Besteuerung und Inflation
Liebe Leserinnen und Leser,
nach einer langen Phase der Preisstabilität und extrem niedriger Zinsen ist nun ein beständiger Anstieg des allgemeinen Preisniveaus in der Volkswirtschaft festzustellen. Der monatlich vom Statistischen Bundesamt ermittelte „Verbraucherpreisindex für Deutschland“ (VPI) bildet die Preisentwicklung für die privaten Verbrauchsausgaben ab und weist inzwischen zweistellige Inflationsraten aus (vgl. hierzu auch die Ausführungen von Baretti/Brähler in dieser Ausgabe ab S. 112, NWB CAAAJ-27182, in ihrem Fragen-Antworten-Katalog zu den Themen VWL/BWL zur Vorbereitung auf die mündliche StB-Prüfung 2023). Die Ursachen liegen sowohl angebots- als auch nachfrageseitig. In der Folge wird es bald zu Lohn- und Gehaltssteigerungen kommen, die die Inflation teilweise ausgleichen. Fällt die Nominaleinkommenserhöhung geringer aus als die Inflation, kommt es zu dem, was als sog. kalte Progression umschrieben wird. Der auf nominellen Größen basierende Einkommensteuertarif lässt die individuelle Steuerbelastung ansteigen und die realen Nettoeinkommen schrumpfen.
Auf die eingetretenen und absehbaren Entwicklungen hat der Steuergesetzgeber inzwischen mehrfach reagiert. Das Inflationsausgleichsgesetz (InflAusG) will die Effekte der kalten Progression durch einen angepassten Einkommensteuertarif für 2023 und 2024 ausgleichen, indem der Grundfreibetrag in zwei Schritten angehoben und die übrigen tarifären Eckwerte mit Ausnahme des Werts für die letzte Zone („Reichensteuer“) nach oben verschoben werden.
Mit einer Inflationsausgleichsprämie können Unternehmen ihren Beschäftigten inzwischen zusätzlich zum geschuldeten Arbeitslohn steuer- und abgabenfrei einen Betrag von bis zu 3.000 € als freiwillige Leistung gewähren, die auch in Teilbeträgen ausgezahlt werden kann. § 3 Nr. 11c EStG sieht hierfür den Zeitraum vom bis zum vor. Eine über den Höchstbetrag hinausgehende Vergütung wird nur i. H. des übersteigenden Betrags erfasst (thematisiert u. a. im simulierten Prüfungsgespräch von Bulla, SteuerStud 11/2022 S. 723, 725, NWB KAAAJ-21443, sowie i. R. des Kurzüberblicks über wichtige Gesetzesänderungen von Brähler, SteuerStud 12/2022 S. 788, 791, NWB YAAAJ-23884). Schon jetzt zeigt sich, dass viele Unternehmen von der Inflationsausgleichsprämie Gebrauch machen.
Handlungsbedarf besteht aber auch rechtsformübergreifend bei den Gewinneinkünften, denn das Nominalwertprinzip führt bei Inflation zum Ausweis von Scheingewinnen. Das stark begrenzte Wahlrecht zur Nutzung des Lifo-Verfahrens (§ 6 Abs. 1 Nr. 2a EStG) und die wenigen Optionen für Reinvestitionen nach § 6b EStG können dem Substanzverzehr nur begrenzt entgegenwirken. Weitere gesetzgeberische Maßnahmen sind daher dringend notwendig!
Ich wünsche Ihnen eine angenehme Lektüre der Februarausgabe mit vielen Anregungen für Studium, Prüfungsvorbereitung und Beruf!
Herzliche Grüße
Ihr
Franz Jürgen Marx
Fundstelle(n):
SteuerStud 2/2023 Seite 73
RAAAJ-27177