BGH Beschluss v. - 5 StR 191/22

Gesetze: § 147 Abs 1 StPO

Instanzenzug: Az: 606 KLs 1/21

Tenor

Die Revision des Angeklagten gegen das wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Der Senat bemerkt ergänzend:
Soweit der Beschwerdeführer eine „unzulässige Beschränkung der Verteidigung durch Ablehnung der Akteneinsicht in die Originaldaten (§ 338 Nr. 8 iVm § 147 Abs. 1 StPO)“ rügt, entspricht das Revisionsvorbringen neben den vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift aufgezeigten Gesichtspunkten auch aus folgenden Gründen nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO: Nachdem das Landgericht die von der Verteidigung beantragte Beiziehung der „Rohdaten“ zu den – bei den Akten befindlichen – (Encro-)Chatprotokollen abgelehnt hatte, hat der Beschwerdeführer eine Gegenvorstellung hierzu erhoben und darin ein Protokoll des Bundeskriminalamts in Bezug genommen. Ausweislich der Revisionsbegründung sollen darin „Erkenntnisse(n) aus den Vernehmungen“ eines britischen und eines französischen Beamten enthalten sein, wonach die (Original-)Daten „in besonderer Weise bearbeitet und selektiert worden“ seien. Das Protokoll selbst oder dessen Inhalt hat er indes nicht mitgeteilt. Dazu war er aber verpflichtet. Denn ohne Kenntnis des Protokolls kann der Senat nicht prüfen, ob das Tatgericht durch die Ablehnung der Beiziehung der „Originaldaten“ den Beschwerdeführer in seiner Verteidigung unzulässig beschränkt haben (§ 338 Nr. 8 StPO) oder seinen Aufklärungspflichten (§ 244 Abs. 2 StPO) nicht nachgekommen sein könnte. Sollte dem Revisionsführer der Vortrag nicht möglich gewesen sein, weil ihm das Protokoll nicht vorlag, hätte er sich – damit die Ausnahme von der an sich nach § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO bestehenden Vortragspflicht gerechtfertigt und belegt wird – jedenfalls bis zum Ablauf der Frist zur Erhebung der Verfahrensrüge um dessen Erhalt bemühen und die entsprechenden Anstrengungen dartun müssen (vgl. , NStZ 2010, 530 mwN; KK-StPO/Gericke, 8. Aufl., § 338 Rn. 101).
Die Rüge wäre aber auch unbegründet.
Ein Verstoß gegen das Akteneinsichts- oder das Besichtigungsrecht von Beweisstücken nach § 147 Abs. 1 StPO liegt auf der Grundlage des Revisionsvorbringens nicht vor. Denn der Anspruch bezieht sich nur auf die dem Gericht tatsächlich vorliegenden Akten und auf die in diesem Verfahren verwahrten Beweisstücke (vgl. , BVerfGE 63, 45, 60; , BGHSt 49, 317, 327; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 65. Aufl., § 147 Rn. 13, 19). Diese Eigenschaft hätten die „Originaldaten“ aber erst durch ihre – von der Verteidigung indes erfolglos beantragte – Beiziehung erlangt.
Die Ablehnung der Beiziehung der „Originaldaten“ begegnet auf der Grundlage des Revisionsvortrags keinen rechtlichen Bedenken. Denn ausweislich der Ablehnungsbegründung lagen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass einzelne für das Verfahren relevante Chats aus den „Originaldaten“ zurückgehalten oder inhaltlich verändert worden seien.
Soweit die Rüge auch mit der Stoßrichtung der Verletzung von Art. 6 Abs. 1 EMRK erhoben worden sein sollte, bliebe sie schon deshalb ohne Erfolg, weil der Beschwerdeführer ausweislich des Revisionsvorbringens nicht beim Bundeskriminalamt um Einsicht in die „Rohdaten“ ersucht hat. Sein Hinweis auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts betreffend den Zugang zu den Rohmessdaten bei Geschwindigkeitsübertretungen geht daher fehl. Denn der dortige Beschwerdeführer hatte sich vor dem gerichtlichen Verfahren (erfolglos) bei der Verwaltungsbehörde darum bemüht, die nicht bei der Bußgeldakte befindlichen Rohmessdaten zu erhalten (vgl. , NJW 2021, 455, 460; siehe auch , BVerfGE 63, 45, 66).
Cirener     
      
Gericke     
      
Köhler
      
Resch     
      
von Häfen     
      

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2022:280922B5STR191.22.0

Fundstelle(n):
ZAAAJ-23917