OFD Berlin - St 162 - G 1163 a - 1/97 -

§ 33 GrStG Grundsätze für den Erlass der Grundsteuer gem. § 33 GrStG bei bebauten Grundstücken in Berlin nach dem - (BStBl 2002 II S. 889)

Das Bundesverwaltungsgericht hat aufgrund seiner Zuständigkeit in Fragen der Erhebung der Grundsteuer als oberstes Bundesgericht in den letzten Jahrzehnten die Auslegung der Vorschrift über den Erlass der Grundsteuer wegen wesentlicher Ertragsminderung (§ 33 GrStG) zum Teil, abweichend von den Verwaltungsanweisungen in den Grundsteuer-Richtlinien vom fortentwickelt. Dabei war die systematische Stellung der Grundsteuer als ertragsunabhängige Real- oder Objektsteuer, die nach dem Grundstückswert (Einheitswert) erhoben wird und deshalb auch bei ertraglosen Grundstücken anfällt, von ausschlaggebender Bedeutung. Diesen Grundsätzen folgend hat das Bundesverwaltungsgericht auch in seinem Urteil vom - 11 C 12/00 - (BStBl 2002 II S. 889) entschieden, dass eine Ertragsminderung, die auf Leerstand infolge eines strukturell bedingten Überangebot von Wohnungen in einer Gemeinde beruht, keinen Erlass nach § 33 GrStG rechtfertigt. Zur Anwendung dieser Rechtsprechung werden die folgenden Hinweise gegeben.

1. Minderung des Rohertrags

Für die Entscheidung über einen Erlassantrag gem. § 33 GrStG ist zunächst das Vorliegen des Tatbestandsmerkmals "Minderung des normalen Rohertrags" zu prüfen. Auf die Frage des "Vertretenmüssens" der Minderung kommt es dann ggf. nicht mehr an.

Die Voraussetzungen eines Grundsteuererlasses i.S.v. § 33 GrStG können nur erfüllt sein, wenn der geringe Ertrag eines Grundstücks auf vorübergehend vorliegende Umstände zurückgeht, die im Vergleich zu den vom Gesetz erfassten Regelfällen atypisch sind ().

Eine dauerhafte Ertragsminderung des Grundstücks hat demgegenüber ihre Gründe entweder in den Merkmalen des Grundstücks, denen auf der Bewertungsebene Rechnung zu tragen ist, soweit sich die tatsächlichen Verhältnisse seit der letzten Einheitswertfeststellung verändert haben (z.B. Abriss der Bebauung, Brand) und eine Wertfortschreibung in Betracht kommt (§ 33 Abs. 5 GrStG) oder in der Änderung der allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse (Marktlage). Einer Fortschreibung des Einheitswerts wegen Minderung der Erträge aufgrund dieser Entwicklung der Wertverhältnisse steht bis zur Durchführung einer Hauptfeststellung der Einheitswerte die Vorschrift des § 27 BewG entgegen.

Normaler Rohertrag ist bei bebauten Grundstücken, deren Wert nach dem Bewertungsgesetz im Ertragswertverfahren zu ermitteln ist, die Jahresrohmiete, die bei einer Hauptfeststellung auf den Beginn des Erlasszeitraums maßgebend wäre. § 79 Abs. 3 BewG findet keine Anwendung (§ 33 Abs. 1 Nr. 2 GrStG).

Dabei ist jeweils von dem Ertrag auszugehen, den ein Grundstück tatsächlich erbringt, denn die erzielten Einnahmen haben die Vermutung der Normalität für sich. Erst der vom Antragsteller zu erbringende Nachweis, dass die Höhe der Einnahmen im Vergleich zu anderen Objekten atypisch niedrig und vorübergehender Natur (z.B. Mieterinsolvenz) ist, kann zur weiteren Prüfung führen.

Mietmindereinnehmen aufgrund fehlender Mieternachfrage, d.h. als Folge des Überangebots des Grundstücksmarkts und insoweit auch als ein Teil der allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse in der jeweiligen Region, sind bei der Ermittlung des normalen Rohertrags zu berücksichtigen und können deshalb nicht als Minderung desselben geltend gemacht werden ( BStBl 2002 II 889,890). Die Verhältnisse des Mietenmarktes gehören zu den allgemeinen Wertverhältnissen, die nur bei einer Hauptfeststellung berücksichtigt werden können ( BStBl 1982 II S. 451). Die Veränderungen der allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse und andere wertbeeinflussende Umstände, die bei der Hauptfeststellung des Einheitswerts eingehen, scheiden als Erlassgrund nach § 33 GrStG aus. Dieser Grundsatz gilt unabhängig von der Nutzung des Grundstücks für Wohn- oder Gewerbezwecke. Der allgemeine Leerstand von Wohn- und/oder Gewerberäumen aufgrund der Marktverhältnisse kann einen Erlass nicht begründen.

Hiermit wird auch dem Umstand Rechnung getragen, dass die o.g. Marktverhältnisse grundsätzlich alle Vermieter im jeweiligen Gemeindegebiet vergleichbar treffen und eine Sonderbelastung im Einzelfall nicht durch den Grundsteuererlass korrigiert werden muss.

2. Begriff des ”Vertretenmüssens”

Soweit eine Rohertragsminderung nach den vorstehenden Grundsätzen zu bejahen ist, ist zu prüfen, ob der/die Steuerpflichtige die Minderung zu vertreten hat.

Der Begriff des Vertretenmüssens im Sinne von § 33 GrStG ist weit auszulegen. Er greift weiter als eine bloße Vermeidung von Vorsatz und Fahrlässigkeit im Zusammenhang mit den zur Ertragsminderung führenden Ursachen. Es ist darauf abzustellen, ob es aufgrund vorangegangenen Verhaltens des Steuerpflichtigen schlechthin unbillig wäre, die geltend gemachten ertragsmindernden Umstände bei der Grundsteuerbelastung unberücksichtigt zu lassen (, Zeitschrift für Kommunalfinanzen 1986, 11).

Von einer derartigen Unzumutbarkeit der Grundsteuererhebung kann keine Rede sein, wenn der/die Steuerpflichtige selbst durch ein ihm/ihr zurechenbares Verhalten die Ertragsminderung verursacht oder es unterlassen hat, den Eintritt der Ertragsminderung durch solche geeignete Maßnahmen zu verhindern, die von ihm/ihr erwartet werden konnten ( BVerwGE 67, 123; FG Berlin a.a.O.).

Wie sich aus § 34 Abs. 1 S. 2 GrStG ergibt, ist dabei ausschließlich und allein auf das Verhalten des/der Steuerpflichtigen während des Erlasszeitraumes abzustellen. Unbeachtlich bleibt insofern insbesondere, dass der/die Steuerpflichtige bei seiner/ihrer Investitionsentscheidung (Neubau/Umbau eines zu vermietenden Gebäudes) die Marktlage an zu vermietenden Objekten bzw. Flächen falsch eingeschätzt hat, wenn die Fertigstellung des Gebäudes vor dem Erlasszeitraum erfolgte.

Der/die Steuerpflichtige hat eine Rohertragsminderung nur dann nicht zu vertreten, wenn er/sie nachweist, dass trotz des Vermietungsangebots einer unter der üblichen Marktmiete liegenden Miete, eine Vermietung nicht möglich war (Halaczinsky, Grundsteuerkommentar, 2. Auflage, § 33 Rn 26). Bei der als Objektsteuer ausgestalteten Grundsteuer obliegt ihm/ihr nämlich die Verpflichtung, auch den geringst möglichen Ertrag aus dem Objekt zu erzielen, bevor ihm/ihr ein Grundsteuererlass nach § 33 GrStG zugute kommen kann.

3. Eigengewerbliche Nutzung bei Wohnungsbaugesellschaften

Bebaute Grundstücke, die im Eigentum von Wohnungsgesellschaften stehen, dienen in der Regel, obgleich es sich um Wohnungen handelt, allein der Erfüllung des gesellschaftlichen Vermietungszwecks, so dass eine eigengewerbliche Nutzung gegeben ist. Die OFD weist ausdrücklich darauf hin, dass nach § 33 Abs. 1 Satz 2 GrStG bei eigengewerblich genutzten bebauten Grundstücken ein Anspruch auf Grundsteuerteilerlass nur begründet wird, wenn bei Vorliegen aller übrigen Tatbestandsmerkmale die Einziehung der Grundsteuer in voller Höhe nach den wirtschaftlichen Verhältnissen des Betriebes unbillig wäre. Die wirtschaftlichen Verhältnisse sind hierbei nicht isoliert für den Steuergegenstand Grundstück, sondern im Zusammenhang des Gesamtbetriebes zu betrachten.

Die Einziehung der unverkürzten Grundsteuer ist nur dann nach den wirtschaftlichen Verhältnissen des Betriebs unbillig, wenn das Gesamtunternehmen im Erlasszeitraum ein negatives Betriebsergebnis erzielt hat und die Position Grundsteuer innerhalb des Aufwands von nicht nur geringfügigem Gewicht ist ( 8 C 20.97 -, BStBl 1989 II S. 1042, StZBl. Bln. 1990 S. 1267). Insoweit ist die unverkürzte Grundsteuer nicht in Relation zur Höhe des Betriebsverlustes im Erlasszeitraum, sondern in Relation zur Höhe der gesamten Betriebsausgaben in diesem Zeitraum zu setzen. Der Anteil der unverkürzten Grundsteuer an den Betriebsausgaben muss mindestens ein Prozent betragen, um eine Unbilligkeit i.S. v. § 33 Abs. 1 Satz 2 GrStG überhaupt in Betracht zu ziehen.

4. Hinweise

Hinsichtlich der Rohertragsminderung bei Leerstand im Beitrittsgebiet Berlins infolge unterlassener Instandsetzung in Fällen des § 3 Abs. 3 VermG verweist die OFD die hierzu ergangene gesonderte Rundverfügung.

Im Ergebnis wird ein Erlass der Grundsteuer aufgrund wesentlicher Ertragsminderung nur in Ausnahmefällen vorübergehend ausgesprochen werden können.

Ein Grundsteuererlass nach der allgemeinen Billigkeitsregelung des § 227 AO in den Ausnahmefällen der persönlichen Härte infolge der Grundsteuererhebung bleibt von der o.g. Regelung unbenommen.

Die dargestellten Grundsätze der Rechtssprechung des Bundesverwaltungsgerichts sind auf alle offenen Fälle anzuwenden. Die Regelungen in den GrStR 1978 (insbesondere Abschn. 38, 40 GrStR) sind, soweit sie diesen Ausführungen entgegenstehen, in Berlin nicht anzuwenden.

Die Rdvfg.-Nr. 86/1998 vom - GrSt-Nr. 47 - wird hiermit aufgehoben.

OFD Berlin v. - St 162 - G 1163 a - 1/97 -

Fundstelle(n):
NWB EN 683/2003
WAAAA-82330