BGH Beschluss v. - II ZB 7/22

Instanzenzug: OLG Dresden Az: 5 U 2375/21vorgehend LG Dresden Az: 9 O 2784/19

Gründe

1I. Der Kläger verlangt von der Beklagten mit der Stufenklage Auskunft und Zahlung eines Auseinandersetzungsguthabens aus zwei Beteiligungsverhältnissen.

2Der Kläger zeichnete jeweils am Beteiligungen als atypisch stiller Gesellschafter an der D.                           GmbH in Höhe von 30.000 € bzw. 21.600 €. Zum wurde die Beteiligungsgesellschaft mit der Beklagten verschmolzen. Mit Schreiben vom widerrief der Kläger seine auf Abschluss der Gesellschaftsverträge gerichteten Willenserklärungen und kündigte darüber hinaus die Gesellschaftsverträge außerordentlich sowie hilfsweise ordentlich.

3Das Landgericht hat der Klage auf der ersten Stufe mit Teilurteil vom stattgegeben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger Auskunft zu erteilen über das Abfindungsguthaben zu den Beteiligungen zum Stichtag . Die dagegen von der Beklagten eingelegte Berufung hat das Berufungsgericht mit Beschluss vom als unzulässig verworfen, weil der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 € nicht übersteige.

4Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Beklagten.

5II. Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist zulässig. Insbesondere erfordert die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO). Die Entscheidung des Berufungsgerichts verletzt die Beklagte in ihrem Verfahrensgrundrecht auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip), das es den Gerichten verbietet, den Beteiligten den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht zu rechtfertigender Weise zu erschweren (vgl. , ZEV 2017, 278 Rn. 5 mwN). Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet.

61. Das Berufungsgericht hat den Wert der Beschwer der zur Auskunft verurteilten Beklagten auf einen 600 € nicht übersteigenden Betrag festgesetzt. Das Rechtsbeschwerdegericht kann die Bemessung der Beschwer nur darauf überprüfen, ob das Berufungsgericht von dem nach § 3 ZPO eingeräumten Ermessen rechtsfehlerfrei Gebrauch gemacht hat. Dies ist insbesondere dann nicht der Fall, wenn das Gericht bei der Bewertung des Beschwerdegegenstandes maßgebliche Tatsachen verfahrensfehlerhaft nicht berücksichtigt oder erhebliche Tatsachen unter Verstoß gegen seine Aufklärungspflicht (§ 139 ZPO) nicht festgestellt hat (, ZOV 2017, 201 Rn. 8; Beschluss vom - IV ZB 18/16, ZEV 2017, 278 Rn. 6; beide mwN). Die Rechtsbeschwerde macht solche Rechtsfehler nicht geltend.

72. Der Beschluss des Berufungsgerichts erweist sich allerdings deshalb als rechtsfehlerhaft mit der Folge seiner Aufhebung und der Zurückverweisung der Sache, weil das Berufungsgericht auf der Grundlage seiner Wertbemessung mit bis zu 600 € nicht die Entscheidung des Landgerichts nachgeholt hat, ob die Voraussetzungen für die Zulassung der Berufung nach § 511 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 ZPO vorliegen.

8a) Hat das erstinstanzliche Gericht nur deshalb nicht über die Zulassung der Berufung entschieden, weil es rechtsirrtümlich davon ausgegangen ist, dass sein Urteil ohnehin aufgrund einer ausreichenden Beschwer der unterlegenen Partei mit der Berufung anfechtbar ist, so muss das Berufungsgericht die Entscheidung darüber nachholen, ob die Voraussetzungen für die Zulassung der Berufung erfüllt sind (, WuM 2008, 614 Rn. 4; Beschluss vom - VIII ZB 91/09, juris Rn. 3; Beschluss vom - VIII ZB 42/13, Grundeigentum 2014, 798 Rn. 7; Beschluss vom - IV ZB 18/16, ZEV 2017, 278 Rn. 11).

9b) Eine solche Entscheidung hat das Berufungsgericht im vorliegenden Fall nicht getroffen, obwohl das Landgericht von der Zulässigkeit einer Berufung nach § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO ausgegangen ist und daher aus seiner Sicht keine Veranlassung hatte, über die Zulassung der Berufung zu befinden.

10Dies ergibt sich zum einen daraus, dass das Landgericht seiner Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit eine Abwendungsbefugnis nach § 711 ZPO hinzugefügt hat, was im Hinblick auf § 713 ZPO dafür spricht, dass es nicht von einer offensichtlichen Unanfechtbarkeit seines Urteils ausgegangen ist (, NJW-RR 2010, 934 Rn. 20). Zudem hat das Landgericht die Höhe der Sicherheitsleistung auf 800 € festgesetzt und dies damit begründet, dies entspräche dem geschätzten Aufwand an Zeit und Kosten, den die Beklagte für die Erteilung der Auskünfte habe. Das Landgericht bemisst die Beschwer der Beklagten durch die Auskunftserteilung mithin auf 800 €, so dass danach eine Entscheidung über die Zulassung der Berufung nicht veranlasst war (vgl. , NJW-RR 2011, 998 Rn. 14; Beschluss vom - IV ZB 18/16, ZEV 2017, 278 Rn. 11). Auf dieser Grundlage hatte das erstinstanzliche Gericht keine Veranlassung, über die Zulassung der Berufung gemäß § 511 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 ZPO zu entscheiden.

11III. Nach § 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO ist die Sache daher zur erneuten Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, welches über die Zulassung der Berufung zu befinden haben wird.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2022:181022BIIZB7.22.0

Fundstelle(n):
GAAAJ-27240