Instanzenzug: LG Mönchengladbach Az: 32 KLs 5/21
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten G. wegen "unerlaubten bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen" zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und drei Monaten verurteilt, seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet und bestimmt, dass ein Jahr, vier Monate und zwei Wochen der Strafe vor Beginn der Maßregel zu vollziehen sind. Den Angeklagten I. hat es wegen "unerlaubten bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen in Tatmehrheit mit unerlaubtem Besitz einer halbautomatischen Kurzwaffe zum Verschießen von Patronenmunition, letzteres in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Munition", zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten verurteilt, seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet und auf einen Vorwegvollzug der Strafe von einem Jahr und einem Monat erkannt. Für beide Angeklagte hat es zudem eine Einziehungsentscheidung getroffen. Der Angeklagte G. rügt mit seiner Revision die Verletzung formellen und materiellen Rechts, wobei er die Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt von seinem Rechtsmittelangriff ausgenommen hat. Die Staatsanwaltschaft beanstandet mit ihren auf die Sachbeschwerde gestützten Revisionen in erster Linie die Anordnung dieser Maßregel gegen die Angeklagten und daneben eine fehlerhafte Berechnung der jeweiligen Dauer des Vorwegvollzugs.
2Die Rechtsmittel haben den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg, dasjenige des Angeklagten G. teilweise gemäß § 357 StPO auch zugunsten des Angeklagten I. . Im Übrigen sind sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
3I. Revisionen der Staatsanwaltschaft
4Die Rechtsmittel sind ausweislich des Aufhebungsantrags ("soweit angefochten") und ihrer Begründung auf den Maßregelausspruch sowie die Dauer des Vorwegvollzugs beschränkt. Die Anordnung der Unterbringung der Angeklagten in einer Entziehungsanstalt begegnet aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts genannten Gründen keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Die Rechtsmittel führen allerdings zur Änderung der jeweiligen Dauer des Vorwegvollzugs.
5Das Landgericht hat für beide Angeklagte die Länge des Vorwegvollzugs eines Teils der Gesamtfreiheitsstrafen vor ihrer Unterbringung in einer Entziehungsanstalt rechtsfehlerhaft berechnet.
61. Es ist zwar im Ausgangspunkt zutreffend davon ausgegangen, dass nach § 67 Abs. 2 Satz 1 und 3 StGB jeweils der Teil der vor der angeordneten Maßregel zu vollstreckenden Strafe so zu bemessen ist, dass nach seiner Vollziehung und einer anschließenden Unterbringung gemäß § 67 Abs. 5 Satz 1 StGB eine Aussetzung des Strafrests zur Bewährung nach Erledigung der Hälfte der Strafe möglich ist. Jedoch hat die Strafkammer von der Hälfte der Gesamtfreiheitsstrafen die Zeit der bis zum Ende der Hauptverhandlung verbüßten Untersuchungshaft von acht Monaten abgezogen und daher die Dauer des Vorwegvollzugs falsch bestimmt: beim Angeklagten G. nicht auf zwei Jahre und zwei Wochen, sondern auf ein Jahr, vier Monate und zwei Wochen; beim Angeklagten I. nicht auf ein Jahr und neun Monate, sondern auf ein Jahr und einen Monat. Dies ist rechtsfehlerhaft; denn die von den Angeklagten insgesamt erlittene Untersuchungshaft ist erst im Rahmen der Vollstreckung auf den Zeitraum des vor der Unterbringung zu vollziehenden Teils der Strafe anzurechnen (s. BGH, Beschlüsse vom - 1 StR 531/13, BGHR StGB § 67 Abs. 2 Satz 3 Berechnung 2 Rn. 7; vom - 3 StR 250/21, juris Rn. 2).
72. Da die Strafkammer die Grundlagen für den Vorwegvollzug rechtsfehlerfrei festgestellt hat, kann der Senat dessen Dauer in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO neu bemessen und den Ausspruch entsprechend ändern. Er kann gemäß § 349 Abs. 4 StPO durch Beschluss entscheiden, weil die Anordnung auch zur Sicherung des Therapieerfolgs und damit zu Gunsten der Angeklagten ergeht (vgl. , NStZ-RR 2022, 139, 140 mwN).
8II. Revision des Angeklagten G.
9Das Rechtsmittel ist weitgehend unbegründet. Die Rüge der Verletzung formellen Rechts ist nicht ausgeführt und damit unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). Die auf die nicht näher begründete Sachrüge gebotene materiell-rechtliche Überprüfung des Urteils hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
101. Allerdings bedarf der Schuldspruch der aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Korrektur; denn hinsichtlich der abgeurteilten Betäubungsmittelstraftaten ist die Bezeichnung als "unerlaubt" entbehrlich (s. BGH, Beschlüsse vom - 3 StR 19/21, NStZ 2022, 301 Rn. 10; vom - 3 StR 458/21, NStZ-RR 2022, 139).
112. Das Rechtsmittel führt aus den bereits dargelegten Gründen ebenfalls zur Änderung der Dauer des Vorwegvollzugs beim Angeklagten G. . Dieser hat zwar die Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt von seiner Revision ausgenommen, nicht aber die Frage des Vorwegvollzugs. Das Verschlechterungsverbot nach § 358 Abs. 2 Satz 1 StPO hindert den Senat nicht daran, eine Entscheidung über den Vorwegvollzug auf eine Angeklagtenrevision hin zu treffen (s. , NStZ-RR 2022, 139, 140).
123. Die Wertersatzeinziehung der von den Angeklagten gemeinsam vereinnahmten Erlöse aus den Betäubungsmittelgeschäften begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Um eine doppelte Inanspruchnahme zu vermeiden, ist jedoch die gesamtschuldnerische Haftung in der Entscheidungsformel zu kennzeichnen (vgl. BGH, Beschlüsse vom - 3 StR 289/20, juris Rn. 5; vom - 3 StR 428/20, wistra 2021, 238 Rn. 2). Dies holt der Senat in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO nach.
134. In Durchbrechung der Rechtskraft sind die Schuldspruchkorrektur und die Änderung des Ausspruchs über die Einziehung nach § 357 StPO auf den Angeklagten I. zu erstrecken.
14III. Die Kostenentscheidung folgt hinsichtlich der Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft aus § 473 Abs. 1 und 2 Satz 2 StPO und bezüglich desjenigen des Angeklagten G. aus § 473 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 StPO. Angesichts des geringen Teilerfolgs seiner Revision ist es nicht unbillig, ihn mit den gesamten Kosten des Rechtsmittels zu belasten.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2022:080922B3STR177.22.0
Fundstelle(n):
VAAAJ-25197