BVerwG Urteil v. - 9 C 5/20

Grundwasserentnahmeentgelt für Grubenwasserhaltung

Leitsatz

Die Erlaubnis zur Grundwasserentnahme vermittelt einen durch die Erhebung eines Wasserentnahmeentgelts abschöpfbaren Sondervorteil auch dann, wenn die Hebung von Grubenwasser aufgrund eines zugelassenen Hauptbetriebsplans nach dem Ende der aktiven Steinkohleförderung fortgeführt wird.

Gesetze: Art 2 Abs 1 GG, Art 20 Abs 3 GG, Art 3 Abs 1 GG, Art 104aff GG, Art 104a GG, § 4 Abs 2 BBergG, § 4 Abs 8 BBergG, § 52 Abs 1 BBergG, § 53 Abs 1 BBergG, § 54 Abs 1 BBergG, § 55 Abs 2 BBergG, § 69 Abs 2 BBergG, §§ 1ff GrdWasEntgG SL, § 1 GrdWasEntgG SL, § 19a WasG SL 2004

Instanzenzug: Oberverwaltungsgericht des Saarlandes Az: 1 A 785/17 Urteilvorgehend Verwaltungsgericht des Saarlandes Az: 5 K 814/15 Urteil

Tatbestand

1Die Klägerin unterhält einen Bergbaubetrieb. Sie wendet sich gegen die Festsetzung eines Grundwasserentnahmeentgelts für die Hebung von Grubenwasser.

2Die Klägerin förderte bis Ende Juni 2012 Steinkohle im Saarland und entrichtete für die Grubenwasserhaltung seit 2008 ein jährliches Entgelt nach dem Saarländischen Grundwasserentnahmeentgeltgesetz (im Folgenden: GwEEG). Auch nach Beendigung der aktiven Abbautätigkeit führte die Klägerin die Grubenwasserhaltung an fünf Standorten auf der Grundlage zugelassener Hauptbetriebspläne fort; hierzu verfügte sie über die erforderlichen wasserrechtlichen Erlaubnisse. Das Wasser wurde wie zur Zeit des aktiven Kohleabbaus von der Grube nach über Tage gepumpt oder gehoben und sodann größtenteils ohne Nutzung in Oberflächengewässer geleitet.

3Mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom setzte der Beklagte für das Veranlagungsjahr 2014 ein Entgelt in Höhe von 490 966,14 € für die Hebung von Grubenwasser an den fünf Wasserhaltungsstandorten fest. Die Klägerin erhob gegen den Festsetzungsbescheid nach erfolglosem Widerspruchsverfahren Klage mit der Begründung, dass die Grubenwasserhaltung nach dem Ende des aktiven Steinkohlebergbaus für sie keinen betrieblichen Nutzen mehr habe. Die Grubenwasserhaltung erfolge nunmehr ausschließlich im Gemeinwohlinteresse und verschaffe ihr keinen Sondervorteil. Im Übrigen könnte die Wasserhaltung, wenn sie nicht freiwillig durchgeführt würde, sicherheitsbehördlich angeordnet werden, was eine Entgeltfreiheit zur Folge hätte. Das Verwaltungsgericht wies die Klage mit Urteil vom ab und ließ die Berufung gegen sein Urteil zu.

4Mit Urteil vom hob das Oberverwaltungsgericht den Festsetzungsbescheid auf. Zur Begründung stützte es sich auf zwei Erwägungen: Der an sich erfüllte Entgelttatbestand des § 1 Abs. 1 GwEEG bedürfe einer verfassungskonformen Auslegung dahingehend, dass sich aus der Benutzung des Grundwassers - als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal - ein werthaltiger Sondervorteil im Sinne eines wirtschaftlichen Vorteils ergeben müsse. Diese Voraussetzung sei im Erhebungsjahr 2014 nicht erfüllt; vielmehr stelle die Hebung und Ableitung des Grubenwassers einen Nachteil dar, dem sich die Klägerin nicht entziehen könne. Ungeachtet dessen greife zugunsten der Klägerin der Ausnahmetatbestand des § 1 Abs. 2 Nr. 1 GwEEG in analoger Anwendung ein. Zwar liege eine behördliche Anordnung zur Fortführung der Grubenwasserhaltung nicht vor. Die Klägerin sei aber auf der Grundlage bergrechtlicher Bestimmungen aus Gründen des Gemeinwohls bzw. der vorbeugenden Gefahrenabwehr zur Fortführung der Grubenwasserhaltung verpflichtet, solange ein Abschlussbetriebsplan nicht aufgestellt sei. Dies sei mit einer behördlich angeordneten Benutzung gleichbedeutend und rechtfertige daher eine analoge Anwendung des Ausnahmetatbestands.

5Zur Begründung seiner vom Senat zugelassenen Revision trägt der Beklagte vor, das Berufungsgericht lege eine falsche Bewertung der berg- und wasserrechtlichen Pflichtenstellung der Klägerin zugrunde. Die Klägerin hebe das Grubenwasser nicht aus Gründen der Gefahrenabwehr, sondern aufgrund der von ihr selbst in freier unternehmerischer Entscheidung aufgestellten Hauptbetriebspläne für den nach wie vor geführten Gewinnungsbetrieb. Zudem beruhe die verfassungskonforme Auslegung des Entgelttatbestandes auf einem unzutreffenden Verständnis der Werthaltigkeit eines Sondervorteils.

6Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Oberverwaltungsgerichts des Saarlandes vom zu ändern und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom zurückzuweisen.

7Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

8Sie verteidigt die angegriffene Entscheidung.

Gründe

9Die zulässige Revision des Beklagten ist begründet. Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts beruht in beiden selbstständig tragenden Begründungssträngen auf der Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Dies gilt sowohl für die vom Gericht vorgenommene verfassungskonforme Auslegung des Entgelttatbestands nach § 1 Abs. 1 des Gesetzes über die Erhebung eines Grundwasserentnahmeentgelts (Saarländisches Grundwasserentnahmeentgeltgesetz - GwEEG) (1.) als auch für die analoge Anwendung des Ausnahmetatbestands des § 1 Abs. 2 Nr. 1 GwEEG (2.). Da sich die Entscheidung nicht gemäß § 144 Abs. 4 VwGO aus anderen Gründen als richtig darstellt (3.) und das Bundesverwaltungsgericht nach § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO in der Sache selbst entscheiden kann (4.), ist das Berufungsurteil zu ändern und die Berufung der Klägerin gegen das erstinstanzliche Urteil zurückzuweisen.

101. Bundesrecht verletzt zunächst die Annahme des Berufungsgerichts, die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 GwEEG lägen nach Maßgabe einer an den finanzverfassungsrechtlichen Anforderungen an eine nichtsteuerliche Abgabe orientierten und dem Grundsatz der Gleichbehandlung aus Art. 3 Abs. 1 GG sowie dem Äquivalenzprinzip Rechnung tragenden verfassungskonformen Auslegung des Entgelttatbestands nicht vor.

11Nach § 1 Abs. 1 GwEEG erhebt das Land von dem Benutzer für das Entnehmen, Zutagefördern, Zutageleiten und Ableiten von Grundwasser ein Grundwasserentnahmeentgelt. Die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, aus der Benutzung des Grundwassers müsse sich - als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal - ein werthaltiger Sondervorteil für den Abgabepflichtigen ergeben, legt ein zu enges Verständnis des Begriffs der Werthaltigkeit zugrunde und steht mit dem finanzverfassungsrechtlichen Vorteilsbegriff nicht in Einklang (a). Die auf dem zu engen Begriffsverständnis beruhende Annahme eines Verstoßes gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz und das Äquivalenzprinzip trifft daher ebenfalls nicht zu (b). Auf die Frage, ob sich die Abgabenerhebung auch durch die Verfolgung von Lenkungszwecken rechtfertigen lässt, kommt es damit nicht mehr an (c).

12a) Es besteht kein verfassungsrechtliches Erfordernis für die vom Oberverwaltungsgericht vorgenommene Verengung des Vorteilsbegriffs auf wirtschaftliche Vorteile (aa). Die der Klägerin erlaubte Zugriffsmöglichkeit auf die staatlich bewirtschaftete Ressource Wasser begründet für sie einen abschöpfbaren Sondervorteil (bb). Ob darüber hinaus ein wirtschaftlicher Vorteil bei der Klägerin vorliegt, bedarf daher keiner Entscheidung (cc).

13aa) Das Berufungsurteil beruht auf einer Verkennung der einschlägigen verfassungsrechtlichen Maßstäbe.

14(1) Nach der - nicht zuletzt anhand von Wasserentnahmeentgelten entwickelten - Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bedarf die Erhebung nichtsteuerlicher Abgaben mit Blick auf die Begrenzungs- und Schutzfunktion der Finanzverfassung (Art. 104a ff. GG) sowie zur Wahrung der Belastungsgleichheit der Abgabepflichtigen sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach einer über die Zwecke der Einnahmeerzielung hinausgehenden besonderen sachlichen Rechtfertigung (grundlegend zum "Wasserpfennig" - BVerfGE 93, 319 <342 f.>; zu Verwaltungsgebühren u.a. - BVerfGE 144, 369 Rn. 62). Als sachliche Gründe sind nach ständiger Rechtsprechung Lenkungszwecke, soziale Zwecke sowie Zwecke des Vorteilsausgleichs bzw. der Vorteilsabschöpfung anerkannt (vgl. nur u.a. - BVerfGE 108, 1 <13>).

15Der verfassungsrechtliche Vorteilsbegriff ist dabei nicht auf wirtschaftliche Vorteile beschränkt; vielmehr kommen tatsächliche, rechtliche und ideelle Vorteile aller Art in Betracht (vgl. - NVwZ 1999, 176 <177>). In seiner Leitentscheidung zum "Wasserpfennig" hat das Bundesverfassungsgericht herausgestellt, dass der abzuschöpfende Vorteil bei einer solchen Abgabe in der privilegierten Teilhabe an der knappen natürlichen Ressource Wasser als einem Gut der Allgemeinheit besteht, das einer öffentlich-rechtlichen Benutzungsordnung unterliegt ( - BVerfGE 93, 319 <345 f.> und Ls. 2; vgl. weiter - NVwZ 2003, 467 <469 f.>). Es ist sachlich gerechtfertigt, diesen Vorteil ganz oder teilweise abzuschöpfen, wobei die Abschöpfung nach dem tatsächlichen Umfang erfolgen kann (BVerfG, Beschlüsse vom - 1 BvR 1801/07 - NVwZ 2010, 831 <833 f.> und vom - 1 BvR 173/16 - NVwZ 2021, 56 Rn. 43).

16(2) Diesen verfassungsrechtlichen Vorteilsbegriff legt auch das Bundesverwaltungsgericht in ständiger Rechtsprechung zugrunde (vgl. zuletzt 9 C 1.20 - NVwZ 2021, 1466 Rn. 16). Bei Wasserentnahmeentgelten besteht der relevante Sondervorteil für die Abgabenschuldner - gegenüber all jenen, die das betreffende Gut nicht oder nicht in gleichem Umfang nutzen dürfen - bereits darin, dass ihnen durch die wasserrechtliche Erlaubnis die Möglichkeit der Wasserentnahme und damit die Teilhabe an der knappen, staatlich bewirtschafteten Ressource Wasser eröffnet wird (vgl. auch Gawel, DVBl 2011, 1000 <1002, 1004>). Unerheblich ist deshalb, ob das geförderte Grundwasser wirtschaftlich verwertet oder ungenutzt abgeleitet wird ( 7 C 3.07 - Buchholz 445.4 § 3 WHG Nr. 5 Rn. 27; Beschluss vom - 7 B 36.07 - juris Rn. 9).

17Diese Rechtsprechung hat der Senat in jüngerer Zeit in einem Urteil betreffend das Zutagefördern und Ableiten von ansonsten nicht genutztem Grundwasser (sog. Sümpfungswasser) zum Zweck der Braunkohleförderung bestätigt ( 9 C 16.16 - BVerwGE 160, 354). Der damalige Fall war dadurch gekennzeichnet, dass die Grundwasserentnahme als vorgelagerte Tätigkeit zur Ermöglichung der späteren Braunkohlegewinnung erforderlich war, mithin den notwendigen Bestandteil einer Wertschöpfungskette bildete. Insoweit stellte sich das Gebrauchmachen von der wasserrechtlichen Erlaubnis als werthaltiger Sondervorteil dar ( 9 C 16.16 - a.a.O. Rn. 19). Dass sich aus der Erlaubniserteilung in jedem Fall ein solcher wirtschaftlicher Vorteil ergeben müsse, um die Abgabenerhebung zu rechtfertigen, wurde in der genannten Entscheidung nicht zum Ausdruck gebracht.

18(3) Demgegenüber hält das Oberverwaltungsgericht zu Unrecht eine verfassungskonforme Auslegung des - einschränkungslos formulierten - Entgelttatbestands nach § 1 Abs. 1 GwEEG dahingehend für geboten, dass das Vorliegen eines werthaltigen Sondervorteils, den es mit einem wirtschaftlichen Vorteil für den Abgabepflichtigen gleichsetzt (UA S. 40), ein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal für die Heranziehung zur Entrichtung eines Grundwasserentnahmeentgelts sei (UA S. 39). Das Berufungsgericht nimmt diese Ergänzung des Gesetzeswortlauts nicht aufgrund einer - aus bundesrechtlicher Sicht zu respektierenden - landesrechtlichen Normauslegung anhand des Willens des saarländischen Gesetzgebers vor. Vielmehr sieht es sich dazu von Verfassungs wegen verpflichtet (UA S. 27, 39).

19bb) Anders als das Berufungsgericht meint, verfügt die Klägerin infolge des ihr behördlich erlaubten Zugriffs auf den Wasserhaushalt über einen Sondervorteil im Vergleich zu Dritten, der durch die Erhebung eines Wasserentnahmeentgelts abgeschöpft werden kann. Die Erlaubnisse zur Gewässerbenutzung an den fünf Wasserhaltungsstandorten beziehen sich auf das Zutagefördern und Einleiten des anstehenden Grubenwassers, das bestimmte maximale Wassermengen pro Jahr nicht überschreiten darf, und eröffnen der Klägerin die legale Möglichkeit, Grundwasser zu entnehmen und damit die Vorgaben ihrer zugelassenen Hauptbetriebspläne zur Grubenwasserhaltung zu erfüllen. Die diesbezügliche bergrechtliche Verpflichtung ist die Klägerin - durch Beantragung der Betriebsplanzulassung - aus freien Stücken eingegangen (dazu näher unten 2.b). Nicht maßgeblich ist, ob sie sich dieser von ihr als nachteilig erachteten (Selbst-)Verpflichtung entziehen und die Wasserhaltung einstellen könnte. Die Entgeltpflicht wird nicht durch das "Entnehmen-Müssen" auf der Grundlage des bergrechtlichen Regelungsregimes, sondern durch das "Entnehmen-Dürfen" aufgrund der gesondert beantragten und erteilten (§ 19 Abs. 2 WHG) wasserrechtlichen Erlaubnisse ausgelöst. Die Höhe des Grundwasserentnahmeentgelts richtet sich dabei gemäß § 1 Abs. 1, § 2 Abs. 1, § 3 Abs. 1 GwEEG nicht nach der maximal zulässigen, sondern nach der tatsächlich entnommenen Wassermenge; hierdurch wird der Vorteil realitätsgerecht erfasst und bemessen (vgl. - NVwZ 2021, 56 Rn. 43; 9 C 16.16 - BVerwGE 160, 354 Rn. 27).

20cc) Auch wenn die Klägerin im Veranlagungsjahr 2014 an den betreffenden Bergbaustandorten keinen Gewinn mehr erzielte, lag nach den dargelegten Maßstäben somit ein abschöpfbarer Sondervorteil vor. Ob darüber hinaus bei einer gebotenen Gesamtbetrachtung sogar von einem wirtschaftlichen Vorteil auszugehen war, weil die Klägerin ohne die wasserrechtlichen Erlaubnisse ihren auf Gewinnerzielung ausgerichteten Betrieb nicht legal hätte aufnehmen und durchführen können, bedarf hiernach keiner weiteren Prüfung.

21b) Aus dem finanzverfassungsrechtlichen Vorteilsbegriff folgt zugleich, dass die Abgabenerhebung nicht aus den vom Berufungsgericht genannten Gründen gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 GG und das Äquivalenzprinzip als Ausprägung des verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (dazu etwa 9 C 1.20 - NVwZ 2021, 1466 Rn. 30 m.w.N.) verstößt. Das Oberverwaltungsgericht hat beide Verstöße aus der Prämisse abgeleitet, dass kein werthaltiger Sondervorteil vorliege (vgl. UA S. 36 ff., S. 43). Den Verstoß gegen den Gleichheitssatz hat das Gericht darin gesehen, dass die ohne eigenen Vorteil in Anspruch genommene Klägerin gegenüber denjenigen Gruppen benachteiligt werde, denen die Entnahme des Grundwassers einen Vermögensvorteil biete. Auch die angenommene Verletzung des Äquivalenzprinzips hat es mit dem Fehlen eines werthaltigen Sondervorteils begründet. Beide Schlussfolgerungen stehen, wie oben dargelegt, im Widerspruch zum verfassungsrechtlichen Vorteilsbegriff. Soweit das Berufungsgericht eine Ungleichbehandlung im Verhältnis zu den vom Ausnahmekatalog des § 1 Abs. 2 GwEEG erfassten Fallgruppen moniert, wird dies nur im Rahmen der Analogiebildung relevant (siehe unten 2.c).

22c) Da die Erhebung des Wasserentnahmeentgelts bereits durch den Gesichtspunkt der Vorteilsabschöpfung gerechtfertigt ist, kommt es nicht mehr auf die weitere - vom Berufungsgericht im konkreten Fall verneinte - Frage an, ob die sachliche Legitimation der Entgelterhebung auch aus einer möglichen Lenkungsfunktion der Abgabe folgt (vgl. dazu u.a. - BVerfGE 93, 319 <345>).

232. Ebenfalls gegen Bundesrecht verstößt die Annahme des Berufungsgerichts, zugunsten der Klägerin müsse - selbst bei Bejahung der Voraussetzungen des Entgelttatbestands - eine Befreiung von der Entgeltpflicht im Wege einer analogen Anwendung des § 1 Abs. 2 Nr. 1 GwEEG eingreifen. Nach dieser Vorschrift wird das Entgelt nicht erhoben für behördlich angeordnete Benutzungen im Sinne von § 19a des Saarländischen Wassergesetzes (SWG); dies erfasst insbesondere Maßnahmen, die von der zuständigen Wasserbehörde oder mit deren Einvernehmen angeordnet wurden (§ 19a Satz 2 SWG). Das Oberverwaltungsgericht begründet die analoge Anwendung der Norm mit der bergrechtlichen Pflichtenstellung der Klägerin (a). Da seine diesbezüglichen Grundannahmen nicht zutreffen (b), ist für eine Gleichsetzung mit einer behördlichen Anordnung kein Raum (c).

24a) Die Analogiebildung des Oberverwaltungsgerichts basiert auf einer Auslegung der Vorschriften des Bundesberggesetzes und damit auf revisiblen Vorfragen. Nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts ist die Klägerin auf der Grundlage bergrechtlicher Bestimmungen aus Gründen der vorbeugenden Gefahrenabwehr zur Fortführung der Grubenwasserhaltung verpflichtet (UA S. 44, 48 f.); dies sei tatsächlich und rechtlich gleichbedeutend mit einer behördlich angeordneten Entnahme von Grundwasser (UA S. 50). Die Klägerin folge allein dieser Verpflichtung und diene damit dem Allgemeinwohlinteresse (UA S. 51).

25b) Dieses Verständnis der bergrechtlichen Vorschriften ist nicht mit Bundesrecht vereinbar. Ungeachtet der Beendigung der aktiven Kohleförderung unterhält die Klägerin weiterhin einen Gewinnungsbetrieb (aa), der rechtlich gesehen nicht eingestellt ist (bb). Die Fortführung der Grubenwasserhaltung erfolgte daher aufgrund einer unternehmerischen Entscheidung der Klägerin, nicht hingegen vorrangig aus Gründen des Gemeinwohls oder ausschließlich aus Gründen der vorbeugenden Gefahrenabwehr (cc).

26aa) Die Klägerin unterhielt im Streitjahr 2014 (und unterhält nach wie vor) einen Gewinnungsbetrieb im Sinne des § 4 Abs. 8 BBergG, der als betriebsorganisatorischer Gesamtkomplex (vgl. 4 C 25.94 - BVerwGE 100, 31 <42>) vorbereitende, begleitende und nachfolgende Tätigkeiten nach § 4 Abs. 2 BBergG umfasst. Bei der Grubenwasserhaltung kann es sich - je nach Betriebstyp und -stadium - um eine vorbereitende, begleitende oder nachfolgende Tätigkeit handeln (vgl. 7 C 5.90 - BVerwGE 87, 241 <246>); im Jahr 2014 war letzteres der Fall. Zur Errichtung und Führung ihres Betriebs hat die Klägerin einen Hauptbetriebsplan nach § 52 Abs. 1 BBergG aufgestellt, den der Beklagte gemäß ihrem Antrag zugelassen hat und der weiterhin Gültigkeit beansprucht. Der Betrieb erfolgt somit auch nach Beendigung der aktiven Steinkohleförderung im privatnützigen Interesse der Klägerin (vgl. 7 C 22.12 - BVerwGE 151, 156 Rn. 47).

27bb) Ein Übergang in die Phase des Abschlussbetriebsplans für die Einstellung des Betriebs (vgl. § 53 Abs. 1 BBergG) hat bisher nicht stattgefunden. Nach der Systematik des Bundesberggesetzes (vgl. § 54 Abs. 1 i.V.m. § 53 Abs. 1 Satz 1 BBergG) beginnt "die Einstellung" erst mit dem Wirksamwerden des Abschlussbetriebsplans. Ein solcher Abschlussbetriebsplan war seinerzeit weder von der Klägerin aufgestellt noch behördlicherseits zugelassen; auf die Gründe hierfür kommt es entgegen der Auffassung der Klägerin nicht an. Die - gemäß § 53 Abs. 1 Satz 1 BBergG ("Dauer der beabsichtigten Betriebseinstellung") als längerer Prozess zu verstehende - Einstellung hatte im Streitjahr 2014 somit noch nicht einmal begonnen, geschweige denn zu einem Abschluss geführt. Allenfalls nach Durchführung des Abschlussbetriebsplans wäre eine Entlassung aus der Bergaufsicht und damit ein Ende der bergrechtlichen Pflichtenstellung denkbar. Dies setzt allerdings gemäß § 69 Abs. 2 BBergG voraus, dass nach allgemeiner Lebenserfahrung nicht mehr damit zu rechnen ist, dass durch den Betrieb Gefahren oder gemeinschädliche Einwirkungen eintreten werden. Die vom Berufungsgericht unterstellte "Beendigung des Steinkohlebergbaus" hatte somit im Veranlagungsjahr 2014 in bergrechtlicher Hinsicht noch nicht stattgefunden bzw. - sofern das Gericht auf die aktive Abbautätigkeit abstellen wollte - zumindest nicht zu einer rechtlich relevanten Zäsur geführt.

28cc) Die Pflicht zur Grubenwasserhaltung folgte im Jahr 2014 unmittelbar aus dem zugelassenen Hauptbetriebsplan der Klägerin. Sie ergab sich nicht aus dem im angefochtenen Urteil (UA S. 29) in Bezug genommenen, für die Betriebseinstellung geltenden § 53 Abs. 1 oder § 55 Abs. 2 BBergG. Maßgebend für die Pflichtenstellung der Klägerin war allein der Inhalt des von ihr nach eigenem unternehmerischen Kalkül aufgestellten und behördlich zugelassenen Hauptbetriebsplans. Die Klägerin erfüllte damit eine von ihr freiwillig eingegangene Verpflichtung zur fortdauernden Einhaltung der Zulassungsvoraussetzungen, zu der auch die Übernahme entsprechender Nachsorgepflichten einschließlich der Grubenwasserhaltung gehörte. Die betriebsplankonforme Fortführung der Wasserhaltung erfolgte demnach entgegen der Annahme des Berufungsgerichts nicht (allein oder primär) aus Gründen des Allgemeininteresses bzw. der vorbeugenden Gefahrenabwehr. Vielmehr ist die erforderliche Vorsorge gegen Gefahr und gemeinschädliche Einwirkungen Zulassungsvoraussetzung jedes Betriebsplans (vgl. § 55 Abs. 1 Nr. 3 und 9, § 55 Abs. 2 BBergG).

29c) Damit ist für die vom Oberverwaltungsgericht angenommene Gleichsetzung mit einer behördlich angeordneten Entnahme von Grundwasser nach dem Ausnahmetatbestand des § 1 Abs. 2 Nr. 1 GwEEG kein Raum. Soweit die Klägerin damit argumentiert, sie könnte sich jederzeit - anstatt sich "freiwillig" betriebsplankonform zu verhalten - sicherheitsbehördlich dazu verpflichten lassen, entspricht ein solches rechtswidriges Verhalten schon nicht den tatsächlichen Gegebenheiten im Streitjahr 2014. Im Übrigen würde dies, wie oben dargelegt, nichts daran ändern, dass die Klägerin nach dem für sie maßgeblichen Hauptbetriebsplan dem spezifisch bergrechtlichen und nicht einem allgemeinen sicherheitsrechtlichen Regelungsregime unterliegt. Es ist auch nicht ersichtlich, dass für die Klägerin aus sonstigen Gründen eine Befreiung von der Entgeltpflicht im Hinblick auf den Gleichbehandlungsgrundsatz zwingend geboten wäre.

303. Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts, das entscheidungstragend auf den beiden dargestellten Argumentationssträngen beruht, erweist sich nicht gemäß § 144 Abs. 4 VwGO aus anderen Gründen als richtig. Die Abgabenerhebung ist auch im Übrigen verfassungsgemäß; insbesondere bestehen weder unter Rückwirkungsgesichtspunkten (a) noch hinsichtlich der Entgelthöhe (b) Bedenken.

31a) Die Abgabenerhebung verstößt nicht gegen das Rückwirkungsverbot.

32aa) Eine echte Rückwirkung liegt vor, wenn die der Abgabenerhebung zugrundeliegende Norm nachträglich in einen bereits abgeschlossenen Sachverhalt ändernd eingreift (stRspr; vgl. nur - BVerfGE 132, 302 Rn. 42). Dies ist hier nicht der Fall. Das Grundwasserentnahmeentgelt wurde auf der Basis des Saarländischen Grundwasserentnahmeentgeltgesetzes (vom , in der Fassung des Gesetzes vom ) für das Kalenderjahr 2014 erhoben, in dessen gesamten Zeitraum die Klägerin unstreitig aufgrund der ihr erteilten wasserrechtlichen Erlaubnisse Grundwasser entnommen hat. Soweit die Klägerin eine echte Rückwirkung darin erblickt, dass der "Grubenwasseranfall bereits vor Inkrafttreten des Gesetzes unverhinderbar angelegt" gewesen sei, verfängt dies schon deshalb nicht, weil die Abgabenerhebung nur an die von der wasserrechtlichen Erlaubnis gedeckte Entnahme nach dem genannten Zeitpunkt anknüpft. Zeiträume vor dem ersten Veranlagungszeitraum ( bis ) werden davon nicht erfasst (vgl. § 11 Satz 2 GwEEG in der Fassung vom ).

33bb) Ebenfalls nicht zum Erfolg führt das in eine ähnliche Richtung zielende Vorbringen der Klägerin, sie habe das - vier Jahre vor Ende der aktiven Abbautätigkeit eingeführte - Wasserentnahmeentgelt nicht mehr in ihre Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen einstellen und auch sonst keine Dispositionen, etwa hinsichtlich der Größe der Grubengebäude und des Umfangs der erforderlichen Wasserentnahme, treffen können. Eine unzulässige unechte Rückwirkung begründet dies nicht. Nach ständiger Rechtsprechung ist eine Beeinträchtigung des durch Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG geschützten Vertrauens in die Verlässlichkeit der Rechtsordnung und der auf ihrer Grundlage erworbenen Rechtspositionen verfassungsrechtlich unzulässig, wenn sie mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht vereinbar ist. Dies ist der Fall, wenn sie zur Erreichung des Gesetzeszwecks nicht geeignet oder erforderlich ist oder wenn die Bestandsinteressen der Betroffenen die Veränderungswünsche des Normgebers überwiegen (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom - 1 BvL 6/07 - BVerfGE 132, 302 Rn. 43 und vom - 1 BvR 1679/17 - BVerfGE 155, 238 Rn. 126 ff.; 9 C 9.20 - juris Rn. 27 und vom - 9 C 10.20 - juris Rn. 17).

34Hier liegt bereits keine schutzwürdige Vertrauensposition der Klägerin vor, die sich gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Entgelterhebung durchsetzen könnte. Ein Unternehmer hat generell keinen Anspruch aus Art. 12 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Vertrauensschutzgrundsatz dahingehend, dass die (finanziellen) Rahmenbedingungen, unter denen er seinen Betrieb begonnen hat, auf Dauer unverändert bestehen bleiben (vgl. u.a. - BVerfGE 126, 112 Rn. 128 ff.). Umstände, die im Fall der Klägerin als Bergbauunternehmerin (§ 4 Abs. 5 BBergG) ausnahmsweise eine andere Beurteilung gebieten können, sind nicht ersichtlich. Vielmehr ergibt sich aus den Wertungen des Bundesberggesetzes, dass der Bergbauunternehmer umfangreichen Nachsorgepflichten einschließlich der zugehörigen finanziellen Aufwendungen unterliegt, und zwar - nach dem Grundsatz der Letztbetreiberverantwortung - unabhängig davon, ob sie von ihm selbst oder von einem Rechtsvorgänger verursacht worden sind (vgl. 4 C 25.94 - BVerwGE 100, 31 <38 f.> und vom - 7 C 22.12 - BVerwGE 151, 156 Rn. 47). Etwas anderes folgt nicht aus dem von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erwähnten Beschluss zum Windenergie-auf See-Gesetz ( u.a. - BVerfGE 155, 238 Rn. 121 ff.). Diesem Beschluss lag ein mit dem vorliegenden schon im Ansatz nicht vergleichbarer Sachverhalt zugrunde. Denn es ging um den Sonderfall einer gesetzlichen Umstellung auf ein grundlegend neues Regelungssystem, wodurch bereits in Gang gesetzte Prozesse vollständig abgebrochen und damit entwertet wurden ( a.a.O., Rn. 134 ff.).

35b) Die staatliche Leistung der Gewährung eines Zugriffs auf das Grundwasser als Gut der Allgemeinheit steht schließlich in einem angemessenen Verhältnis zur Höhe des Wasserentnahmeentgelts (vgl. 9 C 16.16 - BVerwGE 160, 354 Rn. 24). Das Entgelt für die Grubenwasserhaltung, die nach § 2 Abs. 2 GwEEG in Verbindung mit dem Verzeichnis über das Entgelt für Grubenwasserentnahmen einem niedrigeren Satz als die Wassernutzung anderer Betriebe unterliegt, ist nicht unangemessen hoch. Dass die Berechnung der konkreten Entgelthöhe im angefochtenen Bescheid zutreffend ist, wird von den Beteiligten nicht in Zweifel gezogen.

364. Das Bundesverwaltungsgericht übt sein prozessuales Ermessen dahingehend aus, dass es in der Sache selbst entscheidet (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO). Da weitere tatsächliche Feststellungen nicht erforderlich sind, ist der Rechtsstreit entscheidungsreif. Die Klägerin ist nach § 1 Abs. 1 GwEEG entgeltpflichtig; eine Ausnahme von der Entgeltpflicht nach § 1 Abs. 2 Nr. 1 bis 9 GwEEG kommt nicht in Betracht. Die Klage gegen den Festsetzungsbescheid bleibt daher ohne Erfolg.

37Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerwG:2022:260122U9C5.20.0

Fundstelle(n):
KAAAI-62050