1537). Entschieden hat der Bundesgerichtshof auch, dass bei einer - nach § 66 Abs. 2, § 70 Abs. 1 Satz 1 ZPO zulässigen - Verbindung des Beitritts mit der Einlegung der Berufung der Beitritt den inhaltlichen (formalen) Anforderungen des § 70 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 bis 3 ZPO genügen muss (vgl. , TranspR 2019, 39 Rn. 8; Urteil vom - IX ZR 152/93, NJW 1994, 1537). Ob der Streithelfer an dem Beitritt ein rechtliches Interesse gemäß § 66 Abs. 1 ZPO hat, ist demgegenüber für seine Rechtsmittelbefugnis unerheblich (vgl. Senat, Urteil vom - V ZR 106/19, NJW-RR 2020, Rn. 11).

7b) Das Berufungsgericht muss bei einer Berufungseinlegung durch den Streithelfer auch dann prüfen, ob der Beitritt den Anforderungen des § 70 Abs. 1 Satz 2 ZPO genügt, wenn der Beitritt bereits erstinstanzlich mit der Einlegung eines Einspruchs gegen ein Versäumnisurteil verbunden worden ist. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde unterscheidet sich diese Fallkonstellation maßgeblich von den Fällen, in denen der Beitritt ohne gleichzeitige Einlegung eines Rechtsmittels bzw. Rechtsbehelfs während des laufenden Verfahrens erfolgt. (Nur) dann ist die von Amts wegen vorzunehmende Prüfung des Gerichts auf die persönlichen Prozesshandlungsvoraussetzungen beschränkt, also darauf, ob die Partei-, Prozess- und Postulationsfähigkeit gegeben sind. Die besonderen Voraussetzungen der Nebenintervention werden dann nur auf Antrag einer Hauptpartei und nur im Verfahren nach § 71 ZPO - nach mündlicher Verhandlung - geprüft (, BGHZ 165, 358, 362; Beschluss vom - II ZR 94/17, AG 2020, 126 Rn. 9). Zu den besonderen Voraussetzungen der Nebenintervention gehören auch die in § 70 Abs. 1 ZPO genannten Förmlichkeiten (vgl. , BGHZ 38, 110, 111; siehe auch MüKoZPO/Schultes, 6. Aufl., § 66 Rn. 21; BeckOK ZPO/Dressler [], § 71 Rn. 1; Thomas/Putzo/Hüßtege, ZPO, 43. Aufl., § 67, Rn. 8, 11). Verbindet der Streithelfer aber den Beitritt mit einem Rechtsbehelf, müssen auch die besonderen (formalen) Voraussetzungen für den Beitritt erfüllt sein, wobei es unerheblich ist, in welcher Instanz der Beitritt erfolgt.

8c) Das Berufungsgericht hat deshalb zu Recht geprüft, ob die Voraussetzungen des § 70 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 bis 3 ZPO spätestens im Zeitpunkt der Einlegung der Berufung vorlagen. Dies verneint es ohne Rechtsfehler und verweist darauf, dass sich weder aus dem erstinstanzlichen Schriftsatz des Streithelfers vom noch dem Berufungsschriftsatz entnehmen lässt, welches Interesse der Streithelfer an dem Beitritt hat (§ 70 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 ZPO). Hierbei hat das Berufungsgericht auch nicht verkannt, dass an die Darlegung des rechtlichen Interesses am Beitritt zum Rechtsstreit keine überzogenen Anforderungen zu stellen sind (vgl. , TranspR 2019, 39 Rn. 11). Hier fehlt es aber bereits an jeglicher Angabe des Interesses des Streithelfers; auch in der Rechtsbeschwerde wird nicht erläutert, worin dieses Interesse liegen soll.

9d) Es kommt deshalb nicht mehr darauf an, ob im Zeitpunkt der Einlegung der Berufung die Streithilfe bereits rechtskräftig zurückgewiesen war und die Berufung des Streithelfers auch deshalb unzulässig ist. Mit der Rechtskraft einer Zurückweisungsentscheidung endet die Befugnis des Streithelfers, gemäß § 67 ZPO für die unterstützte Partei Rechtsmittel einzulegen (vgl. Senat, Urteil vom - V ZR 106/19, NJW-RR 2020, 942 Rn. 7; , NJW 1982, 2070). Hier liegt eine Zurückweisungsentscheidung vor, die das Amtsgericht mit der Entscheidung über den Einspruch - in den Entscheidungsgründen - verbunden hat (vgl. zu der Zulässigkeit eines solchen Vorgehens Senat, Urteil vom - V ZR 132/61, NJW 1963, 2027; Urteil vom - V ZR 106/19, NJW-RR 2020, 942 Rn. 7). Sofortige Beschwerde (§ 71 Abs. 2 i.V.m. § 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) hat der Beklagte hiergegen nicht eingelegt. Hieraus folgt aber noch nicht zwingend die Rechtskraft der Zurückweisung der Streithilfe. Der Senat hat nämlich bislang offengelassen, ob bei einer Verbindung der (erstinstanzlichen) Sachentscheidung mit der Zurückweisungsentscheidung (auch) letztere wegen der Form der anzufechtenden Entscheidung mit der Berufung angegriffen werden kann (vgl. Senat, Urteil vom - V ZR 132/61, NJW 1963, 2027; vgl. auch , NJW 1982, 2070). Diese Frage bedarf auch hier keiner Entscheidung.

IV.

10Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO (vgl. dazu , MDR 1960, 383).

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2022:241122BVZB29.22.0

Fundstelle(n):
NJW 2023 S. 9 Nr. 6
CAAAJ-31640