BFH Urteil v. - VII R 109/98 BStBl 2000 II S. 573

Ein Pfändungsgläubiger ist nicht berechtigt, anstelle seines Vollstreckungsschuldners und dessen Ehegatten den Antrag auf Durchführung seiner Ehegattenveranlagung zu stellen

Leitsatz

Der Pfändungsgläubiger des Anspruchs auf Erstattung von Lohnsteuer bzw. Einkommensteuer eines Ehegatten ist nicht berechtigt, anstelle seines Vollstreckungsschuldners und dessen Ehegatten beim Finanzamt den Antrag auf Durchführung einer Ehegattenzusammenveranlagung zu stellen (Anschluss an , BFHE 187, 1, BStBl II 1999, 84).

Gesetze: AO 1977 §§ 46, 150 Abs. 3EStG § 25 Abs. 3EStG § 26 Abs. 1 Satz 1EStG § 46 Abs. 2 Nr. 8 i. d. F. des StÄndG 1992

Instanzenzug: FG München (EFG 1999, 174) (Verfahrensverlauf),

Tatbestand

I.

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) - ein Kreditinstitut - hat gegen ihren Schuldner B. R. einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss betreffend die Forderungen des B. R. aus der Durchführung des (eventuell mit der Ehefrau gemeinsamen) Lohnsteuer-Jahresausgleichs für 1994 und 1995 sowie die Auszahlung des Erstattungsbetrages (- bzw. die Ansprüche auf Rückzahlung von Einkommensteuer oder Einkommensteuer-Vorauszahlungen -) gegen den Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt - FA -) und im Rahmen einer Hilfspfändung auch die Herausgabe der Lohnsteuerkarten nebst Lohnsteuerbescheinigungen des B. R. erwirkt. Unter Bezugnahme auf den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss betreffend die Forderungen des B. R. gegen das FA reichten die Prozessbevollmächtigten der Klägerin mit Vorlage der Lohnsteuerkarten des B. R. jeweils von ihnen selbst unterschriebene Einkommensteuererklärungen für B. R. und dessen Ehefrau für die Jahre 1994 und 1995 bei dem FA ein, mit denen sie die Durchführung einer Einkommensteuerveranlagung für B. R. und dessen Ehefrau nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 des Einkommensteuergesetzes (EStG) begehrten. Die Erklärung enthielt lediglich die Angaben zur Person des B. R., den Vornamen der Ehefrau und der beiden Kinder sowie für B. R. die Einkünfte aus nicht selbständiger Tätigkeit und einzelne Angaben zu den Sonderausgaben.

Nachdem das FA die Prozessbevollmächtigten der Klägerin ergebnislos zur Vorlage von Vollmachten des Steuerschuldners B. R. und dessen Ehefrau aufgefordert hatte, lehnte es die Durchführung der Einkommensteuerveranlagungen für die Eheleute für die Jahre 1994 und 1995 mit der Begründung ab, der Antrag auf Durchführung der Einkommensteuerveranlagung sei ein höchstpersönliches Gestaltungsrecht, das auch zu einer Steuernachzahlung führen könne. Es bedürfe daher der eigenhändigen Unterschrift der Steuerpflichtigen. Der Einspruch blieb erfolglos.

Der dagegen erhobenen Klage hat das Finanzgericht (FG) mit der in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1999, 174 veröffentlichten Entscheidung stattgegeben.

Mit seiner Revision wendet das FA die Verletzung von Bundesrecht (§ 46 Abs. 1 der Abgabenordnung - AO 1977 - und § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG) sowie eine Divergenz zu dem Urteil des Senats vom VII R 114/97 (BFHE 187, 1, BStBl II 1999, 84) ein.

Die Klägerin trägt im Wesentlichen vor, die Auffassung des Bundesfinanzhofs (BFH) in der Entscheidung in BFHE 187, 1, BStBl II 1999, 84, wonach mit dem Zahlungstitel und dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss lediglich die Zahlung einer Geldschuld verlangt und vollstreckt werden könne, sich aber keine Verpflichtung des Schuldners zur Antragstellung auf Durchführung der Einkommensteuerveranlagung ergebe und - sofern der Schuldner eine solche Verpflichtung hätte - diese nicht auf den Pfändungsgläubiger übergehe, sei nicht haltbar. Dass dem Pfändungsgläubiger zur Durchsetzung des gepfändeten Anspruchs die Antragstellung möglich sein müsse, ergebe sich aus § 836 Abs. 1 der Zivilprozessordnung (ZPO), der dem Pfändungsgläubiger das Recht gewähre, alle Maßnahmen zu ergreifen, die zur Realisierung des gepfändeten und überwiesenen Rechts erforderlich seien. Die entgegenstehende Verwaltungsnorm des Abschn. 149 Abs. 7 der Lohnsteuer-Richtlinien (LStR) 1993 sowie der geänderte Anwendungserlass - AO 1977 - des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom (BStBl I 1995, 666 zu § 46 Abs. 4 AO 1977), die in dem Antragsrecht ein höchstpersönliches Gestaltungsrecht des Steuerpflichtigen sehen, stünden im Widerspruch zu den vorrangigen gesetzlichen Normen der ZPO. Das Antragsrecht könne schon deshalb kein höchstpersönliches Recht des Steuerschuldners sein, weil es mit entsprechenden zivilrechtlichen höchstpersönlichen Rechten, wie z. B. dem Pflichtteilsanspruch oder dem Schmerzensgeldanspruch nicht vergleichbar sei. Wäre das Antragsrecht ein unübertragbares höchstpersönliches Recht, könnte es nicht auf die Erben übergehen. Der BFH habe aber das Recht, die Getrennt- oder Zusammenveranlagung für die Erblasser zu wählen, ausdrücklich als auf die Erben übergegangen angesehen (, BFHE 77, 754, BStBl III 1963, 597).

Außerdem sei die Frage, welche Rechtsposition ein Pfändungsgläubiger habe, nach zivilrechtlichen Grundsätzen zu beurteilen; dafür seien die Zivilgerichte und letztlich der Bundesgerichtshof (BGH) zuständig.

Gründe

II.

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Urteils der Vorinstanz und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Das FA war berechtigt, die Durchführung der von der Klägerin als Pfändungsgläubigerin nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 Satz 1 und Satz 2 EStG beantragten Einkommensteuerzusammenveranlagung des Vollstreckungsschuldners mit dessen Ehefrau zu versagen.

1. Der Senat hat mit Urteil in BFHE 187, 1, BStBl II 1999, 84 - auf dessen Inhalt zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird - entschieden, dass der Pfändungsgläubiger eines Lohnsteuererstattungsanspruchs nicht berechtigt ist, durch Abgabe einer von ihm selbst oder von seinem Bevollmächtigten für den Vollstreckungsschuldner ausgefertigten und unterschriebenen Einkommensteuererklärung für diesen die Veranlagung zur Einkommensteuer gemäß § 46 Abs. 2 Nr. 8 Satz 1 und 2 EStG zu beantragen. An dieser, zur Auslegung des § 46 AO 1977 und zum Erfordernis, die Durchführung der Einkommensteuerveranlagung nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG durch Abgabe einer vom Steuerpflichtigen eigenhändig unterschriebenen Einkommensteuererklärung zu beantragen (§ 46 Abs. 2 Nr. 8 i. V. m. § 25 Abs. 3 EStG und § 150 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 AO 1977), ergangenen Rechtsprechung hält der Senat fest, weil sich aus den diesbezüglichen gegenteiligen Ausführungen des FG und der Klägerin keine Gesichtspunkte ergeben, die eine andere Entscheidung rechtfertigen.

Ergänzend nimmt der Senat zu dem Vorbringen in diesem Verfahren wie folgt Stellung:

2. Hinsichtlich der von der Klägerin aufgeworfenen Frage nach der Entscheidungsbefugnis der Finanzgerichte verweist der Senat auf die Regelung des § 17a Abs. 5 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG), wonach das Rechtsmittelgericht die Zulässigkeit des Rechtswegs nach deren Annahme durch das FG im Rechtsmittelverfahren nicht mehr überprüfen kann (s. dazu Zöller/Gummer, Zivilprozessordnung, 21. Aufl., § 17a GVG Rz. 18). Im Hinblick darauf, dass zahlreiche Zivilgerichte bei Bejahung des Anspruchs des Vollstreckungsgläubigers auf Herausgabe der Lohnsteuerkarte bei Pfändung von Lohnsteuererstattungsansprüchen nach § 836 Abs. 3 ZPO auch die Frage der Antragsberechtigung des Pfändungsgläubigers nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG positiv entschieden haben (vgl. Beschlüsse des Landgerichts - LG - Heilbronn vom 1 b T 42/97, Der Deutsche Rechtspfleger - Rpfleger - 1997, 224; , Rpfleger 1997, 223; LG Ellwangen - Jagst - vom 1 T 47/97, Juristisches Büro 1997, 328; LG Augsburg vom 5 T 459/95, Rpfleger 1995, 372-373; offen gelassen z. B. LG Bochum vom 7 T 101/97, Monatsschrift für Deutsches Recht - MDR - 1997, 596-597), weist der Senat ferner darauf hin, dass die Finanzbehörde - anders als die Klägerin meint - an einer Entscheidung über die Berechtigung des Pfändungsgläubigers, durch von ihm bzw. seinem Bevollmächtigten ausgefertigte und unterschriebene Einkommensteuererklärungen für den Vollstreckungsschuldner und Steuerpflichtigen die Einkommensteuerveranlagung zu beantragen, nicht deshalb gehindert war, weil die Klägerin den Anspruch aufgrund einer Pfändung und Überweisung geltend macht und die Entscheidung auch die Frage berührt, ob und inwieweit sich aus der zivilrechtlichen Stellung des Pfändungsgläubigers nach §§ 829, 835 und 836 ZPO ein steuerrechtlich zu beachtendes Recht des Pfändungsgläubigers ergibt.

Damit ist der Rechtsweg zu den Finanzgerichten gegeben (§ 33 FGO). Das Gericht des zulässigen Rechtswegs entscheidet den Rechtsstreit unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten (§ 17 Abs. 2 GVG). Die Frage, ob eine Abgabenangelegenheit i. S. des § 1 AO 1977 vorliegt, und damit der Finanzrechtsweg (§ 33 Abs. 1 Nr. 1 FGO) gegeben ist, richtet sich nach dem Klagebegehren, wie es sich aus dem dem Klageantrag zugrunde liegenden Sachverhalt ergibt (Senatsurteil vom VII R 40/74; BFHE 117, 23, m. w. N.).

Die Klägerin begehrt vom FA die Durchführung der von ihr für den Vollstreckungsschuldner beantragten Einkommensteuerveranlagung mit dem Ziel der Steuerfestsetzung als Voraussetzung einer daran anschließenden Durchsetzung und Auszahlung des von ihr gepfändeten und ihr überwiesenen Anspruchs des Vollstreckungsschuldners auf Erstattung überzahlter Lohnsteuer. Damit macht sie einen öffentlich-rechtlichen Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis des Vollstreckungsschuldners i. S. des § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG i. V. m. § 37 Abs. 1 AO 1977 geltend. Dieser Anspruch hat seine Rechtsnatur nicht dadurch geändert, dass die Klägerin durch einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss des Amtsgerichts zur Einziehung der Forderung berechtigt und das FA nach den zivilrechtlichen Vorschriften der §§ 829, 835 ZPO zum Drittschuldner geworden ist. Die Pfändung und Überweisung führt nicht zu einer Änderung des Steuerschuldverhältnisses aus dem sich die gepfändete Forderung ergibt. So wird in Bezug auf dieses Steuerschuldverhältnis durch die Pfändung und Überweisung weder die Stellung des Drittschuldners verändert, noch die des Steuerpflichtigen; denn der Vollstreckungsschuldner bleibt Inhaber und damit Gläubiger der Forderung; das Schuldverhältnis bleibt mithin ein steuerrechtliches Schuldverhältnis (, BFHE 150, 392, BStBl II 1987, 802). Diese unverändert gebliebene Rechtsnatur des Steuerschuldverhältnisses ist maßgeblich für die Berechtigung der Finanzbehörden und Finanzgerichte, über das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen zur Festsetzung und Durchsetzung des gepfändeten Anspruchs auf Steuererstattung zu entscheiden. Die Rechtsnatur als öffentlich-rechtliches Schuldverhältnis zwischen dem Steuerpflichtigen und dem FA lässt sich auch nicht aufspalten in eine Rechtsfolge aus dem Abgabenrecht hinsichtlich des Bestehens des Anspruchs und in eine Rechtsfolge aus dem Zivilprozessrecht hinsichtlich des Umfangs der Berechtigung, die sich aus der Pfändung und Überweisung des Anspruchs ergibt. Der Steuererstattungsanspruch kann nur einheitlich betrachtet werden; er beurteilt sich hinsichtlich seiner Entstehung, Festsetzung, Erhebung und Vollstreckung einheitlich nach öffentlichem Recht (vgl. Urteil des Reichsgerichts - RG - vom III 180/35, Juristische Wochenschrift - JW - 1936, 2712, 2713, und Senatsurteil in BFHE 117, 23). Dem steht nicht entgegen, dass zwischen der Klägerin und dem FA durch die Pfändung und Überweisung kein Steuerschuldverhältnis entstanden und der Pfändungsgläubiger am Steuerfestsetzungsverfahren des Vollstreckungsschuldners nicht beteiligt ist (ausführlich dazu siehe Senatsurteil in BFHE 187, 1, BStBl II 1999, 84 unter II. 1. der Gründe) und dass hier eine auch den Umfang der Rechtswirkungen des § 836 Abs. 1 und Abs. 3 ZPO berührende Vorfrage, nämlich ob sich aus dieser Vorschrift die Berechtigung des Pfändungsgläubigers ergibt, zur Durchsetzung seines Anspruchs auch die Einkommensteuerveranlagung für den Vollstreckungsschuldner zu beantragen, zu entscheiden ist (vgl. dazu , BFHE 150, 396, BStBl II 1987, 863, 864).

Von der Auffassung, dass in einem Fall wie dem vorliegenden der Finanzrechtsweg gegeben ist und die Finanzbehörden bzw. -gerichte berechtigt sind, über die vorgreifliche Frage der Rechtsposition des Pfändungsgläubigers im Erstattungsverfahren des Vollstreckungsschuldners zu entscheiden, ist auch der VI. Senat des BFH ausgegangen, als er, ohne dies zu vertiefen, die Zulässigkeit des Finanzrechtswegs bejahte für die Klage des Pfändungsgläubigers, dem ein Lohnsteuererstattungsanspruch gegen das FA als Drittschuldner zur Einziehung überwiesen worden war, mit dem Ziel, das FA zu verpflichten, den Lohnsteuer-Jahresausgleich zur Festsetzung der Erstattung durchzuführen (, BFHE 110, 26, BStBl II 1973, 784, und vom VI R 118/88, BFHE 166, 248, BStBl II 1992, 326).

3. Der Senat folgt dem FG nicht in der Annahme einer Gesetzeskonkurrenz zwischen der zivilprozessualen Vollstreckungsvorschrift des § 836 Abs. 1 ZPO, wonach die Überweisung des gepfändeten Anspruchs die förmlichen Erklärungen des Schuldners ersetzt, von denen nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts die Berechtigung zur Einziehung der Forderung abhängig ist, und dem öffentlich-rechtlichen Erfordernis, die Durchführung einer Einkommensteuerveranlagung nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG durch Abgabe einer vom Steuerpflichtigen eigenhändig unterschriebenen Einkommensteuererklärung i. S. des § 25 Abs. 3 EStG i. V. m. § 150 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 AO 1977 zu beantragen. Bereits der Wortlaut des § 836 Abs. 1 ZPO beschränkt die die Willenserklärungen des Vollstreckungsschuldners ersetzende Wirkung der Überweisung einer Forderung ausdrücklich auf die nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts zur Durchsetzung des Anspruchs notwendigen Erklärungen. Für die nach den Steuergesetzen zur Festsetzung und Durchsetzung des Anspruchs notwendigen Handlungen und Erklärungen ergibt sich aus dieser Vorschrift nichts. Dass auch Letztere durch die Pfändung und Überweisung der Forderung ersetzt sein sollen mit der Folge, dass nicht mehr der Vollstreckungsschuldner, sondern der Pfändungsgläubiger die notwendigen Rechtshandlungen zur Festsetzung des Anspruchs vornehmen kann, lässt sich aus § 836 Abs. 1 ZPO nicht entnehmen. Auch § 836 Abs. 3 ZPO gewährt lediglich das Recht, die Forderung betreffende Auskünfte und die Herausgabe von Unterlagen zu verlangen. Danach sind für das zur Feststellung des Bestehens und der Höhe des gepfändeten Erstattungsanspruchs durchzuführende Steuerfestsetzungsverfahren die speziellen Regelungen der Steuergesetze allein maßgeblich.

4. Die Steuergesetze erfordern, wie in BFHE 187, 1, BStBl II 1999, 84 ausgeführt, für die Durchführung einer Antragsveranlagung nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG die Abgabe einer vom Steuerpflichtigen eigenhändig unterschriebenen Einkommensteuererklärung (§ 25 Abs. 3 EStG). Dieses Erfordernis der Abgabe einer vom Steuerpflichtigen eigenhändig unterschriebenen Einkommensteuererklärung erfährt seine besondere Ausgestaltung als höchstpersönlich auszuübendes steuerrechtliches Gestaltungsrecht und gleichzeitig vom Steuerpflichtigen höchstpersönlich zu erfüllende Verpflichtung durch § 150 Abs. 3 Satz 1 AO 1977, der als Spezialnorm die Unterschriftsvorschriften in den Einzelsteuergesetzen dahin modifiziert, dass eine Ersetzung der Unterschrift durch einen Bevollmächtigten nur unter den engen Voraussetzungen körperlicher oder geistiger Verhinderung oder längerer Abwesenheit zugelassen ist (vgl. dazu , BFHE 184, 381, BStBl II 1998, 54). Es handelt sich um eine auf den Besonderheiten des Steuerschuldverhältnisses beruhende gesetzliche Ausgestaltung der Rechte und Pflichten des Steuerschuldners, die mit höchstpersönlichen Rechten des Zivilrechts - entgegen der Auffassung der Klägerin - weder identisch, noch vergleichbar ist. Die steuerrechtlichen Unterschriftserfordernisse finden ihre Rechtfertigung allein in den öffentlich-rechtlichen Spezialvorschriften der Steuergesetze und deren Zweck, dem Steuerpflichtigen die Verantwortung für die Richtigkeit der der Steuererklärung zugrunde liegenden Tatsachen und Wissenserklärungen aufzuerlegen (vgl. Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 150 AO 1977 Rz. 19), aber auch den Steuerpflichtigen vor Erklärungen zu schützen, die er so nicht abgeben wollte.

§ 150 Abs. 3 Satz 1 AO 1977 enthält eine abschließende Regelung der Ausnahmetatbestände, die die Ersetzung der eigenhändigen Unterschrift erlauben. Eine Erweiterung dieses Ausnahmekataloges um den Fall, dass ein Pfändungsgläubiger anstelle des Steuerschuldners den Antrag auf Einkommensteuerveranlagung durch Abgabe der Einkommensteuererklärung stellt, ist sowohl der Verwaltung wie den Gerichten verwehrt; sie wäre allein dem Gesetzgeber vorbehalten.

Das Erfordernis der Antragstellung nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG durch Abgabe vom Steuerschuldner eigenhändig unterschriebener Steuererklärungen beruht auf den Regelungen in den Steuergesetzen und ist nicht, wie die Klägerin meint, durch die Verwaltungsvorschriften des Abschn. 149 Abs. 7 LStR 1993 und des geänderten Anwendungserlasses - AO 1977 - des BMF in BStBl I 1995, 666 zu § 46 Abs. 4 AO 1977 begründet. Fehl geht auch der Einwand, die genannten Verwaltungsvorschriften bewirkten eine unzulässige Beschränkung der gesetzlichen Regelungen des § 836 ZPO. Die zur Ausführung des § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG und § 46 AO 1977 ergangenen Verwaltungsvorschriften berühren den Regelungsgehalt des § 836 ZPO nicht.

5. Die Bedeutung des Erfordernisses vom Steuerpflichtigen eigenhändig unterschriebener Einkommensteuererklärungen macht der Streitfall besonders deutlich, weil hier der Pfändungsgläubiger nicht nur die Einkommensteuerveranlagung für den Vollstreckungsschuldner, sondern zugleich die Zusammenveranlagung mit der von dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss überhaupt nicht betroffenen Ehefrau des Vollstreckungsschuldners durch Abgabe einer von seinem Bevollmächtigten unterschriebenen gemeinsamen Einkommensteuererklärung für die Ehegatten begehrt. Ehegatten haben für den Fall der Zusammenveranlagung (§ 26b EStG) eine gemeinsame Steuererklärung abzugeben, die von beiden Ehegatten unterschrieben werden muss (§ 25 Abs. 3 Satz 5 EStG). Sie werden getrennt veranlagt, wenn einer der Ehegatten die getrennte Veranlagung wählt (§ 26 Abs. 2 Satz 1 EStG). Diese Rechtsposition der Steuerpflichtigen im Festsetzungsverfahren ist - unabhängig vom Erfordernis der eigenhändig unterschriebenen Steuererklärung - nicht übertragbar (ständige BFH-Rechtsprechung, vgl. die Nachweise bei Boeker in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung zu § 46 AO 1977 Rz. 71, 114, und z. B. Senatsurteil vom VII R 103/88, BFHE 160, 128, BStBl II 1990, 520). Dass das Ehegattenwahlrecht - wie die Klägerin einwendet - nach dem Tode eines Ehegatten auf die Erben übergeht (BFH-Urteil in BFHE 77, 754 BStBl III 1963, 597), beruht darauf, dass die Erben als Gesamtrechtsnachfolger (§ 1922 des Bürgerlichen Gesetzbuchs - BGB -) in die gesamte Rechtsposition des Erblassers eintreten (§ 45 AO 1977; Klein/Brockmeyer, Abgabenordnung 6. Aufl., § 45 Rz. 1, Rz. 3). Zu den der Klägerin durch den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss übertragenen Rechten gehört die im Festsetzungsverfahren des Vollstreckungsschuldners zu treffende Entscheidung über die getrennte oder Zusammenveranlagung der Eheleute ebenso wenig (Senatsbeschluss vom VII B 259/95, BFH/NV 1996, 453, 454) wie die Ersetzung der Unterschrift des nicht betroffenen Ehegatten.

6. Der Senat teilt die Befürchtung der Vorinstanz und der Klägerin nicht, dass gepfändete Erstattungsansprüche i. S. des § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG u. U. nie realisiert würden, wenn dem Pfändungsgläubiger das Recht zur Antragstellung aberkannt werde. Es spricht sehr viel mehr für das Interesse des Vollstreckungsschuldners an einer von ihm selbst durch Erklärungsabgabe und Vorlage der notwendigen Unterlagen veranlassten Veranlagung zu Erstattungszwecken; insbesondere wenn - wie häufig - der zu erwartende Erstattungsbetrag den gepfändeten Betrag übersteigt, wenn wie hier der Ehegatte mitbetroffen ist und ggf. eigene Erstattungsbeträge zu erwarten hätte, wenn der Vollstreckungsschuldner dadurch ein weiteres Anwachsen von Vollstreckungskosten (z. B. wie hier für die Abgabe der Steuererklärungen durch den Bevollmächtigten des Pfändungsgläubigers etc.) vermeiden und eine (teilweise) Schuldentilgung bewirken kann. Ist der Vollstreckungsschuldner trotz alledem der Auffassung, dass er angesichts des ihn treffenden Aufwands und im Hinblick auf das voraussichtliche Ergebnis der möglichen Steuererstattung von der Abgabe der Einkommensteuererklärung absehen will, hat der Vollstreckungsgläubiger dies als die freie Entscheidung des Steuerbürgers hinzunehmen. Eine Steuerungerechtigkeit, wie die Klägerin meint, liegt darin nicht.

7. Der von der Klägerin erhobene Einwand, dass gegen die Staatskasse gerichtete gepfändete Forderungen nicht schlechter behandelt werden dürfen als solche gegen Private, d. h. der Staat als Drittschuldner nicht besser gestellt werden dürfe als private Drittschuldner, verkennt, dass auch nach den zivilrechtlichen Vorschriften der Drittschuldner nur verpflichtet ist, eine bestehende und fällige Forderung an den Vollstreckungsgläubiger auszuzahlen; dem entspricht in gleicher Weise die Verpflichtung der Finanzbehörde, der Höhe und der Berechtigung nach festgestellte Erstattungsansprüche an den Pfändungsgläubiger auszukehren.

8. Ob und in welcher Weise der Pfändungsgläubiger den Vollstreckungsschuldner nach zivilrechtlichen Vorschriften verpflichten (lassen) könnte, den Antrag auf Veranlagung hinsichtlich eines noch nicht festgesetzten Steuererstattungsanspruches zu stellen, hat der Senat - entgegen der Auffassung der Klägerin - weder im Urteil in BFHE 187, 1, BStBl II 1999, 84 entschieden noch in diesem Verfahren zu entscheiden (zum Meinungsstand über die Anwendbarkeit des § 888 ZPO vgl. Riedel in Rpfleger 1999, 339; Schmidt in Juristisches Büro 1999, 403, und Urban in Deutsche Gerichtsvollzieher Zeitung 1999, 104).

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Verwaltungsanweisungen:

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:





Fundstelle(n):
BStBl 2000 II Seite 573
BB 2000 S. 1079 Nr. 21
BFH/NV 2000 S. 901 Nr. 7
DStR 2000 S. 874 Nr. 20
DStRE 2000 S. 586 Nr. 11
UAAAA-88751