BGH Beschluss v. - 4 StR 263/22

Strafverfahren: Hinreichende Bestimmtheit eines Beweisantrags; Ablehnung eines Beweisantrags auf Vernehmung eines Auslandszeugen

Gesetze: § 244 Abs 2 StPO, § 244 Abs 3 S 1 StPO, § 244 Abs 5 S 2 StPO

Instanzenzug: LG Essen Az: 26 KLs 34/19

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten K.    K.      unter Freisprechung im Übrigen wegen „unerlaubten“ Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt, von der wegen überlanger Verfahrensdauer sechs Monate als vollstreckt gelten. Die Angeklagte L.   K.      hat das Landgericht wegen Beihilfe zum „unerlaubten“ Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat und von der wegen überlanger Verfahrensdauer sechs Monate als vollstreckt gelten. Ferner hat das Landgericht gegen beide Angeklagte Einziehungsentscheidungen getroffen.

2Hiergegen richten sich die Revisionen der Angeklagten, die der Angeklagte K.    K.      auf Verfahrensbeanstandungen und beide Angeklagte auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts stützen.

3Die Revision des Angeklagten K.    K.      hat mit einer Verfahrensrüge Erfolg. Auf seine weiteren Verfahrensrügen und seine Sachrüge kommt es damit nicht an. Die Revision der Angeklagten L.   K.      ist unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

I.

4Nach den Feststellungen errichtete und betrieb der Angeklagte K.   K.      von 2018 bis 2019 in einer unbewohnten Doppelhaushälfte in E.    eine Plantage zur Aufzucht von Cannabispflanzen. Seine Ehefrau, die Angeklagte L.    K.      , hatte zuvor in Absprache mit ihm an dem Grundstück ein Erbbaurecht erworben, um ihm das Haus für die Plantage zur Verfügung zu stellen. Durch zwei Ernten im Oktober 2018 und Juni 2019 erzielte der Angeklagte einen Ertrag von insgesamt 66 kg Marihuana mit einem Wirkstoffgehalt von 7 % THC, für die er einen Erlös von 279.000 Euro vereinnahmte. Eine dritte Ernte hätte mindestens 30 kg Marihuana erbracht, doch wurden die noch unreifen Pflanzen im Juli 2019 von der Polizei sichergestellt.

II.

5Der Angeklagte K.    K.     beanstandet zu Recht die fehlerhafte Ablehnung eines Beweisantrags.

61. Dem liegt nach dem Revisionsvorbringen und dem Urteilsinhalt, den das Revisionsgericht ergänzend berücksichtigen kann, wenn – wie hier – die Sachrüge erhoben ist (; Beschluss vom – 2 StR 510/07), folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:

7a) Der Angeklagte K.    K.      bestritt in der Hauptverhandlung, in dem Haus eine Cannabisplantage betrieben zu haben. Er habe das Haus von Ende 2016 bis Anfang 2019 in seinem Besitz gehabt und zeitweise renoviert. Seit dem sei das Haus an einen Schwager vermietet gewesen, der alle Schlüssel erhalten und nach seinen Angaben ihm – dem Angeklagten – gegenüber das Haus ab Ende Mai oder Anfang Juni 2019 an Personen aus den Niederlanden untervermietet habe.

8b) Der Verteidiger des Angeklagten K.    K.     beantragte in der Hauptverhandlung, drei namentlich benannte Personen mit Anschrift in den Niederlanden unter Zusicherung freien Geleits als Zeugen zu vernehmen, hilfsweise, sie im Wege der Rechtshilfe durch einen ersuchten Richter in den Niederlanden vernehmen zu lassen. Der Antrag hatte insbesondere die Beweisbehauptungen zum Gegenstand, die benannten Zeugen hätten im ersten Halbjahr 2019, nicht vor dem , die bei der polizeilichen Durchsuchung im Juli 2019 aufgefundene Cannabis-Plantage aufgebaut und Marihuana-Pflanzen „eingebracht“.

9Bei den polizeilichen Ermittlungen waren DNA-Spuren in dem Haus gefunden worden, die mittels einer niederländischen Datenbank den in dem Antrag benannten Zeugen zugeordnet werden konnten. Einer der Zeugen war in den Niederlanden wegen Betäubungsmitteldelikten vorbestraft; gegen einen weiteren war ein Verfahren wegen „Hanfanbaus“ eingestellt worden.

10Das Landgericht lehnte den Antrag ab. Es handele sich mangels hinreichend bestimmter Bezeichnung der Beweistatsachen um einen Beweisermittlungsantrag, dem nachzukommen die Aufklärungspflicht nicht gebiete. Hilfsweise hat das Landgericht angenommen, dass der Antrag aber auch dann abzulehnen wäre, wenn er als Beweisantrag zu beurteilen sein sollte, da die Vernehmung der im Ausland zu ladenden Zeugen zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich sei (§ 244 Abs. 5 Satz 2 StPO). Ihre Vernehmung sei voraussichtlich unergiebig, weil sie wegen der Gefahr eigener Strafverfolgung „kaum“ zu einer Aussage bereit sein würden und ihnen ein „Aussageverweigerungsrecht“ gemäß § 55 StPO zustehe. Der Beweiswert etwaiger Aussagen wäre wegen der möglichen eigenen Strafverfolgung gering. Im Übrigen bestehe kein Anhaltspunkt, dass die Zeugen die Beweisbehauptung bestätigen würden. Andernfalls würde ihnen die Kammer keinen Glauben schenken, da es bei einer Gesamtwürdigung wenig wahrscheinlich sei, dass die Zeugen für den Aufbau der Plantage aus den Niederlanden angereist seien. Allenfalls hätten sie bei der Ernte geholfen.

112. Die Verfahrensrüge ist nach § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO zulässig ausgeführt. Unschädlich ist, dass die Revisionsbegründung die in dem Beweisantrag in Bezug genommenen Lichtbilder der Cannabis-Plantage nur zum Teil vorgelegt hat. Denn der Senat kann die Schlüssigkeit der Rüge ohne Kenntnis der fehlenden Fotos beurteilen, weil die abgebildeten Einzelheiten weder zum Verständnis des Beweisantrags noch des Ablehnungsbeschlusses erforderlich sind.

123. Die Verfahrensrüge ist auch begründet. Das Landgericht hat den Antrag mit rechtsfehlerhafter Begründung abgelehnt und dadurch seine Aufklärungspflicht verletzt.

13a) Der Antrag ist entgegen der Auffassung des Landgerichts als Beweisantrag im Sinne des § 244 Abs. 3 Satz 1 StPO zu qualifizieren. Zur bestimmten Bezeichnung konkreter Tatsachen reichte es vorliegend aus, die unter Beweis gestellten Tätigkeiten der Zeugen als „Aufbauen“ der Plantage sowie als „Einbringen“ der Cannabis-Pflanzen zu benennen. Angesichts eines unter Beweis gestellten komplexen, mehraktigen Tuns der Zeugen sind solche schlagwortartigen Verkürzungen zulässig, wenn sie – wie hier – den zu beweisenden Vorgang in seinen entscheidungserheblichen Umrissen hinreichend deutlich werden lassen (vgl. ; Becker in Löwe-Rosenberg, StPO, 27. Aufl., § 244 Rn. 98; Bachler in BeckOK-StPO, 45. Ed., § 244 Rn. 17). Eine umfangreiche Beschreibung der Tätigkeiten war damit ebenso wenig erforderlich wie die – hier ohnehin kaum mögliche – Zuordnung einzelner Teilakte zu bestimmten Zeugen. Einer genaueren zeitlichen Eingrenzung der Tätigkeiten als auf den im Beweisantrag angegebenen Zeitraum zwischen dem 1. Februar und bedurfte es ebenfalls nicht, da sie von anderen Lebenssachverhalten bereits dadurch unterschieden werden konnten, dass sie sich auf den Aufbau einer bestimmten, im Beweisantrag bezeichneten und durch die in Bezug genommenen Lichtbilder näher dokumentierten Plantage bezogen.

14b) Die (vom Landgericht hilfsweise ausgeführte) Ablehnung des Antrags als Beweisantrag ist ebenfalls rechtsfehlerhaft.

15aa) Nach § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO kann ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Zeugen, dessen Ladung im Ausland zu bewirken wäre, abgelehnt werden, wenn dessen Anhörung nach pflichtgemäßer Beurteilung des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist. Ob die Ladung und Vernehmung eines Auslandszeugen geboten ist, richtet sich mithin – insoweit nicht anders als bei Annahme eines bloßen Beweisermittlungsantrags – nach der Aufklärungspflicht des Gerichts im Sinne des § 244 Abs. 2 StPO (, NStZ 2017, 96; Beschluss vom – 3 StR 451/09, jeweils mwN). Ob das Gebot des § 244 Abs. 2 StPO, die Beweisaufnahme zur Erforschung der Wahrheit auf alle entscheidungsrelevanten Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, es gebietet, dem Beweisantrag auf Vernehmung eines Auslandszeugen nachzukommen, kann nur unter Berücksichtigung der jeweiligen Besonderheiten des Einzelfalles beurteilt werden. Allgemein gilt lediglich der Grundsatz, dass bei einem durch die bisherige Beweisaufnahme gesicherten Beweisergebnis auf breiter Beweisgrundlage eher von der Vernehmung des Auslandszeugen abgesehen werden kann. Dagegen wird die Vernehmung des Auslandszeugen umso eher notwendig sein, je ungesicherter das bisherige Beweisergebnis erscheint, je größer die Unwägbarkeiten sind und je mehr Zweifel hinsichtlich des Werts der bisher erhobenen Beweise überwunden werden müssen.

16In die gebotene Abwägung hat das Tatgericht – vor dem Hintergrund der bisherigen Beweislage – des Weiteren die Bedeutung und den Beweiswert der Aussage des benannten Zeugen einzustellen. Dabei kommt der Aussage ein besonderes Gewicht zu, wenn der Auslandszeuge Vorgänge bekunden soll, die für den Schuldvorwurf von zentraler Bedeutung sind (vgl. zum Ganzen ; Beschluss vom – 3 StR 144/18; Urteil vom – 4 StR 445/13; Beschluss vom – 3 StR 374/06; Becker in LR-StPO, 27. Aufl., § 244 Rn. 357). Bei der Bemessung des Beweiswertes der Aussage ist das Tatgericht von dem Verbot der Beweisantizipation befreit und darf seine Entscheidung davon abhängig machen, welche Ergebnisse von der beantragten Beweisaufnahme zu erwarten sind und wie diese zu erwartenden Ergebnisse zu würdigen wären. Kommt es unter Berücksichtigung sowohl des Vorbringens zur Begründung des Beweisantrags als auch der in der bisherigen Beweisaufnahme angefallenen Erkenntnisse zu dem Ergebnis, dass ein Einfluss auf seine Überzeugung auch dann sicher ausgeschlossen ist, wenn der benannte Zeuge die in sein Wissen gestellte Behauptung bestätigen werde, ist eine Ablehnung des Beweisantrags rechtlich nicht zu beanstanden (st. Rspr.; vgl. ; Beschluss vom – 3 StR 144/18; Urteil vom – 4 StR 445/13; Urteil vom – 1 StR 745/93, BGHSt 40, 60, 62; vgl. näher Thörnich, Der Auslandszeuge im Strafprozess, 2020, S. 547 ff.).

17Neben der antizipierenden Würdigung des Inhalts einer Aussage des Zeugen kann die Ablehnung eines auf Vernehmung eines Auslandszeugen gerichteten Beweisantrags im Einzelfall auch dadurch gerechtfertigt sein, dass der Beweiswert des Zeugen wegen der voraussichtlichen Unergiebigkeit seiner Aussage oder der Unerreichbarkeit des Zeugen gering ist. Hierzu zählen grundsätzlich auch solche Fallgestaltungen, in denen der Aufenthalt eines Zeugen zwar bekannt, aber damit zu rechnen ist, dass er entweder einer Ladung nicht folgen oder im Falle seines Erscheinens keine Angaben zur Sache machen werde. Dies gilt insbesondere für Zeugen, die der Beteiligung an der Tat verdächtig sind und denen deswegen ein Auskunftsverweigerungsrecht nach § 55 StPO zusteht (; Beschluss vom – 5 StR 401/13; Beschluss vom – 3 StR 506/01; Becker in Löwe-Rosenberg, StPO, 27. Aufl., § 244 Rn. 357).

18Auch hierbei handelt es sich aber um Gesichtspunkte, die nicht isoliert gewürdigt werden dürfen, sondern lediglich im Rahmen der gebotenen Gesamtabwägung im Einzelfall unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit Berücksichtigung finden können, wobei der Bedeutung und dem Beweiswert des Zeugenbeweises vor dem Hintergrund der bisherigen Beweisaufnahme der zeitliche und organisatorische Aufwand einer Aufklärungsmaßnahme und die damit verbundenen Nachteile durch die Verzögerung des Verfahrens gegenüberzustellen sind (vgl. , NStZ 2002, 653, 654 mwN; zur erforderlichen Gesamtwürdigung auch , NStZ 2014, 469, 471; zur Abwägung bei besonderer Beweislage auch , NStZ 2014, 51).

19bb) In dem für die Ablehnung eines auf die Vernehmung eines Auslandszeugen gerichteten Beweisantrags erforderlichen Gerichtsbeschluss (§ 244 Abs. 6 Satz 1 StPO) müssen die maßgeblichen Erwägungen schließlich so umfassend dargelegt werden, dass es dem Antragsteller möglich wird, seine Verteidigung auf die neue Verfahrenslage einzustellen, und das Revisionsgericht überprüfen kann, ob die Antragsablehnung auf einer rational nachvollziehbaren, die wesentlichen Gesichtspunkte des Einzelfalles erkennbar berücksichtigenden Argumentation beruht (; Beschluss vom – 3 StR 144/18; Urteil vom – 4 StR 445/13; Urteil vom – 1 StR 745/93, BGHSt 40, 60, 62; Becker in Löwe-Rosenberg, StPO, 27. Aufl., § 244 Rn. 357).

20cc) Diesen Maßstäben entspricht der von der Revision angegriffene Ablehnungsbeschluss in mehrfacher Hinsicht nicht.

21(1) Er ist ermessensfehlerhaft, weil das Landgericht die Ablehnung allein auf die Annahme gestützt hat, eine Vernehmung der Zeugen wäre voraussichtlich unergiebig, jedenfalls aber nicht beweiskräftig. Die erforderliche Gesamtwürdigung, ob es die Aufklärungspflicht gemäß § 244 Abs. 2 StPO vor dem Hintergrund des bisherigen Beweisergebnisses gebot, trotz eines möglicherweise geringen Beweiswerts ihrer Aussagen die Aussagebereitschaft der Zeugen freibeweislich zu ermitteln und sie gegebenenfalls zu vernehmen, fehlt vollständig.

22(2) Die Erwägungen, mit denen das Landgericht etwaigen Aussagen der Zeugen eine erhebliche Beweisbedeutung abgesprochen hat, begegnen zudem auch für sich genommen rechtlichen Bedenken. Nicht nachvollziehbar und rechtsfehlerhaft ist zum einen die Annahme des Landgerichts, der Beweiswert einer Aussage der benannten Zeugen wäre wegen der diesen drohenden Gefahr, sich selbst der Strafverfolgung auszusetzen, gering. Denn ein solcher Schluss wäre jedenfalls dann nicht ohne weiteres zu ziehen, wenn die Zeugen die im Antrag enthaltenen Beweisbehauptungen bestätigen und damit eine eigene Strafbarkeit einräumen sollten. Zum anderen lassen die Gründe des Ablehnungsbeschlusses besorgen, dass das Landgericht das Ziel der beantragten Beweisaufnahme verkannt und ihre Bedeutung für eine Entlastung des Angeklagten unterschätzt hat, indem es offenbar zugrunde gelegt hat, die Verteidigung wolle nachweisen, dass die benannten Zeugen dem Angeklagten in dem genannten Zeitraum beim Aufbau der Plantage geholfen hätten. Eine solche Auslegung findet in der Antragsbegründung jedoch keine Stütze und liegt auch mit Blick auf das Einlassungsverhalten und die Interessenlage des Angeklagten nicht nahe: Der Angeklagte hatte in der Hauptverhandlung die ihm vorgeworfenen Taten bestritten, seinen „Besitz“ an dem Plantagengrundstück ab dem mit Blick auf die Vermietung in Abrede gestellt und weiter – vom Hörensagen – die Nutzung des Hauses durch Personen aus den Niederlanden in diesem Zeitraum behauptet. Der Nachweis, dass er die Hilfe Dritter in Anspruch genommen habe, hätte ihn von den Tatvorwürfen nicht entlastet, sondern ihn unter Umständen sogar dem Verdacht einer bandenmäßigen Begehung der Straftaten (§ 30a Abs. 1 BtMG) ausgesetzt. Daher waren die drei Zeugen naheliegend nicht als Helfer, sondern als mögliche Alternativtäter der dem Angeklagten seit dem vorgeworfenen Taten benannt. Ihre Aussagen waren im Fall der Bestätigung der so verstandenen Beweisbehauptungen grundsätzlich geeignet, den Angeklagten zu entlasten und die für seine Täterschaft sprechenden Indizien zu entkräften.

23c) Das Urteil beruht auf dem Rechtsfehler. Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Landgericht zu einer anderen Würdigung der Beweise gelangt wäre, wenn die Zeugen die in ihr Wissen gestellten Tatsachen bestätigt hätten. Er hebt das angefochtene Urteil daher auf, soweit der Angeklagte verurteilt worden ist. Dies gilt auch für die Tat zu Ziffer II.1. der Urteilsgründe, die der Angeklagte den Feststellungen zufolge im Jahr 2018 und damit vor dem Zeitraum beging, auf den sich der Beweisantrag bezieht. Denn das Landgericht hat aus den Beweismitteln, die bei der Durchsuchung im Juli 2019 aufgefunden worden sind und die es für den Beweis der Täterschaft der Taten nach dem herangezogen hat, Rückschlüsse auch auf die Tat im Jahr 2018 gezogen. Infolge dieses einheitlichen Beweisgebäudes gründet der Nachweis der Täterschaft dieser Tat zumindest auch auf der Annahme, der Angeklagte habe die späteren Taten begangen.

III.

24Die Revision der Angeklagten L.    K.      ist offensichtlich unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO). Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung hat keinen Rechtsfehler zu ihrem Nachteil ergeben. Insbesondere ist die Einziehung des ihr zustehenden Erbbaurechts als Tatmittel aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Das Landgericht hat sie rechtsfehlerfrei auf § 74 Abs. 1 StGB gestützt.

251. Das Erbbaurecht als Recht an einem Grundstück (vgl. näher zu seiner Rechtsnatur , FGPrax 2019, 6; Heinemann in MüKo-BGB, 8. Aufl., § 1 ErbbauRG Rn. 4 f.; Ingenstau/Hustedt, ErbbauRG, 12. Aufl., § 1 Rn. 5 ff., § 12 Rn. 3 ff.; Nagel, ErbbauRG, 1. Aufl., § 1 Rn. 108 ff., § 12 Rn. 6 ff.), ist ein taugliches Einziehungsobjekt. Denn als Gegenstände im Sinne des § 74 Abs. 1 StGB können außer Sachen, deren Einziehung Volleigentum des Täters oder Teilnehmers an ihnen voraussetzt (vgl. § 74 Abs. 3 StGB: „gehören“; bereits zu § 40 Abs. 2 Nr. 1 aF , BGHSt 24, 222, 225; vgl. auch Lohse in LK-StGB, 13. Aufl., § 74 Rn. 31 ff. mwN, auch zur Gegenauffassung), auch Rechte eingezogen werden, wie sich aus dem systematischen Zusammenhang der Vorschrift (vgl. § 74 Abs. 3 StGB: „zustehen“, § 75 Abs. 1 StGB) und ihrer Entstehungsgeschichte (vgl. BT-Drucks. V/1319, S. 53 zu § 40 StGB aF; ausführlich Lohse in LK-StGB, 13. Aufl., vor § 73 Rn. 4 ff.) ergibt (st. Rspr.; vgl. zuletzt ).

262. Das Erbbaurecht ist zur Begehung der Tat, an der die Angeklagte L.   K.       beteiligt war, gebraucht worden und damit Tatmittel im Sinne des § 74 Abs. 1 StGB.

27a) Zur Begehung einer Tat gebraucht worden oder bestimmt gewesen ist allerdings nicht jeder Gegenstand, der zu der Tat irgendeine räumliche oder zeitliche Verbindung hat. Die Benutzung eines Gegenstandes nur bei Gelegenheit der Begehung einer Straftat reicht nicht aus. Erforderlich ist darüber hinaus, dass sein Gebrauch gezielt die Verwirklichung des deliktischen Vorhabens fördert bzw. nach der Planung des Täters fördern soll (; Beschluss vom – 3 StR 165/02; vgl. Heine in SSW-StGB, 5. Aufl., § 74 Rn. 79; Burr, NStZ 2006, 226, 227). Diese Voraussetzung wird zunächst – in tatsächlicher Hinsicht – durch das Haus ebenso wie durch das – allerdings nicht im Eigentum der Angeklagten stehende – Grundstück erfüllt, da es ausschließlich zum Betrieb der Cannabis-Plantage vorgesehen war und der Tatplan des Indoor-Anbaus von Cannabis nur in geeigneten Räumen umgesetzt werden konnte (vgl. zur Einziehung von Grundstücken, auf denen Cannabis-Plantagen errichtet worden sind, bereits ; Beschluss vom – 2 StR 243/15; anders , NStZ 2006, 225 zur Einziehung eines Grundstücks, das zur Veranstaltung unerlaubter Glücksspiele genutzt worden ist).

28b) Das Landgericht hat dennoch zutreffend nicht das Haus als Sache eingezogen. Dieses steht zwar im Eigentum der Angeklagten L.    K.      als Erbbauberechtigter an dem Grundstück, und zwar nach der im Schrifttum ganz überwiegend vertretenen Auffassung selbst dann, wenn das Gebäude schon vor der Entstehung des Erbbaurechts errichtet worden sein sollte (vgl. nur Heinemann in MüKo-BGB, 8. Aufl., § 12 ErbbauRG Rn. 7; Rapp in Staudinger, BGB, Neubearb. 2017, § 12 ErbbauRG Rn. 11, jew. mwN). Es unterliegt gleichwohl nicht der Sacheinziehung. Denn das Gebäude ist gemäß § 12 Abs. 1 ErbbauRG wesentlicher Bestandteil des Erbbaurechts und daher nicht sonderrechtsfähig, so dass eine gesonderte Übertragung des Eigentums an ihm und damit auch ein Übergang desselben auf den Staat nach § 75 Abs. 1 StGB nicht möglich ist (vgl. Heinemann, aaO).

29c) Zu Recht hat das Landgericht daher stattdessen das Erbbaurecht der Angeklagten an dem Grundstück eingezogen. Denn das für die Cannabis-Plantage benutzte Haus war infolge seiner Eigenschaft als wesentlicher Bestandteil des Erbbaurechts so eng mit diesem verknüpft, dass sich der Gebrauch des Hauses zugleich als Gebrauch des Erbbaurechts im Sinne von § 74 Abs. 1 StGB darstellte.

30aa) Der diesem Ergebnis entgegenstehenden Auffassung, Tatobjekt sei bei tatsächlichem Einsatz einer Sache allein diese selbst und nicht ein an ihr bestehendes Recht (vgl. in diesem Sinn zum Anwartschaftsrecht Meyer, JR 1972, 385, 386 [krit. Anm. zu , BGHSt 24, 222]; Saliger in NK-StGB, 5. Aufl., § 74 Rn. 25) – hier also außer dem rechtlich unselbständigen Gebäude allenfalls noch das Grundstück, welches aber im Eigentum eines tatunbeteiligten Dritten steht (§ 74 Abs. 3 StGB) ‒, vermag der Senat nicht zu folgen. Es entspricht vielmehr der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, von der abzuweichen kein Anlass besteht, dass jedenfalls solche dinglichen Rechte, die an der zur Tatbegehung (körperlich) verwendeten Sache bestehen und dabei dem Volleigentum (§ 903 BGB) rechtlich angenähert sind, statt der Sache als Tatobjekte eingezogen werden können (vgl. zum Anwartschaftsrechts an einer beweglichen Sache , BGHSt 25, 10, 11 f. [zu § 40 StGB aF]; Urteil vom – 4 StR 307/98, NStZ-RR 1999, 11; zum Miteigentumsanteil , NStZ 1991, 496; vgl. auch , NJW 1974, 709, 711 [zu § 40a StGB aF]). Die Rechtfertigung hierfür liegt darin, dass derartige Rechte ihrem Inhaber eine Herrschaft über die Sache vermitteln, die derjenigen des Eigentümers – jedenfalls im Hinblick auf die Möglichkeit des deliktischen Einsatzes der Sache – nicht wesentlich nachsteht. Infolgedessen bildet eine solche Rechtsposition des Täters oder Teilnehmers an der Sache mit dieser eine dem Volleigentum angenäherte „innere Einheit“, die sich einziehungsrechtlich dahin auswirkt, dass neben der tatsächlich für die Tatbegehung gebrauchten Sache auch das an ihr bestehende Recht als tatverstrickt anzusehen ist (so [zum Miteigentum] OLG Karlsruhe, aaO; K. Schäfer in FS Dreher, 1977, S. 283, 303 [zum Anwartschaftsrecht]).

31bb) Das Erbbaurecht der Angeklagten an dem Grundstück, auf welchem das Plantagengebäude steht, ist ein derartiges Recht. Es steht rechtlich der Sache selbst, d.h. dem Volleigentum an dem Grundstück, in sehr weitem Umfang gleich (§ 11 Abs. 1 ErbbauRG) und wird daher zutreffend als grundstücksgleiches Recht, gar als Grundstück im Rechtssinne, qualifiziert (vgl. Toussaint in BeckOGK-BGB, Stand , § 1 ErbbauRG Rn. 73; Rapp in Staudinger, BGB, Neubearb. 2017, § 11 ErbbauRG Rn. 2). Gerade in der typischen und auch hier gegebenen Fallgestaltung, in der das Erbbaurecht an einem bebauten Grundstück besteht, vermittelt es dem Berechtigten, der gleichzeitig Eigentümer des Gebäudes ist, eine (bezüglich des deliktischen Gebrauchs) dem Eigentümer des Grundstücks wenigstens nicht unterlegene Herrschaftsgewalt an demselben. Es wäre daher auch wertungsmäßig nicht einzusehen, einen Erbbauberechtigten gegenüber einem dieselbe Sache für eine Straftat gebrauchenden Volleigentümer zu privilegieren, indem jenem sein Recht belassen, es diesem aber entzogen würde (so – zum Anwartschaftsrecht – bereits , BGHSt 25, 10, 12).

323. Das Landgericht hat auch sein Ermessen ausgeübt und die Verhältnismäßigkeit der Einziehung gemäß § 74f Abs. 1 StGB rechtsfehlerfrei bejaht.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2022:241122B4STR263.22.0

Fundstelle(n):
HAAAJ-31232