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Online-Nachricht - Donnerstag, 22.12.2022

Umsatzsteuer | "Marktgebühren" einer Erzeugergenossenschaft (BFH)

Kauft eine Erzeugergenossenschaft Lebensmittel von ihren Mitgliedern in ihrer Eigenschaft als Erzeuger an und liefert diese Lebensmittel in eigenem Namen und auf eigene Rechnung an Abnehmer weiter, sind "Marktgebühren", die die Erzeugergenossenschaft von dem an die Erzeuger zu zahlenden Kaufpreis abzieht, kein Entgelt für eine Vermarktungsleistung (; veröffentlicht am ).

Sachverhalt: Die Klägerin ist eine eingetragene Genossenschaft. Sie ist infolge Verschmelzung zum als übernehmende Genossenschaft Gesamtrechtsnachfolgerin einer eG (O) als übertragende Genossenschaft sowie eine anerkannte Erzeugerorganisation.

Die Beteiligten streiten um die umsatzsteuerrechtliche Einordnung sog. "Marktgebühren" von Erzeugergemeinschaften.

Das FA sah nach Durchführung mehrerer Außenprüfungen im Umsatzsteuerbescheid für das Streitjahr in den Marktgebühren ein Entgelt für eine (dem Regelsteuersatz unterliegende) sonstige Leistung der Rechtsvorgängerin der Klägerin an die Erzeuger. Es nahm an, die Marktgebühr sei der Umsatzsteuer zu unterwerfen.

Das FG gab der nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage statt ().

Der BFH hat die Revision des FA als unbegründet zurückgewiesen:

  • Das FG hat zu Recht den Streitfall dahingehend gewürdigt, dass O, die nach § 4 der Anlieferungsordnung als insoweit maßgeblichem Rechtsverhältnis als Zwischenhändlerin bei jedem einzelnen Verkaufsvorgang die Ware von den Erzeugern erwarb und an die Abnehmer weiterlieferte, mit der Vermarktung der landwirtschaftlichen Erzeugnisse keine weitere sonstige Leistung an die Erzeuger ausgeführt hat.

  • Dies ergibt sich bereits daraus, dass O nach § 4 Abs. 1 der Anlieferungsordnung die angelieferten Erzeugnisse in eigenem Namen vermarktete. Die Vermarktung der von ihr verkauften Erzeugnisse lag zwar auch im Interesse der Erzeuger, aber vor allem in ihrem Interesse. Der Vermarktungserfolg in Gestalt höherer Verkaufspreise, aus dem das FA eine sonstige Leistung der O an die Erzeuger ableitet, erhöhte zum einen die Bemessungsgrundlage der Lieferungen der O an die Abnehmer und zum anderen die der Erzeuger an O. Dies führte zum Entstehen einer höheren Umsatzsteuer auf die Ausgangsumsätze. Die vom FA beschriebenen Vorteile erschöpften sich somit darin, dass sich in der Lieferkette der Umfang der Lieferungen und das hierfür geschuldete Entgelt auf beiden Umsatzstufen erhöhte.

  • Die Besteuerung des von O geschaffenen Mehrwerts war somit dadurch sichergestellt, dass beim Weiterverkauf von landwirtschaftlichen Erzeugnissen die Bemessungsgrundlage für die Lieferungen an die Abnehmer um die "Marktgebühren" höher war als die der Lieferungen der Erzeuger an O, weil deren Bemessungsgrundlage um die Marktgebühren gemindert wird. Dieser Umstand schließt es aus, dieselben Marktgebühren zusätzlich zur Bemessungsgrundlage einer Vermarktungsleistung an die Erzeuger zu machen (vgl. auch „Marcandi“, Rz. 53). Die Umsatzsteuer für dieselbe "Vermarktungsleistung" würde sonst - wirtschaftlich gesehen - durch Einbeziehung der Marktgebühren in die Bemessungsgrundlagen von zwei Umsätzen der O wirtschaftlich gesehen doppelt erhoben, ohne dass O einen doppelten Mehrwert geschaffen hätte. Dementsprechend wurden die Erzeuger nur im Rahmen der von ihnen ausgeführten Lieferungen und nicht gesondert im Sinne einer eigenständigen Vorteilseinräumung begünstigt.

  • Bestätigt wird dies letztlich auch durch § 3 Abs. 3 UStG (Art. 14 Abs. 2 Buchst. c MwStSystRL). Fehlt es bei Anwendung dieser Vorschrift und einem im eigenen Namen und fremde Rechnung handelnden Verkaufskommissionär neben den beiden Lieferungen an einer vom Verkaufskommissionär erbrachten sonstigen Leistung an den Verkaufskommittenten, ist nicht ersichtlich, weshalb eine derartige sonstige Leistung des Zwischenhändlers an den ersten Lieferer vorliegen sollte, wenn der Zwischenhändler (hier: O) auf eigene Rechnung tätig ist.

  • Die Einwendungen des FA gegen die Beurteilung durch das FG führen zu keiner anderen Beurteilung.

Anmerkung von Prof. Dr. Alois Nacke, Richter im XI. Senat des BFH:

Der BFH entschied sich in diesem Fall, in dem es zwei an sich nachvollziehbare Lösungswege gab, für die Auffassung der Vorinstanz. Sog. Marktgebühren (Aufwendungen für den weiteren Verkauf der Produkte durch die Erzeugergemeinschaft), die die Genossenschaft von den Zahlungen an die Erzeuger aus den Erlösen aus dem Verkauf der Gemüse- und Obstlieferungen der Lieferanten abzog, sind nicht als Gegenleistung für die erbrachten Aufwendungen im Rahmen des Weiterverkaufs an die Mitglieder der Genossenschaft anzusehen. Den Nettobetrag versteuerte die Erzeugergemeinschaft in Form von Gutschriften. Die Marktgebühren blieben unversteuert. Dies sah das Finanzamt anders.

Ausschlaggebend für die Ansicht des BFH war, dass sie die Produkte im eigenen Namen vermarktete und dass es ansonsten wirtschaftlich gesehen zu einer doppelten Umsatzsteuererhebung gekommen wäre. Neben der Besteuerung gegenüber Dritten (Käufer der Produkte der Erzeugergemeinschaft) - dieser lag als Bemessungsgrundlage der Erzeugerpreis plus Marktgebühren zugrunde -, wäre es zu einer weiteren Besteuerung der Marktgebühren im Verhältnis zu den Erzeugern gekommen. Dies wäre mit dem System der Umsatzbesteuerung nicht vereinbar gewesen.

Quelle: ; NWB Datenbank (RD)

Fundstelle(n):
EAAAJ-29763