Die Wissensbilanz – ein zusätzliches „Argument” im Kreditgespräch
Immaterielles Kapital bewerten und sinnvoll einsetzen
Ihre Mandanten sind in Zeiten von Finanzkrise, Kapitalengpässen und strengen Auflagen von Basel II mehr denn je gefordert, Potenziale aufzudecken, mit denen sie ihre Kapitalausstattung verbessern können. Gerade KMU können häufig die Anforderungen der Banken an eine Kreditvergabe bzw. an gute Kreditkonditionen nicht erfüllen. Doch gerade in diesen Unternehmen schlummert enorm viel Know-how und Erfahrung – sog. intellektuelles Kapital –, das jedoch bislang in keiner Bilanz bzw. Ratingbewertung auftaucht. Die Wissensbilanz versucht, dies zu ändern. Dieses Instrument gibt Ihren Mandanten nicht nur ein zusätzliches Argument gegenüber den Banken, sondern unterstützt sie auch bei ihrer internen Unternehmenssteuerung. Der fol-gende Beitrag erläutert, was die Wissensbilanz kann, wer sie überhaupt anwenden sollte und welche kosten-lose Software die Erstellung unterstützt. Darüber hinaus zeigt er Beratern Perspektiven auf, wie Kernkompetenzen und Beratungsschwerpunkte um Randthemen erweitert werden können, die nicht direkt im Fokus des Beratungsalltags stehen, aber ein hohes Maß an Mehrwert für alle Beteiligten generieren können.
I. Wissensbilanz im Überblick
1. Ein Ausweg aus der Kreditklemme
Umsatz, Gewinn, Rentabilität und Wachstum waren in der Vergangenheit maßgeblich die Indikatoren für den Erfolg oder Misserfolg eines Unternehmens. Auf der Basis solcher „harten” betriebswirtschaftlichen Fakten trafen und treffen Banken vorrangig Entscheidungen im Rahmen von Kreditvergabeanträgen.
Benötigen kleine oder mittelständische Betriebe für kurzfristige Überbrückungen oder langfristige Investitionen Kapital, scheitern sie mit ihren Kreditanträgen jedoch oft an ihren finanziellen Ergebnissen, da diese nicht die Anforderungen der Banken erfüllen.
Es stellt sich also die Frage, an welcher Stelle Unternehmen Erfolgsfaktoren aufweisen können, mit denen sie in der Lage sind, ergebnisorientierte Schieflagen zu kompensieren.
Während quantitative Größen wie Gewinn, EVA und Cashflow als Grundlage für Entscheidungen dienen und den Unternehmen finanzielle Unabhängigkeit und Gestaltungsspielraum schaffen können, werden immaterielle Werte hingegen selten konsequent dokumentiert und analysiert. Ihre Bedeutung sowie die tragende Funktion für das Unternehmen werden häufig unterschätzt. Intellektuelles Kapital in Form von Wissen, Erfahrung, Motivation, Sozialkompetenz und Loyalität sind aber das Fundament für den Erfolg und die in Zukunft gerichteten Entwicklungspotenziale. Dies gilt für alle Unternehmensbereiche und Hierarchieebenen.
Sehr oft erkennt man in Gesprächen mit Unternehmenslenkern, dass sie sich über die Bedeutung und die kompensierenden Kräfte des intellektuellen Kapitals nicht bewusst sind. Dabei sind in der Praxis meistens diejenigen Unternehmen überdurchschnittlich erfolgreich, die diese Kräfte konsequent weiterentwickeln. Insbesondere KMU sind i. d. R. nicht in der Lage, diese Aktivposten im Detail zu benennen. Gerade sie aber sind es, die bei schlechten Ergebnissen und Kapitalbedarf diese Vermögenswerte in Kreditverhandlungen einfließen lassen sollten. Hier können die Inhalte einer Wissensbilanz eine aktive Rolle übernehmen und Kreditentscheider und potenzielle Kapitalgeber davon überzeugen, dass notwendige Gelder mittel- und langfristig gut angelegt sind sowie durchaus positive Perspektiven bestehen.
2. Interne Steuerungshilfe
Neben der aktiven Rolle der Wissensbilanz, die aus der Kreditklemme helfen kann, bietet eine solche Bestandsaufnahme der „weichen Faktoren” auch die Möglichkeit, sich einen Überblick über Stärken und Defizite zu verschaffen, Ressourcen und Wissen weiterzuentwickeln und zukunftsorientiert zu steuern. Parallel zur Offenlegung für Außenstehende ist die Wissensbilanz daher eine sehr gute Grundlage für interne Steuerungsprozesse und Managemententscheidungen. Sehr oft konzentriert sich dieses Detailwissen in KMU auf den Unternehmer oder einige wenige Mitarbeiter im Unternehmen. Kommt es aber zu einem Wechsel in der Führung oder zum Ausfall, so sind diese überlebenswichtigen Kenntnisse meistens nicht dokumentiert und verfügbar. [i]Notfallkoffer: Vorkehrungen für den Ernstfall (Checkliste) NWB HAAAD-40387 S. 183
Dies führt in der Praxis zu Störungen der betrieblichen Abläufe und kann im Extremfall eine Organisation in die existenzielle Krise führen.
Sprechen Sie Ihre Mandanten auf das Thema „intellektuelles Kapital” an und schildern Sie ihnen den langfristig angelegten Zusatznutzen – sowohl in der aktiven Rolle bei Kreditgesprächen als auch in der Rolle der internen strategieorientierten Entscheidungsgrundlage. Unterstützen Sie sie bei der Erstellung und weisen Sie auf die Dringlichkeit einer rollierenden Anpassung und Weiterentwicklung hin.
II. Worin liegt der Nutzen der Wissensbilanz?
Den Nutzen einer Maßnahme misst man i. d. R. an kurzfristig eintretenden und messbaren finanziellen Erfolgen. Kein Unternehmen betreibt Aufwand, investiert Zeit und verursacht Kosten, wenn der Nutzen nicht unmittelbar eintritt, transparent ist und Ergebnisse danach nicht zu wesentlichen Verbesserungen führen – sprich, wenn der ROI nicht gegeben ist. [i]Kennzahlenrechner zur Liquiditätssteuerung (MS-Excel) NWB NAAAD-89991
Damit ein Nutzen als solcher gesehen und auch anerkannt wird, muss eine Maßnahme als erfolgswirksamer Faktor identifiziert, quantifizierbar und messbar sein, wie z. B. bei einer geplanten Investition.
Bei Projekten wie z. B. der Erstellung einer Balanced Scorecard oder einer Wissensbilanz ist der Nutzen allerdings nur schwer quantifizierbar und hängt häufig von der subjektiven Betrachtung des Beobachters ab.
Bei der Erstellung der Wissensbilanz und deren kontinuierlichen Weiterentwicklung wird der Nutzen erst im Laufe der Zeit generiert und sichtbar und führt erst in späteren Phasen zu monetären Erfolgen.
1. Identifikation von Entwicklungspotenzialen
Unternehmer und Entscheider erhalten in dokumentierter Form die Grundlage, Ursachen für Schwächen, aber auch für Stärken oder Potenziale zu erkennen, die es zu analysieren gilt und die den Anspruch auf Weiterentwicklung erheben. Im Wesentlichen sind dies Stärken und Schwächen, die erfolgskritisch Einfluss nehmen und aufzeigen, wie diese und die Zusammenhänge den Unternehmenserfolg positiv oder negativ beeinflussen.
2. Ergebnisverbesserungen
Mittel- und langfristig führt die Wissensbilanz zu Produktivitätssteigerungen, Wachstum und zur Absicherung langfristig ausgerichteter Strategien.
Zur Strategieberatung steht Ihnen in der NWB Datenbank das umfangreiche Programmpaket „Strategiewerkzeugkasten für kleine Unternehmen” unter NWB FAAAD-95930 zur Verfügung. Die Fachbeiträge, Berechnungsprogramme und Checklisten ermöglichen Ihnen, schnell den Jahresabschluss des Unternehmens zu analysieren, mit überschaubarem Aufwand schrittweise eine Unternehmensstrategie zu entwickeln und darauf aufbauend Folgeaufträge abzuleiten.
3. Interne Steuerung und externe Positionierung
Neben dem Einsatz für die interne, operative und strategische Planung sowie die Steuerung der Organisation können und sollten die Inhalte der Wissensbilanz auch dafür eingesetzt werden, die Kommunikation mit dem Geschäftsumfeld zu intensivieren und zu optimieren.
Wo i. d. R. börsennotierte Unternehmen in der Pflicht sind, den Markt detailliert über ihre Ergebnisse zu informieren, gehen auch mehr und mehr KMU dazu über, ihrem Umfeld und externen Interessenten wie Kunden, Lieferanten und Kapitalgebern in regelmäßigen Abständen qualitativ entscheidungsrelevante Informationen zur Verfügung zu stellen. Diese geben neben den harten Fakten Aufschluss darüber, welches Entwicklungs- und Innovationspotenzial im Unternehmen steckt. Diese Transparenz hat sowohl innerhalb des Unternehmens als auch in der Außenwirkung Vorteile:
Innerhalb des Unternehmens werden somit schneller Handlungsbedarf und Potenziale erkannt.
Außerhalb des Unternehmens schafft Transparenz die Basis für Vertrauen und eine verbesserte Zusammenarbeit mit Geschäftspartnern. Diese können dann neben den finanzwirtschaftlichen Fakten auch die immateriellen Werte in die Beurteilung einbeziehen. Dies stärkt die Verhandlungsposition von Unternehmen in Gesprächen mit Banken, Lieferanten und auch Kunden.
III. Wie kann ich den angestrebten Nutzen absichern?
Bereits in der Projektvorbereitung sollten sich die Initiatoren darüber im Klaren sein, welche methodische Vorgehensweise zielführend ist und mit welchem Aufwand – auch für die Zukunft – die Erstellung einer Wissensbilanz verbunden ist. Welche immateriellen Faktoren im Verlauf des Projekts erfasst werden, hängt davon ab, wie komplex das Unternehmen ist und natürlich was die Entscheider wünschen.
Neben der Erfassung und der Dokumentation der Zusammenhänge entscheidet insbesondere die systematische Bewertung der Einflussfaktoren über die Qualität und den Langzeitnutzen der Wissensbilanz.
Entscheidend ist letztendlich die Frage, welchen Stellenwert ein Produktionsfaktor in Anlehnung an die Unternehmensziele einnimmt:
Wie kritisch ist der Ausfall?
Wie schwierig ist die Neubeschaffung oder die Weiterentwicklung?
Welche Veränderungen sind im Zeitablauf abzusehen?S. 184
Welche Maßnahmen müssen zu welchem Zeitpunkt eingeleitet werden, damit Wissenslücken geschlossen und Strukturen und Abläufe optimiert werden können?
Am Anfang steht die lückenlose Erfassung der Ist-Situation. Diese schafft Transparenz und zeigt Entwicklungs- und Handlungsbedarf auf. Abgeleitet werden in Projekten auf Bereichsebene Maßnahmen, die hinsichtlich ihrer Wirksamkeit und des positiven Veränderungspotenzials überprüft und ggf. angepasst werden müssen.
Hieraus ergibt sich die Notwendigkeit, systematisch Dinge zu hinterfragen und Maßnahmen zu übernehmen, die sich an geänderten Rahmenbedingungen der Märkte, Kunden und Lieferanten orientieren.
Führen Sie Ihren Mandanten deutlich vor Augen, dass die Erfassung einer Wissensbilanz alleine kein Garant für Ergebnisverbesserungen ist. Dieser gedankliche Ansatz endet in „wasted money” und landet als Projektdokumentation in der Schublade. Die Wissensbilanz muss kontinuierlich gepflegt, angepasst und gelebt werden. Erst dann wird sie dem Anspruch gerecht, ein Instrument der strategischen Unternehmensentwicklung und -steuerung zu sein, damit das intellektuelle Kapital im Sinne einer langfristig angelegten Wachstumsstrategie genutzt werden kann.
IV. Für welche Mandanten kommt eine Wissensbilanz infrage?
Wie bereits erwähnt, kann eine Wissensbilanz insbesondere für KMU, die wirtschaftlich etwas schlechter aufgestellt sind, sowhl für interne als auch externe Zwecke Vorteile haben:
Intern: Sie kann als effizientes Steuerungsinstrument eingesetzt werden.
Extern: Die Wissensbilanz macht auf Vermögenswerte aufmerksam, schafft Transparenz und kann so den Grad der Kreditwürdigkeit erhöhen.
Da die Erstellung und die weitere Pflege der Wissensbilanz je nach Größe und Komplexität des Unternehmens sehr zeit- und kostenintensiv sein kann, sollte sie als Instrument in Betrieben eingesetzt werden, in denen Know-how, Erfahrungswerte und Detailkenntnisse für die Entwicklung von Produkten und Dienstleistungen systematisch genutzt und weiterentwickelt werden müssen. Damit der aus der Anfertigung einer Wissensbilanz resultierende Nutzen im gesunden Verhältnis zu den anfallenden Projektkosten steht, muss sich jede Organisation vorab folgende Fragen stellen:
Ist die Einführung einer Wissensbilanz sinnvoll?
Erfüllt unsere Firmen- und Kommunikationskultur alle Anforderungen, die eine uneingeschränkte und offene Diskussion über Stärken und Schwächen zulässt?
Besitzen wir eine Dokumentation über unsere Firmenvision und -strategie?
Haben wir genügend Ressourcen in den unterschiedlichen Funktionsbereichen, die wir während des Projekts einbinden können?
Steht die Firmenleitung hinter der Notwendigkeit, Manpower und Zeit in die Erstellung einer Wissensbilanz zu investieren?
Ist für die Bereitstellung unserer Produkte und Dienstleistungen ein breit angelegtes und detailliertes Wissen erforderlich?
Können wir bereits jetzt feststellen, dass zukunftsorientierte Sachverhalte von der Belegschaft angesprochen und diskutiert werden?
Haben wir in der Vergangenheit Erfahrungen mit ähnlich gelagerten Projekten gesammelt (Zertifizierungen, Change Management-Projekt)?
Je mehr dieser Fragen mit „ja” beantwortet werden können, desto effizienter und nutzbringender wird der Projektverlauf und das Ergebnis sein.
Stellen Sie als Berater sicher, dass der Unternehmer voll und ganz vom Nutzen einer Wissensbilanz überzeugt ist und hinter dem Projekt steht. Sollten Sie das Gefühl haben, dass er das Projekt nur als notwendiges Übel oder als „nice to have” ansieht, sollten Sie ihm davon abraten oder verdeutlichen, dass der Erfolg im Rahmen eines solchen Projekts nur erzielt wird, wenn er die Bedeutung und den Nutzen erkennt.
V. Projektvorbereitung und Organisation
1. Projektleitung
Maßgeblich für den Erfolg des Projekts „Erstellung einer Wissensbilanz” ist die Wahl des Projektleiters:
Er sollte Projektleitungserfahrung haben und über die entsprechende Akzeptanz bei der Geschäftsführung und in der Belegschaft verfügen.
Er muss den Sinn des Projekts verstehen und auch über die Expertise der methodischen Vorgehensweise verfügen.
Seine Aufgabe wird es sein, im Projektverlauf zu koordinieren, aber auch zu moderieren, sofern kein externer Berater hinzugezogen wird. Aus diesem Grunde muss er ein sehr guter Kommunikator sein, der die Teammitglieder in das Projekt einführen und durch das Projekt leiten kann.
Bei der Wahl des Projektleiters sollte Ihr Mandant nicht die erstbeste Entscheidung treffen. Nicht der Aspekt der Verfügbarkeit sollte entscheidend sein, sondern die Antwort auf die Frage: Wer kann dieses Projekt erfolgreich führen und zum gewünschten Abschluss bringen? Kosten und Nutzen stehen hier im Vordergrund, nicht die schnellste und einfachste Lösung. S. 185
2. Umfang der Wissensbilanz
Zunächst muss entschieden und dokumentiert werden, welche Bereiche des Unternehmens bei der Erstellung der Wissensbilanz berücksichtigt werden sollen:
Soll die ganze Organisation mit allen Funktionsbereichen einbezogen werden?
Beschränkt man sich auf die Hauptzentrale oder schließt man Niederlassungen mit ein?
Werden bestimmte Abteilungen im ersten Schritt nicht mit einbezogen?
Der Umfang dieser Bestandsaufnahme hat entscheidenden Einfluss auf die Dauer des Projekts, die zeitliche Beanspruchung der Projektteilnehmer und die Kosten.
Richten Sie die Komplexität der Wissensbilanzerstellung an der Sinnhaftigkeit und dem Machbaren und nicht an Wunschvorstellungen aus. Da die Erstellung einer Wissensbilanz keine einmalige Bestandsaufnahme ist, sondern in Folgeschritten weiterentwickelt werden sollte, kann man im ersten Schritt die wichtigsten Organisationseinheiten untersuchen, um dann in weiteren Schritten andere Einheiten ergänzend aufzunehmen.
3. Projektteam
Ein kritischer Erfolgsfaktor für die Erstellung der Wissensbilanz ist die Zusammensetzung des Teams. Je nach Umfang der zu untersuchenden Bereiche setzt sich das Team aus einer Vielzahl von Vertretern der einzelnen Bereiche und Leitungsebenen zusammen. Eine typische Konstellation kann z. B. wie folgt aussehen: Geschäftsleitung, Vertrieb, Produktion, Marketing, Controlling, Personalwesen, Betriebsrat.
Aufgabe des Teams ist es, als Stellvertreter des Unternehmens alle Bereiche lückenlos zu beleuchten. Von daher sollte darauf geachtet werden, dass ein ausgewogener Mix aus Führungskräften und Mitarbeitern besteht. Die Kenntnis über das operative Tagesgeschäft und deren Abläufe im Detail sind der wichtigste Erfolgsgarant. Damit wird gewährleistet, dass alle relevanten Abläufe und Sachverhalte in die Diskussionen und Entscheidungsprozesse mit einfließen.
Weisen Sie Ihre Mandanten darauf hin, dass das Team die Organisation repräsentieren muss. Es sollten Mitglieder im Team sein, die vom Rest der Belegschaft geschätzt werden und deren Vorschläge und Entscheidungen von der Belegschaft mitgetragen werden. Ferner muss darauf geachtet werden, dass Meinungsführer nicht die Oberhand bekommen. Es wird immer widerstreitende Interessen geben, die im Sinne des ganzheitlichen Ansatzes des Projekts vom Projektleiter ausgewogen gemanaged werden müssen. Konsequente Projektleitung ist gefordert, damit das Projekt zeitlich nicht aus dem Ruder läuft und man sich inhaltlich nicht verrennt.
4. Die Bedeutung der professionellen Kommunikation
Viele Projekte scheitern sehr häufig, weil oftmals unterschätzt wird, welchen Stellenwert eine professionelle Kommunikation hat. Von daher sollte die gesamte Belegschaft z. B. im Rahmen einer Betriebsversammlung vor Projektstart über Inhalte und Ziele offen informiert werden. Die gesamte Organisation muss motiviert und vom langfristigen Erfolg und Nutzen des Projekts überzeugt werden.
Da derartige Projekte der Belegschaft Veränderung signalisieren und damit Ängste vor einem möglichen Arbeitsplatzverlust verursachen, sollte das Unternehmen in der Kommunikation eindeutig herausstellen, dass es nicht darum geht, Einsparpotenziale für Entlassungen zu entdecken, sondern vielmehr darum, Stärken zu entdecken und auszubauen sowie Schwächen zu mindern. Ziel ist die zukunftsorientierte Stärkung des Unternehmens im Interesse aller Mitarbeiter, damit mittel- und langfristig der Bestand des Unternehmens gesichert ist.
Darüber hinaus sollte die Organisation in regelmäßigen Abständen über den Projektverlauf und die Ergebnisse informiert werden. Auch der Austausch mit dem Betriebsrat, falls vorhanden, ist immer anzuraten – Überzeugen statt Überrennen ist hier die Devise. Skeptische, demotivierte Mitarbeiter und solche Mitarbeiter, die Entscheidungen nicht mittragen und in der Praxis nicht leben bzw. umsetzen, sind die größte Erfolgsbremse.
5. Methodische Vorgehensweise
Ähnlich wie bei der Erstellung einer Balanced Scorecard ist auch die Bilanzierung des intellektuellen Kapitals ein Lern- und Entwicklungsprozess: Die involvierten Teammitglieder nehmen Schritt für Schritt eine komplexe Bestandsaufnahme aller Sachverhalte und Prozesse vor und dokumentieren deren Zusammenhänge, Abhängigkeiten und Auswirkungen im Rahmen der Wertschöpfungskette. Ziel ist es, Strukturen und Abläufe dahingehend zu untersuchen, dass man identifiziert und festhält,
welches immaterielle Vermögen verfügbar ist,
wo Defizite bestehen und
welche Optimierungspotenziale gegeben sind, damit Produkte und Dienstleistungen wettbewerbsorientiert und strategisch ausgerichtet angeboten werden können.
Diese sehr detaillierte, meist durch grafische Dokumentation visualisierte Aufzeichnung und Auseinandersetzung resultiert erfahrungsgemäß in neuen Sichtweisen und Erkenntnissen, die in Gesprächen und unter Abwägung der Vor- und Nachteile zu neuen Lösungen sowie Adaptionen der Aufbau- und/oder Ablauforganisation führen.
Für das Projekt werden i. d. R. drei Workshops angesetzt, die jeweils einen Tag in Anspruch nehmen. Im Anschluss daran haben die Arbeitsgruppen einige Tage Zeit, sich Aufbereitungs- oder Vorbereitungsarbeiten in kleineren Arbeitsgruppen zu widmen, damit die Ergebnisse und Vorgaben bzw. Aufgaben mit anderen Kollegen gemeinsam überarbeitet und überdacht werden können. Im Rahmen dieser Workshops und S. 186den vor- und nachgelagerten Arbeitsgruppen werden alle notwendigen Informationen gesammelt, dokumentiert, analysiert, aufbereitet und die Ergebnisse letztendlich in der Wissensbilanz erfasst.
VI. Erstellung der Wissensbilanz
Die Bilanzierung des intellektuellen Kapitals erfolgt in acht Schritten, wobei drei ganztägige Workshops und die Zeit der Vor- und Nachbereitung eingerechnet werden müssen. Die veranschlagte Zeit beträgt ca. acht Wochen. Dies hängt aber im Wesentlichen davon ab, wie komplex die zu erfassenden organisatorischen Einheiten und wie verfügbar die benötigten Teammitglieder sind.
Für die Erstellung der Wissensbilanz empfiehlt sich der Einsatz der „Wissensbilanz Toolbox”, die im Internet unter www.akwissensbilanz.org/toolbox.htm kostenlos heruntergeladen werden kann. Der Arbeitskreis Wissensbilanz bietet auch hier zusätzliche Informationen und nützliche Hinweise zu diesem Thema.
Der Download und der Einsatz der Software ist sehr anwenderfreundlich und stabil. Der Anwender wird Schritt für Schritt durch die folgenden Punkte der Erfassung, Analyse und zielgerichteten Aufbereitung geführt:
Die Beschreibung des Geschäftsmodells,
Definition des Intellektuellen Kapitals
Bewertung des Intellektuellen Kapitals,
intellektuelles Kapital messen,
Erfassung der Wirkungszusammenhänge,
Auswertung und Interpretation der Analyseergebnisse,
Maßnahmen ableiten,
Zusammenstellung der Wissensbilanz und zielgruppengerechte Aufbereitung.
Die Wissensbilanz und das intellektuelle Kapital gliedern sich im Ergebnis in folgende Komponenten auf:
Humankapital (z. B. theoretisches Wissen, Qualifikation, emotionale Intelligenz),
Strukturkapital (z. B. Führungsverhalten, Kommunikationskultur, Produktionstechnik) und
Beziehungskapital (z. B. Kunden, Lieferanten, Banken).
Die Verknüpfung und vernetzte Darstellung der bereichsübergreifenden Zusammenhänge, die Möglichkeiten der Auswertungen, Maßnahmenplanungen und die zielgruppenorientierte Aufbereitung von Informationen (z. B. für Banken, Kunden, Lieferanten) bieten dem Anwender systemische Voraussetzungen, die Wissensbilanz aktiv als Management-Tool zu nutzen und für die strategisch ausgerichtete Steuerung seiner immateriellen Vermögenswerte einzusetzen.
Die Verfügbarkeit einer Wissensbilanz alleine ist sicherlich kein ausreichendes Mittel für Unternehmen, finanziell schlechte Ergebnisse im Rahmen von Kreditantragsverhandlungen gänzlich ausgleichen zu können. Aber dennoch ist sie in Zeiten der Kapitalknappheit, der allgemeinen Verunsicherung, die noch lange Zeit anhalten wird, sowie der restriktiven Haltung von Kapitalgebern bei Kreditvergabeentscheidungen eine zusätzliche Chance, auf das in seltenen Fällen dokumentierte und transparent gestaltete Intellektuelle Kapital aufmerksam zu machen. Damit stärken Ihre Mandanten die eigene Position im Kreditgespräch.
Nur wenige Unternehmen und insbesondere KMU sind sich dieser zusätzlichen Chance bewusst. Dabei liegt es auf der Hand, dass der Erfolg von Unternehmen wesentlich von vorhandenem Wissen, innovationsfreudigen Unternehmenskulturen, der Motivation und dem Grad der Identifizierung der Mitarbeiter mit dem Unternehmen abhängt und diese Schlüsselerfolgsfaktoren kontinuierlich erfasst, analysiert und im Sinne einer langfristig ausgerichteten Strategie angepasst werden müssen.
Darüber hinaus bietet das in einer Wissensbilanz dokumentierte „Wissen um das Wissen” eine sehr gute Ausgangssituation für die operative Steuerung von Entwicklungspotenzialen.
In der Umsetzung allerdings ist entscheidend, dass die Geschäftsleitung die Notwendigkeit und den zusätzlichen Nutzen erkennt, voll hinter dem Projekt steht und die Wissensbilanz nicht als statische Momentaufnahme, sondern als strategischen Wachstumstreiber weiterentwickelt und in die ganzheitliche Organisation integriert. Monetäre Erfolge sind sicherlich ein Muss für mittelfristigen Substanzerhalt und Substanzvermehrung. Intellektuelles Kapital aber ist die zwingend erforderliche Basis für langfristig angelegten Erfolg, die Schaffung von Wettbewerbsvorteilen und die Sicherstellung der Wettbewerbsfähigkeit.
Fundstelle(n):
NWB-BB 6/2012 Seite 182
PAAAE-10024