BFH Beschluss v. - XI S 21/02

Gewerblicher Grundstückshandel bei Veräußerung von weniger als vier Objekten

Gesetze: EStG § 15 Abs. 2

Gründe

I. Die Antragsteller sind miteinander verheiratet und wurden in den Streitjahren 1993 und 1994 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Sie erzielten als Arbeiter bzw. als Verkäuferin Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit.

Im Jahr 1991 erwarben die Antragsteller zusammen mit der Mutter der Antragstellerin ein unbebautes Grundstück in der A-Straße und bebauten es mit zwei Doppelhaushälften; die Antragsteller bezogen die eine, die Mutter der Antragstellerin die andere Hälfte.

Im Zuge von Veräußerungsüberlegungen wurden auch in die Haushälfte der Mutter Versorgungsanschlüsse gelegt. Nachdem ein Teilungsantrag gestellt worden war, veräußerten die Antragsteller zusammen mit der Mutter die beiden Grundstückshälften durch Vertrag vom . Die Antragsteller nutzten das Haus noch bis zum ; danach zogen sie in das neu errichtete Wohnhaus B-Straße.

Daneben erwarben und veräußerten die Antragsteller in den Jahren 1993 und 1994 noch jeweils drei Immobilien, die sie mit Ausnahme einer Eigentumswohnung entsprechend den Vereinbarungen in den Veräußerungsverträgen bebauten. Im Einzelnen handelte es sich um folgende Geschäfte:

1. Antragsteller


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Objekt
Anschaffung
a) Bebauung b) Baubeginn
Veräußerung am a) Vertrag b) Übergang
DM
Selbst- nutzung
A-Straße (1/2 DHH)
; unbebaut
a) ja
a) b)
½ von 340 000
-
C-Straße 2 DHH
; unbebaut
a) ja b) nach Vertrag Abschluss
a) 4.6. u. b)
267 500; 270 000
nein
D-Straße 1 DHH
; unbebaut
a) ja b) nach Vertrag Abschluss
a) b)
287 000
nein

2. Antragstellerin


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Objekt
Anschaffung
a) Bebauung b) Baubeginn
Veräußerung am a) Vertrag b) Übergang
DM
Selbst- nutzung
A-Straße (1/2 DHH)
; unbebaut
a) ja
a) b)
½ von 340 000
-
C-Straße nach Teilung 3 Wohneinheiten
; unbebaut
a) ja b) nach Vertrag Abschluss
a) 25.7., 25.7. u. b) 22.12., 22.12. u.
208 400; 199 700; 225 800
nein

Durch Gesellschaftsvertrag vom errichteten die Antragsteller die ”X Bau GmbH”. Gegenstand des Unternehmens war die Ausführung von Bauleistungen als Bauträger, die Erstellung von Gebäuden und der An- und Verkauf von Grundstücken.

Der Antragsgegner (das Finanzamt —FA—) war der Auffassung, dass die Antragsteller gewerblich gehandelt hätten. Als Beginn des gewerblichen Grundstückshandels sah das FA den Erwerb des Grundstücks A-Straße an (). Mangels vollständiger Gewinnermittlungen schätzte das FA die gewerblichen Gewinne der Antragsteller. Der nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage gab das Finanzgericht (FG) statt; die Grundstücksgeschäfte seien als private Vermögensverwaltung zu beurteilen. Die sog. Drei-Objekt-Grenze indiziere die private Vermögensverwaltung. Selbstgenutzte Objekte seien nicht mitzuzählen. Besondere Umstände, die trotz des Unterschreitens der Drei-Objekt-Grenze zur Gewerblichkeit führten, seien nicht erkennbar. Die spätere Gründung der X-Bau-GmbH sei ohne Bedeutung.

Mit ihrem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (AdV) machen die Antragsteller nach Revisionseinlegung durch das FA geltend:

1. Den Antragstellern sei mehrfach vom FA mitgeteilt worden, dass jeder bis zu drei Grundstücke erwerben und wieder veräußern dürfe, ohne zum gewerblichen Grundstückshändler zu werden. Die Antragsteller hätten sich mehrfach beim FA erkundigt, wo die Grenze zum gewerblichen Grundstückshandel verlaufe. Das FA habe ihnen die Auskunft gegeben, dass sie nicht zum gewerblichen Grundstückshändler würden, soweit sie jeder maximal drei Grundstücke verkaufen würden.

2. Bei Erstellung der Doppelhaushälften habe der Antragsteller die Statik und die Bauzeichnungen genutzt, die bereits für seine eigene Doppelhaushälfte verwandt worden seien.

3. Beim Erwerb der Grundstücke C-Straße und D-Straße hätten sich die Antragsteller noch keine Gedanken gemacht, ob sie die zu errichtenden Gebäude vermieten oder verkaufen würden.

4. Bei Abschluss der Kaufverträge sei bereits mit dem Bau begonnen gewesen. Die Käufer der Eigentumswohnungen und Doppelhaushälften hätten die Objekte nur so erwerben können, wie sie ihnen angeboten worden seien. Die Käufer hätten keinen Einfluss auf die Bauausführung genommen.

5. Nach Auffassung des Großen Senats des Bundesfinanzhofs (BFH) könnte zwar in extremen Ausnahmefällen auch bei einem Verkauf von weniger als vier Objekten ein gewerblicher Grundstückshandel vorliegen. Keiner der vom BFH benannten Fälle (Veräußerung vor Baubeginn; Bebauung auf Rechnung oder nach den Wünschen des Erwerbers; Erbringung der Bauleistungen durch eigenes Bauunternehmen) sei aber gegeben.

6. Sollte der Senat die Auffassung vertreten, dass hier ein Ausnahmefall im Sinne des Beschlusses des Großen Senats des BFH vorliege, stünde § 176 Abs. 1 Nr. 3 der Abgabenordnung (AO 1977) einer Änderung der Bescheide entgegen.

7. Nach dem Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom (BStBl I 2003, 171) seien die Grundsätze des Beschlusses des Großen Senats des BFH erst auf Veräußerungen anzuwenden, die nach dem stattgefunden hätten.

Die Antragsteller beantragen,

die Vollziehung der Einkommensteuerbescheide 1993 und 1994 in Höhe von ... DM bzw. ... DM auszusetzen.

Das FA beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Es lägen hier besondere Umstände vor. Mit den Bauarbeiten sei jeweils erst nach bzw. bei Abschluss der Kaufverträge begonnen worden. Die Verträge enthielten detaillierte Beschreibungen der zu erstellenden Objekte. Es hätten Sonderwünsche in Auftrag gegeben werden können. Der Kaufpreis sei in Teilbeträgen nach Baufortschritt fällig geworden.

Die spätere Gründung der GmbH bestätigte, dass von Beginn an eine intensive Marktorientierung bestanden habe; die Antragsteller seien als Produzent auf dem Baumarkt tätig geworden.

Die Rechtsauffassung werde durch das (BFHE 199, 551, BStBl II 2002, 811) gestützt. Das FG habe verkannt, dass die ”besonderen Umstände”, nämlich die Veräußerung vor Bebauung unstreitig gegeben seien. Wenn der Steuerpflichtige bereits vor der Errichtung einen Veräußerungsvertrag abschließe, scheide eine ”Fruchtziehung aus zu erhaltenden Substanzwerten” aus. Die Aussage der Antragsteller, sie hätten sich bei Erwerb der Grundstücke noch keine Gedanken gemacht, diese zu vermieten oder zu veräußern, belege, dass sie zumindest von Anfang an eine bedingte Veräußerungsabsicht gehabt hätten.

Wegen Einkommensteuer 1996 haben die Antragsteller ihren Antrag zurückgenommen; das Verfahren wurde insoweit gemäß §§ 73 Abs. 1, 121 der Finanzgerichtsordnung (FGO) abgetrennt.

II. Der Antrag hat keinen Erfolg.

1. Gemäß § 69 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 FGO soll ein Steuerbescheid von der Vollziehung ausgesetzt werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

Ernstliche Zweifel in diesem Sinne liegen nach ständiger Rechtsprechung des BFH vor, wenn —bei summarischer Betrachtung— neben den für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Gründe zutage treten, die Unsicherheit oder Unentschiedenheit in der Beurteilung von Rechts- oder Unklarheiten in der Beurteilung von Tatfragen bewirken (weitere Nachweise bei Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., 2002, § 69 Rz. 86 f.).

2. Im Streitfall bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide. Das FA hat die Veräußerung der jeweils drei Objekte zutreffend als gemäß § 15 des Einkommensteuergesetzes (EStG) gewerblichen Grundstückshandel jedes Antragstellers beurteilt.

a) Bei der Abgrenzung zwischen Gewerbebetrieb einerseits und der nichtsteuerbaren Sphäre sowie den anderen Einkunftsarten (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1, 3 bis 7 EStG) andererseits ist auf das Gesamtbild der Verhältnisse und auf die Verkehrsanschauung abzustellen (, BFHE 197, 240, BStBl II 2002, 291, unter C. II.). Die Grenze von der privaten Vermögensverwaltung zum Gewerbebetrieb wird überschritten, wenn nach dem Gesamtbild der Betätigung und unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung die Ausnutzung substantieller Vermögenswerte durch Umschichtung gegenüber der Nutzung von Grundbesitz im Sinne einer Fruchtziehung aus zu erhaltenden Substanzwerten (z.B. durch Selbstnutzung oder Vermietung) entscheidend in den Vordergrund tritt. Zur Konkretisierung dieser Unterscheidung hat der BFH die sog. Drei-Objekt-Grenze eingeführt. Sie besagt, dass kein gewerblicher Grundstückshandel vorliegt, sofern weniger als vier Objekte veräußert werden. Je geringer der Umfang von Anschaffungen und Veräußerungen sei, desto weniger sei anzunehmen, dass der Zweck der Vermögensvermehrung durch Umschichtung (Ausnutzung substantieller Vermögenswerte) im Vordergrund stehe. Eine zahlenmäßige Begrenzung auf drei Wohneinheiten trage der gebotenen Vereinfachung Rechnung. Werden hingegen innerhalb eines engen zeitlichen Zusammenhangs —in der Regel fünf Jahre— zwischen Anschaffung bzw. Errichtung und Verkauf mindestens vier Objekte veräußert, könne von einem gewerblichen Grundstückshandel ausgegangen werden, weil die äußeren Umstände den Schluss zuließen, dass es dem Steuerpflichtigen auf die Ausnutzung substantieller Vermögenswerte durch Umschichtung ankomme (, BFH/NV 2002, 1586).

b) Der Große Senat des BFH hat in seinem Beschluss in BFHE 197, 240, BStBl II 2002, 291 jedoch betont, dass der Drei-Objekt-Grenze nur eine indizielle Bedeutung zukomme und auch bei einer Veräußerung von weniger als vier Objekten besondere Umstände auf eine gewerbliche Betätigung schließen lassen könnten. So könne beispielsweise auf eine gewerbliche Betätigung geschlossen werden, wenn das im zeitlichen Zusammenhang mit der Bebauung und Veräußerung (ggf. auch durch Schenkung) erworbene Grundstück schon vor seiner Bebauung verkauft worden sei oder wenn ein solches Grundstück von vornherein auf Rechnung und nach Wünschen des Erwerbers bebaut werde (unter C. III. 5.).

c) Zwar haben die Antragsteller die Drei-Objekt-Grenze nicht überschritten, weil sie nur jeweils drei Objekte veräußert haben. Aber es liegt der vom Großen Senat des BFH anerkannte Ausnahmefall vor, dass auch bei einer Veräußerung von weniger als vier Objekten auf eine gewerbliche Tätigkeit zu schließen ist, wenn das Grundstück bereits vor seiner Bebauung verkauft wird (vgl. BFH-Beschluss in BFHE 197, 240, BStBl II 2002, 291, unter C. III. 5.). Die Errichtung der einzelnen Objekte auf den verkauften Grundstücken indiziert ebenso wie die Errichtung von Gebäuden auf fremden Grundstücken die Gewerblichkeit. Die Möglichkeit, dass diese Objekte für Zwecke der eigenen Vermögensverwaltung hergestellt worden sind, scheidet demnach aus.

Im Streitfall haben —nach den Feststellungen des FG— der Antragsteller bei drei und die Antragstellerin bei zwei Objekten erst nach Vertragsabschluss mit dem Bau begonnen. Das dritte Objekt der Antragstellerin wurde kurz vor Fertigstellung im Dezember 1994 veräußert. In jedem Fall waren die Objekte bei Vertragsabschluss noch nicht fertiggestellt. Der Senat ist gemäß § 118 Abs. 2 FGO an die tatsächlichen Feststellungen des FG gebunden und kann nicht berücksichtigen, dass die Antragsteller den Sachverhalt im Revisionsverfahren teilweise etwas anders darstellen, als es den vom FG getroffenen Feststellungen entspricht.

3. § 176 Abs. 1 Nr. 3 AO 1977 ist nicht zugunsten der Antragsteller anwendbar. § 176 Abs. 1 AO 1977 setzt voraus, dass die Änderung des Steuerbescheides mit einer anderweitigen rechtlichen Subsumtion einhergeht (Kruse/Loose in Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, Stand Juli 2001, § 176 AO 1977 Tz. 2). Das FA hat die angefochtenen Bescheide indes nicht im Hinblick auf eine (vermeintliche) Änderung der Rechtsprechung geändert, sondern war von vornherein der Auffassung, dass ein gewerblicher Grundstückshandel gegeben sei.

4. Ebenso können die Antragsteller nicht mit Erfolg geltend machen, dass ihnen das FA eine bestimmte Sachbehandlung zugesagt hat. Eine Zusage in diesem Sinn ist nur dann gegeben, wenn sich das FA in einem konkreten Fall nachdrücklich und bewusst auf eine bestimmte Sachbehandlung festlegen will (vgl. Kruse/Drüen in Tipke/Kruse, a.a.O., Stand Oktober 2001, § 4 AO 1977 Tz. 138 ff.). Hierfür bestehen nach dem Vortrag der Antragsteller keine Anhaltspunkte.

5. Die Antragsteller können sich in diesem Verfahren nicht mit Erfolg auf das angeführte BMF-Schreiben in BStBl I 2003, 171 berufen. Auf Billigkeitsgründen beruhende Übergangsregelungen der Finanzverwaltung über die Anwendung von BFH-Rechtsprechung können nicht im Anfechtungsverfahren gegen Steuerbescheide berücksichtigt werden (vgl. BFH-Beschlüsse vom IX B 208/89, BFH/NV 1992, 464; vom IX R 75/01, BFH/NV 2003, 15; , BFHE 163, 478, BStBl II 1991, 610; vom XI R 81/93, BFHE 178, 4, BStBl II 1995, 754).

6. Die Vollziehung kann schließlich auch nicht zur Vermeidung einer unbilligen Härte ausgesetzt werden. Vertretbar ist in diesen Fällen eine AdV nur, wenn Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide bestehen (Gräber/Koch, a.a.O., § 69 Rz. 107). Das ist aus den dargelegten Gründen nicht der Fall.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:



Fundstelle(n):
BFH/NV 2003 S. 1555
BFH/NV 2003 S. 1555 Nr. 12
QAAAA-88051