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Vorbehalt der Nachprüfung
I. Definition des Vorbehalts der Nachprüfung
Steuern können unter dem Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt werden, solange der Steuerfall nicht abschließend geprüft ist. Solange der Vorbehalt der Nachprüfung wirksam ist, bleibt der gesamte Steuerfall „offen“, die Steuerfestsetzung kann jederzeit (unabhängig von einem Rechtsbehelfsverfahren) uneingeschränkt zugunsten wie zuungunsten des Steuerpflichtigen, aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen, geändert werden. Die Grundsätze des Vertrauensschutzes (§ 176 AO) sind aber zu beachten. Ein aus dem Grundsatz von Treu und Glauben abgeleiteter Vertrauensschutz wird i.d.R. allerdings nicht bestehen. Die Änderung kann vom Steuerpflichtigen beantragt werden.
Die abweichende Festsetzung von Steuern aus Billigkeitsgründen (§ 163 AO) kann nicht unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergehen (AEAO zu § 164 Nr. 9).
Eine Begründung dafür, dass die Festsetzung unter Vorbehalt erfolgt, ist nicht erforderlich. Der Vorbehalt der Nachprüfung erfasst die Festsetzung insgesamt; eine Beschränkung auf einzelne Besteuerungsgrundlagen ist nicht möglich (AEAO zu § 164).
Der Vorbehalt der Nachprüfung ist auch zulässig bei den Steuerbescheiden gleichgestellten Bescheiden, z.B. Feststellungsbescheiden, Steuermessbescheiden oder Zinsbescheiden (AEAO zu § 164 Nr. 2).
Während Steuerbescheide (und gleichgestellte Bescheide) nach Ermessen des Finanzamtes unter Vorbehalt der Nachprüfung ergehen können, stehen Vorauszahlungsbescheide und Steuerfestsetzungen durch Steueranmeldungen auch ohne ausdrücklichen Vermerk kraft Gesetzes stets unter Vorbehalt der Nachprüfung.
Das Finanzamt kann den Vorbehalt der Nachprüfung von Amts wegen oder auf Antrag jederzeit aufheben. Nach einer Außenprüfung ist der Vorbehalt der Nachprüfung zwingend aufzuheben. Der Vorbehalt für Vorauszahlungen kann allerdings nicht aufgehoben werden.
Wird der Vorbehalt der Nachprüfung nicht ausdrücklich aufgehoben, entfällt dieser mit Ablauf der allgemeinen Festsetzungsfrist; teilweise können auch Ablaufhemmungen zum Tragen kommen. Die Verlängerung der Festsetzungsfrist für hinterzogene oder leichtfertig verkürzte Steuern verlängert allerdings nicht die Wirksamkeit des Vorbehalts.
II. Voraussetzungen
1. Vorbehalt nach § 164 Abs. 1 Satz 1 AO
Einzige Voraussetzung ist, dass der Steuerfall nicht abschließend geprüft ist.
Prüfung in diesem Sinne ist nicht nur die Außenprüfung (§§ 193 ff. AO), sondern jede Prüfung hinsichtlich des Sachverhalts oder hinsichtlich der rechtlichen Würdigung, z.B. amtsintern im Veranlagungsverfahren, wenn mit dem Steuerbescheid noch Unterlagen oder Auskünfte angefordert werden .
Eine abschließende Prüfung muss nicht bereits geplant sein oder gar tatsächlich stattfinden; anders nur, wenn im Zeitpunkt der Festsetzung bereits feststeht, dass eine abschließende Prüfung nicht mehr stattfinden wird.
Eine vorläufige, auf einzelne Punkte beschränkte Nachprüfung des steuererheblichen Sachverhalts steht einer Vorbehaltsfestsetzung nicht entgegen; Abweichung von der Steuererklärung ist auch bei einer Veranlagung unter Nachprüfungsvorbehalt zulässig.
Eine Außenprüfung stellt grundsätzlich eine abschließende Prüfung dar; sofern sie sich nicht auf einzelne Teilbereiche, z.B. bei Umsatzsteuer-Sonderprüfungen, beschränkt ist. Eine etwaige Beschränkung ergibt sich aus dem Inhalt der Prüfungsanordnung.
Die Überprüfung im Einspruchsverfahren (§ 367 Abs. 2 Satz 1 AO) stellt grundsätzlich keine abschließende Prüfung dar, ebenso nicht eine Überprüfung im finanzgerichtlichen Verfahren (AEAO zu § 367).
Soweit eine abschließende Prüfung noch nicht stattgefunden hat, kann der Vorbehaltsvermerk im Einspruchsverfahren auch erstmals nach Verböserungshinweis (§ 367 Abs. 2 Satz 2 AO) in die Steuerfestsetzung aufgenommen werden (AEAO zu § 367).
Der Bescheid kann auch mit Zustimmung des Steuerpflichtigen (§ 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO) erstmals unter Nachprüfungsvorbehalt gestellt werden (AEAO zu § 367).
Eine Vorbehaltsfestsetzung ist auch bei Schätzungen (§ 162 AO, AEAO zu § 162) zulässig. Die Finanzämter sollen grundsätzlich unter Nachprüfungsvorbehalt schätzen, wenn zu erwarten ist, dass der Steuerpflichtige die Steuererklärung nachreicht. Diese Voraussetzung ist immer dann als erfüllt anzusehen, wenn
die Besteuerungsgrundlagen erstmals wegen Nichtabgabe der Steuererklärung geschätzt werden oder
der Steuerpflichtige sich in der Vergangenheit zwar ständig hat schätzen lassen, die Steuererklärung aber regelmäßig nach Ergehen des Schätzungsbescheides, ggf. auch erst im Klageverfahren, nachgereicht worden ist.