BGH Beschluss v. - 4 StR 50/22

Strafzumessung im Betäubungsmittelrecht: strafschärfende Berücksichtigung einer fehlenden Abhängigkeit

Gesetze: § 46 StGB, § 337 Abs 1 StPO

Instanzenzug: LG Arnsberg Az: II-2 KLs 12/20

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt, zwei Monate dieser Strafe wegen einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung für verbüßt erklärt und die „erweiterte“ Einziehung von Taterträgen in Höhe von 1.938 € angeordnet. Die dagegen gerichtete Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge zum Teil Erfolg und ist im Übrigen unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

21. Der Strafausspruch kann nicht bestehen bleiben, weil das Landgericht strafschärfend berücksichtigt hat, dass der Angeklagte selbst kein Betäubungsmittelkonsument und daher „nicht etwa durch eine Abhängigkeitsproblematik zur Finanzierung des eigenen Konsums zur Tatbegehung bewegt worden“ sei. Das Motiv, die Drogen erworben zu haben, um den eigenen Konsum zu finanzieren, kann Grund für die Milderung der Strafe sein, weil Suchtdruck oder Angst vor Entzugsfolgen das Handeln eines Täters beeinflussen können (vgl. , Rn. 3; Beschluss vom – 1 StR 42/20, Rn. 3; Oğlakcıoğlu in MüKo-StGB, 4. Aufl., § 29a BtMG Rn. 142 mwN). Das Landgericht hat dagegen die fehlende Abhängigkeit des Angeklagten als strafschärfenden Umstand bewertet und damit rechtsfehlerhaft das Fehlen eines Strafmilderungsgrundes zu seinen Lasten berücksichtigt.

3Da die Strafzumessung schon unter diesem Gesichtspunkt rechtsfehlerhaft ist, kann der Senat offen lassen, ob die Strafkammer durch ihre weitere Erwägung, der Angeklagte habe „kühl wirtschaftlich kalkulierend aus reinem Gewinnstreben mit Betäubungsmitteln Handel getrieben“ ein noch im Rahmen der Tatbestandsmäßigkeit von § 29a Abs. 1 Nr. 2 Variante 1 BtMG liegendes Gewinnstreben strafschärfend herangezogen und damit gegen das Doppelverwertungsverbot des § 46 Abs. 3 StGB verstoßen hat (vgl. Rn. 4, NStZ-RR 2020, 146, 147; Beschluss vom – 4 StR 100/18, StV 2019, 325, 236; Maier in Weber/Kornprobst/Maier, BtMG, 6. Aufl., § 29a Rn. 266 mwN).

4Die rechtsfehlerhafte Strafzumessung führt zur Aufhebung des Strafausspruchs. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen können bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO).

52. Darüber hinaus war die Einziehungsentscheidung abzuändern, weil das Landgericht im Tenor der angefochtenen Entscheidung von einem Fall der erweiterten Einziehung nach § 73a Abs. 1 StGB ausgegangen ist. Dies hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.

6Der Generalbundesanwalt hat dazu in seiner Antragsschrift vom folgendes ausgeführt:

„Den Einziehungsbetrag in Höhe von 1.938,00 Euro hat der Angeklagte nach den Feststellungen […] aus der verurteilungsgegenständlichen Tat erlangt. Von einem Erwerb durch oder für andere rechtswidrige Taten ist die Strafkammer angesichts der getroffenen Feststellungen und der Ausführungen zur Einziehungsentscheidungen (UA S. 16 f.) auch nicht ausgegangen. Die […] Umsatzgeschäfte sind […] mit dem Erwerb und dem Vorhalten der (verbliebenen) Betäubungsmittel als Bewertungseinheit zu einer Tat verbunden. […] Im Falle der Erlangung durch die verurteilungsgegenständliche Tat schreiben § 73 Abs. 1, § 73c Satz 1 StGB die Einziehung des Wertes von Taterträgen vor […]. Die Einziehung des erlangten Gegenstandes ist nicht möglich. Soweit der Angeklagte über Geldmittel verfügte, standen diese nach den Feststellungen nicht im Zusammenhang mit den Erträgen aus der verfahrensgegenständlichen Straftat in Höhe von 1.938,00 Euro (UA S. 6).“

7Dem schließt sich der Senat an und ändert den Ausspruch über die Einziehung in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO ab (vgl. , NStZ-RR 2019, 22, 23; Franke in Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 354 Rn. 12 mwN). § 265 Abs. 1 StPO steht nicht entgegen, da auszuschließen ist, dass sich der Angeklagte gegen die Einziehungsentscheidung anders als geschehen verteidigt hätte.

83. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, dass die Kompensationsentscheidung von der Aufhebung des Strafausspruchs nicht betroffen ist (vgl. ; Schmitt in Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 65. Aufl., § 353 Rn. 8 mwN).

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2022:070722B4STR50.22.0

Fundstelle(n):
KAAAJ-28977