Leitsatz
Schuldzinsen für betrieblich begründete Verbindlichkeiten sind auch nach Übergang des (Gewerbe-)Betriebs zur Liebhaberei als nachträgliche Betriebsausgaben abziehbar, wenn und soweit die zugrunde liegenden Verbindlichkeiten nicht durch eine mögliche Verwertung von Aktivvermögen beglichen werden können (Fortführung der , BFHE 163, 376, BStBl II 1991, 398; vom XI R 98/96, BFHE 184, 502, BStBl II 1998, 144).
Gesetze: EStG § 4 Abs. 4, § 16 Abs. 3, GGEStG § 4 Abs. 4EStG § 4 Abs. 4, § 16 Abs. 3, GG § 16 Abs. 3EStG § 4 Abs. 4, § 16 Abs. 3, GGGG Art. 3 Abs. 1
Instanzenzug: (EFG 1999, 421) (Verfahrensverlauf),
Tatbestand
I.
Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Eheleute und werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Im Streitjahr 1990 erzielte der Kläger Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit.
Mit dem Einkommensteuerbescheid für 1990 lehnte es der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) ab, die geltend gemachten Verluste der Klägerin aus ihrem zum aufgegebenen Einzelhandelsgeschäft mit Silber- und Schmuckwaren zu berücksichtigen. Das FA sah die Tätigkeit der Klägerin als Liebhaberei an; spätestens Ende 1987 hätte das Geschäft aufgegeben werden müssen.
Auf die dagegen erhobene Klage erkannte das Finanzgericht (FG) Schuldzinsen der Klägerin als nachträgliche Betriebsausgaben ihres Gewerbebetriebs in Höhe von 7 150 DM (6,5 v.H. von 110 000 DM) an und wies die Klage im Übrigen - hinsichtlich der Beurteilung des Einzelhandelsgeschäfts als Liebhabereibetrieb - ab. Es nahm dabei an, dass die Klägerin bereits ab Ende 1984 keine Gewinnerzielungsabsicht mehr gehabt habe. Sein Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1999, 421 veröffentlicht.
Mit der Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts.
Es trägt vor: Zu Unrecht sei das FG davon ausgegangen, dass die betrieblichen Verbindlichkeiten der Klägerin - in unstreitiger Höhe von 110 000 DM - im Zeitpunkt des Übergangs von einem mit Gewinnerzielungsabsicht betriebenen Betrieb zu einem Liebhabereibetrieb negatives Betriebsvermögen geblieben und die hierauf entfallenden Schuldzinsen als nachträgliche Betriebsausgaben abziehbar seien. Diese Schuldzinsen seien vielmehr "laufende Betriebsausgaben des Liebhabereibetriebes". Nachträgliche Betriebsausgaben kämen nach § 24 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) nur für die Zeit nach Betriebsaufgabe am in Betracht.
Das FA beantragt sinngemäß, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.
Die Kläger haben den während des Revisionsverfahrens ergangenen Änderungsbescheid vom zum Gegenstand des Verfahrens gemacht und beantragen, die Revision zurückzuweisen.
Gründe
II.
Die Revision ist begründet. Das Urteil des FG ist aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
Zu Recht ist das FG davon ausgegangen, dass Zinsen für Darlehensverbindlichkeiten, die für einen Betrieb vor dessen Übergang zur Liebhaberei eingegangen worden sind, nach Übergang zur Liebhaberei weiter als Betriebsausgaben geltend gemacht werden können, sofern sie nicht im Zusammenhang mit dem Liebhabereibetrieb stehen; die tatsächlichen Feststellungen des FG lassen indessen diesbezüglich keine abschließende Beurteilung zu.
1. Die in der Revision allein noch streitige Frage, ob die Zinsen auf Darlehensverbindlichkeiten, die im Zeitpunkt des Übergangs des Betriebs der Klägerin zur Liebhaberei bestanden und nach diesem Zeitpunkt gezahlt wurden, als Betriebsausgaben abziehbar sind, stellt sich nur, wenn man mit dem FA und dem FG davon ausgeht, dass der Betrieb der Klägerin seit 1984 der Liebhaberei zuzuordnen ist und daher negative Betriebsergebnisse ab diesem Zeitpunkt steuerlich nicht mehr berücksichtigt werden können.
Das FG hat sich bei der Entscheidung dieser Frage auf die Grundsätze der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) gestützt. An die dazu getroffenen tatsächlichen Feststellungen des FG ist der Senat nach § 118 Abs. 2 FGO gebunden, da gegen sie zulässige und begründete Revisionsrügen nicht vorgebracht worden sind und das FG zu seinen Feststellungen ohne Verstoß gegen die Verfahrensordnung oder gegen die Denkgesetze oder die allgemeinen Erfahrungssätze gelangt ist. Die Würdigung des FG, angesichts der vor dem Jahr 1984 erzielten Verluste sei der Umzug des Geschäfts in eine ungünstigere Geschäftslage mit höheren Mietaufwendungen ein Indiz für eine fehlende Gewinnerzielungsabsicht, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Sie entspricht der Rechtsprechung, nach der die wirtschaftlichen Dispositionen eines Steuerpflichtigen vor dem Hintergrund anhaltender Verluste bei der Feststellung fehlender Gewinnerzielungsabsicht zu berücksichtigen sind (vgl. , BFH/NV 1992, 108; vom XI R 64/97, BFHE 186, 347, BStBl II 1998, 727, jeweils m.w.N.).
2. Die für den Betriebsausgabenabzug nach § 4 Abs. 4 EStG erforderliche betriebliche Veranlassung von Schuldzinsen ist dann gegeben, wenn die Zinsen für eine Verbindlichkeit geleistet werden, die durch den Betrieb veranlasst ist und deshalb zum Betriebsvermögen gehört. Für die Bestimmung des Veranlassungszusammenhangs ist allein die Verwendung des Darlehensbetrages ausschlaggebend (vgl. Beschlüsse des Großen Senats des , BFHE 161, 290, BStBl II 1990, 817; vom GrS 1-2/95, BFHE 184, 7, BStBl II 1998, 193; , BFH/NV 1998, 1299; vom X R 105/92, BFHE 186, 555, BStBl II 1999, 81; vom XI R 74/00, BFH/NV 2002, 188).
3. Zu Fällen der Betriebsaufgabe (§ 16 Abs. 3 EStG) hat die Rechtsprechung entschieden, dass Schuldzinsen für betrieblich begründete Verbindlichkeiten als nachträgliche Betriebsausgaben (§ 4 Abs. 4, § 24 Nr. 2 EStG) abziehbar sein können.
a) Voraussetzung hierfür ist zunächst, dass die nicht getilgten Verbindlichkeiten während des Bestehens des einkommensteuerrechtlich relevanten Betriebs - wie im Streitfall - begründet wurden und damit als zurückbehaltenes passives Betriebsvermögen in Betracht kommen (Senatsurteil vom X R 37/86, BFHE 163, 376, BStBl II 1991, 398; , BFHE 184, 502, BStBl II 1998, 144).
b) Des Weiteren sind Zinszahlungen auf betrieblich begründete Darlehensverbindlichkeiten als nachträgliche Betriebsausgaben nur abziehbar, wenn und soweit die zugrunde liegenden Verbindlichkeiten nicht durch den Veräußerungserlös oder durch eine mögliche Verwertung von Aktivvermögen beglichen werden können (vgl. Senatsurteil in BFHE 163, 376, BStBl II 1991, 398, unter 2. a der Gründe; , BFHE 180, 79, BStBl II 1996, 291, sowie vom VIII R 5/96, BFHE 186, 526, BStBl II 1999, 209, m.w.N.), ihrer Tilgung Hindernisse entgegenstanden (vgl. , BFHE 143, 120, BStBl II 1985, 323) oder eine Tilgung - etwa wegen eines zugesagten Erlasses - aus sonstigen Gründen nicht veranlasst war (vgl. , BFHE 156, 141, BStBl II 1989, 456, unter II. 2. b aa der Gründe).
4. Diese Grundsätze zur Abzugsfähigkeit betrieblich veranlasster Schuldzinsen nach Betriebsaufgabe oder Betriebsveräußerung gelten auch, wenn ein Betrieb zu einem Liebhabereibetrieb wird.
a) Allerdings führt die Zuordnung eines einkommensteuerrechtlich relevanten Betriebs - z.B. eines Gewerbebetriebs - ab einem bestimmten Zeitpunkt zur Liebhaberei nicht zu einer Betriebsaufgabe, so dass zu diesem Zeitpunkt, solange der Steuerpflichtige nicht ausdrücklich die Betriebsaufgabe erklärt, das Betriebsvermögen nicht unter Auflösung der stillen Reserven in das Privatvermögen überführt wird (, BFHE 134, 339, BStBl II 1982, 381; vom IV R 57/96, BFH/NV 1997, 649).
b) Gleichwohl hat der Übergang zur Liebhaberei eine der Betriebsaufgabe ähnliche Wirkung. Denn die Fortführung des Einzelhandels ist in Ermangelung einer Gewinnerzielungsabsicht der steuerlich irrelevanten Privatsphäre (§ 12 Nr. 2 EStG) zuzuordnen mit der Folge, dass das dabei eingesetzte Vermögen als Privatvermögen angesehen wird, obwohl eine Betriebsaufgabe mangels Aufgabehandlung (noch) nicht vorliegt. Hiervon geht auch der IV. Senat in seinem Urteil in BFHE 134, 339, BStBl II 1982, 381 ausdrücklich aus.
Die danach rechtlich folgerichtige Zuordnung zur Privatsphäre wirkt sich in der Weise aus, dass bei einer späteren - ausdrücklich erklärten - Betriebsaufgabe für die Ermittlung des Aufgabegewinns ausschließlich der Wert des Betriebsvermögens im Zeitpunkt des Übergangs zur Liebhaberei maßgeblich ist. Alle Wertänderungen des Betriebsvermögens während der Zugehörigkeit zum Liebhabereibetrieb sind steuerlich unbeachtlich, mit der Folge, dass die im Zeitpunkt des Übergangs zur Liebhaberei vorhandenen stillen Reserven festzuhalten sind und bei einem späteren gewinnrealisierenden Vorgang aufgelöst werden. Die realisierten festgeschriebenen stillen Reserven sind dann als nachträgliche Einnahmen aus dem vormals bestehenden Betrieb i.S. von § 13, § 15 oder § 18 EStG zu versteuern (BFH-Urteile in BFHE 134, 339, BStBl II 1982, 381; vom IV R 27/98, BFHE 192, 287 BStBl II 2000, 524; jew. Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft betreffend).
c) Wenn schon die auf einen Schuldüberhang entfallenden künftigen Schuldzinsen nach einer "echten" - durch ein willentliches und damit vom Steuerpflichtigen beeinflussbares Verhalten veranlassten - Betriebsveräußerung oder Betriebsaufgabe abgezogen werden können, muss dies erst recht für den vom Steuerpflichtigen regelmäßig nicht beeinflussbaren Beurteilungswandel zur Liebhaberei gelten. Dies gebietet auch das auf Art. 3 des Grundgesetzes beruhende Gebot der steuerrechtlichen Gleichbehandlung.
d) Durch die Abzugsmöglichkeit nachträglicher Betriebsausgaben nach Übergang eines (Gewerbe-)Betriebs zur Liebhaberei wird entgegen der Ansicht des FA auch kein "Steuersparmodell" eröffnet. Denn als nachträgliche Betriebsausgaben kommen nur solche Aufwendungen in Betracht, die objektiv erkennbar ausschließlich auf die betriebliche Tätigkeit vor Übergang zur Liebhaberei bezogen sind.
5.) Dies vorausgesetzt sind im Streitfall zunächst solche Schuldzinsen abziehbar, die zwar nach Übergang zur Liebhaberei, mithin nach 1984 gezahlt wurden, aber auf einen Zeitraum entfallen, der vor dem Übergang zur Liebhaberei liegt. Dies setzt allerdings regelmäßig voraus, dass die Klägerin in diesem Zeitraum den Gewinn aus Gewerbebetrieb nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelt hat.
Schuldzinsen, die wirtschaftlich auf die Zeit nach der Umqualifizierung des Betriebs in einen Liebhabereibetrieb entfallen (Schuldzinsen ab ), sind dagegen lediglich insoweit abziehbar, als sie auch im Falle einer am vollzogenen Betriebsveräußerung oder Betriebsaufgabe abziehbar gewesen wären. Sie müssen mithin auf denjenigen Teil der zu diesem Zeitpunkt vorhandenen und ablösbaren Betriebsschulden entfallen, der mit dem erzielbaren Erlös aus der Veräußerung des gesamten Aktivvermögens nicht hätte getilgt werden können.
6. Der Senat vermag nicht abschließend über die Abziehbarkeit der streitigen Zinsen als Betriebsausgaben zu entscheiden. Denn den tatsächlichen Feststellungen des FG ist nicht zu entnehmen, in welchem Umfang die im Zeitpunkt des Übergangs zur Liebhaberei bestehenden betrieblichen - langfristigen - Darlehensverbindlichkeiten von 110 000 DM den aus der Veräußerung des Aktivvermögens erzielbaren Erlös überstiegen. Die dazu erforderlichen Feststellungen hat das FG nachzuholen.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
Fundstelle(n):
BStBl 2002 II Seite 809
BB 2002 S. 2169 Nr. 42
BFH/NV 2002 S. 1512 Nr. 11
BFHE S. 241 Nr. 199
BFHE S. 241 Nr. 199
BStBl II 2002 S. 809 Nr. 20
DB 2002 S. 2137 Nr. 41
DStRE 2002 S. 1291 Nr. 21
FR 2002 S. 1227 Nr. 22
INF 2002 S. 764 Nr. 24
KÖSDI 2002 S. 13487 Nr. 11
YAAAA-89363