Kindergeld | Verfassungsmäßigkeit des § 70 Abs. 1 Satz 2 EStG (BFH)
Die Beschränkung der Auszahlung festgesetzten Kindergelds durch § 70 Abs. 1 Satz 2 EStG ist verfassungsrechtlich unbedenklich (; veröffentlicht am ).
Hintergrund: Die Vorschrift des § 70 Abs. 1 Satz 2 EStG ist nach § 52 Abs. 50 EStG auf nach dem eingehende Anträge auf Kindergeld anzuwenden. Sie regelt, dass festgesetztes Kindergeld rückwirkend nur für sechs Monate vor Beginn des Monats ausgezahlt wird, in dem der Antrag eingegangen ist.
Sachverhalt: Die Klägerin hatte für ihren im Jahr 1995 geborenen Sohn Kindergeld bezogen, weil dieser sich in Ausbildung befand. Aufgrund ihrer Mitteilung über das Ende der Ausbildung im Januar 2017 hob die Familienkasse die Kindergeldfestsetzung ab Februar 2017 auf.
Mit Antrag vom , bei der zuständigen Familienkasse eingegangen am , beanspruchte die Klägerin rückwirkend Kindergeld, weil ihr Sohn seit 2014 ein ausbildungsbegleitendes Verbundstudium absolviert habe. Die Familienkasse setzte das Kindergeld antragsgemäß fest und wies im Bescheid darauf hin, dass wegen § 70 Abs. 1 Satz 2 EStG eine Auszahlung des festgesetzten Kindergelds erst ab Januar 2019, d.h. für die letzten sechs Monate vor Antragstellung, erfolgen könne.
Der gegen die Anwendung des § 70 Abs. 1 Satz 2 EStG eingelegte Einspruch blieb ohne Erfolg. Im Laufe des dagegen gerichteten Klageverfahrens erließ die Familienkasse den streitgegenständlichen Abrechnungsbescheid. Darin entschied sie, dass eine Kindergeldauszahlung für die Monate Februar 2017 bis Dezember 2018 wegen § 70 Abs. 1 Satz 2 EStG nicht erfolgen könne. Den gegen den Abrechnungsbescheid gerichteten Einspruch wies sie zurück.
Die u.a. mit der Verfassungswidrigkeit des § 70 Abs. 1 Satz 2 EStG begründete Klage wurde vom FG als unbegründet abgewiesen ().
Der BFH hat die Revision als unbegründet zurückgewiesen:
Zwischen den Beteiligten ist nicht streitig, dass die Familienkasse § 70 Abs. 1 Satz 2 EStG auf den am eingegangenen Antrag der Klägerin dem Gesetzeswortlaut entsprechend angewandt und insbesondere den von der Vorschrift erfassten Zeitraum richtig berechnet hat, für den Kindergeld trotz Festsetzung nicht ausgezahlt werden kann.
§ 66 Abs. 3 EStG i.d.F. des Gesetzes zur Bekämpfung der Steuerumgehung und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften (Steuerumgehungsbekämpfungsgesetz v. , BGBl 2017 I S. 1682, BStBl 2017 I S. 865) regelte, dass "das Kindergeld ... rückwirkend nur für die letzten sechs Monate vor Beginn des Monats gezahlt (wird), in dem der Antrag auf Kindergeld eingegangen ist".
Die mit Wirkung ab durch § 70 Abs. 1 Satz 2 EStG ersetzte Vorschrift betraf - entgegen der Ansicht der Verwaltung - das Festsetzungs- und nicht das Erhebungsverfahren und war nicht verfassungswidrig ().
Die Verfassungsmäßigkeit des § 70 Abs. 1 Satz 2 EStG ist ebenso zu bejahen wie die Verfassungsmäßigkeit des durch ihn ersetzten § 66 Abs. 3 EStG a.F.
§ 70 Abs. 1 Satz 2 EStG bewirkt ebenso wie die außer Kraft gesetzte Vorschrift des § 66 Abs. 3 EStG a.F., dass Steuerpflichtige nur Kindergeld erhalten, das sie innerhalb von sechs Monaten nach Entstehung des Anspruchs beantragt haben. Insoweit ist unerheblich, dass § 66 Abs. 3 EStG a.F. nach zutreffender Auslegung bereits der Festsetzung zuvor entstandener Kindergeldansprüche entgegenstand, während § 70 Abs. 1 Satz 2 EStG dem Erhebungsverfahren zuzuordnen ist und lediglich ein spezialgesetzliches Auszahlungshindernis begründet.
Soweit das Kindergeld der Förderung der Familie dient (§ 31 Satz 2 EStG), ist die dem Steuerpflichtigen vom Gesetzgeber durch § 70 Abs. 1 Satz 2 EStG auferlegte Obliegenheit, Kindergeld innerhalb von sechs Monaten nach Entstehung des Anspruchs zu beantragen, nach den Grundsätzen des ebenso wenig zu beanstanden wie die sich zuvor aus § 66 Abs. 3 EStG a.F. ergebende Obliegenheit.
Quelle: ; NWB Datenbank (RD)
Fundstelle(n):
NWB RAAAJ-26581