Instanzenzug: Az: 4 T 16/19vorgehend Az: 64 XIV 38/19 B
Gründe
1I. Der Betroffene, ein pakistanischer Staatsangehöriger, reiste im Jahr 2015 in das Bundesgebiet ein. Seinen unter einem falschen Namen gestellten Asylantrag lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) mit Bescheid vom als unbegründet ab. Ihm wurde zugleich die Abschiebung angedroht. Rechtsschutz vor den Verwaltungsgerichten blieb erfolglos. Nachdem ihm zwischenzeitlich eine bis zum befristete Duldung erteilt worden war, tauchte er nach Ablauf dieser Frist unter. Am stellte der Betroffene erneut unter Verwendung eines Aliasnamens einen Asylfolgeantrag.
2Mit Beschluss vom hat das Amtsgericht gegen den Betroffenen Abschiebungshaft bis zum angeordnet. Auf die dagegen eingelegte Beschwerde hat das festgestellt, dass der Beschluss des Amtsgerichts den Betroffenen in der Zeit vom 21. November bis zum in seinen Rechten verletzt hat. Im Übrigen hat es unter Zurückweisung der Beschwerde die Haftanordnung des Amtsgerichts aufrechterhalten. Mit der Rechtsbeschwerde macht der Betroffene, der am abgeschoben worden ist, geltend, dass sowohl der Beschluss des Amtsgerichts als auch der Beschluss des Landgerichts ihn auch in der Zeit vom bis zum in seinen Rechten verletzt haben.
3II. Die zulässige Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.
41. Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, der Haftanordnung des Amtsgerichts habe ein unzulässiger Haftantrag zugrunde gelegen. Die Behörde habe nicht wie erforderlich mitgeteilt, ob und wann mit einer Entscheidung des Bundesamts über den Asylfolgeantrag zu rechnen sei. Daher habe keine Prognose über die Durchführbarkeit der Abschiebung gestellt werden können. Das Beschwerdegericht habe am durch Nachfrage gegenüber dem Bundesamt ermitteln können, dass der Entscheider bereits über den Asylfolgeantrag befunden habe und dieser Antrag abgelehnt werden solle. Das habe die beteiligte Behörde dem Beschwerdegericht am selben Tag auch per Fax schriftlich mitgeteilt. Daher sei der Mangel des Haftantrags im Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung mit Wirkung für die Zukunft geheilt worden. Einer erneuten Anhörung des Betroffenen habe es nicht bedurft. Im Übrigen sei der Haftantrag nicht zu beanstanden und das Beschleunigungsgebot gewahrt.
52. Die Entscheidung hält der rechtlichen Überprüfung im Ergebnis stand.
6a) Der Haftantrag war zulässig.
7aa) Ein zulässiger Haftantrag der beteiligten Behörde ist eine in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfende Verfahrensvoraussetzung. Zulässig ist der Haftantrag nur, wenn er den gesetzlichen Anforderungen an die Begründung entspricht. Erforderlich sind unter anderem Darlegungen zur Durchführbarkeit der Abschiebung und zur notwendigen Haftdauer (§ 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 5 FamFG). Diese Darlegungen dürfen zwar knapp gehalten sein; sie müssen aber die für die richterliche Prüfung wesentlichen Punkte ansprechen (st. Rspr., vgl. nur BGH, Beschlüsse vom - V ZB 123/11, InfAuslR 2012, 25 Rn. 8; vom - XIII ZB 5/19, InfAuslR 2020, 165 Rn. 8; vom - XIII ZB 74/19, juris Rn. 7). Dazu müssen die Darlegungen auf den konkreten Fall bezogen sein und dürfen sich nicht in Leerformeln erschöpfen (st. Rspr., vgl. nur BGH, Beschlüsse vom - V ZB 311/10, FGPrax 2012, 82 Rn. 13; vom - XIII ZB 36/21, juris Rn. 6 mwN).
8bb) Der Haftantrag musste, anders als die Rechtsbeschwerde meint, keine näheren Angaben dazu enthalten, ob der von der beteiligten Behörde angegebene Zeitraum, der für die Ausstellung der Passersatzpapiere erforderlich sei, durch die pakistanischen oder die deutschen Behörden veranlasst war. Die beteiligte Behörde hat im Haftantrag mitgeteilt, dass nach Auskunft der Landesaufnahmebehörde Niedersachsen die Botschaft Pakistans für die Ausstellung der Passersatzpapiere einen Zeitraum von sechs Wochen nach Mitteilung der Flugdaten benötigt. Diese Informationen haben dem Haftrichter eine hinreichende tatsächliche Grundlage dafür verschafft, selbständig zu beurteilen, welcher Haftzeitraum notwendig war, um die Abschiebung des Betroffenen sicherzustellen. Das genügt für einen zulässigen Haftantrag.
9cc) Entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts musste der Haftantrag im vorliegenden Fall auch keine Angaben dazu enthalten, ob mit einer Mitteilung des Bundesamts nach § 71 Abs. 5 Satz 2 AsylG bis zur geplanten Abschiebung zu rechnen war. Ein Ausländer, der nach unanfechtbarer Ablehnung eines früheren Asylantrages erneut einen Asylantrag stellt, darf nach § 71 Abs. 5 Satz 2 AsylG erst abgeschoben werden, wenn das Bundesamt mitgeteilt hat, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG nicht vorliegen. Hier hat der Betroffene am einen Asylfolgeantrag gestellt und war in diesem Zusammenhang in Gewahrsam genommen worden. Die beteiligte Behörde hat noch am gleichen Tag den Haftantrag gestellt. Sie konnte daher im Zeitpunkt der Erstellung des Haftantrags noch keine belastbaren Angaben dazu machen, ob das Bundesamt ein weiteres Asylverfahren durchführen würde, zumal der Folgeantrag beim Bundesamt erst am eingegangen war. Vor diesem Hintergrund bedurfte es weder einer Heilung des Haftantrags noch einer dafür erforderlichen persönlichen Anhörung des Betroffenen.
10b) Die vom Beschwerdegericht durchgeführten Ermittlungen zum Bearbeitungsstand des Asylfolgeantrags sowie zu dessen Erfolgsaussichten erforderten keine persönliche Anhörung des Betroffenen.
11aa) Das Beschwerdegericht kann von der nach § 68 Abs. 3 Satz 1 FamFG an sich vorgeschriebenen und vom Gesetzgeber wegen der Bedeutung des Eingriffs in das Freiheitsgrundrecht für nicht begründungsbedürftig gehaltenen erneuten persönlichen Anhörung des Betroffenen (vgl. § 420 FamFG) nach Satz 2 der genannten Vorschrift - auch bei der gebotenen Berücksichtigung von Art. 6 Abs. 1 EMRK - absehen, wenn eine persönliche Anhörung des Betroffenen in erster Instanz erfolgt ist und zusätzliche Erkenntnisse durch eine erneute Anhörung nicht zu erwarten sind (näher , juris Rn. 24). Ob es von dieser Möglichkeit Gebrauch macht, steht im Ermessen des Beschwerdegerichts (, InfAuslR 2016, 54 Rn. 4). Die erneute persönliche Anhörung des Betroffenen ist aber zwingend, wenn das Beschwerdevorbringen eine weitere Sachaufklärung erwarten lässt, sich nach Erlass der Haftanordnung neue tatsächliche Gesichtspunkte ergeben haben oder sich das Beschwerdegericht auf Tatsachen stützen will, zu denen der Betroffene noch nicht gehört worden ist (, juris Rn. 24, mwN).
12bb) Eine solche erhebliche Tatsache ist zwar das Wiederaufgreifen des Verfahrens nach § 71 Abs. 5, 8 AsylG, § 51 Abs. 5 VwVfG (BGH, Beschlüsse vom - V ZB 274/11, InfAuslR 2013, 77 Rn. 11; vom - XIII ZB 140/19, juris Rn. 24). Für den umgekehrten Fall, in dem das Haft- oder Beschwerdegericht aufgrund einer gegebenenfalls gebotenen Amtsermittlung nach § 26 FamFG (vgl. dazu BGH, Beschlüsse vom - XIII ZB 24/19, juris Rn. 13; vom - XIII ZB 140/19, juris Rn. 21) in Erfahrung bringt, dass mit einem Aufgreifen des Verfahrens nicht zu rechnen ist, sondern das Bundesamt vielmehr beabsichtigt mitzuteilen, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG nicht vorliegen, gilt das nicht. Das Gesetz geht nach § 71 Abs. 8 AsylG im Grundsatz davon aus, dass ein Folgeantrag der Anordnung von Abschiebungshaft nicht entgegensteht. Etwas anderes ergibt sich nach dieser Vorschrift nur, wenn ein weiteres Asylverfahren durchgeführt wird. Insofern verändert der Umstand, dass das Bundesamt nicht gewillt ist, das Asylverfahren wieder aufzugreifen, die rechtliche Ausgangslage für die Anordnung der Abschiebungshaft nach § 71 Abs. 8 AsylG nicht. Vielmehr ergibt sich daraus nur, dass das Vollstreckungshindernis nach § 71 Abs. 5 AsylG der beabsichtigten Abschiebung nicht entgegenstehen wird. Das erfordert keine persönliche Anhörung des Betroffenen.
13c) Das Beschwerdegericht hat auch nicht gegen das Gebot der Amtsermittlung nach § 26 FamFG verstoßen. Soweit die Rechtsbeschwerde geltend macht, es hätte ermitteln müssen, ob die von der beteiligten Behörde angegebene Vorlaufzeit für die Ausstellung von Passersatzpapieren ihre Ursache in den Verfahrensabläufen der pakistanischen Behörden hatte und eine schnellere Abschiebung möglich gewesen wäre, lässt sie bereits nicht erkennen, dass eine schnellere Abschiebung tatsächlich in Betracht kam. Angesichts der zeitlichen Abläufe, nach denen bereits am die Buchung eines Charterflugs für den durch das Landeskriminalamt erfolgt war und die beteiligte Behörde die Erteilung von Passersatzpapieren bereits am in Gang gesetzt hatte, welche am von der pakistanischen Botschaft ausgestellt wurden und der beteiligten Behörde am vorlagen, bestehen auch keine Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot, der durch weitere Ermittlungen des Beschwerdegerichts hätte ersichtlich werden können.
14d) Die Verfahrensweise des Beschwerdegerichts hat schließlich weder den Grundsatz des fairen Verfahrens noch den Anspruch des Betroffenen auf rechtliches Gehör verletzt. Soweit die Rechtsbeschwerde geltend macht, das Beschwerdegericht habe über die Beschwerde des Betroffenen entschieden, ohne dass seinem Verfahrensbevollmächtigten Akteneinsicht gewährt worden sei und ohne dass es die Begründung der Beschwerde abgewartet habe, kann darin allenfalls eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör liegen (, InfAuslR 2022, 331 Rn. 8, mwN). Es braucht jedoch nicht entschieden zu werden, ob ein solcher Gehörsverstoß gegeben ist. Die angefochtene Entscheidung beruhte jedenfalls nicht darauf, weil die von der Rechtsbeschwerde erhobenen Einwände nach den vorstehenden Erwägungen nicht durchgreifen.
153. Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 Satz 1, § 83 Abs. 2 FamFG. Die Festsetzung des Gegenstandswerts folgt aus § 36 Abs. 2 und 3 GNotKG.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2022:251022BXIIIZB4.20.0
Fundstelle(n):
AAAAJ-30634