BAG Urteil v. - 8 AZR 4/21

Schadensersatz - Entschädigung - Vertragsstrafe

Leitsatz

1. Kommt der Arbeitgeber mit seiner Verpflichtung aus § 2 Abs. 1 Satz 1 NachwG in der bis zum geltenden Fassung (im Folgenden aF), dem Arbeitnehmer eine Ausschluss-/Verfallfrist nachzuweisen, in Verzug, hat er nach § 280 Abs. 1 und Abs. 2, § 286 BGB dem Arbeitnehmer den dadurch adäquat-kausal verursachten Schaden zu ersetzen. Der Schadensersatzanspruch besteht in Höhe des erloschenen (Vergütungs)Anspruchs, wenn dieser nur wegen der Versäumung der Ausschlussfrist erloschen ist und er bei gesetzmäßigem Nachweis seitens des Arbeitgebers nicht untergegangen wäre.

2. Weist der Arbeitgeber entgegen § 2 Abs. 1 Satz 1 NachwG aF eine Ausschluss-/Verfallfrist nicht nach, ist grundsätzlich zu vermuten, dass der Arbeitnehmer die Frist im Falle eines Hinweises beachtet hätte.

3. Die Vermutung aufklärungsgemäßen Verhaltens reicht allerdings nicht so weit, dass angenommen werden kann, der Geschädigte hätte ihm nicht bekannte Ansprüche rechtzeitig vor Ablauf der Ausschluss-/Verfallfrist geltend gemacht. Ansprüche, die dem Arbeitnehmer nicht bekannt sind, hätte dieser auch in Kenntnis der Ausschluss-/Verfallfrist nicht rechtzeitig geltend machen können.

Gesetze: § 2 Abs 1 S 1 NachwG, § 280 Abs 1 BGB, § 280 Abs 2 BGB, § 286 BGB, § 563 Abs 1 ZPO, § 563 Abs 2 ZPO, § 8 TVG, § 823 Abs 2 BGB, § 108 GewO

Instanzenzug: Az: 10 Ca 4540/16 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Düsseldorf Az: 3 Sa 144/17 Urteil

Tatbestand

1Die Parteien streiten zuletzt noch über Schadensersatz für verfallene Ansprüche des Klägers auf Vergütung bzw. Entgelt nach einer höheren Vergütungs- bzw. Entgeltgruppe.

2Der Kläger war in der Zeit vom bis zum bei der beklagten Kirchengemeinde als Küster beschäftigt. Er ist berechtigt, die Berufsbezeichnung „Staatlich geprüfter Techniker“ zu führen. Der schriftliche Arbeitsvertrag der Parteien vom nahm auf die „Kirchliche Arbeits- und Vergütungsordnung (KAVO) … in ihrer jeweiligen Fassung einschließlich der Anlagen“ Bezug.

3Nachdem der Kläger die Küsterprüfung bestanden hatte, wurde er ab Mai 1998 nach der Vergütungsgruppe K VIII Fallgruppe 3.1.2 der Anlage 1 zur KAVO für die (Erz-)Bistümer Aachen, Essen, Köln, Münster (nordrhein-westfälischer Teil) und Paderborn (KAVO aF) als „Küster mit Küsterprüfung“ vergütet. Nach zwei Jahren erfolgte eine weitere Höhergruppierung in die Vergütungsgruppe K VII Fallgruppe 3.1.6. Diese Vergütungsgruppe war Mitarbeitern mit abgeschlossener Berufsausbildung vorbehalten, die der Küstertätigkeit förderlich ist. Nach weiteren vier Jahren lagen die Voraussetzungen für einen Bewährungsaufstieg in die Vergütungsgruppe K VIb vor. Die Beklagte vergütete den Kläger jedoch weiterhin nach der Vergütungsgruppe K VII.

4Das Vergütungssystem der KAVO wurde zum reformiert. Nach der neuen Fassung (KAVO nF) erfolgte die Vergütung nach Entgeltgruppen anstelle der alten Vergütungsgruppen. Der Kläger wurde aus der bisherigen Vergütungsgruppe K VII in die neue Entgeltgruppe 5 übergeleitet. Wenn sein Bewährungsaufstieg in die Vergütungsgruppe K VIb nachvollzogen worden wäre, wäre er in die höhere Entgeltgruppe 6 übergeleitet worden.

5Nach seinem eigenen Vorbringen hatte der Kläger seine fehlerhafte Eingruppierung über viele Jahre hinweg nicht bemerkt und erst im November 2015 durch einen anderen bei der Beklagten beschäftigten Küster erfahren, dass er zu niedrig eingruppiert gewesen war. Nachdem der Kläger mündlich ein höheres Entgelt nach der Entgeltgruppe 6 KAVO nF gegenüber der Beklagten geltend gemacht hatte, vergütete diese den Kläger rückwirkend ab dem nach der höheren Entgeltgruppe.

6Mit anwaltlichem Schreiben vom machte der Kläger rückwirkend ab dem Differenzentgeltansprüche wegen seiner fehlerhaften Eingruppierung geltend. Die Beklagte lehnte eine Nachzahlung ab und verwies auf die Ausschlussfrist des § 57 Abs. 1 KAVO. Diese Bestimmung lautet:

7Der Kläger hat zuletzt die Ansicht vertreten, er habe ursprünglich Anspruch auf Differenzvergütung für die Zeit ab dem gehabt, weil er fehlerhaft nach einer zu niedrigen Vergütungs- bzw. Entgeltgruppe vergütet worden sei. Nachdem die Differenzvergütungsansprüche nach § 57 Abs. 1 KAVO verfallen seien, habe er nach § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB einen Anspruch auf Schadensersatz in gleicher Höhe. Die Beklagte habe dadurch, dass sie die Ausschlussfrist des § 57 Abs. 1 KAVO nicht nachgewiesen habe, ihre Pflichten aus dem NachwG verletzt. Wäre er auf die Ausschlussfrist hingewiesen worden, hätte er seine Ansprüche innerhalb dieser Frist schriftlich geltend gemacht. Er hätte auch rechtzeitig Klage erhoben, um die Verjährung zu hemmen. Insoweit komme ihm die Vermutung aufklärungsgemäßen Verhaltens zugute. Weder der zugrunde liegende Primäranspruch auf höhere Vergütung noch der Anspruch auf Schadensersatz seien verjährt. Im Übrigen habe der Sechste Senat des Bundesarbeitsgerichts im vorliegenden Rechtsstreit mit Urteil vom (- 6 AZR 465/18 - BAGE 168, 254) mit bindender Wirkung für das weitere Verfahren entschieden, dass der primäre Entgeltanspruch nicht verjährt sei und der unterbliebene Nachweis der Ausschlussfrist für den Verfall der Differenzvergütungsansprüche kausal gewesen sei.

8Der Kläger hat zuletzt beantragt,

9Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat zuletzt die Ansicht vertreten, die ursprünglichen Differenzentgeltansprüche des Klägers seien nach der Ausschlussfrist verfallen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Schadensersatz. Sie bestreite, dass der Kläger im Falle eines Nachweises der Ausschlussfrist seine Ansprüche fristgemäß geltend gemacht hätte. Für die Zeit vor dem sei der Primäranspruch auf höheres Entgelt unabhängig von der Ausschlussfrist verjährt. Die von ihr erhobene Einrede der Verjährung beziehe sich sowohl auf den Entgeltanspruch als auch auf den Schadensersatzanspruch.

10Das Arbeitsgericht hat die ursprünglich auf Zahlung rückständiger Vergütung gerichtete Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers mit Urteil vom (- 3 Sa 144/17 -) zurückgewiesen. Auf die Revision des Klägers hat der Sechste Senat des - 6 AZR 465/18 - BAGE 168, 254) das Urteil des Landesarbeitsgerichts aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen. Mit dem nunmehr angefochtenen Urteil hat das Landesarbeitsgericht das Urteil des Arbeitsgerichts teilweise abgeändert und die Beklagte - unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen - verurteilt, an den Kläger 1.594,27 Euro brutto nebst Zinsen zu zahlen. Es hat angenommen, der Kläger habe für den Zeitraum vom bis zum Anspruch auf Schadensersatz für die verfallenen, aber insoweit nicht verjährten Entgeltansprüche. Für den Zeitraum vor dem fehle es hingegen an einem adäquat-kausal auf die Verletzung der Nachweispflicht zurückzuführenden Schaden. Mit der Revision begehrt der Kläger die Verurteilung der Beklagten, an ihn über die vom Landesarbeitsgericht zugesprochenen 1.594,27 Euro brutto hinaus weitere 12.698,32 Euro brutto zu zahlen. Die Beklagte beantragt die Zurückweisung der Revision.

Gründe

11Die zulässige Revision des Klägers ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat im Ergebnis zu Recht angenommen, dass dem Kläger wegen der verfallenen Differenzvergütungsansprüche für die Zeit vor dem kein Anspruch auf Schadensersatz zusteht.

12I. Der Kläger hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Schadensersatz nach § 280 Abs. 1 und Abs. 2, § 286 BGB wegen Verletzung der Nachweispflicht aus § 2 Abs. 1 Satz 1 NachwG in der bis zum geltenden Fassung (NachwG aF). Zwar hat die Beklagte gegen ihre Pflicht aus § 2 Abs. 1 Satz 1 NachwG aF verstoßen, die Ausschlussfrist des § 57 Abs. 1 KAVO als wesentliche Vertragsbedingung spätestens einen Monat nach dem vereinbarten Beginn des Arbeitsverhältnisses schriftlich nachzuweisen. Der unterbliebene Nachweis war für den Verfall der Entgeltansprüche jedoch nicht kausal.

131. Das Landesarbeitsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Kläger für die Zeit vom bis zum ursprünglich einen Anspruch auf höheres Entgelt hatte. Der Kläger hätte nach Vorliegen der Voraussetzungen für einen Bewährungsaufstieg in die Vergütungsgruppe K VIb der Anlage 1 zur KAVO aF und, nach Überleitung in das neue Entgeltsystem im Jahr 2005, nach der Entgeltgruppe 6 der Anlage 1 zur KAVO nF vergütet werden müssen. Darüber streiten die Parteien in der Revision nicht mehr.

142. Der Anspruch auf höheres Entgelt ist mangels rechtzeitiger Geltendmachung nach § 57 Abs. 1 KAVO verfallen. Das hat das Landesarbeitsgericht unter Bezugnahme auf die in seinem Urteil vom (- 3 Sa 144/17 -) getroffenen Feststellungen sowie unter Verweis auf die Ausführungen des Bundesarbeitsgerichts in seinem Urteil vom (- 6 AZR 465/18 - BAGE 168, 254) zutreffend angenommen. Wegen der Begründung im Einzelnen wird auf die Ausführungen des Bundesarbeitsgerichts in seinem Urteil vom (- 6 AZR 465/18 - Rn. 31 bis 45, aaO) Bezug genommen.

153. Die Beklagte hat auch gegen ihre Verpflichtung aus dem Nachweisgesetz verstoßen, indem sie den Kläger entgegen der in § 2 Abs. 1 Satz 1 NachwG aF getroffenen Bestimmung in keiner der ihm überlassenen Niederschriften bzw. Vertragsexemplare iSv. § 2 Abs. 1 bzw. Abs. 4 NachwG aF ausdrücklich auf die Ausschlussfrist des § 57 Abs. 1 KAVO hingewiesen hat. Die Ausschlussfrist ist eine wesentliche Vertragsbedingung iSv. § 2 Abs. 1 Satz 1 NachwG aF. Auch insoweit wird wegen der Begründung im Einzelnen auf die Ausführungen des Bundesarbeitsgerichts in seinem Urteil vom (- 6 AZR 465/18 - Rn. 46 ff., BAGE 168, 254) Bezug genommen.

164. Der Kläger hat dennoch keinen Anspruch auf Schadensersatz für die verfallenen Differenzvergütungsansprüche für die Zeit vor dem , weil die Verletzung der Nachweispflicht aus § 2 Abs. 1 Satz 1 NachwG aF den Verfall der Entgeltansprüche nicht adäquat-kausal verursacht hat.

17a) Kommt der Arbeitgeber mit seiner Verpflichtung aus § 2 Abs. 1 Satz 1 NachwG aF in Verzug, ist er nach § 280 Abs. 1 und Abs. 2, § 286 BGB verpflichtet, dem Arbeitnehmer den dadurch adäquat-kausal verursachten Schaden zu ersetzen. Der Schadensersatzanspruch ist in Höhe des erloschenen Vergütungsanspruchs begründet, wenn dieser nur wegen der Versäumung der Ausschlussfrist erloschen ist und bei gesetzmäßigem Nachweis seitens des Arbeitgebers nicht untergegangen wäre ( - Rn. 47, BAGE 168, 254; - 5 AZR 676/02 - zu III 3 a der Gründe; - 5 AZR 89/01 - zu III 4 b der Gründe, BAGE 101, 75).

18Bei einem Verstoß des Arbeitgebers gegen § 2 Abs. 1 Satz 1 NachwG aF ist grundsätzlich zu vermuten, dass der Arbeitnehmer die Ausschlussfrist beachtet hätte, wenn er auf sie hingewiesen worden wäre (vgl.  - Rn. 47, BAGE 168, 254; für einen Verstoß gegen § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 10 NachwG aF vgl. auch:  - Rn. 35; - 5 AZR 89/01 - zu III 4 b der Gründe, BAGE 101, 75). Diese Auslegung des Nachweisgesetzes ist geboten, um den Zweck der bis geltenden Nachweisrichtlinie 91/533/EWG vom , den Arbeitnehmer vor Unkenntnis seiner Rechte zu schützen, wirksam zur Geltung zu bringen. Der Arbeitnehmer könnte im Regelfall kaum nachweisen, dass er bei ordnungsgemäßem Verhalten des Arbeitgebers die Ausschlussfrist beachtet hätte. Dem Arbeitgeber bleibt die Möglichkeit, diese tatsächliche Vermutung zu widerlegen ( - aaO).

19Dabei ersetzt die Vermutung aufklärungsgemäßen Verhaltens als Beweisregel allerdings nicht den Parteivortrag. Die Tatsachen für die Kausalität zwischen der Pflichtverletzung und dem eingetretenen Schaden hat der Arbeitnehmer darzutun ( - Rn. 23; - 5 AZR 171/10 - Rn. 27, BAGE 137, 375; - 5 AZR 676/02 - zu III 3 c der Gründe).

20b) Danach hat der Kläger die Tatsachen für die Kausalität zwischen der Pflichtverletzung der Beklagten in Form des unterlassenen Nachweises der Ausschlussfrist und dem Verfall seiner Differenzvergütungsansprüche nicht ausreichend dargelegt. Aus seinem Vortrag ergibt sich nicht, dass die Entgeltansprüche nur wegen der Versäumung der Ausschlussfrist erloschen sind und sie bei gesetzmäßigem Nachweis seitens der Beklagten nicht untergegangen wären. Vielmehr ist nach dem Vorbringen des Klägers davon auszugehen, dass die Differenzvergütungsansprüche auch untergegangen wären, wenn die Beklagte die Ausschlussfrist iSv. § 2 Abs. 1 Satz 1 NachwG aF ordnungsgemäß nachgewiesen hätte.

21aa) Der Kläger hat zwar einerseits behauptet, dass er die Differenzvergütungsansprüche rechtzeitig geltend gemacht hätte, wenn die Beklagte die Ausschlussfrist iSv. § 2 Abs. 1 Satz 1 NachwG aF nachgewiesen hätte. Andererseits hat er vorgetragen, seine fehlerhafte Eingruppierung über viele Jahre hinweg nicht bemerkt und erst im November 2015 durch einen anderen bei der Beklagten beschäftigten Küster erfahren zu haben, dass er zu niedrig eingruppiert gewesen sei. Nachdem der Kläger konkret vorgetragen hat, wann und unter welchen Umständen er von seiner fehlerhaften Eingruppierung erfahren habe, ist die pauschale Behauptung, dass er die Differenzentgeltansprüche rechtzeitig geltend gemacht hätte, nicht ausreichend. Wenn der Kläger seine Ansprüche erst im November 2015 erkannt hat, steht das seiner Behauptung entgegen, dass er sie Jahre vorher geltend gemacht hätte, wenn ihm die Ausschlussfrist nachgewiesen worden wäre. Die Vermutung aufklärungsgemäßen Verhaltens hilft dem Kläger über dieses Darlegungsdefizit nicht hinweg. Diese Vermutung reicht nicht so weit, dass unterstellt werden kann, der Geschädigte hätte ihm nicht bekannte Ansprüche rechtzeitig geltend gemacht (vgl.  - Rn. 45; - 9 AZR 486/10 - Rn. 36). Einen dem Geschädigten nicht bekannten Anspruch hätte dieser auch in Kenntnis der Ausschlussfrist nicht geltend machen können.

22bb) Dass die Entgeltansprüche auch bei ordnungsgemäßem Nachweis der Ausschlussfrist verfallen wären, wird im Übrigen durch das eigene Verhalten des Klägers bestätigt. Der Kläger hat die Differenzvergütungsansprüche für die Zeit vor dem auch nicht in unverjährter Zeit eingeklagt, sondern erst im Jahr 2016 klageweise geltend gemacht. Dies spricht dafür, dass er die Ansprüche auch in Kenntnis der Ausschlussfrist nicht rechtzeitig geltend gemacht hätte.

23c) Der Annahme, dass es an einem adäquat-kausalen Zusammenhang zwischen der Verletzung der Nachweispflicht durch die Beklagte und dem Verfall der Entgeltansprüche fehlt, steht - entgegen der Rechtsauffassung des Klägers - nicht die in § 72 Abs. 5 ArbGG iVm. § 563 Abs. 2 ZPO getroffene Regelung entgegen. Der erkennende Senat ist insoweit nicht durch das vorangegangene - 6 AZR 465/18 - BAGE 168, 254) an dieser rechtlichen Beurteilung gehindert.

24aa) Nach § 72 Abs. 5 ArbGG iVm. § 563 Abs. 2 ZPO hat das Landesarbeitsgericht die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung seines früheren Berufungsurteils durch das Bundesarbeitsgericht zugrunde gelegen hat, seiner neuen Entscheidung zugrunde zu legen. Damit soll vermieden werden, die endgültige Entscheidung dadurch zu verzögern oder sogar zu verhindern, dass die Sache mehrfach zwischen Berufungs- und Revisionsgericht wechselt, weil keines der beiden Gerichte seine Rechtsauffassung ändert ( - Rn. 21;  GmS-OGB 1/72 - zu 4 der Gründe, BGHZ 60, 392). Gelangt eine nach § 563 Abs. 1 ZPO zurückverwiesene Sache erneut vor das Revisionsgericht, so ist dieses in gleicher Weise gebunden wie nach § 563 Abs. 2 ZPO das Berufungsgericht (vgl.  GmS-OGB 1/72 - aaO;  - Rn. 9; Musielak/Voit/Ball ZPO 19. Aufl. § 563 Rn. 14).

25Die Bindungswirkung bei Zurückverweisungen ist auf die ratio decidendi - die tragende Begründung - des Revisionsurteils beschränkt. Das können nur Ausführungen sein, mit denen das Revisionsgericht die Rechtsauffassung der Vorinstanz verwirft ( - Rn. 15; - 3 AZR 960/13 - Rn. 20, BAGE 154, 144).

26bb) Danach hat das Bundesarbeitsgericht in seinem Urteil vom (- 6 AZR 465/18 - BAGE 168, 254) keine nach § 72 Abs. 5 ArbGG iVm. § 563 Abs. 2 ZPO bindende rechtliche Beurteilung in Bezug auf das Vorliegen bzw. Nichtvorliegen eines adäquat-kausalen Zusammenhangs zwischen der Pflichtverletzung der Beklagten und dem Schaden des Klägers vorgenommen. Das Bundesarbeitsgericht hat das Berufungsurteil vielmehr mit der Begründung aufgehoben, das Landesarbeitsgericht sei rechtsfehlerhaft davon ausgegangen, die Küsterprüfung sei eine der Küstertätigkeit förderliche Berufs- oder Fachausbildung iSd. Vergütungsgruppe K VIII Fallgruppe 3.1.6 der Anlage 1 zur KAVO aF. Ob der Kläger neben der Küsterprüfung über eine der Küstertätigkeit förderliche abgeschlossene Berufs- oder Fachausbildung verfüge, könne der Senat mangels Feststellungen zur Qualifikation des Klägers nicht beurteilen ( - Rn. 26 f., aaO). Die Begründung, mit der das Bundesarbeitsgericht das Berufungsurteil aufgehoben hat, bezog sich demnach auf den inzwischen nicht mehr streitgegenständlichen primären Entgeltanspruch. Soweit das Bundesarbeitsgericht in seinem Urteil vom (- 6 AZR 465/18 - aaO) die Möglichkeit eines sekundären Schadensersatzanspruchs erörtert hat, handelt es sich nicht um Ausführungen, die die Aufhebung tragen und damit bindend sind iSv. § 72 Abs. 5 ArbGG iVm. § 563 Abs. 2 ZPO. Zur Frage eines adäquat-kausalen Zusammenhangs zwischen dem unterlassenen Nachweis der Ausschlussfrist durch die Beklagte und einem durch den Verfall der Entgeltansprüche entstandenen Schaden des Klägers enthält dieses Urteil des Bundesarbeitsgerichts keine bindende Aussage.

27II. Der Kläger hat auch keinen Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte aus § 823 Abs. 2 BGB iVm. § 2 NachwG aF. Bei § 2 NachwG aF handelt es sich nicht um ein Schutzgesetz iSv. § 823 Abs. 2 BGB ( - Rn. 69; - 5 AZR 89/01 - zu III 5 der Gründe, BAGE 101, 75).

28III. Soweit der Kläger ursprünglich Ansprüche auf Schadensersatz aus § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB iVm. § 8 TVG bzw. § 823 Abs. 2 BGB iVm. § 8 TVG geltend gemacht hat, sind diese in der Revision nicht zur Entscheidung durch den Senat angefallen. Es kann deshalb offenbleiben, ob § 8 TVG, wonach der Arbeitgeber verpflichtet ist, die im Betrieb anwendbaren Tarifverträge im Betrieb bekanntzumachen, auf kirchliche Arbeitsrechtsregelungen analog angewendet werden kann (offenlassend  - Rn. 41, BAGE 168, 254). Ebenso kann dahinstehen, ob § 8 TVG ein Schutzgesetz iSv. § 823 Abs. 2 BGB ist oder eine bloße Ordnungsvorschrift (offenlassend  - Rn. 20).

291. Mögliche Ansprüche auf Schadensersatz aus § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB iVm. § 8 TVG oder § 823 Abs. 2 BGB iVm. § 8 TVG bilden einen anderen Streitgegenstand als Schadensersatzansprüche nach § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB wegen Verletzung der Nachweispflicht aus § 2 Abs. 1 Satz 1 NachwG aF. Das ergibt sich aus dem Umstand, dass einem möglichen Verstoß gegen § 8 TVG ein anderer Lebenssachverhalt zugrunde liegt als einer Verletzung der Nachweispflicht aus § 2 Abs. 1 Satz 1 NachwG aF. Wenn den unterschiedlichen Ansprüchen unterschiedliche Lebenssachverhalte zugrunde liegen, sind verschiedene Streitgegenstände gegeben (vgl. etwa  - Rn. 12; - 8 AZR 120/20 - Rn. 45).

302. Das Arbeitsgericht sowie das Landesarbeitsgericht in seinem (ersten) Urteil vom (- 3 Sa 144/17 -) haben Ansprüche aufgrund einer möglichen Verletzung von § 8 TVG aberkannt. Das - 6 AZR 465/18 - BAGE 168, 254) mögliche Ansprüche wegen einer Verletzung von § 8 TVG nicht mehr geprüft, sondern diese Bestimmung lediglich im Zusammenhang mit der Prüfung der Rechtsmissbräuchlichkeit der Berufung auf die Ausschlussfrist erwähnt. Nach Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht hat dieses Schadensersatzansprüche wegen einer möglichen Verletzung von § 8 TVG in dem nunmehr angefochtenen Urteil nicht mehr geprüft. Der Kläger hat sich zuletzt auch nicht mehr auf eine Verletzung von § 8 TVG berufen. Damit ist dieser Streitgegenstand in der Revisionsinstanz nicht zur Entscheidung angefallen.

31IV. Ein möglicher Anspruch auf Schadensersatz aus § 280 Abs. 1 BGB iVm. § 108 GewO bzw. § 29 Abs. 7 KAVO ist aus diesen Gründen ebenfalls in der Revisionsinstanz nicht zur Entscheidung angefallen. Im Übrigen bezweckt § 108 GewO die Information über die erfolgte Zahlung ( (A) - Rn. 39; - 5 AZR 567/14 - Rn. 35 f., BAGE 154, 8). Die Bestimmung dient nicht der Vorbereitung eines Zahlungsanspruchs ( - Rn. 17; - 5 AZR 665/06 - Rn. 18, BAGE 120, 373).

32V. Ebenfalls in der Revisionsinstanz nicht zur Entscheidung angefallen ist ein möglicher Anspruch des Klägers auf Schadensersatz wegen unterlassener Aufklärung durch die Beklagte darüber, dass die Voraussetzungen des Bewährungsaufstiegs vorlagen. Für einen etwaigen Schadensersatzanspruch aus § 280 Abs. 1 iVm. § 241 Abs. 2 BGB wegen unterlassener Aufklärung über das Vorliegen der Voraussetzungen für einen Bewährungsaufstieg fehlt es im Übrigen an einer Pflicht der Beklagten, insoweit die Vermögensinteressen des Klägers wahrzunehmen (vgl.  - Rn. 20; - 6 AZR 349/14 - Rn. 26). Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte dem Kläger falsche oder unvollständige Angaben zu seiner Eingruppierung erteilt hat, sind nicht festgestellt.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2022:220922.U.8AZR4.21.0

Fundstelle(n):
BB 2023 S. 307 Nr. 6
DB 2023 S. 1291 Nr. 21
DB 2023 S. 1291 Nr. 21
DB 2023 S. 650 Nr. 11
NJW 2023 S. 708 Nr. 10
NWB-Eilnachricht Nr. 32/2023 S. 2216
NWB-Eilnachricht Nr. 32/2023 S. 2216
XAAAJ-31633