BGH Urteil v. - VIa ZR 521/21

Instanzenzug: OLG Oldenburg (Oldenburg) Az: 6 U 94/21vorgehend LG Osnabrück Az: 6 O 2518/20

Tatbestand

1Der Kläger nimmt die beklagte Fahrzeugherstellerin wegen der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung auf Schadensersatz in Anspruch.

2Er kaufte im Jahr 2012 von einem Händler ein von der Beklagten hergestelltes Neufahrzeug VW Passat zum Preis von 53.179 €. Das Fahrzeug ist mit einem Dieselmotor der Baureihe EA 189 ausgestattet, dessen Motorsteuerung mit einer sogenannten Umschaltlogik versehen war. Im Jahr 2016 verkaufte der Kläger das Fahrzeug für 19.440 €.

3Die im Jahr 2020 erhobene, zuletzt im Wesentlichen auf Erstattung des an den Händler entrichteten Kaufpreises abzüglich des Veräußerungserlöses und einer Nutzungsentschädigung gerichtete Klage hat in erster Instanz keinen Erfolg gehabt. Das Berufungsgericht hat auf die Berufung des Klägers unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen die Beklagte unter Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung verurteilt, 21.334,11 € nebst Prozesszinsen zu zahlen, und festgestellt, dass dieser Anspruch aus einer unerlaubten Handlung herrühre.

4Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte zuletzt ihr Begehren auf vollständige Zurückweisung der Berufung des Klägers weiter, soweit sie auf dessen Rechtsmittel zur Zahlung von mehr als 21.334 € abzüglich der angefallenen (und noch festzustellenden) Händlermarge und abzüglich Werkauslieferungs- und Zulassungskosten von zusammen 555 € nebst Zinsen verurteilt worden ist.

Gründe

5Die Revision der Beklagten hat im Umfang des zuletzt geltend gemachten Revisionsangriffs Erfolg.

A.

6Die Beklagte hat die Revision zuletzt zulässig auf die Höhe ihrer Verurteilung gemäß dem Berufungsantrag zu 1 beschränkt. Die Feststellung, der Anspruch des Klägers rühre aus einer unerlaubten Handlung (vgl. , NJW-RR 2022, 566 Rn. 8 ff.), könnte hier selbst Gegenstand eines Grundurteils sein, weil feststeht, dass der festgestellte Klagegrund für die Höhe des gesamten eingeklagten Betrages ausreicht (vgl. , BGHZ 72, 34, 36; Urteil vom - I ZR 119/19, BGHZ 226, 262 Rn. 23 mwN).

B.

7Die auf die Höhe der Verurteilung zur Zahlung beschränkte Revision ist auch in der Sache begründet.

I.

8Das Berufungsgericht hat zur Rechtfertigung seiner Entscheidung, soweit für das Revisionsverfahren von Interesse, im Wesentlichen ausgeführt:

9Nach der Verjährung des Schadensersatzanspruchs aus §§ 826, 31 BGB mit Ablauf des Jahres 2019 ergebe sich ein Restschadensersatzanspruch des Klägers gegen die Beklagte aus §§ 826, 852 Satz 1 BGB in Höhe des vom Kläger entrichteten Kaufpreises (53.179 €) abzüglich gezogener Nutzungen (12.404,89 €) und des Veräußerungserlöses (19.440 €), insgesamt mithin 21.334,11 €. Ein weiterer Abzug in Höhe einer etwaigen Provision, die die Beklagte dem Händler gezahlt haben möge, komme nicht in Betracht. Es fehle an jeglichem Sachvortrag der Beklagten zu einer dem Händler gezahlten Provision und deren Höhe. Unabhängig davon könne sich die Beklagte nicht auf einen Wegfall der Bereicherung berufen.

II.

10Diese Erwägungen halten der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht in allen Punkten stand.

111. Die Annahme des Berufungsgerichts, dem Kläger stehe ein Restschadensersatzanspruch gemäß §§ 826, 852 Satz 1 BGB gegen die Beklagte zu, ist dem Grunde nach wegen der wirksamen Beschränkung des Revisionsangriffs der revisionsrechtlichen Überprüfung entzogen (vgl. , NJW 2022, 2685 Rn. 8 mwN).

122. Die rechtlichen Erwägungen des Berufungsgerichts zur Höhe des Restschadensersatzanspruchs des Klägers begegnen durchgreifenden Bedenken. Das Berufungsgericht hat - entgegen den Grundsätzen, die der Bundesgerichtshof nach Erlass des Berufungsurteils näher dargelegt hat ( VIa ZR 57/21, WM 2022, 742 Rn. 16) - den von ihm nach § 287 ZPO ermittelten Nutzungsvorteil und den Erlös aus dem Weiterverkauf des Fahrzeugs von dem vom Kläger entrichteten Kaufpreis abgezogen. Einen Händlereinkaufspreis hat es nicht festgestellt. Indessen sind zur Ermittlung des Restschadensersatzanspruchs der Nutzungsvorteil und ein im Wege der Vorteilsausgleichung anzurechnender Verkaufserlös vom Händlereinkaufspreis abzuziehen und folglich der Händlereinkaufspreis als Ausgangspunkt der Berechnung konkret festzustellen (vgl. VIa ZR 24/22, juris Rn. 16). Dass der Händlereinkaufspreis dem Verkaufspreis des Händlers entsprochen habe, lässt sich den Feststellungen des Berufungsgerichts und hier insbesondere seinen Ausführungen zu einer dem Händler gewährten "Provision" nicht sicher entnehmen.

133. Das Berufungsurteil hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung ferner insoweit nicht stand, als die Klage der Beklagten, was der Senat selbst prüfen kann (vgl. , NJW-RR 2014, 903 Rn. 14), erst am zugestellt worden ist. Prozesszinsen kann der Kläger daher nach §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2, § 187 Abs. 1 BGB nicht ab diesem Tag, sondern erst ab dem verlangen (vgl. , NJW-RR 1990, 518, 519; , BAGE 96, 228, 233).

III.

14Das Berufungsurteil ist aufzuheben, soweit darin zur Höhe des Anspruchs zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist (§ 562 Abs. 1 ZPO), weil es sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig erweist (§ 561 ZPO). Im Umfang der Aufhebung ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Der Senat kann nicht in der Sache selbst erkennen, weil das Berufungsgericht keine Feststellungen zur Höhe des Händlereinkaufspreises getroffen hat. Dem Berufungsurteil ist lediglich der streitige Vortrag des Klägers zu entnehmen, es sei von einem Erlös der Beklagten in Höhe von 85 % des gezahlten Kaufpreises, mithin von einer Händlermarge von 15 %, auszugehen; auch die Erklärung der Beklagten im Sitzungsprotokoll erlaubt dem Senat insoweit keine Entscheidung (§ 559 Abs. 1 Satz 1 ZPO; vgl. im Übrigen zur Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich des Händlereinkaufspreises Senatsurteil vom - VIa ZR 122/22, z.V.b.). Hinsichtlich der fraglichen Einbeziehung von Werkauslieferungs- und Zulassungskosten wird das Berufungsgericht - soweit verfahrensrechtlich geboten - zu berücksichtigen haben, dass §§ 826, 852 Satz 1 BGB einen Anspruch nur hinsichtlich solcher Vermögensnachteile des Geschädigten gewähren, die zu einer Vermögensmehrung bei der Beklagten geführt haben (vgl. VIa ZR 8/21, BGHZ 233, 16 Rn. 77 mwN).

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2022:171022UVIAZR521.21.0

Fundstelle(n):
AAAAJ-25943