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NWB Nr. 41 vom Seite 2911

Garantiezusagen: Versicherungsteuerpflicht ab 1.1.2023

Steuerliche Fallstricke und offene Zweifelsfragen

Ronny Langer, Tim Bartel und Lena Netzer

[i]BMF, Schreiben v. 11.5.2021, BStBl 2021 I S. 781Das Thema Garantiezusagen hat sowohl vor dem BFH als auch dem EuGH bereits einen langen Weg hinter sich. Zuletzt hatte sich hierzulande der für die Umsatzsteuer zuständige XI. Senat des BFH mit der Thematik zu befassen und fällte am ein aufsehenerregendes Urteil (, BStBl 2021 II S. 461). Dieses zum Anlass nehmend, veröffentlichte die Finanzverwaltung am ein neues BMF-Schreiben und machte damit eine Kehrtwende ( BStBl 2021 I S. 781). Sie berichtigt den UStAE dahingehend, dass eine entgeltliche Garantiezusage eines Kfz-Gebrauchtwagenhändlers entsprechend der höchstrichterlichen Entscheidung nunmehr umsatzsteuerfrei, jedoch versicherungsteuerpflichtig ist. Laut BMF sind diese Grundsätze branchenübergreifend anzuwenden. Dies bringt leider eine unerwünschte Komplexität für die Unternehmen mit sich. Das BMF gewährte zwar für die Umstellung eine Nichtbeanstandungsfrist, die bereits zweimal verlängert wurde, zuletzt bis zum . Die von den Wirtschaftsverbänden kürzlich erneut angeregte Verlängerung lehnte das BMF jedoch ab. Es wird nun also zum Jahreswechsel ernst.

I. Entwicklung der Rechtsprechung auf nationaler und europäischer Ebene

1. BFH-Urteile aus 2002 und 2003 zu sog. Car-Garantien

[i]Unterscheidung zwischen der Verschaffung von Versicherungsschutz und der Übernahme von SicherheitenBereits 2002 und 2003 fällte der BFH die ersten Urteile zum Thema Garantiezusagen (, BStBl 2003 II S. 378; v.  - V R 16/02, BStBl 2003 II S. 445). Gegenstand waren jeweils sog. Car-Garantien, die dem Kfz-Käufer (Garantienehmer) durch den Verkäufer vermittelt wurden. Die Fälle unterschieden sich im Grundsatz in den zugrunde liegenden AGB der Versicherung. In einem Fall umfasste der Vertrag nur einen Anspruch auf Erstattung der Reparaturkosten gegenüber der Versicherung. Der Garantienehmer hatte keinen Anspruch gegen den Verkäufer selbst, nur gegen das Versicherungsunternehmen. Der Verkäufer übernahm damit selbst kein S. 2912Risiko. Im zweiten Fall war der Verkäufer zusätzlich verpflichtet, die von den Garantiebedingungen erfassten Reparaturen selbst vorzunehmen. Die Richter betrachteten die Garantiezusage als eine selbständige Leistung, welche unabhängig von der Fahrzeuglieferung war. Schließt der Garantiegeber zugunsten des Kunden mit einem Versicherungsunternehmen einen Vertrag ab, stelle das eine Verschaffung von Versicherungsschutz dar. Nach § 4 Nr. 10 Buchst. b UStG seien derartige Leistungen umsatzsteuerfrei. Verpflichtet sich der Händler als Garantiegeber selbst zu einer Leistung (z. B. kostenlose Reparatur), handele es sich aber um die Übernahme von Sicherheiten. Auch Leistungen in diesem Rahmen seien umsatzsteuerfrei, diesmal nach § 4 Nr. 8 Buchst. g UStG.

2. EuGH-Urteile aus 2006 und 2007

[i]Steuerfreie Übernahme von Sicherheiten kann nur Geldverbindlichkeiten umfassenEinige Jahre später entschied der EuGH über Sachleistungen eines Automobilclubs gegenüber dessen Mitgliedern. Bei diesen soll es sich um umsatzsteuerfreie Versicherungsumsätze handeln ( „Kommission gegen Griechenland“, NWB RAAAC-34582, Rz. 14). Im Jahr 2007 entschied der EuGH darüber hinaus, wann steuerfreie Leistungen zur Übernahme von Sicherheiten vorliegen. Im Gegensatz zu Versicherungsumsätzen sollen diese nur bei der Übernahme von Sicherheiten in Geld einschlägig sein. Nicht umfasst sind Sachleistungen ( „Velvet & Steel Immobilien“, NWB SAAAC-44575). Zugrunde lag die Annahme, dass Steuerbefreiungstatbestände als Ausnahmen zum Grundsatz der Steuerpflicht eng auszulegen sind. Der Begriff der „Übernahme von Verbindlichkeiten“ (wie er auch in § 4 Nr. 8 Buchst. g UStG zu finden ist) ergebe nach Auslegung, dass nur „Finanzdienstleistungen“ umfasst sein können (EuGH C-455/05, Rz. 21).

3. Anpassung der BFH-Rechtsprechung im Jahr 2010 an die Entscheidungen des EuGH

[i]Garantiezusage als einheitliches steuerpflichtiges LeistungsbündelDieses Ergebnis stand im Widerspruch zu dem zuvor ergangenen Urteil des BFH. Dieser passte seine Rechtsprechung dementsprechend im Jahr 2010 an (, BStBl 2011 II S. 1109). Es ging hier um ein verkäufereigenes Garantieversprechen. Der Käufer hatte diesmal ein Wahlrecht zwischen Sachleistung (Reparatur) durch den Händler und Geldleistung durch einen (Rück-)Versicherer. Der BFH nahm ein Leistungsbündel als einheitliche Leistung eigener Art an. Die Garantiezusage sei keine eigenständige Leistung. Als [i]Korn/Strahl, NWB 50/2010 S. 4068, 4079dominierenden Bestandteil bestimmte er die Einstandspflicht des Händlers. Daraus resultierend ergab sich, dass das gesamte Leistungsbündel der Umsatzsteuer unterlag (s. zu den Auswirkungen dieses Urteils auf die Versicherungsteuer und deren Bemessungsgrundlage Robisch/Jacobs, UR 2010 S. 925).

4. Abstandnahme von der Rechtsprechung aus dem Jahr 2010 –

[i]Die Garantiezusage stellt eine eigenständige Leistung dar und begründet ein VersicherungsverhältnisVon dieser Auffassung nahm der BFH mit dem Urteil aus 2018 nun ausdrücklich Abstand (, BStBl 2021 II S. 461). Eine verkäufereigene rückversicherte Garantiezusage sei gerade nicht von der Einstandspflicht, sondern von dem Versprechen der Kostenübernahme im Garantiefall geprägt. Damit liegt kein Leistungsbündel vor (BFH XI R 16/17, Rz. 22). Die Garantiezusage stellt eine eigenständige Leistung dar. Im Gegensatz zum Urteil aus 2010 sieht die betreffende Garantiezusage ausschließlich einen Anspruch auf Ersatz der Reparaturkosten und keinen direkten Reparaturanspruch vor. Das vermeintliche Wahlrecht zwischen Mängelbeseitigung bzw. Reparatur und Reparaturkostenerstattung begründe Ansprüche des Garantienehmers, die auf unterschiedlichen Rechtsgrundlagen beruhen. Der Reparaturanspruch selbst resultiere aus dem gesetzlichen Mängelgewährleistungsanspruch nach §§ 437, 434 BGB. [i]Die Leistung aufgrund des Versicherungsverhältnisses ist umsatzsteuerfrei, aber versicherungsteuerpflichtigDieser Umstand begründet die differenzierende Beurteilung des Sachverhalts aus dem Urteil im Jahr 2010. Hier hatte der Garantienehmer ein wirkliches S. 2913Wahlrecht zwischen einer Reparatur durch einen Händler oder einer direkten Geldleistung von der Versicherung. Im konkreten Fall liege ein Versicherungsverhältnis vor. Die Leistung aufgrund dieses Versicherungsverhältnisses sei nach § 4 Nr. 10 Buchst. a UStG umsatzsteuerfrei. Es falle aber Versicherungsteuer an.

5. „Radio Popular“

[i]Vermittlung von Garantieverlängerungen als steuerfreier VersicherungsumsatzErst kürzlich erging ein weiteres neues Urteil des EuGH zu Garantiezusagen ( EuGH, Urteil v. 8.7.2021 - C-695/19 „Radio Popular“). In diesem Fall hatte der Verkäufer von Haushaltsgeräten sowie Informatik- und Telekommunikationsartikeln zusätzlich eine Garantieverlängerung verkauft. Der Vertrag über die Garantiezusage wurde jedoch zwischen dem Käufer der Geräte und einem Dritten (Versicherer) abgeschlossen. Der Verkäufer der Geräte vermittelte dabei zwischen den beiden Vertragsparteien. Es ging vorrangig um die Frage, wie derartige Umsätze im Rahmen des Vorsteuerabzugs zu behandeln sind. Der Gerichtshof kam zu dem Schluss, dass die Umsätze aus der (steuerfreien) Versicherungsvermittlung neben der Haupttätigkeit, dem Verkauf der Geräte, nicht unter Art. 174 Abs. 2 Buchst. b und c MwStSystRL fallen. Die dort aufgezählten Umsätze wie Hilfsumsätze mit Finanzgeschäften (Buchst. b) sind als Befreiungstatbestände eng auszulegen. Das hat der EuGH bereits in einigen Urteilen zuvor entschieden. Umsätze aus Versicherungsgeschäften können daher nicht ohne Weiteres mit Finanzgeschäften gleichgesetzt werden. Im Ergebnis sind die Umsätze im Rahmen des Pro-rata-Satzes des Vorsteuerabzugs nach Art. 174 Abs. 1 MwStSystRL bei der Berechnung zu berücksichtigen (einen umfassenden Überblick über die bisherige BFH-Rechtsprechung zu Garantiezusagen gibt Schmidt, UVR 9/2021 S. 267).

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