Einkommensteuer | Bezahlte Werbung für den Arbeitgeber als Arbeitslohn (BFH)
Ein Entgelt für Werbung des
Arbeitgebers auf dem Kennzeichenhalter des privaten PKW des Arbeitnehmers ist
durch das Arbeitsverhältnis veranlasst und damit Arbeitslohn, wenn dem mit dem
Arbeitnehmer abgeschlossenen "Werbemietvertrag" kein eigenständiger
wirtschaftlicher Gehalt zukommt. Ist das für die Werbung gezahlte Entgelt als
Arbeitslohn zu beurteilen, scheidet eine überwiegend eigenbetriebliche
Veranlassung der Zahlung regelmäßig aus (; veröffentlicht am ).
Hintergrund: Zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit gehören gem. § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG Gehälter, Löhne, Gratifikationen, Tantiemen und andere Bezüge und Vorteile, die "für" eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt werden, unabhängig davon, ob ein Rechtsanspruch auf sie besteht und ob es sich um laufende oder um einmalige Bezüge handelt (§ 19 Abs. 1 Satz 2 EStG). Diese Bezüge oder Vorteile gelten dann als für eine Beschäftigung gewährt, wenn sie durch das individuelle Dienstverhältnis veranlasst sind, ohne dass ihnen eine Gegenleistung für eine konkrete (einzelne) Dienstleistung des Arbeitnehmers zugrunde liegen muss (, Rz. 11; , Rz. 13 und , Rz. 15).
Sachverhalt: Streitig ist, ob ein von der Klägerin an Teile ihrer Mitarbeiter gezahltes Entgelt für die Anbringung eines mit Werbung versehenen Kennzeichenhalters am privaten PKW der Lohnsteuer unterliegt.
Die Klägerin schloss mit einer Vielzahl von Mitarbeitern Mietverträge über Werbeflächen an deren privaten Fahrzeugen ab, in denen sich die betreffenden Mitarbeiter zur Anbringung von Kennzeichenhaltern mit der Firmenwerbung der Klägerin gegen ein Entgelt i. H. von 255 € im Jahr verpflichteten. Das beklagte Finanzamt vertrat die Auffassung, dass diese Vergütung Arbeitslohn darstelle und nahm die Klägerin als Arbeitgeberin für die Lohnsteuernachzahlung in Haftung.
Einspruch und Klage gegen den Haftungsbescheid blieben erfolglos (; siehe hierzu unsere Online-Nachricht v. 7.2.2020).
Der BFH hat die Revision als unbegründet zurückgewiesen:
Eine Veranlassung durch das individuelle Dienstverhältnis ist zu bejahen, wenn die Einnahmen dem Empfänger mit Rücksicht auf das Dienstverhältnis zufließen und sich als Ertrag der nichtselbständigen Arbeit darstellen, wenn sich die Leistung des Arbeitgebers also im weitesten Sinne als Gegenleistung für das Zurverfügungstellen der individuellen Arbeitskraft des Arbeitnehmers erweist (ständige Rechtsprechung, vgl. z. B. , Rz. 17). Dagegen liegt kein Arbeitslohn vor, wenn eine Zuwendung wegen anderer Rechtsbeziehungen oder wegen sonstiger, nicht auf dem Dienstverhältnis beruhender Beziehungen zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber gewährt wird ( und ).
Bezüge oder Vorteile sind durch vom Arbeitsverhältnis unabhängige und eigenständige Sonderrechtsbeziehungen veranlasst, wenn ihnen andere Erwerbsgrundlagen als die Nutzung der eigenen Arbeitskraft des Arbeitnehmers zugrunde liegen (, Rz. 24). Ob ein Leistungsaustausch zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit oder aufgrund einer Sonderrechtsbeziehung einer anderen Einkunftsart oder dem nicht einkommensteuerbaren Bereich zuzurechnen ist, ist nach dem wirtschaftlichen Gehalt des zu beurteilenden Lebenssachverhalts und nicht nach seiner äußeren Erscheinungsform zu würdigen (, Rz. 15). Deshalb steht auch der Abschluss eines neben dem Arbeitsvertrag bestehenden Rechtsverhältnisses zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer der Behandlung eines Vorteils als Arbeitslohn nicht zwingend entgegen, während umgekehrt allein aus der Vereinbarung eines Vorteils im Arbeitsvertrag nicht automatisch auf das Vorliegen von Arbeitslohn geschlossen werden kann.
Nach diesen Maßstäben hat das FG im Ergebnis zu Recht entschieden, dass die streitigen Zahlungen zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit gem. § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG gehören, weil sie durch das Arbeitsverhältnis veranlasst sind und nicht auf einem Sonderrechtsverhältnis "Mietvertrag Werbefläche" beruhen, da diesem kein eigener wirtschaftlicher Gehalt zukommt.
Das FG hat seine Würdigung insbesondere darauf gestützt, dass dem gesondert abgeschlossenen "Mietvertrag Werbefläche" unter Berücksichtigung der am Markt befindlichen Angebote schon aufgrund seiner Ausgestaltung kein eigener wirtschaftlicher Gehalt zukomme, weil er die Erzielung einer Werbewirkung nicht sicherstelle und die Bemessung des Entgelts offensichtlich an der in § 22 Nr. 3 EStG geregelten Freigrenze orientiert gewesen sei. Der Werbeeffekt sei demgegenüber nicht - wie im wirtschaftlichen Geschäftsverkehr üblich - ausschlaggebendes Kriterium für die Bemessung des Entgelts gewesen. Ergänzend hat das FG die Veranlassung der streitgegenständlichen Zahlungen durch das Arbeitsverhältnis damit begründet, dass Verträge ausschließlich mit Mitarbeitern abgeschlossen worden seien und die Laufzeit der geschlossenen Verträge an das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses geknüpft gewesen sei. Diese Würdigung ist revisionsrechtlich nicht nur möglich, sondern naheliegend.
Anmerkung von Dr. Stephan Geserich, Richter im VI. Senat des BFH:
Die Gleichung: Arbeitnehmer + Vorteil = Arbeitslohn geht nicht stets auf. Denn Arbeitslohn liegt nicht vor, wenn die Zuwendung wegen anderer Rechtsverhältnisse oder aufgrund sonstiger, nicht auf dem Dienstverhältnis beruhender Beziehungen zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber gewährt wird. Ob ein Leistungsaustausch zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit oder aufgrund einer Sonderrechtsbeziehung (und damit einer anderen Erwerbsgrundlage, als der eigenen Arbeitskraft), einer anderen Einkunftsart oder dem nichtsteuerbaren Bereich zuzurechnen ist, ist nach dem wirtschaftlichen Gehalt des zu beurteilenden Lebenssachverhaltes und nicht nach seiner äußeren Erscheinungsform zu würdigen.
Das macht die Besprechungsentscheidung nochmals deutlich und gilt insbesondere auch dann, wenn sich ein Arbeitnehmer kapitalmäßig an seinem Arbeitgeber beteiligt. Nutzt der Arbeitnehmer sein Kapital als eine vom Arbeitsverhältnis unabhängige und eigenständige Erwerbsgrundlage zur Einkünfteerzielung, sind die daraus erzielten laufenden Erträge keine Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, sondern solche aus lediglich abgeltungsbesteuertem Kapitalvermögen. Für den Charakter einer Beteiligung als eigenständige und vom Arbeitsverhältnis unabhängige Erwerbsgrundlage spricht es insbesondere, wenn der Arbeitsvertrag keinen Anspruch auf den Erwerb der Beteiligung und einen anteiligen Veräußerungserlös als Gegenleistung für die nichtselbständige Tätigkeit vorsieht, die Beteiligung vom Arbeitnehmer zum Marktpreis (und nicht etwa verbilligt) erworben und veräußert wird und der Arbeitnehmer das volle Verlustrisiko trägt sowie keine besonderen Umstände aus dem Arbeitsverhältnis erkennbar sind, die Einfluss auf die Veräußerbarkeit und Wertentwicklung der Beteiligung nehmen.
Der Veräußerungsgewinn aus einer Kapitalbeteiligung führt auch nicht allein deshalb zu Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit, weil die Beteiligung von einem Arbeitnehmer des Unternehmens gehalten und veräußert wurde und auch nur Arbeitnehmern im Allgemeinen oder sogar nur bestimmten Arbeitnehmern angeboten worden war (vgl. , m.w.N. Das Urteil ist amtlich in BFHE 271, 493, bislang aber nicht im Bundesteuerblatt veröffentlicht). Das verwundert insofern, als der BFH mit dieser Entscheidung lediglich seine frühere Rechtsprechung (z.B. ) festigt (Koch-Schulte/de Toma, BB 2021 S. 2839), macht aber zugleich deutlich, dass die Finanzbehörden mit der wertenden Abgrenzung zwischen Arbeitslohn und Einkünften aus Kapitalvermögen zumindest „fremdeln“. Deshalb ist der BFH erneut mit der Frage, unter welchen Voraussetzungen Arbeitslohn (Veräußerungsgewinn) bei einem Mitarbeiterbeteiligungsprogramm vor liegt, befasst, insbesondere, ob ein Beteiligungserwerb bei gewinnbringender Veräußerung/Aufgabe der Beteiligung das Vorliegen von Arbeitslohn ausschließt oder etwas anderes gilt, wenn der Beteiligungserwerb seinerseits aus dem Arbeitsverhältnis resultiert (VI R 1/21 und VI R 2/22, Rechtsmittelführer: Verwaltung).
Quelle: ; NWB Datenbank (RD)
Fundstelle(n):
AAAAJ-25580