Oberste Finanzbehörden der Länder - S 3812b BStBl 2022 I S. 1517

Behandlung von (jungem) Verwaltungsvermögen und (jungen) Finanzmitteln bei Umwandlungsvorgängen sowie Folgen von Umwandlungsvorgängen für die Anwendung des vereinfachten Ertragswertverfahrens

Bezug: BStBl 2020 II S. 577

Bezug: BStBl 2022 I S. 1494

I. Entstehen jungen Verwaltungsvermögens durch Umwandlungsvorgänge

1Die Verwaltungsvermögenseigenschaft eines Wirtschaftsguts ist im Besteuerungszeitpunkt zu prüfen. Durch Umwandlungsvorgänge kann sich die Verwaltungsvermögenseigenschaft eines Wirtschaftsguts ändern (z. B. Überschreiten der Beteiligungsgrenze bei Anteilen an Kapitalgesellschaften nach § 13b Absatz 4 Nummer 2 ErbStG). Verwaltungsvermögen im Sinne von § 13b Absatz 4 Nummer 1 bis 4 ErbStG, das dem Betrieb im Zeitpunkt der Steuerentstehung weniger als zwei Jahre zuzurechnen war, ist junges Verwaltungsvermögen (§ 13b Absatz 7 Satz 2 ErbStG). Bei Umwandlungsvorgängen kann sich für einzelne Wirtschaftsgüter ein Rechtsträgerwechsel ergeben, der Auswirkungen auf die Qualifizierung als junges Verwaltungsvermögen haben kann. Für die Beurteilung, ob junges Verwaltungsvermögen zugeführt wurde, ist eine betriebsbezogene Sichtweise erforderlich.

2Im Hinblick auf die Gesamtsystematik der §§ 13a, 13b ErbStG, insbesondere auch unter Berücksichtigung des Systems der stufenweisen Ermittlung und Einbeziehung in die Verbundvermögensaufstellung (§ 13b Absatz 9 ErbStG), erfolgt für die Beurteilung, ob junges Verwaltungsvermögen vorliegt, weder eine rein zivilrechtliche, noch eine rein ertragsteuerliche Anknüpfung. Entscheidend ist, ob sich die Betriebszuordnung des Wirtschaftsguts ändert.

1. Verschmelzung

3Im Fall einer Verschmelzung handelt es sich um die Übertragung des gesamten Vermögens eines Rechtsträgers auf einen anderen schon bestehenden Rechtsträger oder zweier oder mehrerer Rechtsträger auf einen neu gegründeten Rechtsträger im Wege der Gesamtrechtsnachfolge unter Auflösung ohne Abwicklung.

4Bei einer Verschmelzung einer Tochtergesellschaft auf eine Muttergesellschaft (Aufwärtsverschmelzung) wird der Muttergesellschaft junges Verwaltungsvermögen zugeführt (, BStBl 2020 II S. 577). Die Aufwärtsverschmelzung führt bilanziell bei der aufnehmenden Gesellschaft zu einem Aktivtausch (einzelne Wirtschaftsgüter an Beteiligung). Der Zweijahreszeitraum des § 13b Absatz 7 Satz 2 ErbStG beginnt bei dem aufnehmenden Rechtsträger neu, eine Anrechnung der Zurechnungszeit des bisherigen Rechtsträgers findet nicht statt ( a.a.O., Rn. 36).

5Die Grundsätze sind auf andere Verschmelzungsvorgänge entsprechend anzuwenden (insbesondere Seitwärts- oder Abwärtsverschmelzungen), selbst wenn insofern bilanziell kein Aktivtausch vorliegt.

2. Auf- oder Abspaltung, Ausgliederung

6Im Fall der Aufspaltung (§ 123 Absatz 1 UmwG) teilt ein Rechtsträger sein Vermögen unter Auflösung auf und überträgt die Teile im Wege der Sonderrechtsnachfolge jeweils auf andere schon bestehende oder neu gegründete Rechtsträger. Es entsteht in vollem Umfang junges Verwaltungsvermögen bei den neuen Rechtsträgern, ohne dass eine Zurechnungszeit des bisherigen Rechtsträgers beim neuen Rechtsträger angerechnet wird.

7Bei der Abspaltung (§ 123 Absatz 2 UmwG) bleibt der bisherige Rechtsträger bestehen, es geht lediglich ein Teil des Vermögens im Wege der Sonderrechtsnachfolge auf andere schon bestehende oder neu gegründete Rechtsträger über. Im Umfang des Übergangs von Verwaltungsvermögen auf den/die neuen Rechtsträger entsteht bei diesem/-n junges Verwaltungsvermögen, ohne dass eine Zurechnungszeit des bisherigen Rechtsträgers beim neuen Rechtsträger angerechnet wird.

8Im Fall der Ausgliederung (§ 123 Absatz 3 UmwG) wird aus dem Vermögen des übertragenden Rechtsträger ein Teil oder mehrere Teile im Wege der Sonderrechtsnachfolge auf andere schon bestehende oder neu gegründete Rechtsträger übertragen. Im Umfang des Übergangs von Verwaltungsvermögen auf den oder die neuen Rechtsträger entsteht bei diesem/-n junges Verwaltungsvermögen, ohne dass eine Zurechnungszeit des bisherigen Rechtsträgers beim neuen Rechtsträger angerechnet wird.

3. Einbringungsvorgänge

3.1. Einbringung eines Einzelunternehmens in eine Personengesellschaft

9Die Einbringung eines Einzelunternehmens in eine Personengesellschaft führt zivilrechtlich zum Eigentumsübergang der Wirtschaftsgüter und somit zu einem Rechtsträgerwechsel. Auch ertragsteuerlich ändert sich die betriebliche Zuordnung. Das übertragene Verwaltungsvermögen ist dadurch bei der Personengesellschaft als junges Verwaltungsvermögen zu qualifizieren. Zurechnungszeiten des eingebrachten Einzelunternehmens werden nicht angerechnet.

Beispiel 1:

A hat ein Einzelunternehmen, in dem sich an Dritte vermieteter Grundbesitz befindet. Er beteiligt seinen Sohn in der Form an dem Einzelunternehmen, dass eine OHG gegründet wird, in welche der laufende Geschäftsbetrieb des Einzelunternehmens eingelegt wird.

In der neu gegründeten OHG stellt der an Dritte vermietete Grundbesitz junges Verwaltungsvermögen, dar.

Abwandlung:

Es werden Wirtschaftsgüter, die Verwaltungsvermögen darstellen, nicht in das Gesamthandsvermögen, sondern in das Sonderbetriebsvermögen des A überführt. Im Nachgang verschenkt A einen Anteil am Gesamthandsvermögen und sein Sonderbetriebsvermögen an seinen Sohn.

Junges Verwaltungsvermögen entsteht bereits mit der Einbringung der Wirtschaftsgüter, die Verwaltungsvermögen darstellen, in das Sonderbetriebsvermögen des A im Rahmen der Gründung der OHG.

3.2. Einbringung eines Mitunternehmeranteils in eine Personengesellschaft unter Begründung einer doppel-(oder mehr-)stöckigen Struktur

10Zivilrechtlich verbleiben die Wirtschaftsgüter einer Personengesellschaft (Untergesellschaft) bei Einbringung eines Mitunternehmeranteils an dieser in eine andere Personengesellschaft (Obergesellschaft) im Eigentum der Untergesellschaft, ein Rechtsträgerwechsel findet nicht statt. Nach ertragsteuerlichen Grundsätzen entsteht hier eine neue, doppelstöckige Mituntemehmerschaft. Unmittelbarer Mituntemehmer der Untergesellschaft wird die Obergesellschaft. Deren Gesellschafter sind mittelbar an der Untergesellschaft beteiligt. Die Beteiligung an der Untergesellschaft wird in der Steuerbilanz der Obergesellschaft mit dem Stand der Kapitalkonten der Obergesellschaft bei der Untergesellschaft abgebildet (Spiegelbildmethode).

11Aufgrund der stufenweisen Ermittlung bei der Verbundvermögensaufstellung ist erbschaft- und schenkungsteuerrechtlich davon auszugehen, dass die Wirtschaftsgüter der Untergesellschaft ihre Betriebszugehörigkeit durch die Einbringung des Mituntemehmeranteils nicht ändern. Es entsteht kein junges Verwaltungsvermögen in Bezug auf die Wirtschaftsgüter der Untergesellschaft.

Beispiel 2:

Gesellschafter A ist an der X-KG (Untergesellschaft) zu 1/3 beteiligt. Er bringt den Anteil in die neu gegründete Y-OHG (Obergesellschaft) gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten ein.

Mit der Einbringung des Anteils an der X-KG in die Y-OHG entsteht kein junges Verwaltungsvermögen bei der X-KG.

12Bringt der bisherige Mitunternehmer auch Sonderbetriebsvermögen in das Gesamthandsvermögen der neuen Obergesellschaft ein, so ändert sich die zivilrechtliche Zuordnung (Rechtsträgerwechsel). Der Eigentümer des Sonderbetriebsvermögens ist nicht mehr der einbringende Gesellschafter, sondern die Obergesellschaft. Ertragsteuerlich wird das Sonderbetriebsvermögen weiter dem Betrieb der Untergesellschaft zugerechnet. Der Obergesellschaft wird insoweit kein eigenes junges Verwaltungsvermögen zugeführt. Bei der Untergesellschaft ergibt sich aus dem Rechtsträgerwechsel hinsichtlich des Sonderbetriebsvermögens der Obergesellschaft junges Verwaltungsvermögen auf Ebene der Untergesellschaft. Im Rahmen der Verbundvermögensbetrachtung nach § 13b Absatz 9 ErbStG ist das junge Verwaltungsvermögen aus dem Sonderbetriebsvermögen der Obergesellschaft bei der Untergesellschaft neben dem jungen Verwaltungsvermögen aus der Beteiligung der Obergesellschaft am Gesamthandsvermögen der Untergesellschaft anzusetzen.

Fortsetzung Beispiel 2:

Gesellschafter A bringt zusätzlich sein bei der X-KG (Untergesellschaft) gehaltenes Sonderbetriebsvermögen, welches Verwaltungsvermögen darstellt, im Wert von 10 000 EUR in das Gesamthandsvermögen der Y-OHG (Obergesellschaft) ein. Das bisherige Sonderbetriebsvermögen des A wird Sonderbetriebsvermögen der Y-OHG bei der X-KG.

Bei der Y-OHG stellt das Sonderbetriebsvermögen kein ihr direkt zuzurechnendes junges Verwaltungsvermögen dar. Aufgrund des Rechtsträgerwechsel ist es nun mit Einbringung als junges Verwaltungsvermögen im Sonderbetriebsvermögen der Y-OHG in der X-KG zu qualifizieren und im Rahmen der Verbundvermögensbetrachtung als junges Verwaltungsvermögen aus der Beteiligung an der X-KG anzusetzen.

Beteiligung der Y-OHG an der X-KG (Feststellungen für die X-KG)


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Verwaltungsvermögen aus dem Sonderbetriebsvermögen
10 000 EUR
Junges Verwaltungsvermögen aus dem Sonderbetriebsvermögen
10 000 EUR

Beteiligung an der Y-OHG (Feststellungen für die Y-OHG)


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Eigenes Verwaltungsvermögen
0 EUR
Verwaltungsvermögen aus der Beteiligung an der X-KG
10 000 EUR
Anzusetzendes Verwaltungsvermögen
10 000 EUR
Eigenes junges Verwaltungsvermögen
0 EUR
Junges Verwaltungsvermögen aus der Beteiligung an der X-KG
10 000 EUR
Anzusetzendes junges Verwaltungsvermögen
10 000 EUR

3.3. Einbringung durch Aufnahme von weiteren Gesellschaftern in eine Personengesellschaft

13Das zivilrechtliche Eigentum an den Wirtschaftsgütem der Personengesellschaft ändert sich durch die Aufnahme eines weiteren Gesellschafters nicht. Die entgeltliche Aufnahme eines weiteren Gesellschafters in eine bestehende Mituntemehmerschaft führt ertragsteuerlich aber zur Begründung einer neuen Mitunternehmerschaft (§ 24 UmwStG). Unter Berücksichtigung des Grundgedankens der §§ 13a, 13b ErbStG führt diese ertragsteuerliche Wertung jedoch nicht zu einer neuen betrieblichen Zuordnung. Das in der Personengesellschaft bereits vorhandene junge Verwaltungsvermögen bleibt unter Fortführung der ursprünglichen Zurechnungszeit bis zum Ablauf von zwei Jahren bestehen.

14Sofern bei der Aufnahme durch den neuen Gesellschafter dem Betrieb Verwaltungsvermögen zugeführt wird, stellt dieses junges Verwaltungsvermögen dar.

Beispiel 3:

Die Gesellschafter A und B sind an der AB-OHG zu je 1/2 beteiligt. Sie nehmen den Gesellschafter C auf. Dieser legt dafür Aktien (Verwaltungsvermögen nach § 13b Absatz 4 Nummer 2 ErbStG) in das Gesellschaftsvermögen ein.

Das in der AB-OHG vorhandene Verwaltungsvermögen wird durch die Aufnahme des C nicht zu jungem Verwaltungsvermögen. Mit der Einlage der Aktien durch den C entsteht insoweit junges Verwaltungsvermögen.

3.4. Einbringung eines Einzelunternehmens in eine Kapitalgesellschaft

15Die Einbringung eines Einzelunternehmens in eine Kapitalgesellschaft führt zivilrechtlich zu einem Rechtsträgerwechsel an den Wirtschaftsgütern und in Bezug auf das eingebrachte Verwaltungsvermögen zur Begründung jungen Verwaltungsvermögens bei der Kapitalgesellschaft.

3.5. Einbringung eines Mitunternehmeranteils in eine Kapitalgesellschaft

16Wird ein Mitunternehmeranteil in eine Kapitalgesellschaft eingebrächt, so findet bezogen auf das Gesamthandsvermögen der Personengesellschaft kein Rechtsträgerwechsel statt. Die Kapitalgesellschaft ist fortan zwar anteilig an den Wirtschaftsgütern der Mitunternehmerschaft beteiligt (Spiegelbildmethode), die betriebsbezogene Zurechnung der Wirtschaftsgüter der Mitunternehmerschaft für erbschaft- und schenkungsteuerrechtliche Zwecke ändert sich aber nicht.

17Wurde im Zuge der Einbringung auch Sonderbetriebsvermögen des bisherigen Mitunternehmers eingebracht, kann dies junges Verwaltungsvermögen auf Ebene der Mitunternehmerschaft begründen.

3.6. Aufnahme von weiteren Gesellschaftern in eine Kapitalgesellschaft

18Die Aufnahme weiterer Gesellschafter in die Kapitalgesellschaft durch Erhöhung des Stammkapitals führt zu keinem Rechtsträgerwechsel und ist umwandlungssteuerlich grundsätzlich kein Einbringungsvorgang. Die betriebsbezogene Zurechnung der bisherigen Wirtschaftsgüter ändert sich nicht.

19Sofern durch die Aufnahme des neuen Gesellschafters Verwaltungsvermögen in die Gesellschaft eingelegt wird (Sacheinlage), stellt dieses junges Verwaltungsvermögen dar.

4. Formwechsel

20Der Formwechsel nach §§ 190 ff. UmwG führt zivilrechtlich - anders als die Verschmelzung - nicht zu einem Rechtsträgerwechsel und somit nicht zu einer Änderung der Eigentumszurechnung.

4.1. Formwechsel einer Kapitalgesellschaft in eine andere Kapitalgesellschaft oder Formwechsel einer Personengesellschaft in eine andere Personengesellschaft

21Der den Rechtscharakter als Personen- oder Kapitalgesellschaft wahrende Formwechsel (z. B. GmbH in AG, OHG in KG) führt nicht zur Begründung von jungem Verwaltungsvermögen.

4.2. Formwechsel einer Personen- in eine Kapitalgesellschaft

22Ertragsteuerlich wird dieser Fall wie ein Einbringungsvorgang behandelt (§ 25 UmwStG), was zu einer Änderung bei der betrieblichen Zurechnung der Wirtschaftsgüter führt. Entsprechend der Systematik der §§ 13a, 13b ErbStG wird aber auf die betriebliche Einheit abgestellt, welche sich nicht ändert. Es wird kein junges Verwaltungsvermögen begründet.

23Das in der Personengesellschaft bereits vorhandene junge Verwaltungsvermögen wird unter Anrechnung der ursprünglichen Zurechnungszeit weiter als junges Verwaltungsvermögen behandelt. Durch den Formwechsel beginnt kein neuer Zweijahreszeitraum.

24Bei Verwaltungsvermögen im Sonderbetriebsvermögen, das im Rahmen des Formwechsels auf die Kapitalgesellschaft übertragen wird, findet dagegen ein Rechtsträgerwechsel statt und es wird junges Verwaltungsvermögen begründet.

4.3. Formwechsel einer Kapital- in eine Personengesellschaft

25Der Formwechsel einer Kapital- in eine Personengesellschaft ist ertragsteuerlich durch § 9 i. V. m. § 3 UmwStG der Verschmelzung auf eine Personengesellschaft gleichgestellt.

Aufgrund der Tatsache, dass auch in diesem Fall erbschaft- und schenkungsteuerrechtlich die betriebliche Einheit fortbesteht, wird kein junges Verwaltungsvermögen begründet.

26Das in der Kapitalgesellschaft bereits vorhandene junge Verwaltungsvermögen wird unter Anrechnung der ursprünglichen Zurechnungszeit weiter als junges Verwaltungsvermögen behandelt. Durch den Formwechsel beginnt kein neuer Zweijahreszeitraum.

5. Option zur Körperschaftsbesteuerung nach § 1a KStG

27Bei der Option einer Personenhandels- oder Partnerschaftsgesellschaft zur Körperschaftsbesteuerung wird ertragsteuerlich ein Formwechsel fingiert (§ 1a Absatz 2 KStG); zivil- rechtlich bleibt die optierende Gesellschaft eine Personengesellschaft. Für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer sowie für die Bewertung von Beteiligungen an Personengesellschaften hat sich der Gesetzgeber für einen Verbleib bei den Grundsätzen der Beteiligung an Personengesellschaften entschieden (§ 97 Absatz 1 Satz 1 Nummer 5 Satz 1 BewG). Eine Anknüpfung an die ertragsteuerliche Behandlung findet nicht statt. Bei Ausübung der Option kann es zur Begründung jungen Verwaltungsvermögens kommen. Für weitere Einzelheiten siehe gleich lautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder vom , BStBl 2022 I S. n.n.

6. Anwachsung

28Kommt es durch Ausscheiden eines Gesellschafters aus einer Personengesellschaft zur Anwachsung nach § 738 BGB, so entsteht nach ertragsteuerlichen Grundsätzen jeweils eine neue Mituntemehmerschaft bzw. - beim Ausscheiden des vorletzten Gesellschafters - ein Einzelunternehmen. Erbschaft- und schenkungsteuerrechtlich wird entsprechend der Einbringungsvorgänge (unter I.3) wie folgt verfahren:

6.1. Ausscheiden unter Fortbestand der Personengesellschaft

29Bleibt die Personengesellschaft beim Ausscheiden eines Gesellschafters erhalten, weil noch mindestens zwei weitere Gesellschafter vorhanden sind, ändert sich die betriebliche Zuordnung für Zwecke der §§ 13a, 13b ErbStG nicht. Das in der Personengesellschaft bereits vorhandene junge Verwaltungsvermögen bleibt bestehen. Darüber hinaus wird kein junges Verwaltungsvermögen begründet.

6.2. Ausscheiden des vorletzten Gesellschafters

30Das Ausscheiden des vorletzten Gesellschafters ist mit einem Rechtsträgerwechsel gem. § 738 BGB verbunden. Das übergehende Verwaltungsvermögen ist als junges Verwaltungsvermögen beim letzten Gesellschafter zu qualifizieren.

II. Junge Finanzmittel durch Umwandlungsvorgänge

1. Allgemeines

31Junge Finanzmittel sind nach § 13b Absatz 4 Nummer 5 Satz 2 ErbStG der positive Saldo aus der Einlage und der Entnahme von Finanzmitteln innerhalb von zwei Jahren vor dem Besteuerungszeitpunkt.

32Wie im Bereich des jungen Verwaltungsvermögens ist auch bei der Ermittlung junger Finanzmittel die gesellschaftsbezogene Betrachtungsweise anzuwenden und auf jeder Beteiligungsstufe zu prüfen, ob eine Einlage oder Entnahme in die jeweilige Beteiligungsgesellschaft erfolgt ist (R E 13b.29 Absatz 3 ErbStR).

33Da § 13b Absatz 4 Nummer 5 Satz 2 ErbStG auf die Begriffe Einlage bzw. Entnahme abstellt, liegt kein Gleichklang mit dem jungen Verwaltungsvermögen vor.

34Die Begriffe Einlage und Entnahme sind zunächst - in entsprechender Anwendung von R E 13a.15 Absatz 1 Satz 4 ErbStR - nach den Grundsätzen des Ertragsteuerrechts zu beurteilen. Die Auslegung der Begriffe Einlage und Entnahme im Rahmen des § 13b Absatz 4 Nummer 5 Satz 2 ErbStG kann jedoch nicht auf die ertragsteuerliche Definition beschränkt bleiben und muss aus erbschaft- und schenkungsteuerrechtlicher Sicht beurteilt werden.

35Als Einlagevorgang i. S. d. § 13b Absatz 4 Nummer 5 Satz 2 ErbStG sind allgemein alle Zuführungen zum Unternehmensvermögen durch Gesellschafter oder nahestehende Personen i. S. v. § 1 Absatz 2 AStG zu verstehen, sofern es sich bei dem zugeführten Gegenstand um Finanzmittel handelt.

36Folgende Vorgänge sind abweichend von der ertragsteuerlichen Behandlung als Einlage zu beurteilen:

  • Einbringungsvorgänge gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten oder andere Gegenleistungen (da tauschähnlicher Vorgang),

  • Vermögenszuführungen im Wege der Neugründung vor Betriebsaufnahme.

37Eine Entnahme i. S. d. § 13b Absatz 4 Nummer 5 Satz 2 ErbStG liegt umgekehrt dann vor, wenn dem Unternehmensvermögen Finanzmittel durch Gesellschafter oder nahestehende Personen i. S. v. § 1 Absatz 2 AStG entzogen werden. Hierzu zählen auch die Ausschüttungen bei Kapitalgesellschaften.

38Für die unter I. dargestellten Umwandlungsfälle gilt damit:

Wenn sich die betriebsbezogene Zurechnung durch den Umwandlungsvorgang nicht ändert, führt der Betrieb auch hinsichtlich der jungen Finanzmittel die bisherigen Rechengrößen (Entnahmen und Einlagen der letzten zwei Jahre) fort. Dies gilt bei:

  • Einbringung von Mitunternehmeranteilen in eine Personen- oder Kapitalgesellschaft,

  • Anwachsung unter Fortbestand der Personengesellschaft,

  • Formwechsel; etwas anderes gilt für Finanzmittel im Sonderbetriebsvermögen, die im Rahmen des Formwechsels in eine Kapitalgesellschaft übertragen werden. Diese werden aufgrund des Rechtsträgerwechsels bei der Ermittlung der jungen Finanzmittel als Einlage berücksichtigt.

39Führt der Umwandlungsvorgang dagegen zu einem Wechsel in der betrieblichen Zuordnung mit der Folge, dass junges Verwaltungsvermögen begründet wird, so gilt auch die durch den Umwandlungsvorgang erfolgte Zuführung von Finanzmitteln zum neuen Betrieb als Einlage. Dies gilt bei:

  • Verschmelzung,

  • Auf- / Abspaltung, Ausgliederung,

  • Einbringung eines Einzelunternehmens in eine Personengesellschaft,

  • Aufnahme neuer Mitunternehmer in eine Personengesellschaft hinsichtlich der vom aufgenommenen Gesellschafter zugeführten Finanzmittel,

  • Aufnahme neuer Gesellschafter in eine Kapitalgesellschaft hinsichtlich der vom aufgenommenen Gesellschafter zugeführten Finanzmittel,

  • Einbringung eines Einzelunternehmens in eine Kapitalgesellschaft,

  • Anwachsung auf den letzten verbleibenden Gesellschafter.

Umgekehrt (z, B. in Fällen der Abspaltung) kann beim bisherigen Betrieb eine Entnahme vorliegen.

Beispiel 4:

A betreibt ein Einzelunternehmen. Aus seinem Privatvermögen legt er 50 000 EUR in dieses ein. Innerhalb von zwei Jahren nach der Einlage wird der Betrieb auf den Nachfolger unentgeltlich übertragen. Die Entnahmen von Finanzmitteln innerhalb des Zweijahreszeitraums des § 13b Absatz 4 Nummer 5 Satz 2 ErbStG betragen 20 000 EUR. Der Wert der Finanzmittel des Einzelunternehmens im Zeitpunkt der Steuerentstehung beträgt 40 000 EUR.

Für das Einzelunternehmen ergeben sich im Zeitpunkt der Steuerentstehung junge Finanzmittel von 30 000 EUR (Einlagen 50 000 EUR ./. Entnahmen 20 000 EUR).

Abwandlung:

Nach der Einlage der 50 000 EUR in das Einzelunternehmen gründet A eine GmbH & Co. KG, deren alleiniger Kommanditist er ist. In diese bringt er sein Einzelunternehmen ein (§ 24 UmwStG). Der Wert der Finanzmittel des Einzelunternehmens im Zeitpunkt der Einbringung in die GmbH & Co. KG beträgt 80 000 EUR. Ein Jahr nach der Gründung der GmbH & Co. KG überträgt er seinen Kommanditanteil unentgeltlich auf seinen Nachfolger. Die Entnahmen von Finanzmitteln aus der GmbH & Co. KG seit deren Gründung betragen 10 000 EUR. Finanzmittel wurden seit der Gründung nicht mehr in die GmbH & Co. KG eingelegt. Der Wert der Finanzmittel der GmbH & Co. KG im Zeitpunkt der Steuerentstehung beträgt 90 000 EUR.

Mit der Einbringung des Einzelunternehmens in die GmbH & Co. KG sind sämtliche Finanzmittel des Einzelunternehmens (80 000 EUR) bei der Ermittlung der jungen Finanzmittel der GmbH & Co. KG als Einlagen zu qualifizieren. Bei der Ermittlung der jungen Finanzmittel der GmbH & Co. KG sind die Entnahmen von Finanzmitteln seit deren Gründung zu berücksichtigen. Für die GmbH & Co. KG ergeben sich im Zeitpunkt der Steuerentstehung junge Finanzmittel von 70 000 EUR (Einlage 80 000 EUR ./. Entnahmen 10 000 EUR). Die Einlagen in das Einzelunternehmen (50 000 EUR) und die Entnahmen aus diesen (20 000 EUR) sind nicht mit zu berücksichtigen, auch wenn diese innerhalb des Zweijahreszeitraums vor der Übertragung des Kommanditanteils getätigt worden sein sollten.

2. Option zur Körperschaftsbesteuerung nach § 1a KStG

40Bei Ausübung der Option (hierzu unter I.5) kann es zu Einlagen kommen, die bei der Ermittlung der jungen Finanzmittel zu berücksichtigen sind. Für weitere Einzelheiten siehe gleich lautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder vom , BStBl 2022 I S. n.n.

III. Folgen von Umwandlungsvorgängen für das vereinfachte Ertragswertverfahren (§§ 199 ff. BewG)

41Bei der Bewertung nach dem vereinfachten Ertragswertverfahren im Anschluss an Umwandlungsvorgänge ist zu unterscheiden,

  • ob es um die Bewertung des Unternehmens geht, das das Vermögen aufnimmt oder abgibt und

  • ob das aufnehmende Unternehmen vor dem Vermögenszugang bereits einer Geschäftstätigkeit nachgegangen ist bzw. ob das abgebende Unternehmen nach dem Vermögensabgang noch eine Geschäftstätigkeit ausübt.

1. Bewertung des aufnehmenden Unternehmens

1.1. Das aufnehmende Unternehmen ist zuvor keiner Geschäftstätigkeit nachgegangen

42Das aufnehmende Unternehmen kann grundsätzlich im vereinfachten Ertragswertverfahren bewertet werden (§§ 199 ff. BewG). Dies gilt sowohl für Gesellschaften, die schon längere Zeit bestehen (Vorratsgesellschaft), als auch für im Umwandlungsvorgang neu gegründete Gesellschaften. Hierbei kommt § 201 Absatz 3 Satz 2 BewG zur Anwendung (Übernahme der Ergebnisse des bisherigen Betriebs bzw. der bisherigen Gesellschaft). Deshalb handelt es sich nicht um eine die Anwendung des vereinfachten Ertragswertverfahrens ausschließende Neugründung (kein Anwendungsfall von R B 199.1 Absatz 6 Satz 1 Nummer 2 und Satz 2 ErbStR).

43Der Durchschnittsertrag ist regelmäßig aus den Betriebsergebnissen der letzten drei vor dem Bewertungsstichtag abgelaufenen Wirtschaftsjahre herzuleiten (§ 201 Absatz 2 Satz 1 BewG). Das gesamte Betriebsergebnis eines am Bewertungsstichtag noch nicht abgelaufenen Wirtschaftsjahres ist anstelle des drittletzten abgelaufenen Wirtschaftsjahres einzubeziehen, wenn es für die Herleitung des künftig zu erzielenden Jahresertrags von Bedeutung ist (§ 201 Absatz 2 Satz 2 BewG). Soweit danach keine Betriebsergebnisse aus drei vollen Wirtschaftsjahren bei dem aufnehmenden Unternehmen zugrunde gelegt werden können, sind frühere Betriebsergebnisse des abgebenden Gewerbebetriebs bzw. der abgebenden Gesellschaft einzubeziehen (§ 201 Absatz 3 Satz 2 BewG).

44Bei Anwendung der §§ 200 ff. BewG sind die wirtschaftlichen Auswirkungen im Einzelfall durch entsprechende Hinzu- oder Abrechnungen analog § 202 Absatz 1 BewG zu berücksichtigen. Dies gilt z. B. für Einflüsse auf die Ertragskraft durch Veränderungen der konzernintemen Leistungsverrechnungen oder hinsichtlich der Berücksichtigung von Wirtschaftsgütem i. S. d. § 200 Absatz 2 bis 4 BewG.

1.2. Das aufnehmende Unternehmen ist zuvor bereits einer Geschäftstätigkeit nachgegangen

45Bleibt im Rahmen eines Umwandlungsvorgangs ein Betrieb bestehen und wird ein weiterer (Teil-)Betrieb hinzugefügt, sind bei der Ermittlung im vereinfachten Ertragswertverfahren grundsätzlich (vgl. aber Rz. 44) die Betriebsergebnisse beider Betriebe zu berücksichtigen (R B 201 Absatz 2 Satz 5 ErbStR). Damit scheidet ein zusätzlicher Ansatz des aufgenommenen (Teil-)Betriebs als junges Betriebsvermögen i. S. d. § 200 Absatz 4 BewG aus.

Beispiel 5:

Zum findet eine Aufwärtsverschmelzung der B-GmbH (Kfz-Reparatur) auf ihre Muttergesellschaft, die A-GmbH(Handel mit Neu- und Gebrauchtwagen), statt. Beide Teilbetriebe werden fortan von der A-GmbH geführt. Zum tritt der Bewertungsfall der A-GmbH ein.

Aufgrund des zum Bewertungsstichtag nahezu abgelaufenen Wirtschaftsjahrs 04 ist dieses in die Ermittlung des Durchschnittsertrags aus den vergangenen drei Wirtschaftsjahren (02 bis 04) einzubeziehen (§ 201 Absatz 2 Satz 2 BewG). Wirtschaftlich betrachtet hat sich durch die Verschmelzung keine Minderung des Ertragswerts der A- GmbH ergeben. Eine Bewertung der A-GmbH anhand ihrer Betriebsergebnisse aus den Wirtschaftsjahren 02 bis 04 würde allerdings zu einer nicht gerechtfertigten Unterbewertung führen, da hierdurch die Ertragskraft aus dem Kfz-Reparaturbetrieb der verschmolzenen B-GmbH aus den Jahren 02 und 03 unberücksichtigt bliebe. Zur Ermittlung des zukünftig nachhaltig zu erzielenden Jahresertrags ist daher für die Wirtschaftsjahre 02 und 03 auf die Summe der Betriebsergebnisse der A-GmbH und der B-GmbH abzustellen. Inwiefern die Verschmelzung Synergieeffekte mit sich bringt, die einen Aufschlag auf den Durchschnittsertrag rechtfertigen, hängt von den zum Bewertungsstichtag objektiv bekannten Umständen ab (R B 201 Absatz 5 ErbStR).

2. Bewertung des abgebenden Unternehmens

46Im Fall der Abspaltung und Ausgliederung bleibt das abgebende Unternehmen mit verkleinertem Betriebsvermögen bestehen.

47Für den Fall der Abspaltung gilt das doppelte Teilbetriebserfordernis. Dies bedeutet, dass das abgebende Unternehmen einen Teilbetrieb zurückbehalten muss (§ 15 Absatz 1 Sätze 1 und 2 UmwStG), der sich grundsätzlich im vereinfachten Ertragswertverfahren bewerten lässt (Mindestwert ist auch hier der Substanzwert). Für die Ermittlung des Durchschnittsertrags ist jedoch auch für Zeiträume vor der Abspaltung grundsätzlich (vgl. aber Rz. 44) von den Betriebsergebnissen des zurückbehaltenen Teilbetriebes auszugehen.

Beispiel 6:

Zum wird der Teilbetrieb Bauunternehmung aus der Z-GmbH abgespalten. Zurück bleibt der Teilbetrieb der Vermietung von Wohn- und Gewerbeflächen. Bewertungsstichtag der Z-GmbH ist der .

Die Z-GmbH kann grundsätzlich im vereinfachten Ertragswertverfahren bewertet werden. Die Bewertung ist aufgrund des zum Bewertungsstichtag nahezu abgelaufenen Wirtschaftsjahrs 05 anhand der Gewinnanteile der Jahre 03 bis 05 aus dem Teilbetrieb der Vermietung von Wohn- und Gewerbeflächen durchzuführen (§ 201 Absatz 2 Satz 2 BewG). Die Gewinnanteile aus dem Teilbetrieb Bauunternehmung sind nicht mit einzubeziehen (R B 201 Absatz 5 ErbStR). Die Gewinnaufteilung ist anhand verifizierbarer Angaben der Beteiligten vorzunehmen. Der Gewinn ist im Zweifel im Wege der Schätzung aufzuteilen (vgl. Rz. 50).

3. Einzelheiten zur Ermittlung der Betriebsergebnisse

3.1. Allgemeines

48Im Fall der Verschmelzung von zwei oder mehr Gesellschaften auf eine dritte Gesellschaft ist grundsätzlich (vgl. aber Rz. 44) auf die Summe der früheren Betriebsergebnisse der verschmolzenen Gesellschaften abzustellen.

49Auf- / Abspaltungen und Ausgliederungen betreffen immer die Übertragung von Teilbetrieben. In diesen Fällen ist grundsätzlich (vgl. aber Rz. 44) von dem Betriebsergebnis des übernommenen Teilbetriebs auszugehen.

50Im Fall der Auf- und Abspaltung hat der Unternehmer das doppelte Teilbetriebserfordernis zu beachten (vgl. Rz. 47). Den Beteiligten sind verifizierbare Angaben zur Aufteilung des bisherigen Betriebsergebnisses auf die einzelnen Teilbetriebe möglich und zumutbar. Kommen die Beteiligten ihren diesbezüglichen Aufzeichnungs- und Mitwirkungspflichten nicht durch Vorlage getrennter Buchführungen oder Kostenrechnungen ausreichend nach, kann eine Gewinnaufteilung auf die Teilbetriebe im Wege der Schätzung erfolgen.

51Als Teilbetrieb gilt auch ein Mitunternehmeranteil oder die Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft, die das gesamte Nennkapital der Gesellschaft umfasst (§ 15 Absatz 1 Satz 3 UmwStG). Für die Bewertung dieser Beteiligungen gelten die allgemeinen Bewertungsgrundsätze.

Beispiel 7:

Die A-GmbH wird auf die neu gegründeten B-GmbH und C-GmbH aufgespalten. Dabei wird der Geschäftsbetrieb der A-GmbH auf die B-GmbH und eine bisher von der A- GmbH gehaltene Beteiligung an der X-KG auf die C-GmbH übertragen. Unmittelbar danach tritt der Bewertungsfall für beide Gesellschaften ein. Die B-GmbH ist in diesem Fall im vereinfachten Ertragswertverfahren nach den bisherigen Gewinnen der A-GmbH zu bewerten, die um die Erträge aus der X-KG zu mindern sind. Bei der C-GmbH ist die Beteiligung an der X-KG nach § 200 Absatz 2 oder Absatz 3 BewG zu berücksichtigen.

52Einbringungsvorgänge i. S. d. §§ 20 - 24 UmwStG können Betriebe, Teilbetriebe oder Mitunternehmeranteile betreffen. Für die Bewertung des aufnehmenden Unternehmens gelten die vorhergehenden Ausführungen entsprechend.

Beispiel 8:

A und B gründen die AB-OHG. A bringt sein Einzelunternehmen, B seine Kommanditbeteiligung an einer GmbH & Co. KG ein. Im Anschluss tritt der Bewertungsfall der AB-OHG ein. Die AB-OHG wird im vereinfachten Ertragswertverfahren bewertet. Die Betriebsergebnisse des Einzelunternehmens sind mit einzubeziehen (§ 201 Absatz 2 Satz 3 BewG). Die Beteiligung an der GmbH & Co. KG ist neben dem Ertragswert mit ihrem eigenständig zu ermittelnden gemeinen Wert anzusetzen (§ 200 Absatz 2 oder Absatz 3 BewG).

53In Fällen der Anwachsung und des Formwechsels (Personengesellschaft in andere Personengesellschaft, Kapitalgesellschaft in andere Kapitalgesellschaft, Kapitalgesellschaft in Personengesellschaft oder Personengesellschaft in Kapitalgesellschaft) wird dem Unternehmen kein neues Vermögen zugeführt, so dass sich keine bewertungsrechtlichen Besonderheiten ergeben. Etwas anderes gilt, soweit Vermögen des Sonderbetriebsvermögens im Rahmen des Formwechsels auf eine Kapitalgesellschaft übertragen wird. Hierbei kann es sich um junges Betriebsvermögen i. S. d. § 200 Absatz 4 BewG handeln.

3.2. Besonderheiten bei der Ermittlung des Jahresertrags

54Sofern zum Bewertungsstichtag feststeht, dass der künftige Jahresertrag durch bekannte objektive Umstände sich nachhaltig verändert, muss dies bei der Ermittlung des Durchschnittsertrags entsprechend berücksichtigt werden (R B 201 Absatz 5 ErbStR).

55Umstrukturierungsmaßnahmen, die (auch) eine Gewinnmaximierung zum Ziel haben, können daher einen Aufschlag auf den Durchschnittsertrag rechtfertigen. Hierunter fallen insbesondere Maßnahmen, die der Beschaffung von Kapital und Knowhow oder der Kostenreduzierung dienen. Bei einer Bewertung auf einen Stichtag im Anschluss an eine Umstrukturierung sind daher im Zweifel die Motive, die zur Umstrukturierung geführt haben, von den Beteiligten darzulegen.

3.3. Bewertung des jungen Betriebsvermögens i. S. d. § 200 Absatz 4 BewG

56Innerhalb von zwei Jahren vor dem Bewertungsstichtag eingelegte Wirtschaftsgüter, die nicht unter § 200 Absatz 2 und Absatz 3 BewG fallen, und mit diesen im wirtschaftlichen Zusammenhang stehende Schulden werden neben dem Ertragswert mit dem eigenständig zu ermittelnden gemeinen Wert angesetzt (§ 200 Absatz 4 BewG).

57Als Einlagevorgang i. S. d. § 200 Absatz 4 BewG sind allgemein alle Zuführungen zum Unternehmensvermögen durch Gesellschafter zu verstehen, sofern es sich bei dem zugeführten Gegenstand um betriebsnotwendiges Vermögen handelt. Der bewertungsrechtliche Begriff der Einlage geht dabei über den ertragsteuerlichen Einlagebegriff hinaus und umfasst beispielsweise auch Übertragungsvorgänge gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten.

Beispiel 9:

A und B gründen die AB-OHG. A bringt sein Einzelunternehmen, B ein betriebsnotwendiges Grundstück ein. Im Anschluss tritt der Bewertungsfall der AB-OHG ein. Im vereinfachten Ertragswertverfahren sind die Betriebsergebnisse des Einzelunternehmens mit einzubeziehen (§ 201 Absatz 3 Satz 2 BewG); deshalb kommt § 200 Absatz 4 BewG nicht zur Anwendung. Sofern zwischen der Einbringung des Grundstücks und dem Bewertungsstichtag nicht mehr als zwei Jahre liegen, sind das Grundstück und die damit im wirtschaftlichen Zusammenhang stehenden Schulden neben dem Ertragswert mit dem eigenständig zu ermittelnden gemeinen Wert anzusetzen (§ 200 Absatz 4 BewG).

58Die Regelung zum jungen Betriebsvermögen (§ 200 Absatz 4 BewG) findet auch Anwendung auf die im übertragenen Vermögen zuvor eingelegten Wirtschaftsgüter.

Abwandlung Beispiel 9:

A legt unmittelbar vor Einbringung des Einzelunternehmens in die AB-OHG ein betriebsnotwendiges Grundstück in sein Einzelunternehmen ein. Sofern zwischen der Einbringung und dem Bewertungsstichtag nicht mehr als zwei Jahre liegen, ist das Grundstück mit dem eigenständig zu ermittelnden gemeinen Wert anzusetzen (§ 200 Absatz 4 BewG).

Inhaltlich gleichlautend
Oberste Finanzbehörden der Länder v. - S 3812b
Ministerium für Finanzen Baden-Württemberg - FM3–S 3812-b–1/18
Bayerisches Staatsministerium der Finanzen und für Heimat - 34 – S 3812b – 3/21
Senatsverwaltung für Finanzen Berlin - S 3700–4/2018–9
Ministerium der Finanzen und für Europa des Landes Brandenburg - 36 – S 3812b/21 #01
Der Senator für Finanzen der Freien Hansestadt Bremen - S 3812-b/l/2014-3/2021
Finanzbehörde der Freien und Hansestadt Hamburg - S 3812b –2021/004 – 53
Hessisches Ministerium der Finanzen - S 3812b A – 010–II6a
Finanzministerium Mecklenburg-Vorpommern - IV–S 3812b–00000–2021/001
Niedersächsisches Finanzministerium - S 3812b–34–351
Ministerium der Finanzen des Landes Nordrhein-Westfalen - S 3812b – 3 – 2022 – 7625
Ministerium der Finanzen Rheinland-Pfalz - S 3812-b#2021/0017–0401 448
Saarland Ministerium der Finanzen und für Wissenschaft - S 3812-b–3#010
Sächsisches Staatsministerium der Finanzen - 35–S 3812B/18/1–2022/64875
Ministerium der Finanzen des Landes Sachsen-Anhalt - 43 – S 3812 b – 5/7
Finanzministerium des Landes Schleswig-Holstein - VI 35 – S 3812b – 024
Thüringer Finanzministerium - 1040–22–S 3812 b/21–3


Fundstelle(n):
BStBl 2022 I Seite 1517
MAAAJ-28116