Online-Nachricht - Dienstag, 27.12.2022

Grunderwerbsteuer | Bemessungsgrundlage bei Grundstücksveräußerung unter Fortbestand einer dinglichen Belastung (FG)

Belässt der Grundstückskäufer ohne angemessene Vergütung dem Verkäufer (oder einem Dritten) Nutzungsrechte an dem Grundstück (Nießbrauchs- und Wohnungsrechte), liegt darin ein geldwerter Vorteil, den der Käufer für den Erwerb der Sache hingibt und der deshalb in die grunderwerbsteuerliche Bemessungsgrundlage einzubeziehen ist (; Revision anhängig, BFH-Az. II R 32/22).

Sachverhalt: Die Klägerin erwarb mit notariellem Kaufvertrag vom zu einem Kaufpreis von 133.000 € (inklusive Inventar in Höhe von 30.000 €) zwei Flurstücke, von denen eines mit einem Zweifamilienhaus bebaut ist. Die Klägerin war seit 1995 Mieterin einer Wohnung in dem Gebäude, an dem für den Bruder der Veräußerin, Herrn C, bereits im Jahr 2003 ein lebenslängliches unentgeltliches Wohnungsrecht eingeräumt worden war. Für das zweite Flurstück bestand ein Nießbrauchsrecht des C. Das Wohnungsrecht wurde von C am zur Eintragung im Grundbuch angemeldet und am eingetragen. Im Kaufvertrag vom werden das Wohnungsrecht und das Nießbrauchsrecht als bestehende Belastung aufgeführt. Der Gesamtwert des übernommenen Wohnungsrechts beträgt unstreitig 146.328 €.

Das beklagte FA setzte mit Grunderwerbsteuerbescheid vom die Grunderwerbsteuer in Höhe von 12.466 € fest. Als Bemessungsgrundlage für die Berechnung der Grunderwerbsteuer berücksichtigte das FA den um den Wert des Inventars gekürzten Kaufpreis (103.000 €) und erhöhte ihn um den Wert des Wohnungsrechts (146.328 €). Die Klägerin war anders als das FA der Auffassung, das Wohnungsrecht dürfe die Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer nicht erhöhen. Der Kaufpreis entspreche dem Verkehrswert des Grundstücks. Das dingliche Wohnungsrecht diene allein dazu, das vermächtnisweise erworbene Nutzungsrecht von C abzusichern.

Das FG bestätigte die Auffassung des FA und wies die Klage ab:

Dem Grunderwerbsteuergesetz liegt in §§ 8 und 9 GrEStG ein eigenständiger, über das bürgerlich-rechtliche Verständnis hinausgehender Gegenleistungsbegriff zugrunde, der darauf abzielt, die Gegenleistung so umfassend wie möglich zu erfassen. Nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG gilt als Gegenleistung bei einem Kauf der Kaufpreis einschließlich der vom Käufer übernommenen sonstigen Leistungen und der dem Verkäufer vorbehaltenen Nutzungen. Nutzungen sind gemäß § 100 BGB u.a. die Vorteile, welche der Gebrauch der Sache oder des Rechts gewährt. Sie gebühren nach § 446 Satz 2 BGB von der Übergabe der Sache an dem Käufer. Der Verkäufer ist grundsätzlich verpflichtet, eine Sache frei von Rechtsmängeln (§§ 433 Abs. 1, 435 BGB) zu übergeben. Wird die Norm vertraglich abbedungen, belässt der Grundstückskäufer also die Nutzungen dem Verkäufer (oder einem Dritten) über diesen Zeitpunkt hinaus, liegt darin ein geldwerter Vorteil, den der Käufer für den Erwerb der Sache hingibt. Dies rechtfertigt die Einbeziehung der dem Verkäufer bzw. einem Dritten vorbehaltenen Nutzungen in die Gegenleistung. Erfasst sind Nutzungen aller Art, namentlich Nießbrauchs- und Wohnungsrechte. Sie können entweder neu begründet werden oder bereits bestehen. Unerheblich ist auch, wenn diese gegenüber einem Dritten eingeräumt werden.

Keine erweiterte Bemessungsgrundlage bei Vergütung der vorbehaltenen Nutzungen

Wenn jedoch der Grundstücksverkäufer die vorbehaltenen Nutzungen angemessen vergütet, liegt in der Nutzungsüberlassung keine Gegenleistung für das Grundstück i.S. von § 8 Abs. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG. Ob sich der Verkäufer Nutzungen ohne angemessenes Entgelt vorbehalten hat, ist durch Auslegung des Kaufvertrags zu ermitteln.

Einbeziehung des Wohnungsrechts von C in die Bemessungsgrundlage

Nach diesen Maßstäben sind die dem C vorbehaltenen Nutzungen in die Bemessungsgrundlage nach § 8 Abs. 1 GrEStG i.V.m. § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG einzubeziehen. Im Kaufvertrag vom haben die Beteiligten das Wohnungsrecht ausdrücklich festgehalten. Zudem ist es auch bei den Rechtsmängeln (§ 435 BGB) angeführt. Diese Vereinbarungen können nicht anders verstanden werden, als dass mit Zustimmung der Klägerin das Wohnrecht des C bestehen bleibt und sie von ihrem Recht nach § 446 S. 2 BGB keinen Gebrauch gemacht hat. Der Notar hat insbesondere daraufhin hingewiesen, dass im Übrigen ein lastenfreier Übergang geschuldet wird. Eine Vergütung für die vorbehaltenen Nutzungen ist nicht geleistet worden. Es ist zwar richtig, dass das dingliche Wohnungsrecht vorliegend noch nicht zur Eintragung gelangt ist. Allerdings belegt der Umstand, dass die Klägerin den Kaufvertrag mit der Kenntnis, dass dieses zur Eintragung gelangen wird, unterzeichnet hat, dass sie auch weiterhin an der Nutzung durch Herrn C festhalten will. Dies gilt umso mehr, als die Klägerin mit C in einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft lebt.

Dass das Wohnungsrecht von C (schuldrechtlich) nicht neu begründet worden ist, sondern fortbesteht, ist unerheblich. Entscheidend ist vielmehr, dass die Klägerin auf ihren Anspruch einer rechtsmängelfreien Übertragung verzichtet und damit einen geldwerten Vorteil geleistet hat (§ 446 S. 2 BGB). Sie hat es gerade bei der bisherigen Belastung belassen und diese übernommen. Daher kommt es auch nicht darauf an, ob die dingliche Belastung durch Eintragung in das Grundbuch bereits bestanden hat oder neu begründet worden ist. Im zu entscheidenden Fall hat die Klägerin auf die Nutzungen aus dem Grundstück verzichtet. Erst unter Berücksichtigung des Wohnungsrechts hat die Veräußerin einen angemessenen Kaufpreis (ca. 260.000 €) erhalten.

Hinweis:

Das FG hat die Revision mit Blick auf ein beim BFH anhängiges Verfahren (Az. II R 5/22, vorgehend ) zugelassen.

Quelle: FG Baden-Württemberg, Newsletter 3/2022 (il)

Fundstelle(n):
NWB UAAAJ-29989