Bundesamt für Finanzen - St I 4 – S 2471 – 260/2003 BStBl 2003 I 428

§ 31 EStG Familienleistungsausgleich:

(BStBl 2003 II S. 88 und 91), vom (BStBl 2002 II S. 765) und vom (BStBl 2003 II S. 469)

I. Berücksichtigung des Vermögens bei behinderten Kindern

Der BFH hat mit seinen Urteilen vom (BStBl 2003 II S. 88 und 91) entschieden, dass bei der Prüfung der Frage, ob ein volljähriges behindertes Kind ”außerstande ist, sich selbst zu unterhalten”, dessen Vermögen nicht zu berücksichtigen ist.

Die Rechtsgrundsätze dieser Urteile sind über die entschiedenen Einzelfälle hinaus für alle volljährigen behinderten Kinder anzuwenden. Eine rückwirkende Änderung einer bestandskräftigen Kindergeldfestsetzung kommt nicht in Betracht. Änderungen sind in diesen Fällen nach § 70 Abs. 3 EStG für die Zukunft vorzunehmen.

Aufgrund der vorgenannten BFH-Urteile wird die DA-FamEStG wie folgt geändert:

1. DA 63.3.6.1 wird wie folgt geändert:

a) Absatz 2 Satz 7 wird wie folgt gefasst:

7Ist das Kind trotz seiner Behinderung in der Lage, z.B. aufgrund hohen verfügbaren Einkommens, selbst für seinen Lebensunterhalt zu sorgen, besteht kein Anspruch auf Kindergeld.”

b) Absatz 4 Satz 2 wird wie folgt gefasst:

2Wenn nach diesen Tatbeständen eine Berücksichtigung nicht in Betracht kommt, sind Nachweise sowohl über das verfügbare Einkommen als auch über die Behinderung des Kindes anzufordern.”

2. DA 63.3.6.3.2 wird wie folgt geändert:

a) Absatz 1 Satz 2 wird wie folgt gefasst:

2Die kindeseigenen Mittel setzen sich aus dem verfügbaren Einkommen (vgl. S. 5) und den Leistungen Dritter (vgl. Abs. 2) zusammen; das Vermögen des Kindes gehört nicht zu den kindeseigenen Mitteln ( BStBl 2003 II S. 88 und 91).”

b) Absatz 4 Satz 1 und 2 wird wie folgt gefasst:

1Soweit ein vollstationär untergebrachtes behindertes Kind außer Eingliederungshilfe einschließlich Taschengeld kein weiteres verfügbares Einkommen hat, kann aus Vereinfachungsgründen davon ausgegangen werden, dass die eigenen Mittel des Kindes nicht ausreichen, sich selbst zu unterhalten. 2Ansonsten ist das verfügbare Einkommen zu ermitteln, und dem Bedarf des Kindes gegenüber zu stellen (siehe Abs. 1).”

c) Absatz 5 Satz 1 und 2 wird wie folgt gefasst:

1Wird für ein Kind in anderer Form Eingliederungshilfe geleistet, z.B. für die Betreuung in einer Werkstatt für behinderte Menschen bei täglicher Rückkehr in den elterlichen Haushalt, und hat das Kinde außer Taschengeld und Arbeitsentgelt kein weiteres verfügbares Einkommen, so kann davon ausgegangen werden, dass es außerstande ist, sich selbst zu unterhalten. 2Besitzt das Kind dagegen weiteres verfügbares Einkommen, so sind dieses sowie die Leistungen Dritter im Einzelnen zu ermitteln und dem Bedarf des Kindes gegenüber zu stellen (vgl. Abs. 4 Sätze 3 und 4).”

d) Absatz 6 wird gestrichen.

II. Berücksichtigung von Aufwendungen für eine Begleitperson als behinderungsbedingter Mehrbedarf

Entsprechend dem (BStBl 2002 II S. 765) können in bestimmten Fällen bei der Prüfung der Frage, ob ein volljähriges behindertes Kind außerstande ist, sich selbst zu unterhalten, die Kosten einer Begleitperson auf einer Urlaubsreise in angemessener Höhe als behinderungsbedingter Mehrbedarf berücksichtigt werden. Die Notwendigkeit der Begleitung muss jedoch nachgewiesen werden.

Die Rechtsgrundsätze dieses Urteils sind auf Fälle behinderter Kinder anzuwenden, für die nachweislich eine ständige Begleitung erforderlich ist. Die rückwirkende Änderung einer bestandskräftigen Kindergeldfestsetzung kommt nicht in Betracht. Änderungen sind nach § 70 Abs. 3 EStG für die Zukunft zulässig.

Aufgrund des vorgenannten BFH-Urteils wird die DA-FamEStG wie folgt geändert:

In DA 63.3.6.3.2 Abs. 3 werden nach Satz 4 folgende neue Sätze angefügt:

5Mehraufwendungen, die einem behinderten Kind anlässlich einer Urlaubsreise durch Kosten für Fahrten, Unterbringung und Verpflegung einer Begleitperson entstehen, können neben dem Pauschbetrag für behinderte Menschen (§ 33 b Abs. 3 EStG) in Höhe von bis zu 767 € als behinderungsbedingter Mehrbedarf berücksichtigt werden, sofern die Notwendigkeit ständiger Begleitung nachgewiesen ist. 6Der Nachweis ist vor Antritt der Reise durch ein amtsärztliches Gutachten oder die Feststellungen im Ausweis nach SGB IX (bis : dem Schwerbehindertenausweis), z.B. aus dem Vermerk ”Die Notwendigkeit ständiger Begleitung ist nachgewiesen”, zu erbringen ( BStBl 2002 II S. 765).”

III. Erfüllung des Unterhaltserfordernisses zur Begründung eines Pflegekindschaftsverhältnisses

Der (BStBl 2003 II S. 469) entschieden, dass eine Pflegeperson ein Pflegekind nur dann zu einem nicht unwesentlichen Teil auf ihre Kosten unterhält, wenn ihr tatsächliche Unterhaltsaufwendungen von zumindest 20 v.H. der gesamten Unterhaltskosten des Kindes entstehen und ihr der Aufwand insoweit nicht durch Leistungen Dritter ersetzt wird. Zur Prüfung, ob eine Pflegeperson ein im Rahmen der Familienvollzeitpflege (§ 33 Sozialgesetzbuch VIII – SGB VIII) in ihren Haushalt aufgenommenes Kind zu einem nicht unwesentlichen Teil auf ihre Kosten unterhält, ist ein Unterhaltsbedarf in Höhe der Freibeträge für Kinder im Sinne des § 32 Abs. 6 EStG anzusetzen. Unterhält danach eine Pflegeperson ein Pflegekind nicht zu einem nicht unwesentlichen Teil auf ihre Kosten, kann das Pflegekind bei ihr nicht als Kind berücksichtigt werden. Es ist dann bei den leiblichen Eltern als Kind zu berücksichtigen.

Die Rechtsgrundsätze dieses Urteils sind über den entschiedenen Einzelfall hinaus auf alle offenen Fälle anzuwenden. In bereits bestandskräftigen Fällen ist ggf. eine Änderung nach § 70 Abs. 3 EStG für die Zukunft zu veranlassen.

Aufgrund des vorgenannten BFH-Urteils wird DA-FamEStG 63.2.2.5 wird wie folgt gefasst:

”DA 63.2.2.5 Unterhaltserfordernis

(1) 1Das Vorliegen eines Pflegekindschaftsverhältnisses erfordert ferner, dass die Pflegeperson das Kind mindestens zu einem nicht unwesentlichen Teil auf ihre eigenen Kosten unterhält. 2Dies ist der Fall, wenn ihr tatsächliche Unterhaltsaufwendungen (z.B. durch entgeltliche Dienstleistungen Dritter) von zumindest 20 v.H. der gesamten angemessenen Unterhaltsaufwendungen des Kindes entstehen und ihr dieser Aufwand insoweit nicht von dritter Seite erstattet wird (z.B. durch Pflegegeld nach dem SGB VIII für Unterhalt und Erziehung). 3Zur Prüfung, ob eine Pflegeperson ein im Rahmen der Familienvollzeitpflege (§ 33 SGB VIII) in ihren Haushalt aufgenommenes Kind zu einem nicht unwesentlichen Teil auf ihre Kosten unterhält, ist ein Unterhaltsbedarf in Höhe des Kinderfreibetrags zuzüglich des Freibetrags für Betreuung und Erziehung oder Ausbildung (§ 32 Abs. 6 EStG) anzusetzen ( BStBl 2003 II S. 469). 4Weist die Pflegeperson Aufwendungen für die Betreuung und Erziehung oder Ausbildung des Kindes nach, die höher sind als der Freibetrag für Betreuung und Erziehung oder Ausbildung, sind diese Aufwendungen anstelle des Freibetrags zu berücksichtigen.

Beispiel 1:

Eine Pflegeperson erhält für ein in ihrem Haushalt lebendes Pflegekind monatlich 460 € Pflegegeld und 190 € Erziehungsbeitrag vom Jugendamt. Sie macht keine über dem Freibetrag liegenden Aufwendungen für Betreuung und Erziehung oder Ausbildung für das Kind geltend.


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1.
Ermittlung des Unterhaltsbedarfs des Kindes im Kalenderjahr Freibeträge nach § 32 Abs. 6 EStG
2 × (1 824 € + 1 080 €)
5 808 €
2.
Ermittlung der Höhe der Aufwandserstattung im Kalenderjahr 12 × (460 € + 190 €)
7 800 €

Die Pflegeperson ist nicht mit Unterhalt des Kindes belastet. Es kann deshalb nicht bei ihr als Pflegekind berücksichtigt werden.

Beispiel 2:

Eine Pflegeperson erhält für ein in ihrem Haushalt lebendes Pflegekind monatlich 460 € Pflegegeld und 190 € Erziehungsbeitrag vom Jugendamt. Sie weist Aufwendungen für die Betreuung des Kindes in Höhe von 10 000 € nach.


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1.
Ermittlung des Unterhaltsbedarfs des Kindes im Kalenderjahr Kinderfreibetrag nach § 32 Abs. 6 EStG 2 × 1 824 €
3 648 €
Nachgewiesene Betreuungsaufwendungen
10 000 €
Gesamter Unterhaltsbedarf des Kindes
13 648 €
2.
Ermittlung der Höhe der Aufwandserstattung im Kalenderjahr 12 × (460 € + 190 €)
7 800 €

Die Pflegeperson ist mit Unterhalt des Kindes in Höhe von (13 648 € ./. 7 800 € =) 5 848 € belastet, also mit 42,85 v.H. des gesamten Unterhaltsbedarfs des Kindes. Es kann deshalb bei ihr als Pflegekind berücksichtigt werden.

(2) Eigene Einkünfte oder zur Bestreitung des Unterhalts bestimmte oder geeignete Bezüge des Kindes mindern die Unterhaltsbelastung der Pflegeperson, es sei denn, sie stehen einem Kostenträger (z.B. Jugendamt oder Sozialhilfeträger) zu.”

IV. Berücksichtigung vermisster Kinder

Nach dem Ergebnis der Erörterung der für die Einkommensteuer zuständigen Vertreter der obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder, sind vermisste Kinder bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres zu berücksichtigen.

Diese Rechtsgrundsätze sind auf alle offenen Fälle anzuwenden. Für bereits bestandskräftige Entscheidungen kommt ggf. eine Änderung nach § 70 Abs. 3 EStG für die Zukunft in Betracht.

DA 63.1.1 Abs. 4 wird wie folgt gefasst:

”(4) Vermisste Kinder sind bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres zu berücksichtigen.”

V. Arbeit suchende Kinder

Durch Artikel 8 Nr. 5 des Zweiten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom (BStBl 2003 I S. 3, 12) ist § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 EStG mit Wirkung ab wie folgt gefasst worden:

”1. noch nicht das 21. Lebensjahr vollendet hat, nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht und bei einem Arbeitsamt im Inland als Arbeitsuchender gemeldet ist oder”

Nach dem Ergebnis der Erörterung der für die Einkommensteuer zuständigen Vertreter der obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder steht eine geringfügige Beschäftigung im Sinne von § 8 SGB IV einer Berücksichtigung im Rahmen der vorgenannten Vorschrift nicht entgegen.

Aufgrund der vorgenannten Gesetzesänderung wird die DA-FamEStG wie folgt geändert:

1. DA 63.3.1 wird wie folgt geändert:

a) Absätze 1 bis 3 werden wie folgt gefasst:

”(1) 1Ein noch nicht 21 Jahre altes Kind kann nach § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 EStG berücksichtigt werden, wenn es nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht und bei einem inländischen Arbeitsamt arbeitsuchend gemeldet ist. 2Eine geringfügige Beschäftigung im Sinne von § 8 SGB IV steht der Berücksichtigung nicht entgegen. 3Ein Kind, das in einem anderen EWR-Staat arbeitssuchend gemeldet ist, kann ebenfalls berücksichtigt werden. 4DA 63.6 und DA 72.3 sind zu beachten.

(2) 1 Geringfügige Beschäftigungen sind geringfügig entlohnte und kurzfristige Beschäftigungen. 2Eine geringfügig entlohnte Beschäftigung liegt vor, wenn das Arbeitsentgelt aus der Beschäftigung regelmäßig 400 € monatlich nicht übersteigt. 3Hierfür ist das monatliche Durchschnittseinkommen maßgeblich. 4Ein höheres Entgelt in einzelnen Monaten eines Kalenderjahres hat keine Auswirkungen auf die Berücksichtigungsfähigkeit, wenn im jährlichen Durchschnitt die Grenze von 400 € nicht überschritten wird. 5Eine kurzfristige Beschäftigung liegt vor, wenn sie innerhalb eines Kalenderjahres auf nicht mehr als zwei Monate oder bei weniger als fünf Arbeitstagen in der Woche auf insgesamt fünfzig Arbeitstage begrenzt ist. 6Diese Begrenzung begründet sich nach der Eigenart der Beschäftigung (z.B. Erntehelfer, Saisonkräfte, Aushilfe) oder sie wird im Voraus vertraglich festgehalten. 7Eine kurzfristige Beschäftigung liegt nicht mehr vor, wenn sie berufsmäßig ausgeübt wird und das erzielte Arbeitsentgelt 400 € übersteigt. 8 Diese Grundsätze gelten auch, wenn die geringfügige Beschäftigung ausschließlich in Privathaushalten bzw. wenn anstelle der Beschäftigung eine selbständige Tätigkeit ausgeübt wird.

(3) 1Der Nachweis, dass ein Kind bei einem Arbeitsamt im Inland als Arbeitssuchender gemeldet ist, hat über eine Bescheinigung des zuständigen inländischen Arbeitsamtes zu erfolgen. 2Es sind diesbezüglich keine weiteren Prüfungen durch die Familienkasse erforderlich.”

b) Absatz 4 wird gestrichen.

c) Der bisherige Absatz 5 wird neuer Absatz 4 und wie folgt gefasst:

”(4) 1Eine Berücksichtigung ist auch dann möglich, wenn das Kind wegen Erkrankung oder eines Beschäftigungsverbotes nach §§ 3, 6 Mutterschutzgesetz (MuSchG) nicht bei einem Arbeitsamt im Inland arbeitsuchend gemeldet ist. 2Ist das Kind jedoch wegen der Inanspruchnahme von Elternzeit nicht arbeitsuchend gemeldet, besteht während dieser Zeit kein Anspruch auf Kindergeld für dieses Kind. 3Eine Berücksichtigung während einer Erkrankung bzw. eines Beschäftigungsverbotes setzt voraus, dass die Erkrankung bzw. das Beschäftigungsverbot durch eine ärztliche Bescheinigung nachgewiesen wird. 4Bei einer Erkrankung von mehr als sechs Monaten hat die Familienkasse nach Vorlage eines amtsärztlichen Attestes zu entscheiden, ob das Kind noch berücksichtigt werden kann (zum Inhalt des Attestes s. DA 63.3.2.7 Abs. 1 S. 2). 5Außerdem muss das Kind glaubhaft erklären, sich unmittelbar nach Wegfall der Hinderungsgründe bei dem zuständigen Arbeitsamt im Inland arbeitsuchend zu melden. 6Geschieht dies nicht, ist die Festsetzung ab dem Monat, der dem Monat folgt, in dem die Hinderungsgründe wegfallen, nach § 70 Abs. 2 EStG aufzuheben.”

d) Der bisherige Absatz 6 wird gestrichen.

2. In DA 63.3.4 Abs. 4 Satz 2 werden die Worte ”DA 63.3.1 Abs. 6 gilt entsprechend” durch die Worte ”DA 63.3.1 Abs. 4 gilt entsprechend” ersetzt.

Bundesamt für Finanzen v. - St I 4 – S 2471 – 260/2003

Fundstelle(n):
BStBl 2003 I Seite 428
BAAAA-81232