Online-Nachricht - Dienstag, 27.12.2022

Umsatzsteuer | Keine Berichtigung bei Insolvenz ihres Abrechnungsdienstleisters (FG)

Zahlt der Leistungsempfänger (Krankenkasse) mit Einwilligung des Leistenden (Apotheke) den Kaufpreis an einen Dritten (Abrechnungsdienstleister), bewirkt die Insolvenz des Abrechnungsdienstleisters keine umsatzsteuerliche Uneinbringlichkeit. Die Apotheke hat ihr Entgelt bereits in dem Augenblick vereinnahmt, in dem die Krankenkassen an das Abrechnungszentrum zahlen (; Revision anhängig, BFH-Az. XI R 15/22).

Sachverhalt: Der Kläger betrieb als selbstständiger Unternehmer eine Apotheke und lieferte an gesetzliche Krankenkassen Arznei- oder Heilmittel, die die Versicherten als Sachleistungen erhielten. Er meldete die Umsatzsteuer nach vereinbarten Entgelten an. Mit privatrechtlichem Vertrag beauftragte der Apotheker ein Rechenzentrum in der Rechtsform einer GmbH für die Abrechnung mit den Krankenkassen und trat seine Zahlungsansprüche an dieses Unternehmen ab. Die GmbH gewährte dem Apotheker Vorschüsse auf die Forderungsbeträge. Sie wurde später mit einer anderen GmbH verschmolzen, die das Geschäft fortführte. Die GmbHs traten gegenüber den Krankenkassen und bei den Abrechnungen erkennbar für Rechnung des Klägers auf. Sie vereinnahmten auch für Rechnung des Klägers diejenigen Geldbeträge, die die Krankenkassen für die Arzneimittellieferungen des Klägers schuldeten und bezahlten.

Im Jahr 2020 wurde das Insolvenzverfahren über die übernehmende GmbH eröffnet. Damit blieben Zahlungen für vom Kläger ausgeführte Medikamentenlieferungen aus. In ihren Umsatzsteuer-Voranmeldungen für August und September 2020 berücksichtigte der Kläger die noch offenen „Restzahlung(en)“ abzüglich der hierauf entfallenden Umsatzsteuer. Hiergegen legte der Kläger Einspruch ein, mit dem er auf die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der GmbH hinwies, sodann vortrug, dass er seine Ansprüche gegen die Krankenkassen an die GmbH abgetreten habe, und schließlich vorbrachte, die Restzahlungen für August und September 2020 seien i.S. von § 17 Abs. 2 Nr. 1 Umsatzsteuergesetz (UStG) uneinbringlich geworden.

Die Richter wiesen die Klage ab:

Die Lieferung von Arznei-, Verband-, Heil- oder Hilfsmitteln, die der Kläger an die Krankenkassen i.S. des § 4 SGB V ausgeführt hat, unterliegen gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG der Umsatzsteuer. Leistungsempfänger i.S. des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG sind die Krankenkassen, die damit i.S. des Art. 90 MwStSystRL als Endverbraucher der Lieferungen anzusehen sind, nicht jedoch die GmbH oder die gesetzlich Versicherten selbst. Dies folgt insbesondere aus § 2 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB V. Nach diesen Vorschriften stellen die Krankenkassen den Versicherten etwa - wie im Streitfall- Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln zur Verfügung. Die Versicherten erhalten diese Leistungen grundsätzlich als Sach- und Dienstleistungen (§ 2 Abs. 2 Satz 1 SGB V).

Entstehung der Umsatzsteuer

Die Umsatzsteuer ist im Streitfall auch entstanden, soweit die GmbH dem Kläger noch die Weiterleitung des Kaufpreises schuldet, den der Kläger für seine Lieferungen an die Krankenkassen zu beanspruchen hat. Zum einen hat der Kläger die Umsatzsteuer nach vereinbarten Entgelten berechnet. Zum anderen hat er die entsprechenden Lieferungen an die Krankenkassen bereits ausgeführt. Damit ist die Umsatzsteuer auch insoweit bereits mit Ablauf des jeweiligen Voranmeldungszeitraums entstanden (vgl. § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a UStG).

Bemessungsgrundlage umfasst auch die noch nicht erhaltenen Zahlungen des Abrechnungszentrums

Damit sind auch die Beträge zu Recht in die Bemessungsgrundlage der streitigen Umsatzsteuer einbezogen worden, die die GmbH dem Kläger noch schuldet. Die Höhe des Entgelts richtet sich nach dem zwischen Leistendem - hier: dem Kläger- und Leistungsempfänger - hier: den Krankenkassen- bestehenden Rechtsverhältnis, aus dem sich der für die Steuerbarkeit der Leistung maßgebliche unmittelbare Zusammenhang zwischen der Leistung und dem erhaltenen Gegenwert ergibt. Damit ist im Streitfall der Kaufpreis abzüglich der in diesem enthaltenen Umsatzsteuer der Bemessungsgrundlage hinzuzuschlagen. Ohne Einfluss hierauf ist der Umstand, dass der Kläger seine Forderungen an die GmbH abgetreten hat, denn die GmbH ist an dem Austauschverhältnis zwischen dem Kläger und den Krankenkassen weder als Leistende noch als Leistungsempfängerin beteiligt, insbesondere ist im Streitfall gerade nicht vereinbart, dass die GmbH für die Lieferung - (dann wohl) zu Lasten des Klägers - ein Entgelt erhalten sollte. Vielmehr ist im Streitfall zwischen dem Kläger und der GmbH ein eigenständiges Austauschverhältnis vereinbart worden, bei dem die GmbH die Abrechnung mit den Krankenkassen vornehmen und die Forderungen folgerichtig für Rechnung des Klägers einziehen, mithin eine sog. Inkasso-Leistung, und der Kläger hierfür ein Entgelt entrichten sollte.

Keine Umsatzsteuerberichtigung wegen Uneinbringlichkeit

Im Streitfall ist das Entgelt, das der Kläger für August und September 2020 zu beanspruchen hatte, nicht i.S. von § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 UStG uneinbringlich geworden, sondern mit den Zahlungen, die die Krankenkassen an die GmbH bewirken, von dem Kläger vereinnahmt worden, denn die Leistungsverhältnisse zwischen dem Kläger und den Krankenkassen einerseits und der GmbH andererseits sind getrennt zu betrachten. Die Krankenkassen haben die von ihnen geschuldeten Zahlungen auf den Kaufpreis tatsächlich bewirkt, und zwar ganz offenkundig mit Einwilligung des Klägers. Mit diesen Zahlungen ist der Anspruch des Klägers auf den Kaufpreis jeweils erloschen. Mithin hat der Kläger sein Entgelt bereits in dem Augenblick vereinnahmt, in dem die Krankenkassen auf dessen Rechnung an die GmbH gezahlt haben.

Quelle: FG Baden Württemberg, Newsletter 3/2022 (il)

Fundstelle(n):
NWB GAAAJ-29946