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NWB-EV Nr. 6 vom

Die Reinvestition

Aktuelle Fragen und Antworten

Annette Höne *

Erfolgen in Fällen einer Steuerbegünstigung nach § 13a ErbStG i. V. mit § 13b ErbStG innerhalb der Behaltensfristen sog. schädliche Verfügungen, ist grds. insoweit eine (ggf. zeitanteilige) Nachversteuerung durchzuführen, § 13a Abs. 5 Satz 1 ErbStG. In Fällen des § 13a Abs. 5 Satz 1 Nr. 1, 2 und 4 ErbStG ist jedoch gem. § 13a Abs. 5 Satz 3 und 4 ErbStG von einer Nachversteuerung abzusehen, wenn der Veräußerungserlös innerhalb der nach § 13b Abs. 1 ErbStG begünstigten Vermögensart verbleibt. Hiervon ist auszugehen, wenn der Veräußerungserlös innerhalb von sechs Monaten in entsprechendes Vermögen investiert wird, das nicht zum Verwaltungsvermögen i. S. des § 13b Abs. 2 ErbStG gehört. Diese Investitionen, die eine „Heilung” einer grds. schädlichen Verfügung bewirken, werden als Reinvestitionen bezeichnet, s. hierzu auch bereits BT-Drucks. 16/11107 vom . Der Begriff wurde sodann mit den gleichlautenden Erlassen der obersten Finanzbehörden der Länder zur Umsetzung des Gesetzes zur Reform des Erbschaftsteuer- und Bewertungsrechts vom zur Anwendung der geänderten Vorschriften des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (AEErbSt) erläutert und mit R E 13a.11 ErbStR 2011 noch klarer verfasst. In der Praxis auftretende Fragen zeigen jedoch, dass z. T. noch Unklarheiten in diesem Zusammenhang bestehen. Der nachfolgende Beitrag geht auf aktuelle Zweifelsfragen ein und bietet anhand zahlreicher Beispielsfälle Lösungshinweise.

I. Reinvestition i. S. des § 13a Abs. 5 Satz 3 und 4 ErbStG

Soweit ein Erwerber innerhalb der Behaltensfristen schädlich über steuerbegünstigtes Unternehmensvermögen verfügt, fallen gem. § 13a Abs. 5 Satz 1 ErbStG Steuerbefreiungen grds. (z. T.) weg. In Fällen des § 13a Abs. 5 Satz 1 Nr. 1, 2 und 4 ErbStG ist allerdings gem. § 13a Abs. 5 Satz 3 und 4 ErbStG von einer Nachversteuerung abzusehen, wenn der Veräußerungserlös innerhalb der nach § 13b Abs. 1 ErbStG begünstigten Vermögensart verbleibt. Hiervon ist gem. § 13a Abs. 5 Satz 3 und 4 ErbStG auszugehen, wenn der Veräußerungserlös innerhalb von sechs Monaten in entsprechendes Vermögen investiert wird, das nicht zum Verwaltungsvermögen i. S. des § 13b Abs. 2 ErbStG gehört.

1. Grundsatz

R E 13a.11 ErbStR 2011 führt hierzu aus, dass im Fall der Veräußerung von wesentlichen Betriebsgrundlagen oder von wesentlichen Wirtschaftsgütern von einer Nachversteuerung abzusehen ist, wenn der Veräußerungserlös innerhalb der jeweiligen, nach § 13b Abs. 1 Nr. 1 bis 3 ErbStG begünstigungsfähigen Vermögensart (land- und forstwirtschaftliches Vermögen, Betriebsvermögen oder Anteile an Kapitalgesellschaften) verbleibt (§ 13a Absatz 5 Satz 3 ErbStG); bei dem Vermögen darf es sich nicht um Verwaltungsvermögen i. S. des § 13b Absatz 2 ErbStG handeln. Dies gilt auch, wenn ein Teilbetrieb oder ein gesamter Betrieb veräußert wird. Hierunter fällt somit neben der Anschaffung von Anlagegütern, Betriebsteilen oder von neuen Betrieben, die das veräußerte Vermögen im Hinblick auf den ursprünglichen oder einen neuen Betriebszweck ersetzen, auch beispielsweise die Tilgung betrieblicher Schulden. Wie eingangs erwähnt, wird damit der Begriff „Reinvestition” noch klarer verfasst als bereits in Abschn. 35 AEErbSt und zwar durch den o. a. Klammerzusatz. Dieser soll nunmehr zweifelsfrei herausstellen, dass z. B. bei einer Veräußerung von Vermögen i. S. des § 13b Abs. 1 Nr. 2 ErbStG nur dann eine Nachversteuerung abgewendet werden kann, wenn der Veräußerungserlös für entsprechendes Vermögen i. S. des § 13b Abs. 1 Nr. 2 ErbStG verwendet wird. Hingegen könnte in diesem Fall z. B. der Erwerb von Anteilen an Kapitalgesellschaften i. S. des § 13b Abs. 1 Nr. 3 ErbStG keine Nachversteuerung verhindern.

Der Begriff „Verwendung innerhalb der Vermögensart” implementiert diesen Regelungsinhalt zwar bereits, trotzdem kam es bisher noch zu Missverständnissen, ob Investitionen ggf. innerhalb des insgesamt nach § 13a ErbStG begünstigten Vermögens variabel erfolgen können. Diese Annahme wurde u. a. darauf gestützt, dass die Steuerbefreiung nach § 13a ErbStG für einen „zusammengefassten Wert” gewährt wird, vgl. R E 13b.7 ErbStR – ob daher auch sozusagen in diesen „zusammengefassten Wert” investiert werden kann. Die zusammengefasste Bemessungsgrundlage stellt eine rechnerische Vereinfachung dar, diese ändert aber nichts an der Eigenständigkeit der jeweiligen Vermögensarten. Eine Reinvestition bedeutet, in das Vermögen zu investieren, aus dem zuvor Vermögen „entnommen” wurde. Insbesondere mit Blick auf die Vermögensart i. S. des § 13b Abs. 1 Nr. 1 ErbStG („Land- und Forstwirtschaft) wird die Notwendigkeit, dass ein Veräußerungserlös für diese Zwecke verwendet wird, auch daran deutlich, dass andernfalls (auch) eine Nachbewertung erforderlich würde, s. hierzu Kap. II.

Die Reinvestition muss lt. gesetzlicher Regelung, in R E 13a.11 Satz 4 ErbStR 2011 (z. T.) wiedergegeben, innerhalb von sechs Monaten nach der Veräußerung erfolgen. Nicht in R E 13a.11 Satz 4 ErbStR 2011 erwähnt wird, dass eine Reinvestition nur dann begünstigend ist, wenn diese nicht in Verwaltungsvermögen erfolgt. Dem Fehlen dieser Aussage ist jedoch keine weitere Bedeutung beizumessen, da bereits der Gesetzestext (s. o.) klarstellt, dass der Veräußerungserlös ausschließlich in Vermögen investiert werden darf, dass nicht zum Verwaltungsvermögen gehört.

2. Darüber hinaus gehende Auslegung

Des Weiteren liegt ungeachtet der Frist von sechs Monaten ebenfalls eine begünstigende Reinvestition vor, wenn damit Liquiditätsreserven, die nicht zum Verwaltungsvermögen gehören (> R E 13b.17 ErbStR 2011), erhöht werden. Dieses gibt nicht der Gesetzestext sondern ausschließlich R E 13a.11 ErbStR 2011 vor. Insoweit ist also festzustellen, dass die Verwaltungsregelung dem Erwerber von begünstigtem Vermögen i. S. des § 13b ErbStG großzügig Raum für unternehmerische Entscheidungen lässt, da sie den Begriff „Reinvestition” nicht auf ein kurzfristiges Agieren beschränkt, sondern die Möglichkeit längerfristiger Planungen – ohne schädliche Konsequenzen – ermöglicht. Veräußertes Vermögen muss somit nicht „auf die Schnelle” ersetzt werden, um eine Nachversteuerung abzuwenden.

Beachte:

Soweit der Veräußerungserlös entnommen wird, bleibt die Veräußerung in jedem Fall vergünstigungsschädlich. Die bestehenden Behaltensregelungen gelten fort.

II. Reinvestition i. S. des § 162 Abs. 3 und 4 BewG

Im Falle der Veräußerung eines ganzen Betriebs oder eines Anteils i. S. des § 158 Abs. 2 Satz 2 BewG innerhalb einer Frist von 15 Jahren erfolgt der Ansatz eines Liquidationswerts (Nachbewertungsvorbehalt). Der Ansatz des Liquidationswerts entfällt, wenn der gesamte Veräußerungserlös ausschließlich zum Erwerb eines anderen Betriebs der Land- und Forstwirtschaft oder eines Anteils i. S. des § 158 Abs. 2 Satz 2 BewG innerhalb von sechs Monaten verwendet wird, vgl. R B 162 ErbStR.

Die dem Grunde nach für einen Betrieb der Land- und Forstwirtschaft wesentlichen Wirtschaftsgüter Grund und Boden, Wirtschaftsgebäude, stehende Betriebsmittel und immaterielle Wirtschaftsgüter unterliegen nach § 162 Abs. 4 BewG ebenfalls dem einem Nachbewertungsvorbehalt. Werden wesentliche Wirtschaftsgüter innerhalb der Frist von 15 Jahren veräußert oder sind sie einem Betrieb der Land- und Forstwirtschaft nicht mehr dauernd zu dienen bestimmt (R B 158.1 Abs. 1 ErbStR 2011), erfolgt ebenfalls der Ansatz des Liquidationswerts. Der Ansatz des Liquidationswerts kommt nicht in Betracht, wenn der Veräußerungserlös innerhalb von sechs Monaten im betrieblichen Interesse verwendet wird. Eine Verwendung im betrieblichen Interesse liegt vor, wenn anstelle des veräußerten (wesentlichen) Wirtschaftsguts eine Reinvestition in die Wirtschaftsgüter Grund und Boden, Wirtschaftsgebäude, stehende Betriebsmittel (Abs. 4 Satz 4) oder immaterielle Wirtschaftsgüter erfolgt. Gleiches gilt für den Fall, dass ein wesentliches Wirtschaftsgut einem Betrieb der Land- und Forstwirtschaft nicht mehr dauernd zu dienen bestimmt ist. An die Stelle des Veräußerungserlöses tritt der gemeine Wert des einzelnen Wirtschaftsguts. Eine Verwendung im betrieblichen Interesse ist auch dann anzunehmen, wenn der Veräußerungserlös zur Tilgung betrieblicher Verbindlichkeiten i. S. des § 158 Abs. 5 BewG eingesetzt wird.

Hinweis

R B 162 ErbStR 2011 führt nicht ergänzend aus, dass auch die Erhöhung von Liquiditätsreserven eine Nachbewertung abwenden kann. Vielmehr wird noch ausführlicher erläutert, welche Vermögensgegenstände von einem Veräußerungserlös zu erwerben sind. Daher ist der Begriff der Reinvestition für Zwecke einer etwaigen Nachbewertung m. E. nicht auslegbar, also nicht auf die Erhöhung von Liquiditätsreserven ausdehnbar. Hinsichtlich des Nachbewertungsvorbehalt ist zu beachten, dass insoweit Behaltensfristen von 15 Jahren gelten, für eine etwaige Nachversteuerung i. S. des § 13a Abs. 5 Satz 1 ErbStG gelten die üblichen Behaltensfristen von 5 bzw. 7 Jahren.

III. Die Prüfungsreihenfolge

IV. Ergänzende Analyse

1. Allgemein

Ein Vorgang bleibt nur insoweit steuerunschädlich, wie der Erlös wieder dem Betrieb zugeführt wird. Dieses kann für den Unternehmensnachfolger einen „finanziellen Engpass” mit sich bringen. Deckt er durch den Verkauf stille Reserven auf, muss er den Bruttoerlös reinvestieren, so dass er hinsichtlich der auf den Gewinn zu zahlenden Ertragsteuern Liquiditätsprobleme bekommen könnte, s. auch Reich/Voß/Striegel in Tiedtke, ErbStG, 2009, § 13a Rn. 84.

2. Wie ist der Begriff „Liquiditätsreserve” hinsichtlich Art und Umfang zu verstehen?

Eine Liquiditätsreserve ist (z. B. lt. Wirtschaftslexikon) zur Sicherung des Gleichgewichts eines Unternehmens notwendig und umfasst z. B. Kassen, Bank- und Postscheckbestände, Wertpapiere, sonstige Teile des Umlaufvermögens. Eine Reserve in diesem Sinne kann auch der Deckung unerwarteter Zahlungsverpflichtungen dienen. Eine Überliquidität liegt hingegen bei einem Überschuss an liquiden Mitteln – über den Bedarf hinaus – vor.

a) Zur Art der Liquiditätsreserve

R E 13a.11 Satz 5 ErbStR 2011 stellt klar, dass die Erhöhung von Liquiditätsreserven nur dann begünstigend ist, wenn es sich dabei nicht um solche i. S. des R E 13b.17 ErbStR 2011 handelt. Wertpapiere und vergleichbare Forderungen sind der Art nach zweifelsohne Liquiditätsreserven, können aber nicht zur Vermeidung einer Nachversteuerung führen, da sie insoweit ausdrücklich ausgeschlossen werden.

b) Zur Höhe der Liquiditätsreserve

Eine Reinvestition ist sogar möglich, wenn ein Teilbetrieb oder ein gesamter Betrieb veräußert wird (s. Kap. I.1.). Unter Berücksichtigung dieser weiten Auslegung ist m. E. auch bei der Analyse der Erhöhung der Liquidität der in der Richtlinienregelung gewählte Begriff „Reserve” weit auszulegen. So halte ich keine dezidierte Prüfung für erforderlich, ob ein erzielter Veräußerungserlös tatsächlich der Höhe nach nur eine „Reserve” ist oder ob dessen Verbleib im Unternehmen zu einer Überliquidität führt. Gerade wenn umfangreiches Vermögen veräußert wird, sollte nicht zwingend erwartet werden, dass dieses Vermögen innerhalb von sechs Monaten ersetzt wird. Vielmehr können längerfristige Planungen erforderlich sein, um ggf. zu einem späteren Zeitpunkt einen adäquaten Erwerb abzuwickeln.

Soweit ein Veräußerungserlös

  • im Unternehmen bleibt, kann also eine Nachversteuerung unterbleiben,

Beachte:

Insoweit ist die Frage aufgekommen, ob sogar ein gesamter Betrieb veräußert werden und der Veräußerungserlös als Liquiditätsreserve dienen kann, die zur Steuerunschädlichkeit führt. Hierzu ist herauszustellen, dass zumindest noch ein unter § 13b Abs. 1 Nr. 1 – 3 ErbStG subsumierbares Vermögen verbleiben muss, um Liquiditätsreserven erhöhen zu können. Wird z. B. ein Einzelunternehmen veräußert, stellt der hierfür erzielte Veräußerungserlös kein Betriebsvermögen i. S. des § 13b Abs. 1 Nr. 2 ErbStG mehr dar. Daher kommt ausschließlich eine Reinvestition im originären Sinne in Betracht. Der Veräußerungserlös muss also innerhalb von sechs Monaten in Vermögen derselben Vermögensart, das kein Verwaltungsvermögen darstellt, investiert werden. Eine „Erhöhung der Liquiditätsreserven” ist in diesem Fall nicht möglich, da weder Betrieb noch eine entsprechende Liquidität (mehr) bestehen.

Hinweis:

Insoweit stellt sich ergänzend die Frage, wann eine Entnahme noch als Entnahme des Veräußerungserlöses anzusehen ist und somit diesbezüglich zur Nachversteuerung führt bzw. wann eine Entnahme statt dessen unter den Tatbestand des § 13a Abs. 5 Nr. 3 ErbStG zu subsumieren ist.
Siehe hierzu das nachfolgende Beispiel.

Beispiel:

A hat das Einzelunternehmen seines Vaters geerbt. Die Übertragung wurde nach § 13a ErbStG steuerbegünstigt. Nach einem Jahr veräußert A ein Betriebsgrundstück (wesentliche Betriebsgrundlage). Der Veräußerungserlös beträgt 2 Mio. €.

A entnimmt 1 Mio. €:

  1. nach drei Monaten

  2. nach drei Jahren

Hinweise zur Lösung:

  1. Soweit der Veräußerungserlös innerhalb der Vermögensart nach § 13b Abs. 1 Nr. 2 ErbStG verblieben ist, kann von einer Nachversteuerung abgesehen werden. Da jedoch die Hälfte des Erlöses entnommen wurde, führt dieses zur anteiligen Nachversteuerung, da die schädliche Verfügung i. S. des § 13a Abs. 5 Nr. 1 ErbStG insoweit nicht „geheilt” wurde.

  2. Zunächst wird vollständig eine Nachversteuerung vermieden, da der gesamte Veräußerungserlös dazu dient, die Liquiditätsreserven des Einzelunternehmens zu stärken.

    Anschließend könnte durchaus die Sichtweise vertreten werden, dass die Entnahme von einer Mio. € eine Entnahme des hälftigen Veräußerungserlöses darstellt. M. E. wird aber in der Praxis bei zeitlich derart verzögerten Entnahmen kein tatsächlicher Bezug mehr zu einer vorangegangenen „zunächst geheilten” schädlichen Verfügung erkennbar sein. Die Entnahme wird daher m. E. unter der Diktion des § 13a Abs. 5 Nr. 3 ErbStG (Überentnahme) zu prüfen sein. Eine Nachversteuerung wird danach ebenfalls generell sicher gestellt sein, da Entnahmen in entsprechender Höhe grds. die Grenzen des Begriffs „Überentnahmen” erreichen dürften.

> Welche zeitlichen Grenzen sind hier zu ziehen?
Mir scheint insoweit eine Orientierung an der zeitlichen Befristung einer „originären” Reinvestition sinnvoll. Wird der Veräußerungserlös innerhalb dieser sechs Monate entnommen, dann ist die zu beurteilende Veräußerung als nicht „geheilte” schädliche Verfügung anzusehen. Werden jedoch über einen Zeitraum von sechs Monaten hinaus die Liquiditätsreserven des Unternehmens gestärkt, dann ist eine anschließende Entnahme anhand der Kriterien des § 13a Abs. 5 Nr. 3 ErbStG zu beurteilen.

V. Auswirkungen auf die Mindestlohnsumme

Im Fall einer anzuerkennenden Reinvestition erstreckt sich die Ermittlung der Mindestlohnsumme dann auch auf das reinvestierte begünstigungsfähige Vermögen i. S. des § 13b Abs. 1 ErbStG, soweit dieses in die Ermittlung der Lohnsumme nach § 13a Abs. 4 ErbStG einzubeziehen ist, s. R E 13a.11 Satz 8 ErbStR.

VI. Weitere Praxisfragen – und Antworten

Nachfolgend finden Sie weitere Praxisfälle bzw. Fragen mit Lösungshinweisen. Diese stellen prägnant dar, welche Handlungen geeignet sind, eine Nachversteuerung zu verhindern und wann wiederum eine schädliche Verfügung nicht als „geheilt” anzusehen ist.

1. Wann muss der Wille zur Reinvestition vorliegen bzw. entstehen?

Hinweise zur Lösung:
M. E. ist dieses nicht auslegungsbedürftig. Entweder wird fristgerecht innerhalb der Sechsmonatsfrist investiert, oder es werden ggf. die Liquiditätsreserven gestärkt, wenn der Erlös in der entsprechenden Vermögensart verbleibt. Nur im Fall einer Entnahme verbleibt es bei einer Steuerschädlichkeit. Sollte aufgrund des Veräußerungsvorgangs bereits eine Nachversteuerung durchgeführt worden sein, wäre die „heilende” Reinvestition als rückwirkendes Ereignis zu werten und die Nachversteuerung rückgängig zu machen.

2. Welche Folgen hat der Erwerb von Verwaltungsvermögen?

Zweifelsfrei ist, dass die Verwendung eines Veräußerungserlöses innerhalb von sechs Monaten dann keine Nachversteuerung abwenden kann, wenn der Veräußerungserlös in Verwaltungsvermögen i. S. des § 13b Abs. 2 ErbStG investiert wird. Wird jedoch im Wege einer Erhöhung der Liquiditätsreserven reinvestiert, stellt sich die Frage, ob und ggf. wann eine solche Liquiditätsreserve begünstigungsunschädlich in Wertpapiere und vergleichbare Forderungen, R E 13b.17 ErbStR, umgewandelt bzw. ob und ggf. wann anderes Verwaltungsvermögen erworben werden kann.

Hinweise zur Lösung:
Wird eine Liquiditätsreserve innerhalb des „Sechsmonatszeitraums” für entsprechendes Verwaltungsvermögen i. S. des § 13b Abs. 2 Nr. 4 ErbStG verwendet, liegt eine Investition in schädliches Verwaltungsvermögen vor, daher greift § 13a Abs. 5 Satz 3 und 4 ErbStG, so dass es sich bereits nicht um eine begünstigende Reinvestition handelt.

Erfolgt eine „Umschichtung” der Liquiditätsreserve in Wertpapiere bzw. vergleichbare Forderungen bzw. der Erwerb von anderem Verwaltungsvermögen jedoch erst nach einer Frist von sechs Monaten, bestehen m. E. keine Bedenken, die zunächst als positiv zu wertende und anzuerkennende „Erhöhung der Liquiditätsreserven” als „heilend” und die spätere Verwendung für grds. nicht begünstigtes Vermögen auch als unschädlich anzusehen. Bei der Beantwortung dieser Frage sind aber oftmals erhebliche Unsicherheiten erkennbar. Z. T. besteht die Auffassung, eine Vorgehensweise in diesem Sinne könne Gestaltungsmissbrauch darstellen, wenn ein Erwerber von Unternehmensvermögen eine wesentliche Betriebsgrundlage veräußert, den Erlös zunächst – z. B. sieben Monate – im Betrieb belässt und dann Wertpapiere davon erwirbt. Diese Bedenken sind zwar durchaus nachvollziehbar, m. E. aber unbegründet. Es bleibt einerseits bei dem positiven Ergebnis, dass der zu beurteilende Veräußerungserlös über einen Zeitraum von mehr als sechs Monaten innerhalb der entsprechenden Vermögensart verblieben ist. Erfolgen erhebliche Entnahmen (ohne entsprechende Gewinne oder ohne spätere „Aufstockung” der Geldmittel), ist anschließend eine Nachversteuerung durch die Regelung in § 13a Abs. 5 Nr. 3 ErbStG sichergestellt.

Darüber hinaus halte ich eine Nachversteuerung aufgrund des späteren (nach mehr als sechs Monaten) Erwerbs von Verwaltungsvermögens nicht für erforderlich und weise insoweit darauf hin, dass z. B. nicht von einer schädlichen Verfügung auszugehen ist, wenn ein Erwerber von Unternehmensvermögen mit erheblichen Geldbeständen kurzfristig nach dem Übertragungsstichtag Wertpapiere erwirbt. Gem. R E 13b.8 Abs. 2 ErbStR 2011 sind für die Entscheidung, ob Verwaltungsvermögen vorliegt, die Verhältnisse im Besteuerungszeitpunkt maßgebend. Dabei ist ausschließlich auf die Verhältnisse beim Erblasser oder Schenker abzustellen. Veränderungen hinsichtlich der Quote des Verwaltungsvermögens, die nach dem Besteuerungszeitpunkt beim Erwerber eintreten, sind unbeachtlich. Dieses lässt die Behaltensregelungen unbeeinflusst.

Deutlich wird, dass grds. Vermögen in Verwaltungsvermögen ohne Auslösen einer Nachversteuerung „umgewandelt” werden kann. So sehe ich keine Gründe für eine Nachversteuerung, wenn im Fall der Reinvestition erhöhte Liquiditätsreserven nach Einhaltung einer Frist von sechs Monaten für gleiche Zwecke verwendet werden.

3. Kann der Erwerb von „Unterbeteiligungen” als positive Reinvestition anerkannt werden?

In Fällen des § 13a Abs. 5 Satz 1 Nr. 1, 2 und 4 ErbStG ist gem. § 13a Abs. 5 Satz 3 und 4 ErbStG von einer Nachversteuerung abzusehen, wenn der Veräußerungserlös innerhalb der nach § 13b Abs. 1 ErbStG begünstigten Vermögensart verbleibt. Hiervon ist gem. § 13a Abs. 5 Satz 3 und 4 ErbStG auszugehen, wenn der Veräußerungserlös innerhalb von sechs Monaten in entsprechendes Vermögen investiert wird, das nicht zum Verwaltungsvermögen i. S. des § 13b Abs. 2 ErbStG gehört.

Soweit „Unterbeteiligungen” also nicht als Verwaltungsvermögen zu qualifizieren sind (in Frage käme insoweit Verwaltungsvermögen i. S. des § 13b Abs. 2 Nr. 2 und 3 ErbStG), kann eine entsprechende Verwendung eines Veräußerungserlöses innerhalb von sechs Monaten als positive Reinvestition anerkannt werden. Hier ist zwingend zu differenzieren, ob die eigentliche Vermögensart unverändert bleibt und hierin investiert wird – oder ob der Veräußerungserlös für Vermögen einer anderen Art verwendet wird.

Beispiel:

G hält 100 % an der G-GmbH. Nach der Veräußerung einer wesentlichen Betriebsgrundlage wird der Erlös umgehend zum Erwerb einer Beteiligung (20 %) an der Z-KG verwendet. Die Z-KG besteht nur zu 30 % aus Verwaltungsvermögen.

Hinweise zur Lösung:
Der Veräußerungserlös verbleibt innerhalb der Vermögensart i. S. des § 13b Abs. 1 Nr. 3 ErbStG und zwar in Form der Beteiligung an der Z-KG (die kein Verwaltungsvermögen i. S. des § 13b Abs. 2 Nr. 3 ErbStG darstellt). Die Ermittlung der Mindestlohnsumme erstreckt sich entsprechend auch auf das reinvestierte begünstigungsfähige Vermögen, d. h. in diesem Fall, dass (bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen) die anteilige Lohnsumme der Z-KG mit einzubeziehen ist.

Abwandlung des Beispiels:

G hält 100 % an der G-GmbH. Nach der Veräußerung von 20 % dieser Anteile, wird der Erlös umgehend zum Erwerb einer Beteiligung (20 %) an der Z-KG verwendet. Die Z-KG besteht nur zu 30 % aus Verwaltungsvermögen.

Hinweise zur Lösung:
Veräußert wurde Vermögen i. S. des § 13b Abs. 1 Nr. 3 ErbStG, der Erlös allerdings in Vermögen i. S. des § 13b Abs. 1 Nr. 2 ErbStG investiert. Es handelt sich nicht um eine begünstigende Reinvestition. Es verbleibt daher bei der Steuerschädlichkeit aufgrund der Veräußerung der Anteile an der G-GmbH, § 13a Abs. 5 Nr. 4 ErbStG. Die Ermittlung der Mindestlohnsumme kann dementsprechend nicht auf die Beteiligung an der Z-KG ausgedehnt werden. Führt die schädliche Verfügung ohne anzuerkennende Reinvestition gleichzeitig dazu, dass die Mindestlohnsumme unterschritten wird, s. zur Nachversteuerung R E 13a.12 Abs. 3 ErbStR 2011.

4. Wie ist eine Veräußerung gegen Kreditgewährung zu beurteilen?

Sachverhalt: E erbt ein Einzelunternehmen und veräußert eine wesentliche Betriebsgrundlage. In Höhe des Veräußerungserlöses gewährt E dem Käufer der wesentlichen Betriebsgrundlage ein Darlehen.

Hinweise zur Lösung:
Es bestehen keine Bedenken, in dieser Vorgehensweise eine positive Reinvestition zu sehen. Das Darlehen erhöht die Liquiditätsreserven des Betriebs und stellt kein Verwaltungsvermögen i. S. des R E 13b.17 ErbStR 2011 dar.

Fazit

Es ist von erheblicher Bedeutung, ob im Fall einer grds. schädlichen Verfügung ein Handeln als begünstigende Reinvestition anzuerkennen ist, da andernfalls der Erhalt einer Steuerbefreiung verfehlt würde. Dies kann einerseits hinsichtlich der schädlichen Verfügung als solche gelten, hinzu kommt die mögliche Auswirkung auf das Erreichen der Mindestlohnsumme.

Die gesetzliche Regelung – in den Erbschaftsteuerrichtlinien wiederholt sowie ergänzend ausgelegt – führt m. E. im Ergebnis dazu, dass eine grds. schädliche Verfügung i. S. des § 13a Abs. 5 Satz 1 Nr. 1, 2 und 4 ErbStG dann (insoweit) zur Nachversteuerung führt,

  • wenn der Veräußerungserlös endgültig entnommen,

  • oder innerhalb von sechs Monaten für den Erwerb von Verwaltungsvermögen verwendet wird.

Eine Nachversteuerung unterbleibt wiederum, wenn

  • innerhalb von sechs Monaten in „positives (also produktives)” Vermögens investiert wird. Diese sechs Monate spielen insbesondere dann eine Rolle, wenn ein Veräußerungserlös bereits den Bereich des Betriebsvermögens verlassen hat und dann aber fristgerecht wieder dem Bereich Betriebsvermögen zugeführt wird. Dieses ist dann der Fall, wenn z. B. ein Einzelunternehmen vollständig veräußert wird (kein Betriebsvermögen mehr) und dann ein adäquates Einzelunternehmen (neues Betriebsvermögen) erworben wird.

  • oder Liquiditätsreserven erhöht werden (dieses setzt voraus, dass „noch” Unternehmensvermögen besteht).

Erfolgt aus einer zunächst gebildeten Liquiditätsreserve (dieses setzt – s.o. – voraus, dass „noch” Unternehmensvermögen besteht) nach Ablauf des Sechsmonatszeitraums der Erwerb von Verwaltungsvermögen, löst dieses (nicht) mehr eine Nachversteuerung aus.

Bei Vermögen i. S. des § 13b Abs. 1 Nr. 1 ErbStG ist ergänzend die Möglichkeit einer sog. Nachbewertung zu prüfen.

Autor

Annette Höne
(Fachreferat Erbschaft- und Schenkungsteuer) ist seit neun Jahren in der Oberfinanzdirektion Münster, NRW, tätig.

Fundstelle(n):
NWB-EV 6/2012
CAAAE-09163