BGH Beschluss v. - 6 StR 611/21

Gesetze: § 73a Abs 1 StGB

Instanzenzug: LG Magdeburg Az: 25 KLs 42/20

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren verurteilt, seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet sowie eine Einziehungsanordnung getroffen. Das auf die Rüge der Verletzung formellen und sachlichen Rechts gestützte Rechtsmittel des Angeklagten hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO). Im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

21. Die beiden erhobenen Verfahrensrügen, die eine unzulässige Verwertung von Erkenntnissen aus Ermittlungsmaßnahmen nach § 100i Abs. 1 StPO und von Kommunikation über den Krypto-Messengerdienst „EncroChat“ zum Gegenstand haben, sind nicht in zulässiger Weise erhoben. Der Revisionsführer versäumt es, sämtliche rügebegründenden Tatsachen vorzutragen (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). Hiernach sind die den Verfahrensmangel enthaltenen Tatsachen vollständig und so genau anzugeben, dass der Senat auf der Grundlage des Vortrags entscheiden kann, ob der geltend gemachte Verfahrensverstoß vorliegt, wenn die behaupteten Tatsachen bewiesen wären (vgl. , NStZ-RR 2019, 26).

3a) Es fehlt hinsichtlich der Rüge einer Verletzung von § 100i Abs. 1, § 261 StPO bereits an der hier erforderlichen Mitteilung des Gerichtsbeschlusses, mit dem sein Verwertungswiderspruch zurückgewiesen wurde (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 3 StR 122/02, BGHSt 47, 362, 365 zu § 100a StPO, und vom – 4 StR 385/12 zu § 100g StPO). Auch trägt die Revision die durch die Ermittlungsmaßnahme gewonnenen und verwerteten Erkenntnisse nicht vor (vgl. LR-StPO/Hauck, 27. Aufl., § 100a Rn. 244).

4b) Im Rahmen der Rüge einer Verwertung von – inhaltlich ebenfalls nicht näher dargestellten – Inhalten erfolgter Kommunikation über „EncroChat“ teilt der Beschwerdeführer seinen Widerspruch „gegen die Anordnung“ des Selbstleseverfahrens (§ 249 Abs. 2 StPO) hinsichtlich von „Chatverläufen“ inhaltlich nicht mit. Der Senat vermag daher nicht nachzuvollziehen, ob mit diesem Zwischenrechtsbehelf (§ 249 Abs. 2 Satz 2 StPO) lediglich Fragen der Zweckmäßigkeit und des Ermessens betreffend die Selbstleseanordnung vorgebracht oder aber (auch) ein Beweisverwertungsverbot geltend gemacht wurde. Dies war auch mit Blick auf den übrigen Revisionsvortrag nicht entbehrlich. Dem mitgeteilten Inhalt der Eröffnungserklärung (§ 243 Abs. 5 Satz 3 StPO) vermag der Senat die erforderliche bestimmte, auf die Verwertung eines konkreten Beweismittels gerichtete Prozesserklärung schon nicht zu entnehmen. Auch erweist sich der mitgeteilte Widerspruch gegen die Vernehmung des Zeugen F.    für die Frage der Verwertung der Kommunikationsinhalte hier als unbehelflich. Dieser Zeuge hat ausweislich des Revisionsvorbringens und des Inhalts der Urteilsurkunde (UA S. 48 ff.) ersichtlich nur zu (dem Freibeweis unterstehenden) Aspekten der Übermittlung französischer Ermittlungserkenntnisse und der Einbindung deutscher Behörden in diese ausgesagt.

5c) Zu den rügebegründenden Verfahrenstatsachen gehörte für beide Verfahrensrügen hier auch der Inhalt und Zeitpunkt der – ausweislich der Urteilsurkunde (UA S. 31) – getroffenen Verständigung (§ 257c StPO). Der Senat vermag ohne diesen nicht nachzuvollziehen, ob – was insbesondere mit Blick auf das vom Recht der Verständigung auch verfolgte Ziel zügiger und ressourcenschonender Verfahrensführung (vgl. , BGHSt 50, 40, 53 f.; BT-Drucks. 16/12310, S. 7) nicht etwa fernliegt – der Angeklagte im Zuge der getroffenen Verständigung über sein Geständnis hinaus weiteres Prozessverhalten zugesagt (vgl. § 257c Abs. 2 Satz 1 StPO) und die Rücknahme naheliegend zuvor erhobener Verwertungswidersprüche konkludent (vgl. , NStZ 2019, 301) oder gar ausdrücklich erklärt hat. Ob die in der Urteilsurkunde – überschießend (vgl. § 267 Abs. 3 Satz 5 StPO) – mitgeteilten inhaltlichen Angaben zur Verständigung vollständig sind, vermag der Senat allein anhand dieser nicht abschließend zu überprüfen (vgl. − 2 StR 131/18, NStZ 2019, 107, 108). Deshalb kann dahinstehen, ob das Urteil auf den geltend gemachten Verfahrensfehlern – eingedenk des ersichtlich mit eigenen Worten abgelegten verständigungsbasierten Geständnisses und der vom Angeklagten beantworteten Nachfragen des Gerichts – überhaupt beruhen könnte (§ 337 StPO).

62. Die sachlich-rechtliche Überprüfung des Urteils hat weder im Schuld- noch im Strafausspruch einen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.

73. Hingegen hat die auf § 73a Abs. 1 StGB gestützte Einziehungsanordnung keinen Bestand.

8a) Die Strafkammer hat die erweiterte Einziehung des vom Angeklagten Z.   am mitgeführten Bargeldes, eines Girokontoguthabens in Höhe von 1.522,66 Euro sowie zweier Armbanduhren „ROLEX GMT Master“ und „ROLEX Daytona“ angeordnet. Hierzu hat es vor dem Hintergrund der im Einzelnen gewürdigten wirtschaftlichen Verhältnisse des Angeklagten festgestellt, dass dieser weder das Guthaben und das Bargeld noch die Armbanduhren „auf legalem Weg hatte erlangen können“ (UA S. 28). Rechtlich hat die Strafkammer ausgeführt, die Einziehungsanordnung beruhe auf „§§ 73, 73a StGB“.

9b) Die erweiterte Einziehung von Taterträgen gemäß § 73a Abs. 1 StGB setzt voraus, dass das Tatgericht aufgrund erschöpfender Beweiserhebung und -würdigung die uneingeschränkte Überzeugung gewonnen hat, der Angeklagte habe die betreffenden Gegenstände aus rechtswidrigen Taten erlangt, ohne dass diese selbst im Einzelnen festgestellt werden müssen (vgl. , StV 2019, 19). Der bloße Verdacht der illegalen Herkunft des Gegenstandes reicht für dessen Einziehung nicht aus (vgl. BT-Drucks. 18/9525, S. 57 f.). Allerdings dürfen – wie stets – an die Überzeugungsbildung keine überspannten Anforderungen gestellt werden (vgl. , BGHSt 40, 371, 373). Umstände, die eine Anordnung rechtfertigen, können etwa in der Anlasstat selbst (vgl. , BGHSt 40, 371, 373) oder in den persönlichen Verhältnissen des Täters (vgl. , NStZ-RR 2009, 384), insbesondere seinen Einkommensverhältnissen (vgl. , NStZ-RR 1996, 116), liegen. Begründen dagegen bestimmte Tatsachen die nicht nur theoretische Möglichkeit, dass Vermögensgegenstände des Täters aus anderen Quellen als aus rechtswidrigen Taten stammen, und verbleiben deshalb vernünftige Zweifel an ihrer deliktischen Herkunft, steht dies der Anordnung der erweiterten Einziehung dieser Gegenstände entgegen (vgl. ). Bei auch legalen Einkommensquellen kann die Anordnung nicht auf das bloße Auffinden von Geldmitteln gestützt werden (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 2 StR 209/04, NStZ-RR 2004, 347, und vom – 2 StR 231/18, NStZ-RR 2018, 380, 381).

10c) Gemessen hieran hält die Einziehungsanordnung revisionsgerichtlicher Prüfung nicht stand.

11aa) Die Würdigung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Angeklagten erweist sich als lückenhaft. Die Strafkammer nimmt zutreffend zunächst die festgestellten Einkommensverhältnisse des Angeklagten in den Blick. Insbesondere stellt sie dar, dass dieser im Jahre 2019 „einmalig 250 Euro“ überwiesen bekommen und im Übrigen bis zum „Frühjahr 2020 keine anderen Einkünfte“ erhalten habe. Das Landgericht setzt sich sodann allerdings nicht in der hier gebotenen ausdrücklichen Weise mit dem für die Monate August und September 2020 festgestellten Arbeitslohn des Angeklagten aus seiner Tätigkeit für „  -C.  “ in Höhe von jeweils 1.200 Euro auseinander. Hierzu hätte Anlass bestanden, da sowohl das Bankguthaben als auch das Bargeld am sichergestellt wurden und die Strafkammer sich gerade keine Überzeugung davon verschaffen konnte, dass „  -C.   “ und das Beschäftigungsverhältnis des Angeklagten dazu dienten, die von ihm aus dem Rauschgifthandel erzielten Erlöse zu verschleiern. Vor diesem Hintergrund war vom Landgericht nachvollziehbar zu erwägen, ob diese anscheinend legale Erwerbstätigkeit der pauschalen tatgerichtlichen Annahme, sämtliche Einziehungsgegenstände seien auf „inkriminiertem Wege erlangt worden“ (UA S.140), entgegensteht (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 2 StR 209/04, NStZ-RR 2004, 347; und vom – 2 StR 231/18, NStZ-RR 2018, 380, 381).

12bb) Hinsichtlich der beiden Armbanduhren ist die Strafkammer im Ausgangspunkt zwar rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass das Bargeld, mit dem der Angeklagte diese Uhren erworben hat, aus – nicht konkret feststellbaren – Taten stammt, weshalb die erweiterte Einziehung eines entsprechenden Geldbetrages nach § 73a Abs. 1, § 73c Satz 1 StGB insoweit anzuordnen gewesen wäre. Die erweiterte Einziehung nach § 73a Abs. 1 StGB aber bietet nach derzeitiger Rechtslage keine Rechtsgrundlage für die erweiterte Einziehung der mit diesem erworbenen Surrogate in Gestalt der Uhren (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 6 StR 258/20, und vom – 5 StR 603/18, BGHR StGB § 73a nF Abs. 1 Anwendungsbereich 1).

134. Die Anordnung der Einziehung bedarf daher neuer Verhandlung und Entscheidung. Die Feststellungen können bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO). Das neue Tatgericht wird ergänzende Feststellungen zu treffen haben. Diese dürfen den bindend gewordenen jedoch nicht widersprechen.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2022:230322B6STR611.21.0

Fundstelle(n):
PStR 2023 S. 3 Nr. 1
PStR 2023 S. 3 Nr. 1
XAAAJ-26083