BGH Beschluss v. - 1 StR 501/21

Verdeckte Gewinnausschüttung: Abzug der für Schmiergeldzahlungen aufgewandten Geldmittel; Beihilfe zur Steuerhinterziehung durch das Ausstellen von Scheinrechnungen

Gesetze: § 370 AO, § 8 Abs 3 KStG, § 27 StGB

Instanzenzug: LG Bielefeld Az: 21 KLs 4/20

Gründe

I.

1Das Landgericht hatte den Angeklagten T.     im ersten Rechtsgang wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten verurteilt und die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung ausgesetzt. Den Mitangeklagten H.     hatte es wegen Steuerhinterziehung in drei Fällen und wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten sowie den Mitangeklagten Bö.     wegen Steuerhinterziehung in acht Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt. Von den Strafen hatte das Landgericht jeweils wegen rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerung drei Monate als vollstreckt erklärt. Gegen den Mitangeklagten Bö.    hatte das Landgericht zudem die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 204.667,92 Euro angeordnet. Auf die Revisionen der Mitangeklagten H.     und Bö.     hat der Senat das Urteil unter Erstreckung auf den Angeklagten T.     teilweise aufgehoben (Beschluss vom – 1 StR 12/19).

2Das Landgericht hat den Angeklagten T.      nunmehr wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Monaten verurteilt. Gegen den nicht revidierenden Mitangeklagten Bö.   hat das Landgericht wegen Steuerhinterziehung in zehn Fällen eine Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren sowie gegen den nicht revidierenden Mitangeklagten H.      wegen Steuerhinterziehung in sechs Fällen und wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung in zwei Fällen eine solche von einem Jahr und vier Monaten verhängt und sie im Übrigen freigesprochen. Von den Strafen hat das Landgericht wegen rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerung jeweils drei Monate als vollstreckt erklärt und jeweils die Vollstreckung der „verbleibenden“ Strafen zur Bewährung ausgesetzt. Zudem hat das Landgericht den Mitangeklagten Bö.  und H.    auf die Dauer von drei Jahren die Fähigkeit aberkannt, öffentliche Ämter zu bekleiden und Rechte aus öffentlichen Wahlen zu erlangen, und gegen den Mitangeklagten Bö.   die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 128.313,87 Euro angeordnet.

3Der Angeklagte T.     wendet sich mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts gegen seine Verurteilung. Das Rechtsmittel hat – gemäß § 357 Satz 1 StPO auch zugunsten der Mitangeklagten Bö.   und H.     – den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

II.

41. Die Sachrüge des Angeklagten T.   führt in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang zur Aufhebung des angegriffenen Urteils.

5a) Der Schuldspruch des Angeklagten wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung in dem Fall 21 der Urteilsgründe weist keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf.

6b) Demgegenüber haben die Verurteilungen in dem – tateinheitlich begangenen – Fall 22 und 27 sowie in dem Fall 28 der Urteilsgründe und die Einzelstrafe in dem Fall 21 der Urteilsgründe keinen Bestand.

7aa) Der Angeklagte leistete durch das Ausstellen von Scheinrechnungen Beihilfe zur Steuerhinterziehung in den Fällen 21 (Körperschaft- und Gewerbesteuererklärung der B.  GmbH 2007) und 28 (Einkommensteuer des Mitangeklagten Bö.    2009) sowie tateinheitlich zu den Fällen 22 (Körperschaft- und Gewerbesteuererklärung der B.   GmbH 2008) und 27 (Einkommensteuer des Mitangeklagten Bö.   2008) der Urteilsgründe.

8Nach den Feststellungen des Landgerichts zu der Hinterziehung der Einkommensteuer des Mitangeklagten Bö.   für die Jahre 2008 und 2009 flossen dem Mitangeklagten Bö.    verdeckte Gewinnausschüttungen zu, ohne dass er diese in den von ihm abgegebenen Einkommensteuererklärungen für die Jahre 2008 (Fall 27 der Urteilsgründe) und 2009 (Fall 28 der Urteilsgründe) als Kapitaleinkünfte offenlegte. Das Landgericht ist bei der Schätzung der dem Mitangeklagten Bö.   aus den durch die – von dem Angeklagten ausgestellten – Scheinrechnungen der K.    GmbH bzw. später K.      O.              GmbH generierten Barmitteln zugeflossenen verdeckten Gewinnausschüttungen von dem Gesamtvolumen der Scheinrechnungen ausgegangen und hat davon die Geldmittel für – im Wege der Schätzung ermittelte – Schwarzlöhne an Arbeitnehmer und Provisionszahlungen an den Angeklagten abgezogen. Nicht berücksichtigt hat das Landgericht dabei allerdings rechtsfehlerhaft die für Schmiergeldzahlungen aufgewandten Geldmittel, die ebenfalls bei der Bestimmung der Höhe der dem Mitangeklagten Bö.   zugeflossenen verdeckten Gewinnausschüttungen in Abzug zu bringen waren (vgl. Beschluss vom – 1 StR 12/19 Rn. 27). Nach den insoweit bindenden Feststellungen des Urteils des Landgerichts im ersten Rechtsgang wurden die Scheinrechnungen bei der B.  GmbH als laufende Betriebsausgaben verbucht, um so die Entnahme von liquiden Mitteln aus der B.   GmbH zu verschleiern und das so generierte Bargeld einerseits für die Lebenshaltungskosten des Mitangeklagten Bö.   und von dessen Angehörigen sowie andererseits für Schwarzlöhne und Bestechungsgelder einzusetzen (Urteil des LG Bielefeld vom – 9 KLs 5/15, S. 14, 77 f.). Demgemäß hat das Landgericht den Verkürzungsumfang in den Fällen 27 und 28 der Urteilsgründe fehlerhaft bestimmt.

9bb) Aufgrund dieses Rechtsfehlers kann bereits der Schuldspruch in dem Fall 28 der Urteilsgründe keinen Bestand haben. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass bei Berücksichtigung der geleisteten Schmiergeldzahlungen dem Mitangeklagten Bö.  letztlich gar keine verdeckten Gewinnausschüttungen zugeflossen sind. Auch der Schuldspruch in dem – tateinheitlich abgeurteilten – Fall 22 und 27 der Urteilsgründe ist aufzuheben. Zwar ist der Schuldumfang der Beihilfe zu Fall 22 der Urteilsgründe (Körperschaft- und Gewerbesteuer der B.  GmbH für das Jahr 2008) rechtsfehlerfrei bestimmt (vgl. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 10 Satz 1 EStG); die tateinheitlich hierzu abgeurteilte Beihilfe zu Fall 27 der Urteilsgründe führt jedoch auch insofern zur Aufhebung des Schuldspruchs insgesamt (vgl. etwa Rn. 8 mwN).

10cc) Darüber hinaus haben die Einzelstrafen in allen Fällen (Fälle 21, 22 und 27 sowie 28 der Urteilsgründe) auch deshalb keinen Bestand, weil das Landgericht die Verhängung von kurzen Freiheitsstrafen nicht rechtsfehlerfrei begründet hat. Das Landgericht hat für Fall 21 der Urteilsgründe eine Einzelfreiheitsstrafe von vier Monaten, für den tateinheitlich verwirklichten Fall der Beihilfe zur Steuerhinterziehung in den Fällen 22 und 27 eine solche von fünf Monaten und für Fall 28 der Urteilsgründe eine Einzelfreiheitsstrafe von fünf Monaten verhängt. Zur Begründung, dass die Verhängung kurzer Freiheitsstrafen unerlässlich im Sinne von § 47 Abs. 1 StGB sei, hat das Landgericht unter anderem ausgeführt, dass sich die Hinterziehungen in den vorbezeichneten Fällen nahtlos in das bei den weiteren Taten vom Angeklagten gezeigte Verhalten einfügten (UA S. 29). Vor dem Hintergrund, dass der Angeklagte nicht vorbestraft ist und keine weiteren Taten des Angeklagten ersichtlich oder vom Landgericht festgestellt sind, ist diese Bewertung nicht nachvollziehbar und damit rechtsfehlerhaft.

11c) Die Aufhebung der Verurteilung in dem Fall 28 und in dem – tateinheitlich verwirklichten – Fall 22 und 27 der Urteilsgründe sowie des Strafausspruchs in Fall 21 entzieht der Gesamtstrafe die Grundlage. Sie lässt aber die ohne Rechtsfehler ergangene Kompensationsentscheidung unberührt (vgl. Rn. 19 mwN). Die den Fällen 27 sowie 28 zugrunde liegenden Feststellungen sind von dem zur Aufhebung führenden Rechtsfehler betroffen und daher ebenfalls aufzuheben (§ 353 Abs. 2 StPO). Die dem tateinheitlich zu Fall 27 verwirklichten Fall 22 zugrunde liegenden – und teilweise ohnehin bindenden – Feststellungen zur Hinterziehung der Körperschaftsteuer und der Gewerbesteuer durch die B.   GmbH für das Jahr 2008 sind von dem Rechtsfehler nicht betroffen und können aufrecht erhalten bleiben.

122. Die Entscheidung ist gemäß § 357 Satz 1 StPO auf die nicht revidierenden Mitangeklagten Bö.   und H.   zu erstrecken, soweit der Mitangeklagte Bö.   in den Fällen 27 und 28 der Urteilsgründe wegen Steuerhinterziehung und der Mitangeklagte H.    wegen Beihilfe zu diesen Steuerhinterziehungstaten verurteilt worden ist. Vor dem Hintergrund, dass für beide Fälle nicht ausgeschlossen werden kann, dass dem Mitangeklagten Bö.  bei Berücksichtigung der geleisteten Schmiergeldzahlungen letztlich gar keine verdeckten Gewinnausschüttungen zugeflossen sind und damit keine Steuern verkürzt worden sind, ist betreffend der Mitangeklagten jeweils die Verurteilung in diesen Fällen aufzuheben.

13Dies bedingt die Aufhebung der sie betreffenden Aussprüche über die Gesamtstrafen und über den Verlust der Amtsfähigkeit und der Wählbarkeit gemäß § 45 Abs. 2 StGB, § 375 Abs. 1 AO.

14Hinsichtlich des Mitangeklagten Bö.   konnte zudem die Einziehungsentscheidung nicht bestehen bleiben, da sich die vom Landgericht angeordnete Einziehung des Wertes von Taterträgen auf die der Aufhebung unterliegenden Taten (Fälle 27 und 28 der Urteilsgründe) bezieht.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2022:060422B1STR501.21.0

Fundstelle(n):
AO-StB 2023 S. 17 Nr. 1
BFH/NV 2022 S. 1150 Nr. 10
BAAAJ-23575