BGH Beschluss v. - 5 StR 425/12

Strafzumessung: Strafschärfende Berücksichtigung von einer Einstellung betroffener Taten

Gesetze: § 46 StGB, § 154 StPO

Instanzenzug: Az: (504) 69 Js 239/10 KLs (6/12)vorgehend Az: 5 StR 425/11 Beschlussvorgehend Az: (511) 69 Js 239/10 KLs (2/11)

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten – im zweiten Durchgang – wegen Inverkehrbringens von Arzneimitteln zu Dopingzwecken im Sport in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln und wegen gefährlicher Körperverletzung unter Einbeziehung einer in einem früheren Verfahren wegen Beleidigung verhängten Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt (Einzelstrafen: zwei Jahre und neun Monate sowie zehn Monate Freiheitsstrafe). Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten führt lediglich zur Aufhebung der Gesamtstrafe.

2Die Strafkammer hat die Vorgaben der Senatsentscheidung vom (5 StR 425/11, BGHR AMG § 95 Bewertungseinheit 1) rechtsfehlerfrei umgesetzt und den Angeklagten nunmehr wegen eines einheitlichen Vergehens des Inverkehrbringens von Arzneimitteln zu Dopingzwecken im Sport in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln gemäß § 95 Abs. 1 Nr. 2a und 4 AMG zu der Einsatzstrafe von zwei Jahren und neun Monaten Freiheitsstrafe verurteilt. Die von ihr vorgenommene Gesamtstrafenbildung begegnet jedoch durchgreifenden Bedenken.

3Das Landgericht hat bei der Bemessung der Gesamtstrafe ausdrücklich berücksichtigt, dass ein weiteres Verfahren wegen Beleidigung in zwei Fällen im Hinblick auf die im vorliegenden Verfahren zu erwartende Strafe gemäß § 154 Abs. 2 StPO eingestellt wurde, „so dass die Kammer die Erhöhung der Einsatzstrafe auf drei Jahre und sechs Monate für schuld- und tatangemessen erachtet hat“ (UA S. 48, 49). Eine strafschärfende Berücksichtigung von einer Einstellung nach § 154 StPO betroffener Taten setzt jedoch voraus, dass diese in der Hauptverhandlung prozessordnungsgemäß festgestellt sind und zur Überzeugung des Tatgerichts feststehen (, NStZ 2000, 594; Urteil vom – 2 StR 230/90, NStZ 1991, 182; Fischer, StGB, 59. Aufl., § 46 Rn. 41). Das Abstellen auf einen bloßen Verdacht der Begehung weiterer Straftaten ist unzulässig (, NStZ 1995, 439; Beschluss vom – 4 StR 138/91, BGHR StGB § 46 Abs. 2 Vorleben 14).

4Diesen Anforderungen wird das angefochtene Urteil nicht gerecht. Zwar wird der dem eingestellten Verfahren zugrunde liegende Sachverhalt mitgeteilt. Dem Urteil lässt sich jedoch nicht entnehmen, dass die Strafkammer hierzu eigene Feststellungen getroffen und sich die Überzeugung verschafft hätte, der Angeklagte habe diese Taten in der geschilderten Weise begangen.

5Für die erneut durchzuführende Verhandlung weist der Senat darauf hin, dass an die Begründung der Gesamtstrafenhöhe umso höhere Anforderungen zu stellen sind, je mehr sich die Strafe der unteren oder oberen Grenze des Zulässigen nähert (, NJW 2010, 3176; Fischer, StGB, 59. Aufl., § 54 Rn. 7a mwn). Die Besorgnis, der Tatrichter habe sich bei der Bemessung der Gesamtstrafe von der Summe der Einzelstrafen leiten lassen, kann bereits für sich genommen einen Rechtsfehler begründen (vgl. BGH aaO; Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 4. Aufl., Rn. 661).

6Der Senat bemerkt ferner, dass die überflüssige Wiedergabe dem Angeklagten in weiteren anhängigen Verfahren vorgeworfener Sachverhalte unter Umständen Anlass zu der Befürchtung geben kann, das Tatgericht habe den insoweit gegen den Angeklagten bestehenden Verdacht im Rahmen der Strafzumessung zu seinen Lasten berücksichtigt.

Raum                                   Schaal                               Schneider

                     König                                 Bellay

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Fundstelle(n):
AAAAI-10270