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Bindung von Schlussbesprechungen nach Betriebsprüfungen
Teil 1: Verbindliche Auskunft und verbindliche Zusage
[i] NWB Betriebsprüfungs-Kartei, Loseblatt/online, NWB Verlag, Herne. ISBN: 978-3-482-65703-0 Vielfach ist im Steuerrecht – im Gegensatz zu anderen Verwaltungszweigen – keine dauerhafte oder endgültige rechtliche Verbindlichkeit des Verwaltungshandelns vorgesehen. Mit der Abschnittsbesteuerung und/oder der Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung ergibt sich regelmäßig eine schwebende, vorläufige Beurteilung. Nicht verschwiegen werden soll zudem das Risiko, dass sich innerhalb der Abschnittsbesteuerung auch vereinzelt die Rechtsmeinungen unterschiedlicher Steuerbeamten ändern oder widersprechen können. Aus diesen Unbilligkeiten ergeben sich für den Steuerpflichtigen im Zuge der Außenprüfung kumulierte ökonomische Risiken und für den Steuerberater organisatorischer Aufwand. Diese Risiken können durch gezielt geplante Maßnahmen gemindert werden. In diesem ersten Teil der Aufsatzreihe „Bindung von Schlussbesprechungen nach Betriebsprüfungen“ sollen die verbindliche Zusage und die verbindliche Auskunft thematisiert werden. In dem nachfolgenden zweiten Teil werden die tatsächliche Verständigung und im letzten dritten Teil die ausnahmsweise bestehende Bindung über Treu und Glauben behandelt.
In der NWB Datenbank ist unter NWB FAAAE-82166 der Grundlagenbeitrag „Außenprüfung: ein Leitfaden“ von Beyer aufrufbar.
Die weiteren Teile der Aufsatzreihe „Bindung von Schlussbesprechungen nach Betriebsprüfungen“ von Wenzel finden Sie hier:
Teil 2: Tatsächliche Verständigung,
Teil 3: Treu und Glauben,
S. 3121
I. Hintergrund
[i]Notwendigkeit der ökonomischen PlanbarkeitFür die steuerliche Planbarkeit innerhalb der einzelnen Verwaltungsphasen ist es wünschenswert und ökonomisch notwendig, ein möglichst verlässliches und verbindliches Verwaltungshandeln zu erreichen. Gerade innerhalb der Außenprüfungen stellen diese schwebenden Phasen in der tatsächlichen und/oder rechtlichen Beurteilung eine erhebliche Unsicherheit dar, die die Vorhersehbarkeit eines Ausgangs der Prüfung vielfach unmöglich macht, was oft zu deutlichen Mehrbelastungen seitens der Steuerpflichtigen führt (vgl. BMF-Monatsbericht Oktober 2020, abrufbar unter https://go.nwb.de/hmo8g, zuletzt abgerufen am ). Aufgrund dessen sind teilweise die Schlussbesprechungen unnötigerweise mit Streitfragen überfrachtet, die durch eine vorgezogene Klärung hätten vermieden werden können.
[i]Möglichkeiten eines verbindlichen VerwaltungshandelnsDie Herstellung eines verbindlichen Verwaltungshandelns kann in unterschiedlichen Phasen des steuerlichen Verfahrens durch unterschiedliche Rechtsinstrumente erreicht werden. Der Gesetzgeber hat in der Abgabenordnung primär nur die Möglichkeiten der verbindlichen Auskunft gem. § 89 Abs. 2 AO und der verbindlichen Zusage gem. § 204 AO implementiert. Sie eröffnen dem Steuerpflichtigen eine frühzeitige Festlegung der Finanzverwaltung. Hierdurch kann gerade im Zusammenhang mit der Außenprüfung eine Planbarkeit erzielt werden. Neben diesen gesetzlichen Regelungen hat sich aufgrund der Bedürfnisse der Rechtspraxis zudem das Rechtsinstitut der tatsächlichen Verständigung entwickelt, mit dem ein die Parteien bindendes Einvernehmen während einer Schlussbesprechung erzielt werden kann. Diese potente Befriedungsfunktion ist sogar im Zusammenhang mit steuerstrafrechtlichen Ermittlungen einsetzbar, was als Gesamtbereinigung bezeichnet werden kann. Trotz dieser für die Praxis zur Verfügung stehenden weitreichenden Möglichkeiten verbleiben dennoch Lücken, die möglicherweise durch das Rechtsinstitut Treu und Glauben geschlossen werden können. Diese Lücke entsteht besonders dann, wenn zwischen den Parteien der Schlussbesprechung es zu keiner tatsächlichen Verständigung gekommen ist.
S. 3122 [i]v. Wedelstädt, Verbindliche Auskunft, infoCenter, NWB RAAAB-04903 Mit der verbindlichen Auskunft und der verbindlichen Zusage kann bereits frühzeitig gestaltend und absichernd auf das Verwaltungsverfahren eingewirkt werden. Die dadurch erzeugte Bindungswirkung reicht im konkreten Einzelfall auch über den ersten relevanten Besteuerungszeitraum hinaus, was für den Steuerpflichtigen besonders bei Dauersachverhalten von Interesse ist. Hierdurch können die potenziell vorhandenen Brüche der Abschnittsbesteuerung abgemildert oder vermieden werden.
[i]Verbindliche Zusage Der Gesetzgeber hatte bereits mit der Neuschaffung der Abgabenordnung die verbindliche Zusage in § 204 AO eingeführt (instruktiv Rätke, BBK 20/2009 S. 988; Bruschke, AO-StB 2021 S. 96). Die verbindliche Auskunft gem. § 89 Abs. 2 AO (allgemein einführend Baum, NWB F. 2 S. 9725) wurde aufgrund des erheblichen praktischen Bedarfs erst im Nachgang gesetzlich normiert.
II. Grundlagen für verbindliche Zusagen gem. §§ 204 ff. AO und verbindliche Auskünfte gem. § 89 Abs. 2 AO
Grob vereinfacht, wird mit der Erteilung einer verbindlichen Auskunft ein steuerlicher Sachverhalt für die Zukunft verbindlich geregelt, der vom Steuerpflichtigen noch nicht verwirklicht wurde, aber dessen Eintreten von diesem für die Zukunft geplant ist. Diese Ausrichtung in die Zukunft grenzt die verbindliche Auskunft von der tatsächlichen Verständigung ab, bei der ein bereits verwirklichter Sachverhalt Gegenstand der Vereinbarung ist, der nunmehr rückwirkend zu beurteilen ist. In der verbindlichen Zusage wird in Abgrenzung von der tatsächlichen Verständigung die Situation geregelt, in der ein durch die Außenprüfung geprüfter steuerlicher Sachverhalt der Vergangenheit zugleich auch in die Zukunft gerichtet ist, da dieser wie in der Vergangenheit erneut zukünftig realisiert werden soll.
[i]BindungswirkungDie Bindungswirkung der Verwaltung ist für die verbindliche Zusage in § 206 Abs. 1 AO und für die verbindliche Auskunft in § 89 Abs. 2 Satz 5 AO i. V. mit § 2 StAuskV normiert. Leider hat es der Gesetzgeber versäumt, bei der Implementierung der gesetzlichen Regelung der verbindlichen Auskunft die Normierung des § 206 Abs. 1 AO an die neueren Anforderungen anzupassen, weshalb die Vorschrift des § 2 Abs. 1 StAuskV inhaltlich präziser und für den Normanwender besser interpretierbar ist.
[i]Durchbrechung der AbschnittsbesteuerungBeiden Rechtsinstituten ist aber gemein, dass die örtlich und sachlich zuständige Finanzverwaltung sich durch ihre Entscheidung für die Zukunft bindet. Diese Bindung gilt grundsätzlich entgegen der Abschnittsbesteuerung auch über die einzelnen Besteuerungszeiträume hinaus, sofern nicht Einschränkungen ausdrücklich vorgenommen wurden. Die Bindungswirkung ist auf den konkreten Steuerpflichtigen ausgerichtet, wobei der Begriff des Steuerpflichtigen weit zu fassen ist, wie bereits der Wortlaut des § 2 Abs. 1 Satz 1 StAuskV zeigt.
[i]Abgrenzung Gesamtrechts- und EinzelrechtsnachfolgeZudem sind die weiteren Vorschriften der Abgabenordnung wie z. B. § 45 AO hinsichtlich der Gesamtrechtsnachfolge zu beachten, wonach die Bindungswirkung auf den Rechtsnachfolger, der die vormalige Rechtsposition des Rechtsvorgängers vollständig übernimmt, übergeht. Bei der Einzelrechtsnachfolge ist nach h. M. die Bindung nur wirksam, sofern sich die Verbindlichkeit der Aussage der Finanzverwaltung auf das zu beurteilende Objekt – wie z. B. die steuerliche Beurteilung eines Hauses oder einer Stiftung – bezieht (vgl. Schallmoser in Hübschmann/Hepp/Spitaler [HHSp], AO/FGO, § 206 AO Rz. 14 m. w. N.); hatte die Verbindlichkeit ausschließlich das Subjekt Steuerpflichtiger – wie z. B. die beschränkte Steuerpflicht – zum Anker, kann die Verbindlichkeit nicht erhalten bleiben.