BFH Urteil v. - VI R 165/99 BStBl 2001 II S. 279

1. Verlust des Wohnsitzes eines Kindes im Inland bei für die Dauer von neun Jahren angelegtem Schulbesuch und Haushaltsaufnahme bei den Großeltern im Ausland, auch wenn die anschließende Rückkehr nach Deutschland beabsichtigt ist und sich das Kind in Ferienzeiten in der elterlichen Wohnung aufhält. 2. Der Förderanteil am Kindergeld stellt keine Sozialleistung dar, sondern eine einkommensteuerrechtliche Förderung der Familie durch eine Sozialzwecknorm

Leitsatz

Schicken die Eltern ihr sechsjähriges Kind zum Zwecke des für die Dauer von neun Jahren angelegten Schulbesuchs zu den Großeltern ins Ausland, verliert das Kind grundsätzlich seinen Wohnsitz im Inland. Besuchsweise Aufenthalte des Kindes in der elterlichen Wohnung führen auch dann nicht zur Beibehaltung des Wohnsitzes, wenn die Rückkehr des Kindes nach Deutschland nach Erreichen des Schulabschlusses beabsichtigt ist.

Gesetze: EStG § 62 Abs. 1 Nr. 1EStG § 63 Abs. 1 Satz 3AO 1977 §§ 8, 9

Instanzenzug: FG Bremen (EFG 2000, 79) (Verfahrensverlauf),

Tatbestand

I.

Die Beteiligten streiten über die Höhe des Kindergeldanspruchs der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) für ihre Tochter P für den Zeitraum ab Juni 1998. Die Klägerin, eine Deutsche, ist mit einem türkischen Staatsangehörigen verheiratet, der in der Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik) als Arbeitnehmer berufstätig ist. Die nicht berufstätige Klägerin und ihr Ehemann leben mit ihren beiden jüngsten, im Oktober 1990 und im Juni 1998 geborenen Kindern in der Bundesrepublik. Die älteste, im Dezember 1986 geborene Tochter P lebte nach ihrer Geburt - mit Ausnahme eines kurzen Aufenthalts bei den Großeltern in der Türkei nach dem - zunächst ebenfalls in der Wohnung der Klägerin und ihrer Familie in der Bundesrepublik. Im September 1992 wurde P in der Türkei eingeschult, wo sie bei ihren Großeltern wohnt. Seit Beginn ihres Schulbesuches in der Türkei hält sie sich nur noch in den Schulferien (etwa drei Wochen im Frühjahr und etwa zwei Monate im Sommer) in der Familienwohnung in der Bundesrepublik auf. P steht während dieser Aufenthalte in der etwa 60 qm großen Familienwohnung, bestehend aus Küche, Bad Wohnzimmer, Elternschlafzimmer, Kinderzimmer und Abstellraum, ein Zimmer zur Verfügung, das sie sich mit ihrem Bruder teilt, während das jüngste Kind im Elternschlafzimmer schläft. Nach dem Willen ihrer Eltern soll P nach Erreichen des Schulabschlusses in der Türkei im Jahre 2001 ihren dortigen Aufenthalt beenden und den Schulbesuch in der Bundesrepublik fortsetzen.

Die Klägerin begehrte mit ihrem am beim Arbeitsamt - Familienkasse - (Beklagter und Revisionsbeklagter - Beklagter -) eingegangenen Antrag die Festsetzung von Kindergeld für alle drei Kinder in gesetzlicher Höhe. Dabei legte sie eine Einverständniserklärung ihres Ehemannes sowie eine Haushaltsbescheinigung der zuständigen Meldebehörde vor, wonach alle drei Kinder in der elterlichen Wohnung gemeldet seien. Der Beklagte setzte mit Bescheid vom das Kindergeld für die Tochter P in Höhe von 10 DM fest, für den zweitgeborenen Sohn in Höhe von 220 DM und für die jüngste Tochter in Höhe von 300 DM. Eine weitergehende Kindergeldfestsetzung für P lehnte der Beklagte mit der Begründung ab, P habe ihren Wohnsitz und gewöhnlichen Aufenthalt außerhalb der Bundesrepublik. Es seien nur die Voraussetzungen für den Bezug von Kindergeld nach Art. 33 des deutsch-türkischen Sozialabkommens gegeben.

Die dagegen erhobene Klage hatte keinen Erfolg (Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 2000, 79).

Zur Begründung hat das Finanzgericht (FG) im Wesentlichen ausgeführt, es könne nicht festgestellt werden, dass P seit Beginn ihres Schulbesuchs in der Türkei im September 1992 ihren Wohnsitz in der Wohnung der Eltern in der Bundesrepublik beibehalten habe. Zwar sei P deutsche Staatsangehörige und solle nach ihren und den Planungen ihrer Eltern nach Abschluss des Schulbesuchs in der Türkei im Jahr 2001 in die Bundesrepublik zurückkehren und hier im Anschluss weiterhin die Schule besuchen. Die Eltern, in deren Familie vorrangig türkisch gesprochen werde, hätten jedoch die seinerzeit noch nicht einmal sechs Jahre alte P ab Beginn des Schulbesuchs im September 1992 für die Zeit bis 2001, also für etwa neun Jahre, zu den Großeltern in die Türkei geschickt. P habe während dieses Zeitraums nur während der Schulferien in die inländische Familienwohnung zurückkehren sollen. Damit sei die großelterliche Wohnung in der Türkei zum Wohnsitz der P bestimmt worden. Zudem verfüge P nur über begrenzte Kenntnisse der deutschen Sprache, zumal der Schriftsprache. Auch dieser Umstand habe einer jederzeitigen Rückkehr der P in die Bundesrepublik entgegengestanden.

Dass der Klägerin nach § 62 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 32 Abs. 3 und § 64 Abs. 2 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) kein über 10 DM monatlich hinausgehender Kindergeldanspruch zustehe, begegne keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Wenn und soweit ein Kindergeldanspruch nicht bestehe, werde die Freistellung des Existenzminimums der unterhaltsberechtigten Kinder der Steuerpflichtigen durch den Kinderfreibetrag gewährleistet. Soweit das Kindergeld nach § 31 Satz 2 EStG der Förderung der Familie diene und mithin - funktional, nicht formell - eine Sozialleistung sei, habe der Gesetzgeber - wie bei Sozialleistungen allgemein - einen weiten Entscheidungsspielraum (Hinweis auf und 4/86, BVerfGE 82, 60, 80). Diesen habe der Gesetzgeber nicht dadurch überschritten, dass er die Familienförderung durch das Kindergeld auf die Kinder beschränke, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hätten.

Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Revision, mit der sie die Verletzung materiellen Rechts, insbesondere der §§ 62, 63 EStG und des § 8 der Abgabenordnung (AO 1977) rügt. Zur Begründung trägt die Klägerin vor: Der Auslandsaufenthalt der P sei nur vorübergehender Natur und voraussichtlich im Jahr 2001 beendet. Außerhalb der Schulzeiten halte sich P bei ihrer Familie in Bremen auf. Für den Fall, dass P ihre Schulausbildung in der Türkei abbrechen sollte, stünde ihr in der elterlichen Wohnung der erforderliche Wohnraum zur Verfügung. P sei aufgrund ihres geringen Lebensalters und vielfältiger Aktivitäten in das Familienleben in der Bundesrepublik integriert. Der Mittelpunkt ihrer Lebensbeziehungen liege eindeutig bei den Eltern in der Bundesrepublik und nicht bei den Großeltern in der Türkei.

Die Klägerin beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, für die P Kindergeld in gesetzlicher Höhe seit Antragstellung am zu zahlen.

Der Beklagte beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Er trägt unter Bezugnahme auf das (BFHE 174, 523, BStBl II 1994, 887) sowie auf den (BFH/NV 1999, 285) vor, P habe keinen Wohnsitz in der Bundesrepublik. Bei den nur wenige Wochen im Jahr andauernden Ferienaufenthalten der P in der Bundesrepublik sei auch ein gewöhnlicher Aufenthalt i. S. des § 9 AO 1977 nicht zu bejahen.

Gründe

II.

Die Revision ist unbegründet. Sie war deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Das FG hat zutreffend entschieden, dass P seit dem Beginn ihres Schulbesuchs in der Türkei im September 1992 keinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik hat und dementsprechend nicht nach § 63 Abs. 1 Satz 3 EStG berücksichtigt werden kann.

1. Wer - wie die Klägerin - über einen Wohnsitz im Inland verfügt, hat gemäß § 62 Abs. 1 Nr. 1 EStG Anspruch auf Kindergeld nach dem EStG für Kinder i. S. des § 63 EStG. Nach § 63 Abs. 1 Satz 3 EStG werden jedoch Kinder nicht berücksichtigt, die weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland, in einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union oder in einem Staat haben, auf den das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum Anwendung findet. Die Türkei zählt nicht zu den in § 63 Abs. 1 Satz 3 EStG genannten Staaten.

2. Dagegen, dass die Kindergeldberechtigung nach § 63 Abs. 1 Satz 3 EStG in den Fällen des § 62 Abs. 1 Nr. 1 EStG u. a. vom Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes abhängt, bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken.

a) Der Gesetzgeber hat das Existenzminimum der Familie steuerfrei zu stellen (BVerfG in BVerfGE 82, 60, 85, und Beschluss vom 2 BvR 1057, 1226, 980/91, BVerfGE 99, 216, 233). Die steuerliche Freistellung eines Einkommensbetrages in Höhe des Existenzminimums eines Kindes wird durch den Kinderfreibetrag nach § 32 EStG oder durch das Kindergeld nach dem X. Abschnitt bewirkt. Soweit das Kindergeld dafür nicht erforderlich ist, dient es der Förderung der Familie (§ 31 Satz 1 und Satz 2 EStG in der für das Streitjahr geltenden Fassung). Im Streitfall ist das Existenzminimum der P durch den Kinderfreibetrag (§ 32 EStG) von der Besteuerung freigestellt. Dieser wird unabhängig davon gewährt, ob das Kind seinen Wohnsitz oder Aufenthalt in der Bundesrepublik oder im Ausland hat (§ 32 Abs. 1 und 6 EStG). Soweit das Kindergeld nach § 31 Satz 2 EStG der Förderung der Familie dient, stellt es keine Sozialleistung dar, sondern eine einkommensteuerliche Förderung der Familie durch eine Sozialzwecknorm (vgl. Kanzler, Finanz-Rundschau - FR - 1999, 1133).

b) Dass nach § 63 Abs. 1 Satz 3 EStG Kinder nicht berücksichtigt werden, die weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland, in einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union oder in einem Staat haben, auf den das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum Anwendung findet, verstößt nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG). Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Das Grundrecht ist daher vor allem dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie eine ungleiche Behandlung rechtfertigen können. Im Rahmen seines Gestaltungsauftrags ist der Gesetzgeber grundsätzlich frei bei seiner Entscheidung, an welche tatsächlichen Verhältnisse er Rechtsfolgen knüpft und wie er von Rechts wegen zu begünstigende Personengruppen definiert. Eine Grenze ist jedoch dann erreicht, wenn durch die Bildung einer rechtlich begünstigten Gruppe andere Personen von der Begünstigung ausgeschlossen werden und sich für diese Ungleichbehandlung kein in angemessenem Verhältnis zu dem Grad der Ungleichbehandlung stehender Rechtfertigungsgrund finden lässt. Dabei ist die Eigenart des zu regelnden Sachverhalts ausschlaggebend dafür, was sachlich vertretbar oder sachfremd ist. Im Bereich der gewährenden Staatstätigkeit unterliegt die Abgrenzung der begünstigten Personenkreise der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers (, BVerfGE 99, 165, 177, 178).

Die Anknüpfung an den Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes in § 63 Abs. 1 Satz 3 EStG erscheint als weitere Ausprägung des Territorialitäts-Prinzips. Da das Einkommensteuerrecht durch das Territorialitäts-Prinzip (§ 1 Abs. 1 Satz 1 EStG) geprägt ist, ist die Abgrenzung des begünstigten Personenkreises danach, wo die Kinder ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben, nicht sachwidrig.

c) Die Nichtberücksichtigung solcher Kinder, die weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland, in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem Staat haben, auf den das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum Anwendung findet, verstößt auch nicht gegen Art. 6 Abs. 1 GG. Der besondere Schutz der staatlichen Ordnung für Ehe und Familien umschließt u. a. die Aufgabe für den Staat, Ehe und Familien nicht nur vor Beeinträchtigungen durch andere Kräfte zu bewahren, sondern auch durch geeignete Maßnahmen zu fördern (, BVerfGE 6, 55, 71; , 50/87, BVerfGE 87, 1, 35). Aus dem Gebot der Förderung der Familie erwachsen jedoch noch keine konkreten Ansprüche auf bestimmte staatliche Leistungen (, BVerfGE 39, 316, 326; in BVerfGE 82, 60, 81). So lässt sich aus Art. 6 Abs. 1 GG insbesondere kein Anspruch auf Kindergeld für die Kinder herleiten, die nicht in der Bundesrepublik wohnen (vgl. Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats des zu § 2 Abs. 5 Satz 1 des Bundeskindergeldgesetzes - BKGG - a. F., SozR 5870 § 2 Nr. 48; Jarass/Pieroth, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 3. Aufl., Art. 6 Rz. 12).

3. Die Frage, ob eine natürliche Person im Inland einen Wohnsitz hat, beurteilt sich nach § 8 AO 1977. Danach kommt es darauf an, ob die betreffende Person im Inland eine Wohnung unter Umständen innehat, die darauf schließen lassen, dass sie die Wohnung beibehalten und benutzen wird.

a) Der Begriff des Wohnsitzes i. S. von § 8 AO 1977 stimmt wörtlich mit der Legaldefinition des § 30 Abs. 3 Satz 1 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch (SGB I) überein, die für das Kindergeldrecht bis 1995 Anwendung fand (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 1999, 285; , RegNr. 7190, Juristisches Informationssystem - juris -). Er setzt neben zum dauerhaften Wohnen geeigneten Räumlichkeiten das Innehaben der Wohnung in dem Sinne voraus, dass der Steuerpflichtige tatsächlich über sie verfügen kann und sie als Bleibe entweder ständig benutzt oder sie doch mit einer gewissen Regelmäßigkeit - wenn auch in größeren Zeitabständen - aufsucht. Ein nur gelegentliches Verweilen während unregelmäßig aufeinander folgender kurzer Zeiträume zu Erholungszwecken reicht nicht aus (, BFHE 155, 29, BStBl II 1989, 182, m. w. N.; in BFHE 174, 523, BStBl II 1994, 887). Außer dem Innehaben einer Wohnung setzt der Wohnsitzbegriff Umstände voraus, die darauf schließen lassen, dass die Wohnung durch den Inhaber beibehalten und als solche genutzt werden soll. Das Wesen eines Wohnsitzes im steuerrechtlichen Sinne besteht somit darin, dass objektiv die Wohnung ihrem Inhaber jederzeit (wann immer er es wünscht) als Bleibe zur Verfügung steht und von ihm subjektiv zur entsprechenden Nutzung auch bestimmt ist. In dieser zur objektiven Nutzung hinzutretenden subjektiven Bestimmung liegt der Unterschied zwischen dem bloßen Aufenthaltnehmen in einer Wohnung und dem Wohnsitz (, BFH/NV 1987, 301, sowie in BFHE 174, 523, BStBl II 1994, 887).

b) Die Beurteilung im Einzelfall liegt weitgehend auf tatsächlichem Gebiet. Insoweit ist der erkennende Senat als Revisionsgericht in Ermangelung erhobener Verfahrensrügen an die Beurteilung durch das FG gemäß § 118 Abs. 2 FGO gebunden und kann diese nur auf Verstöße gegen die Denkgesetze und gegen Erfahrungssätze hin überprüfen (vgl. , BFHE 182, 296, BStBl II 1997, 447).

c) Nach den vom FG getroffenen, den Senat bindenden Feststellungen lagen die Voraussetzungen dafür, dass P ihren Wohnsitz in der Wohnung ihrer Eltern in der Bundesrepublik beibehalten hat, nicht vor. Die Beurteilung des FG, P habe in den Streitjahren ihr Zimmer in der Wohnung ihrer Eltern nicht unter Umständen innegehabt, die darauf schließen lassen, P werde das Zimmer beibehalten und benutzen, verstößt weder gegen Denkgesetze noch gegen Erfahrungssätze.

d) Zwar soll P nach dem Willen ihrer Eltern nach insgesamt neunjähriger Schulausbildung in der Türkei im Jahre 2001 wieder in die Bundesrepublik zurückkehren. Das reicht aber nicht dazu aus, um die Beibehaltung des Inlandswohnsitzes zu bejahen. Der Wille zur Rückkehr besagt auch bei einem deutschen Kind - wie hier bei der P - nichts darüber, ob der Wohnsitz im Inland während der Dauer des Auslandsaufenthaltes beibehalten oder aber aufgegeben und nachfolgend neu begründet wird (vgl. 14/10 RKg 14/94, SozR 3-5870 § 2 Nr. 36). Andererseits bedingt die räumliche Trennung von den Eltern während des Schulbesuchs im Ausland allein noch keine Auflösung der familiären Wohn- und Lebensgemeinschaft. P ist hier jedoch bereits im Alter von noch nicht einmal sechs Jahren zu ihren Großeltern in die Türkei geschickt worden und damit in einem Alter, in dem das Kind in besonderem Maße der Betreuung bedurfte. Zudem war ihr Aufenthalt in der Türkei von vornherein auf einen Zeitraum von annähernd neun Jahren, nämlich bis zum Erreichen des Schulabschlusses, angelegt. Es handelt sich demnach nicht nur um einen vorübergehenden Auslandsaufenthalt. Demgegenüber reichen die Aufenthalte der P in der elterlichen Wohnung in den Schulferien von insgesamt nicht einmal drei Monaten im Jahr nicht aus, um die Aufrechterhaltung des Inlandswohnsitzes anzunehmen. Diese Aufenthalte der P während der Schulferien kommen nicht einem Aufenthalt mit Wohncharakter gleich und bedeuten deshalb kein ,,zwischenzeitliches Wohnen'' in der bisherigen Wohnung. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die vorgesehene Dauer des Auslandsaufenthalts der P von annähernd neun Jahren.

4. Nach den vom FG getroffenen Feststellungen sind auch nicht die Voraussetzungen für einen gewöhnlichen Aufenthalt (§ 9 AO 1977) der P in der Bundesrepublik gegeben.

Fundstelle(n):
BStBl 2001 II Seite 279
BB 2001 S. 560 Nr. 11
BFH/NV 2001 S. 684 Nr. 5
BFHE S. 569 Nr. 193
DStRE 2001 S. 525 Nr. 10
FR 2001 S. 547 Nr. 10
EAAAA-88872