Bandenmäßiges Handeltreiben mit Betäubungsmitteln: Voraussetzung einer erweiterten Einziehung des Wertersatzes bei nicht verfahrensgegenständlichen Taten; zeitnaher Verbrauch von auf ein Girokonto überwiesenen Drogengeldern zur Deckung des Familienunterhalts
Gesetze: § 73a Abs 1 StGB, § 73c S 1 StGB, § 261 StPO, § 267 StPO, § 29 BtMG, §§ 29ff BtMG
Instanzenzug: Az: 21 Js 14378/20 - 16 KLs
Gründe
1Das Landgericht hat die Angeklagte wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt; die Vollstreckung der Strafe hat es zur Bewährung ausgesetzt. Von einer Einziehung hat das Landgericht unter Anwendung der Härtefallregelung des § 73c StGB aF abgesehen. Die allein hiergegen gerichtete, auf die Sachrüge gestützte Revision der Staatsanwaltschaft hat den aus dem Urteilstenor ersichtlichen Erfolg.
21. Nach den Feststellungen des Landgerichts unterstützte die Angeklagte ihren gesondert verfolgten Ehemann, den bereits rechtskräftig verurteilten A. , bei dessen bandenmäßigem Betäubungsmittelhandel dadurch, dass sie ihn bei Auslieferungen begleitete, in seiner Abwesenheit Kaufpreisgelder von Kunden entgegennahm und Streckmittel besorgte; indes waren weder diese Mitwirkungen bestimmten Haupttaten zuzuordnen noch war die Angeklagte nach der landgerichtlichen Wertung Bandenmitglied. Mit den für sie bestimmten Anteilen aus den Drogengeschäften bestritten die Angeklagte und A. den Lebensunterhalt für sich, das gemeinsame Kind und den Sohn der Angeklagten aus einer anderen Beziehung. Zum einen zahlten A. oder die Angeklagte die Rauschgiftmittelerlöse auf deren Girokonto in bar ein, und zwar in Höhe von 6.680 € aus den verfahrensgegenständlichen elf Taten (Tatzeitraum von Ende Mai 2019 bis März 2020) und in Höhe von weiteren 34.510 € aus vorangegangenen, nicht weiter aufklärbaren Drogengeschäften. Zum anderen überwies die Bande, die neben A. aus den ebenfalls rechtskräftig verurteilten V. und T. bestand, weitere aus den Rauschgiftgeschäften erzielte Gelder – als angebliche Löhne der Angeklagten aus einer Scheinanstellung bei einem griechischen Restaurant getarnt – auf das Girokonto, und zwar in Höhe von 8.306,17 € aus den verfahrensgegenständlichen elf Taten und in Höhe von weiteren 19.454,77 € aus vorangegangenen, nicht weiter aufklärbaren Drogengeschäften. Zuletzt wurde das Konto im Minus geführt.
32. Die wirksam auf das Absehen von einer Einziehungsanordnung beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft ist teilweise begründet.
4a) Die Abschöpfung des Wertes der aus den verfahrensgegenständlichen elf Taten insgesamt erzielten Veräußerungserlöse in Höhe von 14.986,17 € ist gemäß § 73 Abs. 1 Alternative 1, § 73c Satz 1 StGB gerechtfertigt und geboten.
5aa) Bezüglich des erlangten "etwas" ist wie folgt zu unterscheiden:
6(a) In nicht genauer aufklärbarem Umfang nahm die Angeklagte Kaufpreisgelder in bar entgegen; insoweit erlangte sie daran die tatsächliche Verfügungsgewalt (§ 73 Abs. 1 Alternative 1 StGB). Da das Bargeld nicht sichergestellt wurde, ist dessen (Nenn-)Wert einzuziehen (§ 73c Satz 1 StGB).
7(b) Im Übrigen konnte die Angeklagte zwar über die aus den Rauschgiftverkäufen vereinnahmten Bargelder nicht verfügen, die von ihrem Ehemann auf ihr Girokonto oder auf ein anderes Konto eingezahlt und anschließend – als "Gehalt" getarnt – auf ihr Girokonto überwiesen wurden. Insoweit erlangte sie abzuschöpfende Vermögensvorteile jeweils mit der zugehörigen, in das Kontokorrent eingestellten Kontogutschrift; diese Vorteile sind als Wertersatz (§ 73c Satz 1 StGB) einzuziehen (vgl. Rn. 42; Urteil vom – 3 StR 518/19 Rn. 113).
8Die Mittelbarkeit eines solchen Zuflusses (Umwandlung von Bar- in Buchgeld) steht der Einziehung nicht entgegen. Denn es reicht aus, dass zunächst einer der Tatbeteiligten den Taterlös vereinnahmt, bevor er ihn an den von der Einziehung betroffenen Tatbeteiligten überträgt; dadurch wird der Kausal- und Zurechnungszusammenhang zwischen Tatbeitrag und Vereinnahmen des Tatertrags nicht unterbrochen (vgl. Rn. 100 und vom – 3 StR 294/19, BGHSt 64, 234 Rn. 31 f., 34 f.). Hier war es der von der Bande unter Einbeziehung der Angeklagten von vornherein geplante Weg, sie, A. und die Familie durch sämtliche Einzahlungen und Überweisungen auf das Girokonto an den Taterträgen partizipieren zu lassen.
9bb) Die Härtefallregelung des § 73c StGB aF ist nach dem nicht mehr anwendbar (vgl. auch § 459g Abs. 5 Satz 1 StPO); das Landgericht hat seinen Rechtsirrtum offengelegt (UA S. 17).
10cc) Der Zufluss und die tatsächliche Verfügungsbefugnis der Angeklagten über die Gelder in Höhe von 14.986,17 € werden von der Beweiswürdigung getragen, und zwar durch das Geständnis der Angeklagten sowie durch die Auswertung ihres Girokontos durch die Kriminalbeamtin K. .
11dd) Auf der Grundlage dieser Feststellungen kann der Senat selbst entscheiden (§ 354 Abs. 1 StPO entsprechend; vgl. Rn. 18). Bereits mit der Anklage ist die Angeklagte auf die Möglichkeit der Einziehung des Wertes dieser Erlöse präzise hingewiesen worden. Sie haftet mit A. gesamtschuldnerisch; dessen namentliche Erwähnung in der Entscheidungsformel bedarf es nicht (st. Rspr.; Rn. 141 mN).
12b) Eine erweiterte Einziehung des Wertes von nicht aus den verfahrensgegenständlichen Taten erzielten Erlösen in Höhe von weiteren 53.964,77 € (§ 73a Abs. 1, § 73c Satz 1 StGB) ist hingegen ausgeschlossen. Denn eine solche Abschöpfung setzt voraus, dass diese Geldmittel bei der Begehung der Anknüpfungstaten (von Mai 2019 bis März 2020) im Vermögen der Angeklagten noch "gegenständlich vorhanden" waren (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 5 StR 327/21 Rn. 3; vom – 3 StR 294/21 Rn. 5; vom – 3 StR 158/21 Rn. 13-15; vom – 5 StR 238/21 Rn. 4; vom – 5 StR 447/20 Rn. 8-10 und vom – 6 StR 258/20 Rn. 7; je mwN; Urteil vom – 1 StR 675/18 Rn. 15). Gegenstände im Sinne des § 73a Abs. 1 StGB sind individualisierte Sachen und Rechte (, BGHR StGB § 73 Abs. 1 Anwendungsbereich 1 Rn. 10; Urteil vom – 3 StR 518/19 Rn. 155). Dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe ist jedenfalls der zeitnahe Verbrauch der jeweils vereinnahmten Drogengelder für den Lebensunterhalt der Familie der Angeklagten zu entnehmen; damit ist ausgeschlossen, dass solche Kaufpreiserlöse noch als Buchgeld in Kontokorrentabschlüssen ab Ende Mai 2019 identifizierbar und damit abschöpfbar waren (vgl. auch – offensichtlich bezüglich der Einzahlung auf "Privatkonten" von einem engeren Gegenstandsbegriff ausgehend: Rn. 4, 11; dazu auch Rn. 15). Tragfähige Feststellungen dazu, dass die Angeklagte, die auch Eltern- und Mutterschaftsgeld bezog, Ende Mai 2019 über Gelder aus vorangegangenen Drogengeschäften verfügte, sind von einem neuen Rechtsgang demnach nicht zu erwarten.
133. Nachdem in erster Instanz nicht nach § 421 Abs. 1 Nr. 3 StPO verfahren worden war, ist nunmehr eine Kostenentscheidung nach Bruchteilen bezüglich der Revisionsinstanz (§ 473 Abs. 4 Satz 1, 2 StPO) unumgänglich (vgl. Rn. 6-8). Im Übrigen bleibt es bei der Kostenentscheidung des Landgerichts. Da in Höhe von 53.964,77 € das Absehen von einer Einziehung – wenn auch mit anderer Begründung – Bestand hat, ist der Senat nicht zu einer Kostenverteilung der besonderen Auslagen der Angeklagten in der ersten Instanz, die die Einziehung betreffen, berufen (vgl. § 464 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1 StPO und BGH, aaO Rn. 11 mN).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2021:161221B1STR312.21.0
Fundstelle(n):
EAAAJ-23266