BFH Urteil v. - V B 51/01 BStBl 2001 II S. 767

Änderung des Rubrums einer Klageschrift bei irrtümlicher Benennung der Ehefrau als Mitklägerin; Aufhebung des Urteils im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren ohne Zurückverweisung an FG, wenn Verfahrensmangel hierdurch beseitigt werden kann

Leitsatz

1. Eine Änderung des Rubrums einer Klageschrift ist auch dann möglich, wenn eine Klage gegen einen an den Ehemann gerichteten Steuerbescheid nach dem Wortlaut der Klageschrift im Namen der Eheleute erhoben wurde, es aber von Anfang an klar erkennbar war, dass die Ehefrau nur versehentlich im Rubrum der Klageschrift mitaufgeführt war.

2. Eine Zurückverweisung der Sache an das FG gemäß § 116 Abs. 6 FGO erübrigt sich, wenn der Verfahrensmangel durch Aufhebung des angegriffenen Urteils beseitigt werden kann. Das Revisionsgericht kann in solchen Fällen abschließend entscheiden.

Gesetze: FGO a. F. § 115 Abs. 2 Nr. 3FGO § 65 Abs. 1FGO § 116 Abs. 6

Instanzenzug: FG des Landes Sachsen-Anhalt

Tatbestand

I.

Die Beschwerdeführerin ist mit einem Dachdecker verheiratet, der für das Streitjahr 1994 zur Umsatzsteuer veranlagt worden war. Nach erfolglosem Einspruch erhob die Prozessbevollmächtigte im Namen ,,der Eheleute'' Klage gegen die ,,Einspruchsentscheidung der Beklagten vom 6. Febr. 1997 und den Umsatzsteuerbescheid 1994 vom ''.

Mit Schreiben vom machte der Berichterstatter die Prozessbevollmächtigte darauf aufmerksam, dass die Klage der Ehefrau (Beschwerdeführerin) unzulässig sein dürfte. Die Prozessbevollmächtigte führte daraufhin im Schriftsatz vom nur noch den Ehemann der Beschwerdeführerin als Kläger auf. In der mündlichen Verhandlung am erklärte sie, dass die Beschwerdeführerin aufgrund eines Büroversehens in der Klageschrift aufgeführt sei. Der Anregung des Vorsitzenden, die Klage zurückzunehmen, kam sie nicht nach.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage als unzulässig ab. Es war der Auffassung, dass eine Richtigstellung nur aufgrund einer Klagerücknahme möglich gewesen sei.

Hiergegen wendet sich die Beschwerdeführerin mit der vorliegenden Beschwerde; sie rügt

- Verletzung der richterlichen Rechtspflicht zur Berichtigung eines Klagerubrums auf Antrag,

- Verletzung der richterlichen Aufklärungs-, Belehrungs- und Prozessleitungspflicht,

- Verletzung des Grundrechts auf rechtliches Gehör.

Der Beschwerdegegner (das Finanzamt - FA -) ist der Revision entgegengetreten.

Gründe

Die Beschwerde führt zur ersatzlosen Aufhebung der Vorentscheidung.

Die Zulässigkeit der Beschwerde richtet sich gemäß Art. 4 des Zweiten Gesetzes zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze - 2. FGOÄndG - (BGBl. I 2000, 1757, BStBl I 2000, 1567) nach den bis zum geltenden Vorschriften, da die Vorentscheidung am verkündet worden ist.

Nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO a. F.) ist die Revision zuzulassen, wenn das Urteil des FG bei einem geltend gemachten Verfahrensmangel auf dem Verfahrensmangel beruhen kann (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO a. F.).

Das Urteil beruht auf einem von der Beschwerdeführerin gerügten Verfahrensmangel.

Nach § 65 Abs. 1 FGO muss die Klageschrift zwar den (richtigen) Kläger bezeichnen. Die Klageschrift ist jedoch eine Prozesshandlung, für die grundsätzlich die Auslegungsregel der §§ 133, 157 des Bürgerlichen Gesetzbuches gilt (vgl. Gräber/von Groll, Finanzgerichtsordnung, vor § 33 Anm. 14). Es ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften. Deshalb ist eine Änderung des Rubrums einer Klageschrift möglich, sofern für Gericht und Gegner von Anfang an klar erkennbar ist, wer durch die (unrichtige) Parteibezeichnung als Partei angesprochen werden sollte (vgl. , Versicherungsrecht 1976, 286).

Aufgrund der Adressierung des angefochtenen Umsatzsteuerbescheids und der Einspruchsentscheidung war für das FG und das FA von Anfang an klar, dass nur der Ehemann der Beschwerdeführerin als Kläger in Betracht kam; für das FG galt dies jedenfalls seit dem Erhalt der Steuerakten. Bei verständiger Würdigung lag auf der Hand, dass die Ehefrau nur versehentlich im Rubrum der Klageschrift mitaufgeführt war. Das FG hätte deshalb die Berichtigung des Rubrums durch die Prozessbevollmächtigte akzeptieren müssen.

Die Aufhebung der Vorentscheidung beruht auf § 116 Abs. 6 FGO i. d. F. des 2. FGOÄndG. Art. 4 2. FGOÄndG steht dem nicht entgegen, da diese Vorschrift nur die Zulässigkeit eines Rechtsbehelfs gegen eine vor dem verkündete Entscheidung betrifft, die weitere Behandlung dieses Rechtsbehelfs aber grundsätzlich nach neuem Recht erfolgt.

Die Vorschrift des § 116 Abs. 6 FGO ermächtigt den Bundesfinanzhof zwar nur dazu, den Rechtsstreit nach Aufhebung des angefochtenen Urteils zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen. Eine solche Zurückverweisung erübrigt sich jedoch, wenn der Verfahrensmangel durch Aufhebung des angegriffenen Urteils beseitigt werden kann und es daher einer Zurückverweisung des Rechtsstreits an das FG nicht bedarf. Unter derartigen Umständen steht einer abschließenden Entscheidung durch das Revisionsgericht nichts entgegen (vgl. , Die Öffentliche Verwaltung 1999, 836).

Fundstelle(n):
BStBl 2001 II Seite 767
BB 2001 S. 2154 Nr. 42
BFH/NV 2002 S. 118 Nr. 1
BFHE S. 16 Nr. 196
BStBl II 2001 S. 767 Nr. 18
DB 2001 S. 2232 Nr. 42
DStRE 2002 S. 121 Nr. 2
INF 2001 S. 734 Nr. 23
FAAAA-89057