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Online-Nachricht - Donnerstag, 29.10.2009

Rentenversicherungsrecht | Keine Witwenrente bei Versorgungsehe (LSG)

Hat eine Ehe nicht mindestens ein Jahr gedauert, wird eine Versorgungsehe gesetzlich vermutet. Kann dies nicht widerlegt werden, besteht kein Anspruch auf Witwenrente ().


Sachverhalt: Der jetzt 48-jähriger Mann aus Marburg lernte seine Ehefrau im März 1998 kennen. Ende 1998 zog er zu ihr und ihrem Sohn. Im Februar 2000 wurden bei der Frau Hautkrebs festgestellt, ein bösartiger Tumor am Kopf entfernt und im Juni 2002 Metastasen diagnostiziert. Bereits einen Monat danach fand die Hochzeit statt. Die begonnene Adoption des Sohnes der Ehefrau durch den Kläger scheiterte kurz darauf. Im August 2002 verließ die Ehefrau den gemeinsamen Haushalt, zog zu ihrer Mutter und verstarb im November 2002. Den vom Kläger gestellten Antrag auf Hinterbliebenenrente lehnte die Rentenversicherung ab. Die gesetzliche Vermutung einer Versorgungsehe sei nicht widerlegt worden. Der Kläger hingegen gab an, dass die Eheschließung schon seit Jahren beabsichtigt gewesen und durch die schwere Erkrankung seiner Ehefrau nur beschleunigt worden sei. Es sei ihnen vor allem darum gegangen, den Sohn gut aufgehoben zu wissen.
Hierzu führte das Gericht weiter aus: Mit der gesetzlichen Vermutung einer Versorgungsehe legt der Gesetzgeber eine typisierende Betrachtung zugrunde. Hierdurch soll eine umfassende Motivforschung mit aufwändigen Ermittlungen im Bereich der privaten Lebensführung und der allerpersönlichsten Intimsphäre vermieden werden. Die Vermutung kann zwar widerlegt werden, wobei alle zur Eheschließung führenden Motive der Ehegatten zu berücksichtigen sind. Lässt sich allerdings nicht mehr sicher feststellen, dass andere als Versorgungsgründe für die Heirat prägend gewesen sind, geht dies zu Lasten des Rentenantragstellers. Für eine Versorgungsehe spricht im konkreten Fall insbesondere die schwere Krebserkrankung. Die Eheleute haben nämlich im Zeitpunkt der Heirat gewusst, dass der baldige Tod der Ehefrau wahrscheinlich ist. Die nur begonnene, von den Eheleuten letztlich aber nicht ernsthaft weiterverfolgte Adoption schließt die finanzielle Versorgung als überwiegendes Heiratsmotiv nicht aus. Da der Kläger lediglich über Arbeitslosengeld als Einkommen verfügt, sind auch seine finanziellen Verhältnisse kein Gesichtspunkt, der die gesetzlich vermutete Versorgungsabsicht entkräften kann.
Quelle: LSG Hessen, Pressemitteilung v.

Anmerkung:  Die seit 2002 geltende Regelung zur sog. Versorgungsehe (§ 46 Abs. 2a SGB VI) ist nach Auffassung der Rechtsprechung verfassungsgemäß. Bei der Auslegung der Vorschrift ist die Rechtsprechung des BSG zu Parallelregelungen in anderen Rechtsgebieten heranzuziehen. Danach kommt es auf alle Motive der Ehepartner zur Eheschließung an, insbesondere, ob das Vorstellungsbild der Eheleute zum Zeitpunkt der Heirat von der Erkrankung des Versicherten geprägt war oder ob andere Motive als die finanzielle Versorgung im Vordergrund standen. Hierbei sind auch (höchst-)persönliche, subjektive Motive zu berücksichtigen (vgl. hierzu NWB HAAAD-27275).
 


 

Fundstelle(n):
TAAAF-13498