DBA | Grenzgänger nach dem DBA-Schweiz 1971/2010 bei geringfügiger Beschäftigung (BFH)
Der Grenzgängerbegriff des Art. 15a Abs. 2 DBA-Schweiz 1971/2010 setzt keine Mindestanzahl an Grenzüberquerungen pro Woche oder Monat voraus. Die anders lautende Regelung des § 7 KonsVerCHEV verstößt gegen den Grundsatz des Vorrangs des Gesetzes (Art. 20 Abs. 3 GG) (; veröffentlicht am ).
Hintergrund: Nach Art. 15a Abs. 1 Satz 1 DBA-Schweiz 1971/2010 sind Gehälter, Löhne und ähnliche Vergütungen, die ein Grenzgänger aus unselbständiger Arbeit bezieht, in dem Vertragsstaat zu besteuern, in dem dieser ansässig ist. Grenzgänger ist jede in einem Vertragsstaat ansässige Person, die in dem anderen Vertragsstaat ihren Arbeitsort hat und von dort regelmäßig an ihren Wohnsitz zurückkehrt (Art. 15a Abs. 2 Satz 1 DBA-Schweiz 1971/2010). Kehrt diese Person nicht jeweils nach Arbeitsende an ihren Wohnsitz zurück, entfällt ihre Grenzgängereigenschaft nur dann, wenn sie bei einer Beschäftigung während des gesamten Kalenderjahrs an mehr als 60 Arbeitstagen aufgrund ihrer Arbeitsausübung nicht an ihren Wohnsitz zurückkehrt (Art. 15a Abs. 2 Satz 2 DBA-Schweiz 1971/2010).
Sachverhalt: Die Beteiligten streiten über die steuerliche Behandlung der Einkünfte des Klägers aus seiner Tätigkeit für eine Schweizerische Aktiengesellschaft.
Der Kläger hatte im Jahr 2013 (Streitjahr) seinen alleinigen Wohnsitz im Inland. Seit dem war er als Prokurist für eine von ihm gegründete Schweizerische AG tätig. Diese war Mieterin eines Büroraums in der Schweiz; die Entfernung zum Wohnort des Klägers betrug 16 km. Der zwischen dem Kläger und der AG geschlossene Arbeitsvertrag sah eine Arbeitszeit von 3 Arbeitstagen pro Monat vor.
In der für das Streitjahr eingereichten Einkommensteuererklärung ging der Kläger davon aus, dass der von der AG gezahlte Arbeitslohn nach dem DBA-Schweiz 1971/2010 von der inländischen Besteuerung freizustellen sei und lediglich dem Progressionsvorbehalt unterliege. Das FA war der Ansicht, die von der AG bezogenen Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit seien in voller Höhe der inländischen Besteuerung zu unterwerfen. Wegen fehlenden Nachweises der Nichtrückkehrtage sei der Kläger als Grenzgänger i. S. des Art. 15a DBA-Schweiz 1971/2010 anzusehen.
Die hiergegen gerichtete Klage hatte keinen Erfolg ().
Der BFH hat die Revision als unbegründet zurückgewiesen:
Der Kläger war gem. § 1 Abs. 1 Satz 1 EStG unbeschränkt einkommensteuerpflichtig. Er hatte im Streitjahr seinen alleinigen Wohnsitz im Inland und unterlag daher mit sämtlichen Einkünften i. S. des § 2 Abs. 1 EStG der inländischen Einkommensteuer. Hierzu gehörten auch die in der Schweiz erzielten Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (§ 19 EStG).
Die Ausübung des inländischen Besteuerungsrechts ist für diese Einkünfte nicht durch das DBA-Schweiz 1971/2010 eingeschränkt.
Zwar sieht Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 Buchst. d DBA-Schweiz 1971/2010 bei einer in Deutschland ansässigen Person unter bestimmten Voraussetzungen vor, die aus der Schweiz stammenden Gehälter, Löhne und ähnlichen Vergütungen i. S. des Art. 15 DBA-Schweiz 1971/2010 von der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer auszunehmen, wobei für den Kläger die Sonderregelung des Art. 15 Abs. 4 DBA-Schweiz 1971/2010 für Einkünfte aus der Tätigkeit als Vorstandsmitglied, Direktor, Geschäftsführer oder Prokurist einer in der Schweiz ansässigen Kapitalgesellschaft in Betracht kommen würde. Die Anwendung des Art. 15 DBA-Schweiz 1971/2010 ist aber ausgeschlossen, wenn die Person als Grenzgänger im Sinne des dann vorrangig anzuwendenden (z.B. , m.w.N.) Art. 15a DBA-Schweiz 1971/2010 anzusehen ist.
Der Kläger ist als Grenzgänger i. S. des Art. 15a Abs. 2 DBA-Schweiz 1971/2010 anzusehen. Er hat für das Streitjahr lediglich zwei Nichtrückkehrtage nachgewiesen. Damit ist die in Art. 15a Abs. 2 Satz 2 DBA-Schweiz 1971/2010 geregelte Grenze von maximal 60 schädlichen Nichtrückkehrtagen selbst dann nicht überschritten, wenn sie nach Nr. II.4. Satz 2 des Verhandlungsprotokolls wegen der Teilzeitbeschäftigung des Klägers (36 Arbeitstage pro Jahr) proportional gekürzt wird.
Darüber hinaus kann dahinstehen, ob der Kläger an nur ein bis zwei Tagen im Monat oder häufiger seinen Arbeitsort in der Schweiz aufgesucht hat. Selbst wenn der Kläger die Grenze nur an einem Tag pro Monat überquert hätte, wäre er wegen der geringen Zahl der nachgewiesenen Nichtrückkehrtage als Grenzgänger anzusehen.
Der Begriff "regelmäßig" in Art. 15a Abs. 2 Satz 1 DBA-Schweiz 1971/2010 setzt keine Mindestanzahl an Grenzüberquerungen pro Woche oder Monat voraus.
Die Regelung des § 7 KonsVerCHEV, wonach bei geringfügigen Arbeitsverhältnissen eine regelmäßige Rückkehr i. S. des Art. 15a Abs. 2 DBA-Schweiz 1971/2010 ausscheidet, wenn sich der Arbeitnehmer nicht mindestens an einem Tag pro Woche oder fünf Tagen pro Monat von seinem Wohnsitz an seinen Arbeitsort und zurück begibt, steht dem nicht entgegen. Unabhängig davon, ob die Ermächtigungsgrundlage des § 2 Abs. 2 Satz 1 AO hinreichend bestimmt ist, verstößt § 7 KonsVerCHEV gegen den Grundsatz des Vorrangs des Gesetzes (Art. 20 Abs. 3 GG) und ist daher zu verwerfen.
Quelle: ; NWB Datenbank (RD)
Fundstelle(n):
QAAAJ-27147