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Online-Nachricht - Donnerstag, 22.12.2022

Verfahrensrecht | Zulässigkeit einer per Telefax eingelegten Revision (BFH)

Berufsausübungsgesellschaften in Gestalt einer Steuerberatungsgesellschaft mbH, für die erst ab dem ein sicherer Übermittlungsweg in Gestalt des besonderen elektronischen Steuerberaterpostfachs (beSt) eingerichtet wird, sind nach § 52d Satz 2 FGO erst ab diesem Zeitpunkt verpflichtet, vorbereitende oder bestimmende Schriftsätze und deren Anlagen sowie schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen unter Nutzung des elektronischen Rechtsverkehrs als elektronisches Dokument zu übermitteln (; veröffentlicht am ).

Sachverhalt: Streitig ist, ob Gewinne des Klägers, die dieser aus der Veräußerung von verschiedenen "Kryptowährungen" (Bitcoin, Ethereum, Monero) erzielt und in seiner - zusammen mit seiner Ehefrau, der Klägerin, beim FA eingereichten - Einkommensteuererklärung als sonstige Einkünfte i. S. des § 22 Nr. 2 i. V. mit § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ESt G in der im Streitjahr (2017) geltenden Fassung erklärt hat, der Besteuerung unterliegen. Gegen den erklärungsgemäßen Ansatz der genannten Gewinne erhoben die Kläger erfolglos Einspruch und Klage ().

Mandatierte Prozessbevollmächtigte der Kläger im Verwaltungs- und Klageverfahren war eine Steuerberatungsgesellschaft mbH; sie wird u.a. gesetzlich vertreten durch den angestellten Geschäftsführer und Leiter der Niederlassung, Rechtsanwalt und Steuerberater A. Die elektronische Datei des FG-Urteils wurde übertragen in das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) des bei der Prozessbevollmächtigten abhängig beschäftigten Rechtsanwalts B, in dessen beA auch die Ladung zur mündlichen Verhandlung vor dem FG übertragen wurde. Unter dem bestätigte Rechtsanwalt B den Empfang des Urteils durch elektronisches Empfangsbekenntnis (EB).

Die Prozessbevollmächtigte, vertreten durch Rechtsanwalt und Steuerberater A, macht mit ihrem - per Telefax übermittelten - Schriftsatz vom gegenüber dem BFH geltend, das FG-Urteil sei überhaupt nicht wirksam zugestellt worden, da es nicht ihr selbst per Post übermittelt, sondern als elektronisches Dokument in das beA eines Angestellten übertragen worden sei. Gleichzeitig legte die Prozessbevollmächtigte "aus Sicherheitsgründen" Revision gegen das Urteil des FG ein, die sie mit weiterem Telefaxschreiben vom begründete.

Mit ihrem per beA eingereichten Schriftsatz vom legte die Prozessbevollmächtigte ihre Revisionsschrift vom und ihre Revisionsbegründung vom erneut - diesmal in elektronischer Form (per beA) - vor und beantragte gleichzeitig Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 56 FGO) für den Fall, dass der Senat die - ihrer Auffassung nach unzutreffende - Auffassung vertrete, eine Übertragung von Revisionsschrift und Revisionsbegründung hätte mit Blick auf die berufliche Qualifikation des A als "Rechtsanwalt" nach Maßgabe des § 52d Satz 1 FGO (und mithin elektronisch) erfolgen müssen.

Die Revision ist rechtzeitig innerhalb der Revisionsfrist und in zulässiger Weise per Telefax erhoben worden:

  • Es ist davon auszugehen, dass Rechtsanwalt B berechtigt war, die Zustellung des FG-Urteils via beA entgegenzunehmen. Denn B ist nicht nur für die Prozessbevollmächtigte im erstinstanzlichen Verfahren aufgetreten, sondern hat auch bereits den Empfang der (elektronischen) Ladung zur mündlichen Verhandlung, in der er die Kläger (zusammen mit Rechtsanwalt und Steuerberater A) vertreten hat, per elektronischem EB bestätigt. Vor diesem Hintergrund ist (zumindest) nach den Grundsätzen der Anscheinsvollmacht davon auszugehen, dass B zur Entgegennahme des auf elektronischem Wege übermittelten erstinstanzlichen Urteils berechtigt war. Danach ist das erstinstanzliche Urteil des FG - als elektronisches Dokument - der Prozessbevollmächtigten am wirksam zugestellt worden.

  • Im Streitfall ist die Revision rechtzeitig und in zulässiger Weise per Telefax innerhalb der Revisionsfrist erhoben und rechtzeitig und in zulässiger Weise per Telefax innerhalb der (verlängerten) Revisionsbegründungsfrist begründet worden.

  • Vorbereitende oder bestimmende Schriftsätze und deren Anlagen sowie schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen, die durch einen Rechtsanwalt eingereicht werden, sind ab dem als elektronisches Dokument zu übermitteln (§ 52d Satz 1 FGO). Gleiches gilt für die nach § 62 Abs. 2 FGO vertretungsberechtigten Personen, für die ein sicherer Übermittlungsweg i. S. des § 52a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 FGO zur Verfügung steht (§ 52d Satz 2 FGO).

  • Berufsausübungsgesellschaften in Gestalt einer Steuerberatungsgesellschaft mbH, für die erst ab dem ein sicherer Übermittlungsweg in Gestalt des besonderen elektronischen Steuerberaterpostfachs (beSt) eingerichtet wird, sind nach § 52d Satz 2 FGO erst ab diesem Zeitpunkt verpflichtet, vorbereitende oder bestimmende Schriftsätze und deren Anlagen sowie schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen unter Nutzung des elektronischen Rechtsverkehrs als elektronisches Dokument zu übermitteln.

  • Eine nach § 52d Satz 2 FGO (noch) nicht nutzungspflichtige Prozessbevollmächtigte in Gestalt einer Steuerberatungsgesellschaft mbH wird nicht dadurch (i. S. des § 52d Satz 1 FGO) nutzungspflichtig, weil für sie ein gesetzlicher Vertreter (§ 55d Abs. 2 StBerG) handelt, der in seiner beruflichen Funktion als Rechtsanwalt nach § 52d Satz 1 FGO nutzungspflichtig wäre, wenn er als solcher selbst dem Gericht gegenüber auftreten würde.

Anmerkung von Dr. Nils Trossen, Richter im IX. Senat des BFH:

Die Entscheidung ist vor der ab dem greifenden aktiven Nutzungspflicht für Steuerberater und Steuerberatungsgesellschaften hochaktuell. Ab diesem Zeitpunkt ist für die Kommunikation mit den Gerichten das besondere elektronische Steuerberaterpostfach (beSt) zwingend zu nutzen (Nutzungszwang). Geregelt ist das in § 52d FGO. Danach sind vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen sowie schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen, die durch einen Rechtsanwalt, Steuerberater einschließlich der Berufsausübungsgesellschaften oder eine Verwaltungsbehörde eingereicht werden, als elektronisches Dokument zu übermitteln. Gegenüber Insolvenzgerichten besteht die Nutzungspflicht nach § 130d ZPO, gegenüber den Verwaltungsgerichten nach § 55d VwGO. Keine Nutzungspflicht besteht gegenüber Finanzbehörden und Kammern.

Die aktive Nutzungspflicht greift gesetzlich ab . Da die Registrierungsbriefe in mehreren Tranchen ab dem versandt werden, werden einige Berufsträger ihren Registrierungsbrief im Januar und Februar 2023 noch nicht erhalten haben. Daher greift die Nutzungspflicht erst ab der Möglichkeit zur Erstregistrierung, d.h. ab dem Versand und dem Zugang des Briefes mit der Registrierungskennung. Für Berater, die bereits jetzt gerichtliche Verfahren führen, bestand die Möglichkeit der Registrierung für die „fast lane“. D.h. in diesem Fall erhält man den Registrierungsbrief bevorzugt mit der ersten Tranche.

Beachten Sie: Ein Steuerberater, der zugleich eine Zulassung als Rechtsanwalt besitzt und damit ein beA zu unterhalten hat, ist nach § 52d Satz 1 FGO bereits ab nutzungspflichtig und muss sein beA nutzen (; ). Ein Steuerberater und Wirtschaftsprüfer ist daher ab nutzungspflichtig und muss sein beSt nutzen.

Ausnahmen von dieser aktiven Nutzungspflicht wird es nicht geben, d.h. eine Kommunikation mit den Gerichten per Fax oder Brief ist ab ausgeschlossen Nach § 52d Satz 3 FGO bleibt, wenn eine Übermittlung aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich ist, die Übermittlung nach den allgemeinen Vorschriften zulässig, wobei nach § 52d Satz 4 FGO die vorübergehende Unmöglichkeit bei der Ersatzeinreichung oder unverzüglich danach glaubhaft zu machen ist.

Die Anforderungen der Rechtsprechung an die vorübergehende Unmöglichkeit sind streng (vgl. , Tz. 8; Radke, jM 2022 S. 362). Der Umstand, dass nach Erhalt des Registrierungsbriefs keine Registrierung für das beSt erfolgt ist, stellt keine vorübergehende Unmöglichkeit dar. Ebenfalls kann man sich nicht auf fehlende Hard- oder Software berufen. Wer einen zugelassenen sicheren Übermittlungsweg aus Verweigerung, Nachlässigkeit oder Verzögerung bei der Einrichtung nicht in Betrieb nimmt oder einrichtet, kann sich nicht auf technische Unmöglichkeit berufen. Es handelt sich bei der Ersatzeinreichung um eine eng auszulegende Ausnahmevorschrift. Für die Anwendbarkeit reicht es nicht aus, mangels ausreichender Schulung oder eigenständiger Erfassung des Programms mit dem beSt nicht umgehen zu können. Es sind von der Ersatzeinreichung nur die Situationen erfasst, in denen die Gerichte nicht erreichbar sind (z.B. wegen eines Serverausfalls).

Quelle: ; NWB Datenbank (RD)

Fundstelle(n):
KAAAJ-29748