BFH Urteil v. - VIII R 12/00 BStBl 2001 II S. 218

Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 3 AO a. F., wenn ein auf § 173 AO gestützter Änderungsbescheid vor Ablauf der regulären Festsetzungsfrist bekannt gegeben wurde, die die Änderung rechtfertigenden neuen Tatsachen aber erst nach Ablauf dieser Frist bekannt geworden sind

Leitsatz

Der Ablauf der Festsetzungsfrist wird auch dann gemäß § 171 Abs. 3 AO 1977 durch Anfechtung eines vor Fristablauf erlassenen Änderungsbescheides gehemmt, wenn das FA den Änderungsbescheid aufgrund rechtlicher Schlussfolgerungen in einer sog. Kontrollmitteilung erlassen hat und ihm die zugrunde liegenden Tatsachen i. S. des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 erst nach Ablauf der regulären Festsetzungsfrist bekannt werden. Der im Zeitpunkt des Erlasses des Änderungsbescheides bestehende Mangel, dass die Tatsachen nicht bekannt waren, kann auch in diesem Fall durch die Einspruchsentscheidung geheilt werden.

Gesetze: AO 1977 i. d. F. vor In Kraft Treten des StBereinG 1999 § 171 Abs. 3AO 1977 §§ 173 Abs. 1 Nr. 1, 367 Abs. 2 Satz 1FGO § 44 Abs. 2

Instanzenzug: FG Düsseldorf (Verfahrensverlauf),

Tatbestand

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) war Alleingesellschafter und Geschäftsführer der X-GmbH (im Folgenden: GmbH). Er gab seine Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 1984 im April 1985 ab. Darin waren bei den Einkünften aus Kapitalvermögen Einnahmen in Höhe von 7 805 DM erklärt. Der zunächst ergangene Einkommensteuerbescheid für 1984 wurde nach einer ersten Änderung erneut durch den endgültig ergangenen und formell bestandskräftigen Einkommensteuerbescheid vom geändert.

Am ging bei dem damals für die Veranlagung des Klägers zuständigen Finanzamt D ein Schreiben des für die Körperschaftsteuer der GmbH zuständigen Finanzamts G ein, in dem wegen des Streitjahrs 1984 Folgendes ausgeführt ist:

,,Bei der Bp der X-GmbH, deren alleiniger Anteilseigner der o. a. Pfl. ist, wurden folgende verdeckte Gewinnausschüttungen festgestellt:


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 . . .-Rückstellung                    1 470 672,-
 Krankenkasse usw.                         5 736,-
 anrechenbare Körpersch.St               830 479,-
                                       -----------
                                       2 306 887,-
 

Die näheren Begründungen hierzu erhalten Sie, wenn demnächst der Bp-Bericht erstellt wird. Wegen der zum eintretenden Festsetzungsverjährung für das Jahr 1984 bitte ich, schon vorab berichtigte Bescheide zu erlassen.''

Unter Hinweis auf die bei der GmbH durchgeführte Außenprüfung erließ das Finanzamt D am gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) einen geänderten Einkommensteuerbescheid für 1984, in dem es Einnahmen aus Kapitalvermögen von nunmehr 2 314 692 DM berücksichtigte.

Der Kläger legte gegen diesen Bescheid Einspruch ein. Beim Finanzamt D ging am ein Auszug aus dem Außenprüfungsbericht mit einer Schilderung der Vorgänge bei der GmbH ein.

Auf die Klage der GmbH wegen der Körperschaftsteuer entschied das Finanzgericht (FG) . . . mit Urteil vom , dass von einer anderen Ausschüttung in Höhe von 357 468 DM zugunsten des Klägers auszugehen sei. Daraufhin erließ der zwischenzeitlich zuständig gewordene Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) gemäß § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO 1977 am einen geänderten Einkommensteuerbescheid für 1984, in dem er Einnahmen aus Kapitalvermögen in Höhe von 363 204 DM ansetzte. Der Bescheid enthält den Hinweis: ,,Hierdurch erledigt sich Ihr Rechtsbehelf.'' Gegen diesen Bescheid legte der Kläger Einspruch ein, den das FA durch Einspruchsentscheidung vom als unbegründet zurückwies.

Mit der Klage machte der Kläger geltend, das Finanzamt D habe den Änderungsbescheid zu Unrecht auf § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 gestützt. Die sog. Ergebnismitteilungen des für die Körperschaftsteuer zuständigen Finanzamts G enthielten rechtliche Schlussfolgerungen, aber keine ,,neuen Tatsachen'' im Sinne der angeführten Änderungsvorschrift. Im Hinblick auf den Eintritt der Festsetzungsverjährung zum habe das Finanzamt D auch nicht die erst im Jahre 1990 bekannt gewordenen Sachumstände über das Vorliegen einer verdeckten Gewinnausschüttung (vGA) verwerten dürfen.

Das FG gab der Klage im Wesentlichen statt. Es ging davon aus, dass das Einspruchsverfahren gegen den Einkommensteuerbescheid vom erst durch die Einspruchsentscheidung vom abgeschlossen worden sei; durch den Änderungsbescheid vom sei das Einspruchsverfahren nicht abgeschlossen gewesen, da sich der Kläger gegen den Ansatz von vGA insgesamt gewandt habe. Die Voraussetzungen für eine Änderung gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 hätten nur insoweit vorgelegen, als dem Finanzamt D aufgrund der Mitteilung des Finanzamts G die Tatsache bekannt geworden sei, dass die GmbH Krankenkassenbeiträge für den Kläger gezahlt habe. Im Übrigen habe die Mitteilung nicht den Tatsachenbegriff des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 erfüllt. Die erst im Jahre 1990 bekannt gewordenen tatsächlichen Umstände könnten den Erlass des Änderungsbescheides nicht rechtfertigen, weil zu diesem Zeitpunkt die Festsetzungsfrist abgelaufen gewesen sei. Der Ablauf der Festsetzungsfrist sei insoweit nicht durch § 171 Abs. 3 AO 1977 in der bis zum In-Kraft-Treten des Steuerbereinigungsgesetzes 1999 (StBereinG 1999) vom (BGBl. I 1999, 2601, BStBl I 2000, 13) gültigen Fassung (im Folgenden: § 171 Abs. 3 AO 1977 a. F.) gehemmt gewesen. Denn ein ,,Nachschieben von Gründen'' sei jedenfalls dann nicht möglich, wenn auf diese Weise - nach dem Eintritt der Festsetzungsverjährung - einem vor dieser Zäsur erlassenen rechtswidrigen Änderungsbescheid erstmals eine die belastende Änderung rechtfertigende Begründung gegeben werde.

Das FA rügt mit seiner Revision eine Verletzung des § 171 Abs. 3 AO 1977 a. F. Es macht geltend, das FG habe verkannt, dass die Anfechtung eines vor Ablauf der Festsetzungsfrist erlassenen Steuerbescheides nach § 171 Abs. 3 AO 1977 a. F. den Ablauf der Festsetzungsfrist so lange hemme, bis über den Antrag unanfechtbar entschieden worden sei. Deshalb sei entgegen der Auffassung des FG die Festsetzungsverjährung nicht mit Ablauf des eingetreten. Der ursprüngliche Begründungsmangel sei nachträglich geheilt worden. Die Sache sei aber nicht spruchreif, da der Kläger Einwendungen gegen die Annahme von vGA erhoben habe und das FG - von seinem Rechtsstandpunkt aus zu Recht - dazu keine Feststellungen getroffen habe.

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Gründe

Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Das FG hat zu Unrecht angenommen, der angefochtene Änderungsbescheid sei im Umfang der Klagestattgabe bereits deswegen rechtswidrig, weil dem Finanzamt D die Tatsachen, auf die es die Änderung gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 gestützt hat, erst nach Ablauf der regulären Festsetzungsfrist bekannt geworden sind.

1. Zutreffend und in Übereinstimmung mit der Rechtsauffassung der Beteiligten ist das FG davon ausgegangen, dass der angefochtene Änderungsbescheid für das Jahr 1984 vor Ablauf der regulären Festsetzungsfrist ergangen ist. Denn bei Erlass des Änderungsbescheides am war die Festsetzungsfrist von vier Jahren (§ 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO 1977), die aufgrund der Abgabe der Einkommensteuererklärung im Jahre 1985 mit Ablauf dieses Jahres begonnen hatte (vgl. § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO 1977), noch nicht abgelaufen. Die reguläre Festsetzungsfrist endete vielmehr erst am .

2. Die Auffassung der Vorinstanz, der angefochtene Änderungsbescheid sei gleichwohl im Umfang der Klagestattgabe deswegen rechtswidrig, weil die Tatsachen, die dem Finanzamt D erst nach dem Ablauf der regulären Festsetzungsfrist bekannt geworden seien, bei der Entscheidung, ob die Änderung rechtmäßig ist, nicht mehr berücksichtigt werden könnten, hält einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.

a) Das FG ist zu Recht davon ausgegangen, dass im Zeitpunkt des Erlasses des Änderungsbescheides vom die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 für eine Änderung des bestandskräftigen Einkommensteuerbescheides 1984 im Umfang der Klagestattgabe nicht vorgelegen haben.

Nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 sind Steuerbescheide u. a. aufzuheben oder zu ändern, soweit Tatsachen nachträglich bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen. Maßgebend dafür, ob Tatsachen i. S. des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 nachträglich bekannt geworden sind, ist der Kenntnisstand derjenigen Personen, die innerhalb der Finanzbehörde dazu berufen sind, den betreffenden Steuerfall zu bearbeiten (vgl. , BFHE 161, 11, BStBl II 1990, 1047; vom III R 50/91, BFH/NV 1993, 496, 498, unter Abschn. 2. a der Gründe). Dem für die Veranlagung des Klägers zuständigen Bearbeiter, auf dessen Kenntnisstand es danach ankommt, waren nach den tatsächlichen Feststellungen des FG außer der Ergebnismitteilung des Finanzamts G wegen der . . .-Rückstellung keine weiteren Tatsachen bekannt. Nach der Rechtsprechung des BFH stellen Ergebnismitteilungen des für die Körperschaftsteuer zuständigen Finanzamts an das für die Veranlagung der Anteilseigner zuständige Finanzamt über eine bei einer GmbH durchgeführte Außenprüfung insoweit keine Tatsachen dar, die zu einer Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 berechtigen, als darin nur rechtliche Schlussfolgerungen wiedergegeben werden (vgl. , BFHE 170, 1, BStBl II 1993, 569). Im Streitfall hat das FG rechtsfehlerfrei entschieden, dass in der Ergebnismitteilung insoweit, als das Finanzamt G vGA wegen der . . .-Rückstellung angenommen hat, keine Tatsachen wiedergegeben waren, aus denen der Schluss hätte gezogen werden können, dass dem Kläger im Streitjahr 1984 Einnahmen i. S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) zugeflossen seien. Die Tatsache, dass bei der GmbH für das Jahr 1984 eine Rückstellung nicht anerkannt worden ist, rechtfertigt ohne Kenntnis weiterer Umstände nicht den Schluss, dem Kläger als dem Alleingesellschafter seien insoweit Einnahmen i. S. des § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG zugeflossen.

b) Für die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides kommt es darauf an, ob die dem Finanzamt D oder dem FA in der Folgezeit bekannt gewordenen und der Einspruchsentscheidung zugrunde liegenden Tatsachen die Änderung gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 rechtfertigen. Denn der Ablauf der regulären Festsetzungsfrist am war ohne Bedeutung, weil durch die Anfechtung des Änderungsbescheides insoweit gemäß § 171 Abs. 3 AO 1977 a. F. eine bis heute andauernde Ablaufhemmung eingetreten ist und weil es deshalb möglich war, dass der ursprüngliche Mangel des Änderungsbescheides durch die später bekannt gewordenen Tatsachen geheilt worden ist. Für die Entscheidung, ob im Streitfall die Festsetzungsfrist abgelaufen ist, ist die bis zum In-Kraft-Treten des StBereinG 1999 gültige Fassung des § 171 Abs. 3 AO 1977 maßgebend (vgl. Art. 97 § 10 Abs. 9 des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung - EGAO 1977 -, Art. 18 Nr. 3 StBereinG 1999).

aa) Durch den Einspruch des Klägers gegen den Änderungsbescheid ist der Ablauf der Festsetzungsfrist - höchstens im Umfang der Änderung (vgl. § 351 AO 1977) - gehemmt worden. § 171 Abs. 3 Satz 1 AO 1977 a. F. bestimmt u. a., dass dann, wenn vor Ablauf der Festsetzungsfrist ein Antrag auf Steuerfestsetzung oder auf Aufhebung oder Änderung einer Steuerfestsetzung gestellt wird, die Festsetzungsfrist insoweit nicht abläuft, bevor über den Antrag unanfechtbar entschieden worden ist. Nach Satz 2 der Vorschrift steht dem Antrag nach Satz 1 die Anfechtung eines vor Ablauf der Festsetzungsfrist erlassenen Steuerbescheides (§ 169 Abs. 1 AO 1977) auch dann gleich, wenn der Rechtsbehelf nach Ablauf der Festsetzungsfrist eingelegt wird. ,,Anfechtung'' in diesem Sinne ist die Einlegung des außergerichtlichen Rechtsbehelfs und die Erhebung der Klage gegen die Steuerfestsetzung oder deren Ablehnung (vgl. Ruban in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 10. Aufl., § 171 AO 1977 Rz. 26).

Im Streitfall ist - wie bereits oben dargelegt - der Änderungsbescheid vor Ablauf der Festsetzungsfrist erlassen worden. Auch das weitere Erfordernis, dass die Ablaufhemmung durch Einlegung eines Rechtsbehelfs nur eintritt, wenn der angefochtene Bescheid wirksam ergangen ist (vgl. , BFHE 175, 323, BStBl II 1995, 39, unter Abschn. 1. a der Gründe, m. w. N.), ist erfüllt. Denn Tatsachen, die darauf hindeuten könnten, dass der Änderungsbescheid nicht wirksam geworden ist (vgl. § 124 AO 1977), sind weder festgestellt worden noch ersichtlich.

Die durch die Einlegung des Einspruchs herbeigeführte Ablaufhemmung ist auch nicht aufgrund einer späteren Aufhebung des Bescheides entfallen (vgl. dazu , BFHE 161, 398, BStBl II 1990, 942; vom VIII R 20/89, BFH/NV 1993, 576). Denn der innerhalb der regulären Festsetzungsfrist ergangene Änderungsbescheid ist im nachfolgenden Rechtsbehelfsverfahren zwar geändert, aber nicht aufgehoben worden. Die Änderung hat nicht zu einem Wegfall der Ablaufhemmung geführt. Es ist vielmehr anerkannt, dass grundsätzlich trotz Ablaufs der regulären Festsetzungsfrist aufgrund der Anfechtung des Steuerbescheides auch während des anhängigen Rechtsbehelfsverfahrens Änderungsbescheide erlassen werden können, soweit der Umfang der Hemmung reicht (vgl. , BFHE 183, 235, BStBl II 1997, 635, 638, unter Abschn. II. A. 2. c, m. w. N.). Der Änderungsbescheid tritt automatisch an die Stelle des angefochtenen Bescheides (§ 365 Abs. 3 AO 1977), und die Ablaufhemmung setzt sich an ihm fort (vgl. Ruban in Hübschmann/Hepp/Spitaler, a. a. O., § 171 AO 1977 Rz. 26). Sofern dem Einspruch nicht voll entsprochen worden ist, hat das FA auf der Grundlage des Änderungsbescheides über den Einspruch zu entscheiden (vgl. § 367 Abs. 2 Satz 3 AO 1977).

Wenn der Gesetzgeber in § 171 Abs. 3 Satz 2 AO 1977 a. F. bei Anfechtung eines Steuerbescheides für den Eintritt der Ablaufhemmung nur voraussetzt, dass der angefochtene Bescheid vor Ablauf der Festsetzungsfrist (wirksam) ergangen ist, bedeutet dies, dass im Umfang der Anfechtung die Ablaufhemmung unabhängig davon herbeigeführt wird, ob der Bescheid insoweit im Zeitpunkt seines Erlasses rechtmäßig oder rechtswidrig war. Die durch die Anfechtung bewirkte Ablaufhemmung soll dem Finanzamt gerade die Prüfung der Rechtmäßigkeit des Bescheides ermöglichen. Soweit sich im Rechtsbehelfsverfahren herausstellt, dass der Bescheid rechtswidrig ist, ist die Steuer allein aus diesem Grunde und nicht etwa wegen Eintritts der Festsetzungsverjährung herabzusetzen. Dabei ergibt sich der Umfang der Anfechtung dann, wenn die Aufhebung eines Änderungsbescheides begehrt wird, aus der Differenz zwischen der ursprünglich festgesetzten und der geänderten Steuer. Dies gilt unabhängig davon, ob die Aufhebung aus verfahrensrechtlichen oder aus materiell-rechtlichen Gründen begehrt wird.

bb) Da somit im Streitfall die Tatsachen, auf die das zwischenzeitlich zuständig gewordene FA (vgl. dazu § 367 Abs. 1 Satz 2 AO 1977) in der Einspruchsentscheidung die Änderung gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 gestützt hat, zu einem Zeitpunkt bekannt geworden sind, als insoweit noch keine Festsetzungsverjährung eingetreten war, war eine Heilung des Fehlers des ursprünglichen Änderungsbescheides durch die Einspruchsentscheidung möglich. Denn gemäß § 367 Abs. 2 Satz 1 AO 1977 hat die Finanzbehörde, die über den Einspruch entscheidet, die Sache in vollem Umfang erneut zu prüfen. Folgerichtig ist gemäß § 44 Abs. 2 FGO Gegenstand der Anfechtungsklage nach einem Vorverfahren der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch die Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf gefunden hat. Das bedeutet, dass eventuelle Fehler eines wirksamen Steuerbescheides durch die Einspruchsentscheidung geheilt werden können.

Das wortlautgemäße Verständnis der § 171 Abs. 3 Sätze 1 und 2 AO 1977 a. F., § 367 Abs. 2 Satz 1 AO 1977 und § 44 Abs. 2 FGO führt auch in dem Fall nicht zu sinnwidrigen Ergebnissen, dass zwischen dem Erlass des ursprünglichen Steuerbescheides und der Einspruchsentscheidung die reguläre Festsetzungsfrist abgelaufen ist. Der Zweck der Festsetzungsverjährung ist es, dem Rechtsfrieden unter Berücksichtigung des Umstandes zu dienen, dass die Erweisbarkeit von Ansprüchen oder auch ihre Abweisung umso schwieriger wird, je älter die Ansprüche werden (, BFHE 175, 318, BStBl II 1995, 385, unter Abschn. 2. a der Gründe, m. w. N.). Wenn der Gesetzgeber als notwendige und hinreichende Voraussetzung für den Eintritt der Ablaufhemmung nur verlangt, dass das den Rechtsfrieden störende Ereignis, nämlich der Erlass des Steuerbescheides, vor Ablauf der Festsetzungsfrist liegen muss, dann ist nicht ersichtlich, dass er damit den mit der Festsetzungsverjährung verfolgten Zweck verfehlen würde.

Zu Unrecht hat sich das FG zur Begründung seiner gegenteiligen Auffassung auf das BFH-Urteil in BFHE 161, 398, BStBl II 1990, 942 gestützt. Dieses Urteil betrifft einen anderen Sachverhalt und befasst sich damit, dass durch Anfechtung eines unwirksamen Bescheides der Lauf der Festsetzungsfrist nicht gemäß § 171 Abs. 3 AO 1977 a. F. gehemmt wird und dass diese Vorschrift nur den ursprünglich angefochtenen Verwaltungsakt erfasst, nicht aber einen nach Aufhebung des angefochtenen Bescheides ergangenen Änderungsbescheid.

Entgegen dem Einwand des Klägers ergibt sich auch keine Ungleichbehandlung im Verhältnis zu dem in § 171 Abs. 3 Satz 1 AO 1977 a. F. geregelten Fall, dass der Steuerpflichtige den Erlass eines ihn begünstigenden Verwaltungsakts begehrt. Denn auch hier ist der zulässige Rechtsbehelf der Einspruch. Deshalb hat die Behörde, die den ablehnenden Verwaltungsakt erlassen hat, gemäß § 367 Abs. 2 AO 1977 noch einmal zu prüfen, ob die Ablehnung zu Recht erfolgt ist (vgl. , BFHE 143, 112, BStBl II 1985, 303, unter Abschn. III. 3. der Gründe). Da die Festsetzungsfrist insoweit gemäß § 171 Abs. 3 Satz 1 AO 1977 a. F. nicht abläuft, bevor die Entscheidung über den Antrag unanfechtbar geworden ist, kann der Steuerpflichtige nach einer vorangegangenen Ablehnung durch die Behörde auch bei diesem Sachverhalt im anschließenden Rechtsbehelfsverfahren noch die Tatsachen vortragen, die sein Begehren rechtfertigen. Sie sind gemäß § 367 Abs. 2 Satz 1 AO 1977 ebenso zu berücksichtigen wie die nachträglich vom FA zur Untermauerung seiner Rechtsauffassung ermittelten Tatsachen.

3. Da die Vorentscheidung auf einer anderen Rechtsauffassung beruht, ist sie aufzuheben. Die Sache ist nach zutreffender Auffassung des FA nicht spruchreif und daher an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen. Das FG hat - von seinem Rechtsstandpunkt aus zu Recht - nicht geklärt, ob die dem FA im Laufe des Rechtsbehelfsverfahrens bekannt gewordenen Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, es liege eine vGA in dem in der Einspruchsentscheidung angenommenen Umfang vor.

Fundstelle(n):
BStBl 2001 II Seite 218
BB 2001 S. 561 Nr. 11
BFH/NV 2001 S. 505 Nr. 4
BFHE S. 505 Nr. 193
DB 2001 S. 1706 Nr. 32
DStRE 2001 S. 386 Nr. 7
INF 2001 S. 248 Nr. 8
RAAAA-88846