OFD Hannover - S 2410

§ 44a EStG Anwendung des § 44a Abs. 5 EStG

1. Allgemeines (aus dem MF-Erl. v. - S 2252 - 49 - 31 2 -)

Nach § 44a Abs. 5 EStG ist der Zinsabschlag bei betrieblichen Kapitalerträgen nicht einzubehalten, wenn die KapErtrSt und die anrechenbare KSt bei dem Gläubiger der Kapitalerträge auf Grund der Art seiner Geschäfte auf Dauer höher wären als die gesamte festzusetzende ESt oder KSt. Dies ist durch eine Bescheinigung des für den Gläubiger der Kapitalerträge zuständigen FA nachzuweisen. Mit dieser Regelung wird eine zeitweilige Überbesteuerung bei solchen Unternehmen vermieden, die große Wertpapierbestände besitzen, aufgrund der Art ihrer Geschäfte aber auf Dauer weniger ESt bzw. KSt zu zahlen haben, als ihnen in Gestalt des Zinsabschlags und/oder der KapErtrSt von den Wertpapiererträgen einbehalten wird.

Als typischer Beispielsfall für einen derartigen Sachverhalt wird in der Begründung des Gesetzesentwurfs der Bundesregierung (BT-Drucksache 12/2501) der Abzug des Zinsabschlags von Wertpapiererträgen der Lebensversicherungsunternehmen angeführt. Diese Wertpapiererträge werden größtenteils an die Versicherten weitergegeben. Die Vorbelastung der Versicherungsunternehmen durch den Zinsabschlag wäre folglich ständig höher als die letztlich für die Gewinne zu zahlende KSt. Eine ähnliche Überbesteuerungsproblematik besteht bei Zinserträgen von Verwertungsgesellschaften gemäß Urheberrechtswahrnehmungsgesetz. Diese ausdrückliche Benennung von Unternehmen aus Bereichen, in denen regelmäßig Gewinn erzielt wird, zeigt, dass der Gesetzgeber mit der Regelung des § 44a Abs. 5 EStG ”Verlustbranchen” oder Unternehmen, die - auch für längere Zeit - Verluste erzielen, nicht generell vom Zinsabschlag befreien wollte.

Eine großzügige Auslegung der Tatbestandsmerkmale ”aufgrund der Art seiner Geschäfte” und ”auf Dauer” steht mit den Sinn und Zweck dieser Vorschrift nicht in Einklang. Während ”auf Dauer” einen zum Zeitpunkt der Beurteilung nicht feststehenden und nicht absehbaren Zeitraum bezeichnet, ist das Tatbestandsmerkmal ”aufgrund der Art seiner Geschäfte” jedenfalls dann nicht erfüllt, wenn die längerfristige Verlustsituation des Gläubigers von Kapitalerträgen, die zu einer niedrigeren ESt oder KSt als der einbehaltene Zinsabschlag führt, auf der jeweiligen Marktsituatiion bzw. auf individuellen rechtlichen Gestaltungen beruht.

Die Erteilung einer Bescheinigung nach § 44a Abs. 5 EStG kommt daher in derartigen Fällen nicht in Betracht.

2. Anwendung des § 44a Abs. 5 EStG auf Holdinggesellschaften

Zu der Frage, ob bei Holdinggesellschaften aufgrund der Art der Geschäfte vom Steuerabzug nach § 44a Abs. 5 EStG Abstand genommen werden kann, bittet die OFD folgende Auffassung zu vertreten:

Holdinggesellschaften erfüllten nach der Rspr. des BStBl 1997 II S. 817) bisher nicht die Voraussetzungen des § 44a Abs. 5 EStG, dass bei ihnen nach der Art ihrer Geschäfte die KapErtrSt auf Beteiligungserträge auf Dauer höher ist als die gesamte festzusetzende ESt und KSt. Diese Rspr. wurde vom BFH damit begründet, dass neben den laufenden Beteiligungserträgen auch mögliche Gewinne aus dem Verkauf der Beteiligungen zu berücksichtigen seien. Daher ergebe sich die Überzahlungssituation nicht aus der Art der Geschäfte, sondern aus der konkreten Entscheidung, wie das Geschäft geführt werde.

Aufgrund der Einführung der Steuerbefreiung von Beteiligungserträgen und den Gewinnen aus der Veräußerung von Kapitalbeteiligungen durch die Neufassung des § 8b KStG erfüllen Holdingunternehmen in der Rechtsform von KapGes i. d. R. ab 2002 die Voraussetzungen des § 44a Abs. 5 EStG, wenn ihre Einkünfte fast ausschließlich aus steuerfreien Beteiligungseinkünften stammen. Andere stpfl. Erträge, z. B. Zinseinnahmen in geringem Umfang, stehen der Erteilung einer Bescheinigung nach § 44a Abs. 5 EStG nicht entgegen.

Gesellschaften i. S. des § 8b Abs. 7 KStG (Kreditinstitute, Finanzdienstleistungsunternehmen und Finanzunternehmen i. S. des Gesetzes über das Kreditwesen) haben keinen Anspruch auf die Erteilung einer Freistellungsbescheinigung nach § 44a Abs. 5 EStG.

Sofern einzelne Beteiligungserträge bzw. Veräußerungsgewinne bei der Holdinggesellschaft im VZ 2002 nicht unter die Steuerbefreiungsvorschriften in § 8b Abs. 1 und 2 KStG fallen, ist im Einzelfall zu prüfen, ob dies für die Erteilung der Bescheinigung nach § 44a Abs. 5 EStG schädlich ist oder die Bescheinigung aufgrund der Geringfügigkeit der stpfl. Erträge ungeachtet dessen ausgestellt werden kann.

3. Anwendung des § 44a Abs. 5 EStG bei Versicherungsunternehmen, die Organgesellschaften sind

Nach dem MF-Erl. v. - S 2405 - 8 - 31 2 - bittet die OFD zu der Frage, ob Versicherungsunternehmen, die Organgesellschaften sind, gleichwohl die Voraussetzungen für die Abstandnahme vom Zinsabschlag gemäß § 44a Abs. 5 EStG erfüllen, folgende Auffassung zu vertreten:

Die subjektive persönliche Steuerpflicht der Organgesellschaft wird durch die Organschaft zwar nicht beeinträchtigt. Die Organgesellschaft bleibt eine unbeschränkt stpfl. KapGes, deren eigenes Einkommen getrennt vom Einkommen des Organträgers zu ermitteln ist und diesem lediglich zugerechnet wird, soweit nicht die Organgesellschaft Ausgleichszahlungen an außenstehende Aktionäre oder Minderheitsgesellschafter nach § 16 KStG selbst zu versteuern hat. Die Organgesellschaft bleibt auch Gläubiger der Kapitalerträge. Da jedoch die Versteuerung des zugerechneten Einkommens beim Organträger erfolgt, kann es bei der Organgesellschaft zu keiner Überzahlung i. S. des § 44a Abs. 5 EStG kommen. Der Organgesellschaft kann daher keine Bescheinigung i. S. des § 44a Abs. 5 EStG erteilt werden.

Bei Begründung eines Organschaftsverhältnisses ist die Überzahlungssituation bei der Organgesellschaft zivilrechtlich mit der Wirksamkeit des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags durch Eintragung in das Handelsregister entfallen. Sobald das FA Kenntnis vom Handelsregistereintrag erhalten hat, ist eine ggf. vorher bereits erteilte Bescheinigung i. S. des § 44a Abs. 5 EStG nach § 131 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO mit Wirkung für die Zukunft zu widerrufen.

4. Anwendung des § 44a Abs. 5 EStG bei kommunalen Verkehrsunternehmen

Nach dem MF-Erl. v. - S 2252 - 49 - 31 2 - bittet die OFD zu der Frage, ob kommunale Verkehrsbetriebe die Voraussetzungen für die Abstandnahme vom Zinsabschlag gemäß § 44a Abs. 5 EStG erfüllen, folgende Auffassung zu vertreten:

Die dauernde Überbesteuerung, die darauf beruht, dass Kapitalerträge der mit Dauerverlusten arbeitenden kommunalen Verkehrsbetriebe mit Zinsabschlag belastet werden, erfüllt nicht die Voraussetzungen des § 44a Abs. 5 EStG.

Die Gründe für die Verlustsituation der kommunalen Verkehrsbetriebe sind nicht in der Art der Geschäfte zu sehen, sondern in der Person ihrer Gesellschafter.

OFD Hannover v. - S 2410

Auf diese Anweisung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


Fundstelle(n):
BAAAA-84586