BSG Beschluss v. - B 6 KA 19/21 B

Vertragsärztliche Versorgung - keine Klärungsbedürftigkeit des Begriff der Bedarfsgerechtigkeit - Prüfung ausreichender Leistungserbringung durch andere Leistungserbringer - Beurteilungsspielraum - Zulässigkeit der Bestimmung genereller Prüfkriterien

Gesetze: § 121a Abs 1 S 1 SGB 5, § 121a Abs 2 Nr 2 SGB 5, § 27a Abs 1 SGB 5, § 101 Abs 1 S 3 SGB 5 vom , § 101 Abs 1 S 4 SGB 5

Instanzenzug: Az: S 43 KA 37/17 Urteilvorgehend Bayerisches Landessozialgericht Az: L 12 KA 70/19 Urteil

Gründe

1I. Die Klägerinnen begehren die Erteilung einer Genehmigung zur Durchführung künstlicher Befruchtungen nach § 121a Abs 1 Satz 1 SGB V. Die Klägerin zu 1. ist niedergelassene Fachärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe mit dem Schwerpunkt Gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin. Sie ist zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen und Gründerin der Einrichtung "k" (im Folgenden: k) in M, in welcher seit 2011 Behandlungen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft für Privatpatienten durchgeführt werden. Die Klägerin zu 2. ist ebenfalls Fachärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe mit dem Schwerpunkt Gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin und bei der Klägerin zu 1. angestellt. In der Vergangenheit war die Klägerin zu 2. ausschließlich privatärztlich tätig; seit ist ihre Anstellung im Umfang eines halben Versorgungsauftrags bei der Klägerin zu 1. genehmigt (§ 58 Bedarfsplanungs-Richtlinie).

2Die Klägerinnen beantragten am die Erteilung einer Genehmigung nach § 121a Abs 1 SGB V zur Durchführung künstlicher Befruchtungen in der Einrichtung k. Diesen Antrag lehnte das beklagte Land ab (Bescheid vom ). Nach den in den Grundsätzen des Staatsministeriums für die Genehmigung nach § 121a SGB V zur Durchführung künstlicher Befruchtungen (vom idF vom , nunmehr in der Fassung vom ; im Folgenden: Grundsätze des Staatsministeriums) aufgestellten Bedarfskriterien sei der Standort M überversorgt. Danach würden um entsprechende Behandlungseinrichtungen ("IVF-Zentren") Kreise mit einem Radius von jeweils 80 km gezogen; in diesen Planungsräumen würden keine neuen Zentren mehr zugelassen, falls dort eine ausreichende Versorgung sichergestellt sei. Für die Ermittlung des Bedarfs werde eine allgemeine Verhältniszahl aus der Bevölkerungszahl und der Anzahl der IVF-Zentren im gesamten Bundesgebiet sowie eine örtliche Verhältniszahl ermittelt. Ein Gebiet gelte als überversorgt, wenn die örtliche Verhältniszahl um 15 % kleiner sei als die allgemeine Verhältniszahl; dies sei am Standort M aufgrund der sechs dort bestehenden IVF-Zentren der Fall. Auch das Beratungsgremium "Künstliche Befruchtungen" habe in seiner Sitzung am keinen Ansatzpunkt dafür erkennen können, dass die IVF-Zentren in M nicht in ausreichendem Maße die infrage stehenden Leistungen erbringen könnten.

3Kurz vor Erlass des Bescheids vom erteilte der Beklagte der IVF-Arbeitsgruppe des Klinikums T (T) mit "Änderungsbescheid" vom die Genehmigung zur Durchführung künstlicher Befruchtungen nach § 121a SGB V. Ausweislich Ziffer 4 des Bescheids war die Genehmigung allerdings mit Auflagen verbunden. Insbesondere war vorgeschrieben, dass die T bis Ende des Quartals 2/2017 die apparativen Voraussetzungen für ein Hormonlabor, die Ausstattung für Ultraschalldiagnostik und ein Labor für IVF und In-Vitro-Kultur zu schaffen habe.

4Zur Begründung führte der Beklagte aus, dass der T keine neue Genehmigung erteilt werde, sondern eine bereits erteilte und bestehende Genehmigung einer universitären IVF-Kooperationseinrichtung, die ihren Standort innerhalb M verlege, werde aufrechterhalten. Insoweit kann dem Bescheid entnommen werden, dass die Kliniken der L (L) und der T den Beklagten seit dem Jahr 2012 wiederholt über künftige Umstrukturierungen der beiden bereits bestehenden IVF-Einrichtungen der L an den Standorten G und Innenstadt informiert haben. In 2005 schlossen L und T einen Kooperationsvertrag zum Zwecke von Forschung, Lehre und Weiterbildung im Bereich der Reproduktionsmedizin. Mit Schreiben vom zeigten L und T dem Beklagten an, dass die kooperierende Einrichtung im Bereich der Reproduktionsmedizin nunmehr von der L an die T verlagert werden solle. Das Beratungsgremium "Künstliche Befruchtung" beschloss sodann am im Hinblick auf die geplante Umstrukturierung, dass die IVF-Einrichtung der L in der Innenstadt über eine gemeinsame Kooperationseinrichtung mit der T später dauerhaft auf diese übergehen könne.

5Die Klägerinnen haben gegen den Bescheid vom Klage beim SG erhoben. Sie haben sich zudem hilfsweise auch gegen den Bescheid des Beklagten vom zugunsten der T gewandt.

6Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom ). Das LSG hat die Berufung der Klägerinnen zurückgewiesen (Urteil vom ). Das Kriterium der Bedarfsgerechtigkeit iS des § 121a SGB V werde nicht erfüllt. Nach der Rechtsprechung des BSG (Hinweis auf Urteile vom - B 6 KA 28/12 R - SozR 4-2500 § 121a Nr 3 und vom - B 6 KA 5/13 R - SozR 4-2500 § 121a Nr 4 sowie Beschluss vom - B 6 KA 43/14 B - juris) schließe das Merkmal "bedarfsgerecht" die Prüfung mit ein, ob andere Leistungserbringer schon in ausreichendem Maße die infrage stehenden Leistungen erbringen würden. Es sei insofern nicht zu beanstanden, dass der Beklagte Verwaltungsvorschriften zur Auslegung des § 121a SGB V erlassen und sich hierbei an der Vorgehensweise bei der allgemeinen vertragsärztlichen Bedarfsplanung orientiert habe, beispielsweise durch Bildung der 80 km-Regelkreise um die IVF-Zentren als geeignete Planungsbereiche sowie durch die jeweiligen örtlichen Einwohnerzahlen innerhalb dieser Regelkreise unter Berücksichtigung der Zahl der Zentren in den Regelkreisen. Auch wenn man nur von fünf IVF-Zentren ausgehe, weil das IVF-Zentrum der T die Auflagen aus dem Bescheid vom zur Erfüllung der räumlichen und technischen-apparativen Voraussetzungen - jedenfalls bis zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem LSG im März 2021 - nicht erfüllt habe, bestehe eine Überversorgung in M.

7Auch der Hilfsantrag der Klägerinnen, mit welchem sie sich gegen den der T erteilten Bescheid vom wende, bleibe ohne Erfolg. Zwar sei der Änderungsbescheid vom rechtswidrig, weil es für die dort vorgenommene "Übertragung" der Genehmigung von einem Rechtsträger (L) auf einen anderen (T) keine Rechtsgrundlage gebe. Vielmehr hätte die T eine entsprechende Genehmigung selbst beantragen müssen. Die Klägerinnen seien durch diese rechtswidrige Genehmigung aber nicht in ihrem Recht auf ermessensfehlerfreie Auswahlentscheidung beeinträchtigt. Für den Standort M bestehe nach den Grundsätzen des Staatsministeriums weder ein Bedarf für ein siebtes noch für ein sechstes IVF-Zentrum. Im Rahmen einer Auswahlentscheidung hätten daher beide Anträge - sowohl ein entsprechender Antrag der T als auch ein Antrag der Klägerinnen - mangels Bedarf abgelehnt werden müssen. Im Übrigen sei die der T im Änderungsbescheid vom erteilte Genehmigung - aufgrund der nicht erfüllten Nebenbestimmungen - zu keinem Zeitpunkt wirksam geworden bzw nunmehr wegen der dortigen personellen Veränderungen in der Besetzung erloschen.

8Mit ihrer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG machen die Klägerinnen die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache sowie Rechtsprechungsabweichungen (Zulassungsgründe gemäß § 160 Abs 2 Nr 1 und 2 SGG) geltend.

9II. Die Beschwerde der Klägerinnen bleibt ohne Erfolg.

101. Die geltend gemachte Rechtsprechungsabweichung liegt nicht vor. Eine Rechtsprechungsabweichung (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) setzt voraus, dass das LSG seiner Entscheidung einen Rechtssatz tragend zugrunde gelegt hat, der einem Rechtssatz in einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des BVerfG widerspricht. Eine Divergenz im Sinne der genannten Vorschrift liegt nicht schon vor, wenn das LSG einen Rechtssatz aus einer oberstgerichtlichen Entscheidung nicht beachtet oder unrichtig angewandt hat, sondern erst dann, wenn es diesem Rechtssatz widersprochen, also einen abweichenden Rechtssatz aufgestellt und seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat (stRspr; vgl - juris RdNr 13 mwN). Eine Divergenz in dem genannten Sinne besteht nicht.

12a) Entgegen der Auffassung der Klägerinnen lässt sich der angegriffenen LSG-Entscheidung schon ein abstrakter Rechtssatz, wonach der Bedarf für einen spezifischen bayerischen Standort verneint werden dürfe, auch wenn die Bedarfssituation nur allgemein für Bayern ermittelt worden ist, nicht entnehmen. Vielmehr hat das LSG die von den Klägerinnen benannten Entscheidungen des und benannt und seiner Entscheidung zugrunde gelegt, wenn es ausführt, dass das Merkmal "bedarfsgerecht" iS des § 121a Abs 2 Nr 2 SGB V die Prüfung einschließe, ob andere Leistungserbringer schon in ausreichendem Maße die infrage stehenden Leistungen erbringen und der Genehmigungsbehörde insoweit ein der gerichtlichen Überprüfung nur eingeschränkt zugänglicher Beurteilungsspielraum zustehe (Urteilsumdruck S 27). Es hat sodann unter Bezugnahme auf den Beschluss des Senats vom (B 6 KA 43/14 B - juris RdNr 11) die von dem Beklagten in seinen "Grundsätzen" festgelegten generellen Prüfkriterien nicht beanstandet (Urteilsumdruck S 27). Hierbei hat das LSG aber an keiner Stelle den Grundsatz aufgestellt, es komme nicht auf den "spezifischen bayerischen Standort" an, sondern es hat im Rahmen der Feststellung der "Bedarfsgerechtigkeit" iS des § 121a SGB V vielmehr die konkreten Verhältnisse in der Region M in den Blick genommen. So führt es beispielsweise aus, dass "die in Bayern aufgestellten Bedarfskriterien der Genehmigungsgrundsätze nach § 121a SGB V eine vergleichsweise sach- und bedarfsgerechte Steuerung der Versorgung durch IVF-Zentren in Bayern generell und auch in der Region M im Speziellen ermöglichen" (Urteilsumdruck S 28), "die streitige Region M … die zweitbeste Versorgungsstruktur … pro Zentrum bundesweit" aufweise (Urteilsumdruck S 28), der "80-km-Radius den Gesichtspunkt der Mitversorgung des Umlandes" von M schon beinhalte (Urteilsumdruck S 28), man zu "einer Überversorgung von M" auch dann gelange, wenn man dort nur von fünf IVF-Zentren ausgehe (Urteilsumdruck S 30) und "auch bei Zugrundelegung von 5 IVF-Zentren und der zum Stichtag vom von dem Beklagten im Termin mitgeteilten Einwohnerzahl für den Standort M" kein Bedarf für ein weiteres IVF-Zentrum dort bestehe (Urteilsumdruck S 31).

13Soweit die Klägerinnen in diesem Zusammenhang die weiteren Ausführungen des LSG auf S 28 seines Urteils rügen (vgl Beschwerdeschrift S 10), folgt hieraus nichts anderes.Das LSG hat dort ausgeführt, dass es in Bayern insgesamt 20 IVF-Zentren gebe und damit den Versicherten mehr Zentren als im Jahre 2003 zur Verfügung stünden. Die Angaben der IVF-Zentren, dass sie noch eine höhere Anzahl von Behandlungszyklen für Versicherte sicherstellen könnten, als aktuell nachgefragt werde, sei vor dem Hintergrund der vorliegenden Daten - insbesondere der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und des Bundesverbandes Reproduktionsmedizinischer Zentren Deutschland eV - nachvollziehbar (Urteilsumdruck S 28). Das LSG bejaht damit zwar (auch) eine gute allgemeine Versorgungslage im Hinblick auf die schon bestehenden IVF-Zentren in Bayern insgesamt. Aus dem Zusammenhang, in dem diese Ausführungen in den Entscheidungsgründen stehen, wird aber ohne Weiteres deutlich, dass das LSG darin nur ein (zusätzliches) Begründungselement dafür gesehen hat, dass die generell bestimmten Prüfkriterien in den Grundsätzen des Staatsministeriums auch aktuell eine sach- und bedarfsgerechte Versorgungssteuerung ermöglichen. Ein Rechtssatz, dass es für die Prüfung der Bedarfsgerechtigkeit im konkreten Einzelfall nicht auf den "spezifischen Standort" des IVF-Zentrums in Bayern ankomme, folgt hieraus nicht.

14b) Im Kern rügen die Klägerinnen mit ihren diesbezüglichen Ausführungen lediglich die - ihrer Ansicht nach falsche - Entscheidung des LSG, dass kein Bedarf für ein weiteres IVF-Zentrum in M bestehe. Dies wird deutlich, wenn sie in ihrer Beschwerdebegründung ausführen, es sei nicht ermittelt worden, ob die in M bereits vorhandenen Leistungserbringer die der IVF-Genehmigung unterfallenden Leistungen ausreichend anböten (Beschwerdeschrift S 13), das LSG hätte nicht schlussfolgern dürfen, dass sich durch die allgemein auf Bayern bezogenen Daten zweifelsfrei ergebe, dass kein zusätzlicher Bedarf für ein weiteres IVF-Zentrum in M bestehe (Beschwerdeschrift S 15), es sei in Zweifel zu ziehen, ob allein die Berechnung eines Durchschnittswertes aus 20 IVF-Zentren einen für Kapazitätsprüfungen belastbaren Durchschnittswert ergebe (Beschwerdeschrift S 15) und die für eine (vermeintlich) konkrete Bedarfsermittlung herangezogenen Informationen seien zu ungenau und daher nicht aussagekräftig (Beschwerdeschrift S 16). Dies kann eine Zulassung der Revision wegen Divergenz jedoch nicht begründen.

15c) Auch soweit die Klägerinnen geltend machen, das LSG sei - entgegen den Vorgaben des BSG - davon ausgegangen, dass "die in anderem Zusammenhang erhaltenen Ausführungen der an dem Standort bereits genehmigten IVF-Zentren trotz bestehendem Konkurrenzverhältnis nicht individuell objektiviert" werden müssten, begründet dies keine Divergenz. Es bleibt zunächst unklar, was die Klägerinnen mit ihrer Formulierung "die in anderem Zusammenhang erhaltenen Ausführungen" meinen. Jedenfalls ist aber der Rechtssatz, den die Klägerinnen den Entscheidungen des Senats vom (B 6 KA 28/12 R - SozR 4-2500 § 121a Nr 3) und vom (B 6 KA 5/13 R - SozR 4-2500 § 121a Nr 4) entnommen haben wollen, dort so nicht enthalten. In jenen Entscheidungen heißt es vielmehr, dass das Merkmal "bedarfsgerecht" die Prüfung einschließt, ob andere Leistungserbringer schon in ausreichendem Maße die infrage stehenden Leistungen erbringen (B 6 KA 5/13 R - SozR 4-2500 § 121a Nr 4 RdNr 20; B 6 KA 28/12 R - SozR 4-2500 § 121a Nr 3 RdNr 28, 33). In seiner Entscheidung vom (B 6 KA 28/12 R - SozR 4-2500 § 121a Nr 3) hat es der Senat dementsprechend gebilligt, dass eine Genehmigung unter Hinweis darauf, dass bereits andere Leistungserbringer mit entsprechender Qualifikation und Genehmigung gemäß § 121a SGB V und mit ausreichendem Leistungsangebot tätig sind, versagt werden darf. In seiner Entscheidung vom (B 6 KA 43/14 B - juris), welche die - auch hier streitigen - Grundsätze des Staatsministeriums betraf, hat der Senat ausgeführt, dass eine Bestimmung von generellen Prüfkriterien durch die Genehmigungsbehörde nicht zu beanstanden sei. Dies gelte auch, wenn die Genehmigungsbehörde zur Bestimmung der Bedarfsgerechtigkeit Planungsbereiche festlege, da es auf der Hand liege, dass sich die Prüfung der Bedarfsgerechtigkeit auf einen bestimmten Einzugsbereich beziehen müsse (BSG aaO RdNr 11). Weitere Vorgaben zum konkreten Modus der Bedarfsermittlungen - etwa im Sinne einer (vollständigen) entsprechenden Anwendung der Vorgaben zur Sonderbedarfsermittlung (vgl Beschwerdeschrift S 12 f) - hat der Senat in seinen Entscheidungen nicht getroffen. Er hat vielmehr eine zwingende Anwendung der Grundsätze des Bedarfsplanungsrechts auf Genehmigungen nach § 121a SGB V verneint ( - juris RdNr 12). Zwar kann danach auf die für die Bedarfsbeurteilung bei der Erteilung einer Ermächtigung oder der Genehmigung einer Zweigpraxis entwickelten Prüfungsgesichtspunkte zurückgegriffen werden; dies bedeutet aber nicht, dass die Prüfungsgesichtspunkte deckungsgleich zur Anwendung gelangen müssten ( - juris RdNr 13).

16d) Schließlich ergibt sich eine Divergenz entgegen der Ausführungen der Klägerinnen auch nicht aus der Ausführung des Senats in seiner Entscheidung vom (B 6 KA 5/13 R - SozR 4-2500 § 121a Nr 4 RdNr 22), die KÄV habe "den Auslastungsgrad der Klägerinnenischen Praxis mitzuteilen". Denn diese Entscheidung des Senats betraf die - hier nicht vorliegende - Konstellation einer defensiven Konkurrentenklage. In diesem Zusammenhang hat der Senat ausgeführt, dass sich der dortige Klägerinnen auf eine drittschützende Wirkung nur berufen könne, soweit er selbst betroffen sei; dementsprechend komme es ausschließlich auf seine "Auslastung" an.

172. Soweit die Klägerinnen eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend machen, hat die Beschwerde ebenfalls keinen Erfolg. Die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache setzt eine Rechtsfrage voraus, die in dem angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig (entscheidungserheblich) sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (stRspr; vgl zB - SozR 4-1500 § 153 Nr 3 RdNr 13 mwN; - SozR 4-2500 § 116 Nr 11 RdNr 5; - juris RdNr 8).

19Es ist bereits zweifelhaft, ob die Klägerinnen damit eine abstrakt-generelle Rechtsfrage zur Auslegung revisibler (Bundes-)Normen formuliert haben, an denen das Beschwerdegericht die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen könnte (vgl dazu - juris RdNr 7; - juris RdNr 15; - juris RdNr 6), da sie in weiten Teilen der Beschwerdebegründung die Entscheidung des Beklagten bzw die ihr zugrunde liegenden Grundsätze des Staatsministeriums inhaltlich beanstanden und damit auf den Einzelfall zielen.

20Jedenfalls besteht aber keine Klärungsbedürftigkeit. Der Senat hat - wie bereits dargestellt - den Begriff der "Bedarfsgerechtigkeit" schon hinreichend konkretisiert (Urteil vom - B 6 KA 5/13 R - SozR 4-2500 § 121a Nr 4 RdNr 20; Urteil vom - B 6 KA 28/12 R - SozR 4-2500 § 121a Nr 3 RdNr 28, 33; Beschluss vom - B 6 KA 43/14 B - juris RdNr 10). Danach schließt - worauf die Klägerinnen zutreffend hinweisen - das Merkmal "bedarfsgerecht" die Prüfung ein, ob andere Leistungserbringer schon in ausreichendem Maße die infrage stehenden Leistungen erbringen. Der Genehmigungsbehörde steht dabei ein der gerichtlichen Überprüfung nur eingeschränkt zugänglicher Beurteilungsspielraum zu. Es hält sich im Rahmen dieser Maßstäbe, wenn die Genehmigungsbehörde generelle Prüfkriterien bestimmt, welche sie ihrer nach § 121a SGB V zu treffenden Entscheidung zugrunde legt. Es ist nach der Rechtsprechung des Senats dementsprechend nicht zu beanstanden, wenn die Genehmigungsbehörde - wie hier - zur Bestimmung der Bedarfsgerechtigkeit Planungsbereiche festlegt und allgemeine und örtliche Verhältniszahlen bestimmt und diese in ein Verhältnis zueinander setzt. Der Senat hat insoweit bezogen auf die - auch hier infrage stehenden - Grundsätze des Staatsministeriums zudem bereits entschieden, dass diese die maßgeblichen Gesichtspunkte, nämlich den bestehenden Bedarf einerseits sowie die Deckung dieses Bedarfs durch andere zumutbar erreichbare und zur Verfügung stehende Leistungserbringer andererseits hinreichend berücksichtigen ( - juris RdNr 13).

21Auch soweit sich aus den Grundsätzen des Staatsministeriums ergibt, dass für die Ermittlung der bundesweiten Verhältniszahl als Stichtag der Stand der Versorgung am festgelegt wurde (Abschnitt II, Ziffer 3 der Grundsätze des Staatsministeriums), folgt unter Berücksichtigung des weiten Gestaltungsspielraums der Genehmigungsbehörde und des insgesamt aus verschiedenen Komponenten bestehenden "Konzepts" des Beklagten zur Bestimmung der "Bedarfsgerechtigkeit" (Bildung von Planungsräumen, Ermittlung einer allgemeinen sowie einer örtlichen Verhältniszahl; Beratungsgremium "Künstliche Befruchtung") hieraus keine grundsätzliche Bedeutung. Ob der Beklagte die Verwaltungsvorschriften im konkreten Einzelfall zutreffend angewandt hat, ist jedenfalls keine Frage, die einer abstrakten Klärung zugänglich wäre ( - juris RdNr 11).

22Im Übrigen ist der Ansatz von sog "Aufsatzwerten" auch in der vertragsärztlichen Bedarfsplanung anerkannt. So war bereits nach § 101 Abs 1 Satz 3 SGB V idF des GSG (heute unverändert § 101 Abs 1 Satz 4 SGB V) die erstmalige bundeseinheitliche Ermittlung des allgemeinen bedarfsgerechten Versorgungsgrades zum Stand vom durchzuführen. Im Zusammenhang mit der Einbeziehung des Psychotherapeuten in die vertragsärztliche Versorgung bestimmt § 101 Abs 4 Satz 2 SGB V, dass der allgemeine bedarfsgerechte Versorgungsgrad erstmals zum Stand vom zu ermitteln ist. Auch im Zusammenhang mit der Einbeziehung der sog kleinen Arztgruppen in die Bedarfsplanung hat der Senat die Festlegung eines Stichtags () für die Bestimmung des allgemeinen bedarfsgerechten Versorgungsgrades nicht beanstandet ( - BSGE 121, 154 = SozR 4-2500 § 103 Nr 19 RdNr 36). Der Senat hat es zudem akzeptiert, dass der Gemeinsame Bundesausschuss den Versorgungsgrad auf die in die Bedarfsplanung einzubeziehenden kleinen Arztgruppen nicht auf der Grundlage von Erhebungen und wissenschaftlichen Untersuchungen festgelegt hat. Es gebe bislang keine wissenschaftlich anerkannte und allgemein akzeptierte Methode zur Festlegung des Bedarfs an Ärzten in einem Planungsbereich (BSG aaO RdNr 35).

24Zur Begründung führen sie aus: Das LSG sei der Auffassung, dass sie - die Klägerinnen - die der T erteilte Genehmigung nicht anfechten könnten, weil sie nicht in ihrem Recht auf freie Auswahlentscheidung betroffen seien. Diese Rechtsauffassung des LSG führe dazu, dass offensive Konkurrentenklagen von nicht berücksichtigten Antragstellern immer als unzulässig bzw unbegründet angesehen werden müssten, wenn einem anderen Antragsteller eine über den Bedarf hinausgehende IVF-Genehmigung erteilt werde. BSG-Rechtsprechung zur offensiven Konkurrentenklage bei IVF-Genehmigungen existierte bislang nicht.

25Auch unter Berücksichtigung dieser Beschwerdebegründung stellen sich keine Fragen von grundsätzlicher Bedeutung. Die Frage kann auf der Grundlage der Rechtsprechung des Senats ohne Weiteres beantwortet werden und ist nicht klärungsbedürftig. Es ist hinreichend geklärt, dass im Rahmen der sog offensiven Konkurrentenklage Mitbewerber um eine nur einmal zu vergebende Berechtigung berechtigt sind, den dazu erlassenen Verwaltungsakt anzufechten (vgl zB - BSGE 91, 253 = SozR 4-2500 § 103 Nr 1, RdNr 8 = juris RdNr 19; - BSGE 94, 181 = SozR 4-2500 § 103 Nr 2, RdNr 4 = juris RdNr 13; - SozR 4-2500 § 103 Nr 12 RdNr 19, jeweils mwN). Es liegt auf der Hand, dass dies auch bei erteilten Genehmigungen zur Durchführung künstlicher Befruchtungen nach § 121a SGB V gilt. Der Senat hat in diesem Bereich sogar die Zulässigkeit von defensiven Konkurrentenklagen bejaht ( - SozR 4-2500 § 121a Nr 4) und dies damit begründet, dass die Genehmigung nach § 121a SGB V geeignet ist, die Wettbewerbssituation des bereits reproduktionsmedizinisch tätigen Arztes zu beeinträchtigten (BSG aaO RdNr 18).

26Zudem haben die Klägerinnen die Entscheidungserheblichkeit der von ihnen formulierten Rechtsfrage nicht dargelegt. Das LSG hat seine Entscheidung, den Klägerinnen stehe für die Anfechtung des der T erteilten Bescheids vom keine Klagebefugnis bzw kein Anfechtungsrecht zu, nämlich auch darauf gestützt, dass die der T erteilte Genehmigung aufgrund der Nebenbestimmungen zu keinem Zeitpunkt wirksam geworden bzw mittlerweile erloschen sei (Urteilsumdruck S 34). Die mit der Beschwerde geltend gemachten Revisionszulassungsgründe sind nach Erledigung des angefochtenen Verwaltungsaktes folglich nur dann für die in dem angestrebten Revisionsverfahren zu treffende Entscheidung erheblich, wenn in diesem Verfahren eine Entscheidung nach § 131 Abs 1 Satz 3 SGG ergehen kann ( - juris RdNr 10).Grundsätzlich ist eine entsprechende Klageänderung auch noch im Stadium der Nichtzulassungsbeschwerde möglich ( - juris RdNr 11; vgl auch 8 B 43.95 - juris RdNr 1 - zu § 113 Abs 1 Satz 4 VwGO; - juris RdNr 7 - zu § 100 Abs 1 Satz 4 Finanzgerichtsordnung). Voraussetzung einer solchen Sachentscheidung ist aber ein berechtigtes Interesse der Klägerinnen an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des erledigten Verwaltungsaktes ( - SozR 4-2500 § 103 Nr 30 RdNr 18). Die Umstände, aus denen sich ein solches Fortsetzungsfeststellungsinteresse iS des § 131 Abs 1 Satz 3 SGG ergibt, sind deshalb mit der Beschwerdebegründung innerhalb der Begründungsfrist darzulegen (vgl 8 B 43.95 - juris RdNr 1; - juris RdNr 7). Hieran fehlt es.

273. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung der §§ 154 ff VwGO. Danach tragen die Klägerinnen die Kosten des von ihnen erfolglos geführten Rechtsmittels (§ 154 Abs 2 VwGO).

284. Die Festsetzung des Streitwertes hat ihre Grundlage in § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 1 SGG iVm § 63 Abs 2 Satz 1, § 52 Abs 1 und 2, § 47 Abs 1 und 3 GKG. Der Streitwert ist - abweichend von der Entscheidung des LSG - auf 60 000 Euro festzusetzen. Maßgebend sind in Genehmigungsstreitigkeiten nach § 121a SGB V die erzielbaren Einkünfte für einen Dreijahreszeitraum (vgl Streitwertkatalog für die Sozialgerichtsbarkeit, 5. Aufl 2017, Abschnitt B VI Nr 1). Da hier nähere Anhaltspunkte für das wirtschaftliche Interesse der Klägerinnen an der Erteilung der Genehmigung fehlen, ist der Ansatz des Auffangstreitwertes von 5000 Euro für jedes Quartal des Dreijahreszeitraumes sachgerecht (vgl die Rechtsprechung des Senats in Zulassungsstreitigkeiten: - SozR 4-1920 § 47 Nr 1 RdNr 4; - juris).Oppermann                Rademacker                Loose

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BSG:2022:290622BB6KA1921B0

Fundstelle(n):
BAAAJ-24025