BGH Beschluss v. - VIa ZR 544/21

Instanzenzug: Az: 9 U 171/21vorgehend LG Rottweil Az: 4 O 53/20

Gründe

I.

1Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung im Zusammenhang mit der Abgasrückführung auf Schadensersatz in Anspruch.

2Die Klägerin erwarb im April 2015 von einem Fahrzeughändler einen neuen VW Tiguan 2.0 TDI 4Motion zum Preis von 34.009,34 €. Das Fahrzeug ist mit einem von der Beklagten entwickelten Dieselmotor der Baureihe EA 189 ausgestattet. Der Motor verfügte über eine Software, die erkannte, ob das Fahrzeug auf einem Prüfstand dem Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) unterzogen wurde. In diesem Fall schaltete sie in einen Abgasrückführungsmodus mit einem optimierten Stickoxidausstoß, der die Einhaltung des gesetzlich vorgeschriebenen Grenzwerts gewährleistete. Im normalen Fahrbetrieb wurde dagegen ein Betriebsmodus aktiviert, der zu einem höheren Stickoxidausstoß führte.

3Die Klägerin hat in erster Instanz zuletzt beantragt, die Beklagte zur Zahlung von 34.009 € nebst Zinsen Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Fahrzeugs zu verurteilen (Antrag zu 1), hilfsweise festzustellen, dass die Beklagte der Klägerin zum Schadensersatz verpflichtet sei (Antrag zu 2). Weiter hat die Klägerin die Feststellung begehrt, dass sich die Beklagte mit der Annahme des Fahrzeugs in Verzug befinde (Antrag zu 3) und dass der mit dem Antrag zu 1 geltend gemachte Anspruch aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung der Beklagten herrühre (Antrag zu 4). Schließlich hat sie die Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten begehrt (Antrag zu 5). Das Landgericht hat der Klage - einschließlich des Antrags zu 4 - im Wesentlichen stattgegeben und die Beklagte auf den Antrag zu 1 zur Zahlung von 23.393,39 € verurteilt.

4Die Beklagte hat gegen das landgerichtliche Urteil Berufung eingelegt, der sich die Klägerin angeschlossen und mit dem Antrag zu 1 zuletzt noch eine Verurteilung der Beklagten in Höhe von insgesamt 24.512,12 € erstrebt hat. In der diesen Betrag übersteigenden Höhe haben die Parteien den Rechtsstreit in Bezug auf den Antrag zu 1 übereinstimmend für erledigt erklärt. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels sowie der Anschlussberufung der Klägerin das Urteil des Landgerichts teilweise abgeändert und die Beklagte unter Zugrundelegung eines Anspruchs nach § 852 BGB zur Zahlung von 2.525 € nebst Zinsen Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Fahrzeugs verurteilt. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Die Revision hat es in den Entscheidungsgründen mit der Begründung zugelassen, es sei in der obergerichtlichen Rechtsprechung nicht geklärt, "inwieweit Aufwendungen auf zugrunde liegende Sachen zur Ermittlung des abzuschöpfenden Gewinns auch bei verschärfter Bereicherungshaftung abziehbar" seien.

5Gegen das Berufungsurteil haben zunächst beide Parteien Rechtsmittel eingelegt. Die Klägerin hat Revision eingelegt, soweit der Antrag zu 1 "in Höhe von bis 22.612,68 €" zuzüglich Rechtshängigkeitszinsen und der Antrag zu 4 abgewiesen worden sind. Vorsorglich hat sie "insbesondere hinsichtlich des abgewiesenen Antrags auf Feststellung, dass der dem Zahlungsantrag zugrunde liegende Anspruch aus einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung der Beklagten" herrühre, "auch die Nichtzulassungsbeschwerde aufrechterhalten". Die Beklagte hat ihre Revision zwischenzeitlich zurückgenommen.

II.

6Die Revision der Klägerin ist gemäß § 552 Abs. 1 ZPO als unzulässig zu verwerfen, soweit die Klägerin sich gegen die Abweisung des Antrags zu 4 wendet.

71. Die Revision ist zulässig, soweit die Klägerin eine Verurteilung der Beklagten "in Höhe von bis 22.612,68 €" erstrebt. Insbesondere liegt darin keine unzulässige Erweiterung des Antrags zu 1 (vgl. , NJW 1961, 1467 f.; Urteil vom - I ZR 85/11, juris Rn. 24 mwN), die insoweit die Verwerfung des Rechtsmittels gemäß § 552 ZPO zur Folge hätte (vgl. MünchKommZPO/Krüger, 6. Aufl., § 552 Rn. 2). Der Senat versteht das prozessuale Anliegen der Klägerin anders als die Revisionserwiderung so, dass die Klägerin den Antrag zu 1 nur in dem Umfang weiterverfolgt, als ihr Zahlungsbegehren in Höhe weiterer 20.987,68 € ohne Erfolg geblieben ist.

82. In Bezug auf den Antrag zu 4 hat das Berufungsgericht die Revision indessen nicht zugelassen.

9a) Eine Beschränkung der Revisionszulassung muss nicht in der Entscheidungsformel angeordnet sein. Hat das Berufungsgericht die Revision wegen einer Rechtsfrage zugelassen, die nur für einen eindeutig abgrenzbaren Teil des Streitstoffs von Bedeutung ist, kann die gebotene Auslegung der Gründe ergeben, dass die Zulassung der Revision auf diesen Teil des Streitstoffs beschränkt ist (, NJW-RR 2022, 306 Rn. 3; Beschluss vom - VIa ZR 122/21, WM 2022, 1077 Rn. 6; jeweils mwN).

10Ein solcher Fall ist hier gegeben. Das Berufungsgericht hat die Zulassung der Revision damit begründet, dass in der obergerichtlichen Rechtsprechung nicht geklärt sei, "inwieweit Aufwendungen auf zugrundeliegende Sachen zur Ermittlung des abzuschöpfenden Gewinns auch bei verschärfter Bereicherungshaftung abziehbar" seien. Diese Rechtsfrage betrifft die Höhe des der Klägerin vom Berufungsgericht zugesprochenen Anspruchs aus §§ 826, 852 Satz 1 BGB. Sie hat keinen Bezug zu der Entscheidung des Berufungsgerichts, der Klägerin fehle für den Antrag zu 4 das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse, weil sie durch die begehrte Feststellung weder insolvenzrechtliche noch vollstreckungsrechtliche Vorteile erreiche und im Hinblick auf § 393 BGB einen Vortrag vermissen lasse, wonach zu besorgen sei, dass die Beklagte eine zur Aufrechnung geeignete Forderung gegen die Klägerin haben könne. Somit ist mit der für eine Zulassungsbeschränkung erforderlichen Klarheit erkennbar, dass das Berufungsgericht die Revision jedenfalls hinsichtlich der mit dem Antrag zu 4 begehrten Feststellung nicht zulassen wollte.

11b) Die so verstandene Zulassungsbeschränkung ist wirksam. Eine Beschränkung der Revisionszulassung ist zulässig und damit wirksam, wenn der von der Zulassung erfasste Teil des Streitstoffs in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht unabhängig vom übrigen Prozessstoff beurteilt werden und auch nach einer möglichen Zurückverweisung der Sache kein Widerspruch zum unanfechtbaren Teil des Streitstoffs auftreten kann. Eine Beschränkung der Revisionszulassung auf einzelne Rechtsfragen, bestimmte Anspruchselemente oder einzelne von mehreren miteinander konkurrierenden Anspruchsgrundlagen ist unzulässig (vgl. VIa ZR 8/21, BGHZ 233, 16 Rn. 17; Urteil vom - VI ZR 1215/20, VersR 2022, 1034 Rn. 14; jeweils mwN).

12Nach diesem Maßstab konnte das Berufungsgericht die Revisionszulassung zwar nicht wirksam auf bestimmte, aus §§ 826, 852 Satz 1 BGB resultierende Rechtsfragen beschränken (vgl. VIa ZR 8/21, BGHZ 233, 16 Rn. 17 ff.). Die Zurückweisung der Berufung betreffend den Antrag zu 4 beruht jedoch auf Einwänden des Berufungsgerichts gegen dessen Zulässigkeit, die mit den tatbestandlichen Voraussetzungen eines Anspruchs aus §§ 826, 852 Satz 1 BGB und damit der Frage der Begründetheit der übrigen Klageanträge in keinem Zusammenhang stehen.

III.

13Die Revision gegen die Abweisung des Antrags zu 4 ist auch nicht auf die von der Klägerin vorsorglich zulässig (vgl. , juris Rn. 4) erhobene Nichtzulassungsbeschwerde zuzulassen. Die Rechtssache hat insoweit weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO).

14Die von der Klägerin zur Darlegung des Zulassungsgrunds der Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Fall 2 ZPO) angeführte Entscheidung des Bundesgerichtshofs zu dem nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderlichen rechtlichen Interesse an der Feststellung des Rechtsgrunds der unerlaubten Handlung (, NJW-RR 2022, 566) war zum Zeitpunkt der angefochtenen Entscheidung noch nicht ergangen. Anhaltspunkte dafür, das Berufungsgericht werde dieser höchstrichterlichen Rechtsprechung in Zukunft nicht folgen, sind weder vorgetragen noch ersichtlich (vgl. , NJW 2003, 2319, 2320; Beschluss vom - XI ZR 216/02, juris Rn. 2; Beschluss vom - VIa ZR 276/22, juris). Dass zum Zeitpunkt der Einlegung der Beschwerde am die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung gehabt hat, hat die Klägerin nicht hinreichend dargelegt (vgl. zu den Anforderungen , NJW 2020, 3312 Rn. 9 mwN).

15Von einer näheren Begründung wird gemäß § 544 Abs. 6 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist.

IV.

16Der Ausspruch über die Wirkung der Zurücknahme der Revision der Beklagten folgt aus § 565 Satz 1, 516 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1 ZPO.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2022:141122BVIAZR544.21.0

Fundstelle(n):
JAAAJ-31159