Einkommensteuer | Keine dauerhafte Zuordnung bei nur befristeten Einsätzen im Rahmen eines Leiharbeitsverhältnisses (BFH)
Maßgebliches Arbeitsverhältnis für
die Frage, ob der Arbeitnehmer einer betrieblichen Einrichtung i.S. des § 9
Abs. 4 Sätze 1 bis 3 EStG dauerhaft zugeordnet ist, ist das zwischen dem
Arbeitgeber (Verleiher) und dem (Leih-) Arbeitnehmer bestehende
Arbeitsverhältnis. Besteht der Einsatz des Arbeitnehmers bei dem Entleiher in
wiederholten, aber befristeten Einsätzen, fehlt es an einer dauerhaften
Zuordnung i.S. des § 9 Abs. 4 Satz 3 EStG (; veröffentlicht am ).
Sachverhalt: Streitig ist, ob der Kläger, der unbefristet bei einer Zeitarbeitsfirma A angestellt war, seine Fahrkosten nach Dienstreisegrundsätzen geltend machen kann: Im Streitjahr 2014 war der Kläger im Rahmen seines Arbeitsverhältnisses zu A ab Vertragsbeginn ausschließlich beim Entleiher B tätig. Die Arbeitnehmerüberlassung des Klägers war nach den zwischen B (Entleiher) und A (Verleiher) geschlossenen Vereinbarungen jeweils befristet. Der weitere Einsatz des Klägers bei B war danach davon abhängig, dass B nach Ablauf der jeweiligen Frist mit A eine weitere (befristete) Arbeitnehmerüberlassung begründete, was bis über das Streitjahr hinaus stets geschehen ist. So war der Kläger ausweislich einer Bescheinigung von A für die Zeit vom bis zum und danach vom bis zum bei B im Rahmen der Arbeitnehmerüberlassung befristet eingesetzt.
In der Einkommensteuererklärung machte der Kläger für die Fahrten von seiner Wohnung zu B Fahrtkosten nach Dienstreisegrundsätzen geltend. Das FA erkannte lediglich Fahrtkosten unter Zugrundelegung der Entfernungspauschale an.
Die hiergegen gerichtete Klage hatte in erster Instanz keinen Erfolg ().
Die Richter des BFH dagegen hoben das Urteil auf und gaben der Klage statt:
Im Fall einer Arbeitnehmerüberlassung nach dem AÜG ist (lohnsteuerrechtlicher) Arbeitgeber der Verleiher (hier A).
Maßgebliches Arbeitsverhältnis für die Frage, ob der Arbeitnehmer einer betrieblichen Einrichtung i.S. des § 9 Abs. 4 Sätze 1 bis 3 EStG dauerhaft zugeordnet ist, ist das zwischen dem Arbeitgeber (Verleiher) und dem (Leih-) Arbeitnehmer bestehende Arbeitsverhältnis.
Besteht der Einsatz des Arbeitnehmers bei dem Entleiher (hier B) in wiederholten, aber befristeten Einsätzen, fehlt es an einer dauerhaften Zuordnung i.S. des § 9 Abs. 4 Satz 3 EStG.
Von einer dauerhaften Zuordnung ist ausweislich der in § 9 Abs. 4 Satz 3 EStG aufgeführten Regelbeispiele insbesondere auszugehen, wenn der Arbeitnehmer unbefristet, für die Dauer des Dienstverhältnisses oder über einen Zeitraum von 48 Monaten hinaus an einer solchen Tätigkeitsstätte tätig werden soll.
Nach den bindenden Feststellungen des FG hat A bescheinigt, den Kläger im Streitjahr zunächst für die Zeit vom bis zum und danach vom bis zum jeweils "befristet" bei B eingesetzt zu haben.
Diese Feststellungen widersprechen der Würdigung des FG, der Einsatz des Klägers bei B sei ex ante so gestaltet gewesen, dass der Kläger "bis auf Weiteres, also nicht befristet bei B eingesetzt werden sollte".
Vielmehr ist aufgrund der durch den lohnsteuerrechtlichen Arbeitgeber A ausdrücklich als "befristet" bezeichneten Einsätze des Klägers bei B unter den im Streitfall gegebenen Umständen eine ebenfalls nur befristete Zuordnung des Klägers zu der betrieblichen Einrichtung des B anzunehmen.
Der in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis beschäftigte Kläger war der betrieblichen Einrichtung bei B durch seinen Arbeitgeber A damit weder unbefristet noch für die Dauer seines Beschäftigungsverhältnisses i.S. des § 9 Abs. 4 Satz 3 1. und 2. Alternative EStG zugeordnet.
Anmerkung von Dr. Stephan Geserich, Richter im VI. Senat des BFH:
Maßgebliches Arbeitsverhältnis für das Auffinden der ersten Tätigkeitsstätte eines Leiharbeitnehmers und damit die Frage, ob ein solcher einer betrieblichen Einrichtung i.S. des § 9 Abs. 4 Sätze 1 bis 3 dauerhaft zugeordnet ist, ist das zwischen dem Verleiher und dem Leiharbeitnehmer bestehende Beschäftigungsverhältnis. Denn im Fall der Arbeitnehmerüberlassung ist lohnsteuerrechtlicher Arbeitgeber der Verleiher. Diese Erkenntnis ist nicht neu, sondern bereits im in Sachen VI R 6/17 (BStBl II 2019, 539) angelegt. In dem vorgenannten Urteil hat der BFH, wenn auch nicht tragend, kundgetan, dass es bei der Frage nach der Dauerhaftigkeit der arbeitgeberseitigen Zuordnung nicht auf die Befristung der Arbeitnehmerüberlassung im Verhältnis Entleiher – Verleiher abzustellen ist. Diese Erkenntnis hat der BFH nunmehr mit der Besprechungsentscheidung verdeutlicht und damit zugleich aufgezeigt, dass bei Leiharbeitnehmern betreffend die erste Tätigkeitsstätte keine Besonderheiten gelten:
Bei einem befristeten Beschäftigungsverhältnis (zwischen Verleiher und Leiharbeitnehmer) kommt eine unbefristete Zuordnung i.S. des § 9 Abs. 4 Satz 3 1. Alternative EStG zu einer ersten Tätigkeitsstätte nicht in Betracht.
War der (Leih-)Arbeitnehmer im Rahmen eines befristeten Arbeits- oder Dienstverhältnisses (mit dem Verleiher) bereits einer ersten Tätigkeitsstätte (beim Entleiher) zugeordnet und wird er im weiteren Verlauf einer anderen Tätigkeitsstätte (des Entleihers) zugeordnet, erfolgt diese zweite Zuordnung nicht mehr gemäß § 9 Abs. 4 Satz 3, 2. Alternative EStG für die Dauer des Dienstverhältnisses (mit dem Verleiher).
Wird ein befristetes Beschäftigungsverhältnis (zwischen Verleiher und Leiharbeitnehmer) vor Ablauf der Befristung schriftlich durch bloßes Hinausschieben des Beendigungszeitpunkts bei ansonsten unverändertem Vertragsinhalt verlängert, liegt ein einheitliches befristetes Beschäftigungsverhältnis vor. Für die Frage, ob eine Zuordnung für die Dauer des Dienstverhältnisses erfolgt, ist daher auf das einheitliche Beschäftigungsverhältnis und nicht lediglich auf den Zeitraum der Verlängerung abzustellen.
Besteht der Einsatz des Leiharbeitnehmers beim Entleiher in wiederholten, aber befristeten Einsätzen, fehlt es an einer dauerhaften Zuordnung i.S. des § 9 Abs. 4 Satz 3 EStG. Ein solches Geschehen steht einer sog. Kettenabordnung gleich. Bei einer solchen fehlt es nach zutreffender Ansicht der Finanzbehörden an einer dauerhaften Zuordnung zu einer Tätigkeitsstätte, wenn die einzelne Abordnung jeweils einen Zeitraum von höchstens 48 Monaten umfasst ( BStBl I 2020, 1228, Rn. 19).
Quelle: ; NWB Datenbank (il)
Fundstelle(n):
BAAAJ-23416