Urheberrechtsverletzung: Nichtberücksichtigung des Werkcharakters einer Kombination aus Slogan und Karikatur
Gesetze: § 2 Abs 1 Nr 4 UrhG, § 2 Abs 2 UrhG, Art 103 Abs 1 GG, § 544 Abs 9 ZPO
Instanzenzug: Az: 29 U 5825/20 Urteilvorgehend LG München I Az: 21 O 15821/19 Urteil
Gründe
1I. Der Kläger ist Grafikdesigner, Illustrator und Filmemacher, die Beklagte betreibt die professionelle Fußballabteilung des FC Bayern München (FCB). Dessen Profimannschaft gehörte bis einschließlich der Saison 2018/2019 das aus den Spielern Franck Ribéry und Arjen Robben bestehende Flügelstürmer-Duo an.
2Am fand in der Fußballbundesliga ein Spiel zwischen Borussia Dortmund (BVB) und Schalke 04 statt. Dabei zeigten die BVB-Spieler Pierre-Emerick Aubameyang und Marco Reus einen Torjubel, bei dem sie sich - wie nachfolgend abgebildet - als die Comicfiguren Batman und Robin maskiert präsentierten:
3Diese Inszenierung des Torjubels nahm der Kläger zum Anlass, als "humoristische Anspielung und gelungenes 'Contra'" die nachfolgend wiedergegebene Darstellung der FCB-Spieler Ribéry und Robben anzufertigen:
4Im Rahmen eines Pokalspiels zwischen dem FCB und dem BVB am zeigten Fans des FCB - wie nachfolgend eingeblendet - die seitens des Klägers gefertigten Zeichnungen der beiden Spieler und nutzten auch den ebenfalls vom Kläger verwendeten Slogan ("THE REAL BADMAN & ROBBEN") im Rahmen einer Choreographie. Der Kläger hatte seine Zeichnungen den Fans zu diesem Zweck zur Verfügung gestellt:
5Ebenfalls im Jahr 2015 zeigte der Kläger seine Zeichnungen auch der Beklagten. Er schlug vor, diese gemeinsam zu vermarkten. Dazu kam es jedoch nicht. Die Beklagte bot in ihrem Fanshop seit Mai 2019 Merchandisingartikel an, die die nachfolgend eingeblendete (teilweise leicht abgewandelte) Zeichnung aufwiesen:
6Der Kläger sieht darin eine Verletzung seiner Urheberrechte an der Karikatur, an dem Slogan und an der "Choreographie" sowie dem Gesamtwerk aus Zeichnung und Slogan. Er hat die Beklagte auf Auskunftserteilung, Erstattung von Rechtsanwaltskosten und Schadensersatz in Anspruch genommen.
7Das Landgericht hat der Klage stattgegeben (LG München I, GRUR-RR 2020, 513). Zur Begründung hat es ausgeführt, es könne dahinstehen, ob der Slogan für sich genommen schutzfähig sei. Jedenfalls sei das Gesamtwerk aus Slogan und Bild schutzfähig. Die von der Beklagten verwendete Darstellung stelle eine unfreie Bearbeitung der Illustration des Klägers im Sinne von § 23 UrhG aF dar. Die Grafik der Beklagten übernehme die den Gesamteindruck prägenden Elemente des Werks des Klägers.
8Das Berufungsgericht hat auf die Berufung der Beklagten das Urteil des Landgerichts abgeändert und die Klage abgewiesen.
9II. Zur Begründung seiner Entscheidung hat das Berufungsgericht - soweit für das Beschwerdeverfahren relevant - im Wesentlichen ausgeführt:
10Soweit der Kläger geltend gemacht habe, die Beklagte habe nach dem Urheberrechtsgesetz für den Kläger geschützte Rechte an einem Sprachwerk, an der vom Kläger geschaffenen "Choreographie/Komposition" sowie an dort enthaltenen Figuren verletzt, fehle es jeweils bereits an gemäß § 2 UrhG geschützten Werken. Der Slogan "THE REAL BADMAN & ROBBEN" für sich genommen sei als kurze Wortfolge nicht schutzfähig. Die "Choreographie/Komposition" sei ebenfalls kein schutzfähiges Werk.
11Soweit Rechte des Klägers an einzelnen mit der Klage eingereichten Zeichnungen in Rede stünden, möge diesen zwar grundsätzlich Werkqualität im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG zukommen. Die dem Kläger daran zustehenden Rechte habe die Beklagte durch die Benutzung der angegriffenen Darstellung aber jedenfalls nicht verletzt. Die Beklagte habe die Zeichnungen offensichtlich nicht im Original benutzt und auch nicht Vervielfältigungen dieser Zeichnungen verwendet. Die seitens der Beklagten verwendeten Zeichnungen seien auch keine unfreien Bearbeitungen im Sinne von § 23 UrhG aF. Im Streitfall könne allenfalls angenommen werden, dass sich die Beklagte die Idee des Klägers zu eigen gemacht habe, die Spieler Robben und Ribéry mit den Figuren Batman und Robin zu assoziieren, dabei auf ein "Badboy-Image" des Fußballers Ribéry anzuspielen und sich die Namensähnlichkeit der Comic-Figur Robin und des Fußballspielers Robben zu Nutze zu machen. Diese Idee genieße für sich genommen keinen urheberrechtlichen Schutz. Ihre gestalterische Umsetzung unterscheide sich indessen grundlegend von derjenigen des Klägers und lasse die eigenpersönlichen Züge der klägerischen Zeichnungen, die karikaturhafte Überzeichnung der maßgeblichen Merkmale der Spieler, nicht erkennen, sondern stelle die Spieler in einer für Superhelden-Comics typischen Weise (kraftvoll, dynamisch und in Bewegung) dar.
12Das Berufungsgericht hat die Revision nicht zugelassen. Dagegen richtet sich die Beschwerde des Klägers, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt. Mit der angestrebten Revision möchte er seine Klageanträge weiterverfolgen.
13III. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg. Sie führt gemäß § 544 Abs. 9 ZPO zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Die Nichtzulassungsbeschwerde rügt mit Recht, das Berufungsgericht habe das Verfahrensgrundrecht des Klägers auf Gewährung rechtlichen Gehörs aus Art. 103 Abs. 1 GG in entscheidungserheblicher Weise verletzt.
141. Die Garantie rechtlichen Gehörs verpflichtet die Gerichte, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Das Gericht braucht dabei zwar nicht jedes Vorbringen ausdrücklich zu bescheiden; es hat vielmehr bei der Abfassung seiner Entscheidungsgründe eine gewisse Freiheit und kann sich auf die für den Entscheidungsausgang wesentlichen Aspekte beschränken. Es müssen in den Gründen aber die wesentlichen Tatsachen- und Rechtsausführungen verarbeitet werden. Wenn ein bestimmter Vortrag einer Partei den Kern des Parteivorbringens darstellt und für den Prozessausgang von entscheidender Bedeutung ist, besteht für das Gericht eine Pflicht, die vorgebrachten Argumente zu erwägen. Ein Schweigen lässt hier den Schluss zu, dass der Vortrag der Prozesspartei nicht oder zumindest nicht hinreichend beachtet wurde (vgl. BVerfG, NJW-RR 2018, 694 [juris Rn. 18] mwN).
152. Nach diesen Maßstäben verletzt die angefochtene Entscheidung den Kläger in seinem Recht aus Art. 103 Abs. 1 GG. Das Berufungsgericht hat erheblichen Vortrag des Klägers zu den mit der Klage geltend gemachten urheberrechtlichen Schutzgegenständen bei seiner Entscheidung nicht erwogen.
16a) Die Beschwerde weist mit Recht darauf hin, dass der Kläger seine Klagebegründung maßgeblich darauf gestützt hat, dass "die streitgegenständliche Choreographie" ein Gesamtwerk darstelle, welches als solches urheberrechtlichen Schutz genieße. Den Schutz dieses von ihm geltend gemachten "Gesamtwerks" hat der Kläger bereits in der Klageschrift dahin erläutert, dass nicht nur die beiden Werkteile "Karikaturen" und "Slogan" isoliert betrachtet urheberrechtlich geschützte Werke seien. Maßgeblich sei vielmehr das Gesamtwerk des Klägers, "welches sich aus den beiden Elementen an persönlichen geistigen Schöpfungen im Sinne von Werken der bildenden Kunst als Einheit" ergebe. Beide Elemente müssten als Einheit betrachtet werden, sie stünden in Wechselwirkung zueinander; maßgeblich sei der Gesamteindruck. Entsprechend diesem Vorbringen hat auch das Landgericht den Werkcharakter dieser Kombination aus Slogan und Zeichnung geprüft und als schutzfähiges Werk im Sinne des § 2 UrhG angesehen. Auch in der Berufungsinstanz hat der Kläger ausgeführt, die Illustration genieße bereits per se, zumindest jedoch in der maßgebenden Gesamtschau als Gesamtwerk mit dem Slogan "The Real Badman & Robben" als persönlich geistige Schöpfung urheberrechtlichen Schutz. Damit ergibt sich aus dem Klägervorbringen zweifelsfrei, dass die Klage auch auf die Verletzung eines aus der Kombination aus Zeichnung und Slogan bestehenden Werks gestützt ist.
17b) Dem Berufungsurteil lässt sich nicht entnehmen, dass das Berufungsgericht den Werkcharakter der Kombination aus Slogan und Zeichnung geprüft hat. Das Berufungsgericht hat auch nicht angenommen, dass es auf diese Frage nicht entscheidungserheblich ankomme und deshalb eine Prüfung unterbleiben könne. Es hat vielmehr geprüft, ob dem "isoliert betrachteten" Slogan als Sprachwerk eine eigene Werkqualität zukommt, und hat außerdem unterstellt, dass die Zeichnungen isoliert betrachtet Werkqualität im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG haben. Es hat aber nicht geprüft, ob - wie vom Kläger geltend gemacht - dem Slogan und den Zeichnungen in einer Gesamtbetrachtung Werkqualität zukommt.
18aa) Entgegen der Ansicht der Beschwerdeerwiderung hat das Berufungsgericht auf Seite 10 im dritten Absatz seines Urteils nicht die Werkqualität einer solchen Kombination geprüft. Dort hat es vielmehr - im Rahmen der Prüfung der Werkqualität des isoliert betrachteten Slogans - ausgeführt, eine Zusammenschau des Slogans mit den Zeichnungen führe nicht dazu, dass die Wortfolge als eigenständiges Sprachwerk urheberrechtlich geschützt sei.
19bb) Den Werkcharakter der Kombination aus Slogan und Zeichnungen hat das Berufungsgericht auch nicht im Rahmen seiner Ausführungen zum Schutz einer "Choreographie/Komposition" geprüft.
20(1) Das Berufungsgericht hat insoweit angenommen, die vom Kläger geltend gemachte "Choreographie/Komposition" sei ebenfalls kein schutzfähiges Werk. Es sei unverständlich, was der Kläger überhaupt mit "Choreographie" bzw. "Komposition" in Bezug auf die mit der Klage eingereichten Darstellungen meine, denn aus den einzelnen Zeichnungen lasse sich nicht entnehmen, dass der Kläger ein in sich zusammengehöriges, in einer bestimmten und vom Kläger erdachten Abfolge vorzutragendes Gesamtwerk geschaffen habe. Sofern der Kläger - wie es das Landgericht offensichtlich verstanden habe - mit den Begriffen "Choreographie" bzw. "Komposition" zum Ausdruck habe bringen wollen, dass er mit einer Mehrzahl von Werken für die dort dargestellten Figuren "Badman & Robben" unabhängig von der konkreten Art einer etwaigen grafischen Darstellung Schutz beanspruchen könne, könne dem ebenfalls nicht gefolgt werden. Nach den Grundsätzen des Schutzes einer literarischen Figur oder einer gezeichneten Person seien die Zeichnungen des Klägers nicht geschützt, weil sich aus ihnen nicht auf ausgeprägte Charaktereigenschaften schließen lasse. Auf die Eigenschaften der abgebildeten Fußballer, die diesen von den Medien zugeschrieben würden, könne sich der Kläger nicht berufen. Die Eigenschaften der vom Kläger zeichnerisch dargestellten Figuren seien nicht seine schöpferische Leistung, sondern beruhten auf einer gedanklichen Transferleistung des Betrachters, und dies auch nur, sofern er die dargestellten Personen wiedererkenne.
21(2) Aus diesen Ausführungen ergibt sich, dass das Berufungsgericht offensichtlich den Kern des Klagevortrags nicht hinreichend in den Blick genommen hat. Es hat - möglicherweise durch Assoziationen mit dem Theater- und Musikbereich und die Bezugnahme des Landgerichts auf den urheberrechtlichen Figurenschutz - unter "Choreographie" und "Komposition" nicht das verstanden, was der Kläger - von ihm in seinem Klagevorbringen ausdrücklich erläutert - gemeint hat, nämlich die Kombination von Zeichnung und Slogan.
223. Diese Gehörsrechtsverletzung ist entscheidungserheblich.
23a) Es ist nicht ausgeschlossen, dass das Berufungsgericht bei Berücksichtigung des vom Kläger gehaltenen Vortrags zu der Beurteilung gekommen wäre, dass in der Zeichnung des Klägers in Zusammenschau mit dem Slogan "The Real Badman & Robben" ein gemäß § 2 UrhG schutzfähiges Werk gesehen werden kann.
24aa) Für den Schutz als urheberrechtliches Werk ist der Begriff der persönlichen geistigen Schöpfung im Sinne von § 2 Abs. 2 UrhG beziehungsweise der eigenen geistigen Schöpfung im Sinne des unionsrechtlichen Werkbegriffs (vgl. , GRUR 2022, 899 [juris Rn. 29] = WRP 2022, 729 - Porsche 911, mwN) maßgeblich. Insoweit können auch neue Werkarten und Mischformen zwischen den im Beispielskatalog des § 2 Abs. 1 UrhG aufgeführten Werkarten geschützt sein (vgl. Loewenheim/Leistner in Schricker/Loewenheim, Urheberrecht, 6. Aufl., § 2 UrhG Rn. 30; BeckOK. Urheberrecht/Ahlberg, 36. Edition [Stand: ], § 2 UrhG Rn. 2; Schulze in Dreier/Schulze, UrhG, 7. Aufl., § 2 Rn. 3; A. Nordemann in Fromm/Nordemann, Urheberrecht, 12. Aufl., § 2 UrhG Rn. 11; Bullinger in Wandtke/Bullinger, Urheberecht, 6. Aufl., § 2 UrhG Rn. 4), hier also die Kombination aus Zeichnung und Sprache.
25bb) Es ist nicht ausgeschlossen, dass das Berufungsgericht bei Berücksichtigung des Vortrags - wie bereits das Landgericht - in tatgerichtlicher Würdigung zu dem Ergebnis gekommen wäre, dass in der Kombination von karikaturhaft-überzeichnender grafischer Darstellung der Spieler und Slogan eine künstlerische Leistung im Sinne von § 2 Abs. 2 UrhG liegt.
26b) Die Entscheidungserheblichkeit der Gehörsrechtsverletzung ist nicht deswegen zu verneinen, weil es nach den Feststellungen des Berufungsgerichts jedenfalls an einer Verletzung fehlte. In seiner tatgerichtlichen Verletzungsprüfung hat das Berufungsgericht ausschließlich auf die Gegenüberstellung der in Rede stehenden Zeichnungen abgestellt und damit außer Betracht gelassen, dass sowohl die Schöpfung des Klägers als auch die von der Beklagten benutzte Darstellung den wortidentischen Slogan aufweisen.
27IV. Das Berufungsurteil ist danach insgesamt aufzuheben, weil sich die Gehörsrechtsverletzung auf alle Klageanträge auswirken kann.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2022:280722BIZR11.22.0
Fundstelle(n):
ZAAAJ-30468