BGH Urteil v. - I ZR 148/20

Wettbewerbswidrige Preisangaben: Inhaltsanforderungen an die Preisinformation bei Kopplungsangeboten - Kopplungsangebot III

Leitsatz

Kopplungsangebot III

Die an die Preisinformation bei Kopplungsangeboten zu stellenden Anforderungen ergeben sich nunmehr aus dem lauterkeitsrechtlichen Irreführungsverbot (§ 5 Abs. 1 UWG), dem Tatbestand der Informationspflichtverletzung (im unternehmerischen Verkehr § 5a Abs. 1 UWG, im Verhältnis zu Verbrauchern § 5a Abs. 2 UWG) sowie aus dem Verbot aggressiver geschäftlicher Handlungen (§ 4a UWG) und der lauterkeitsrechtlichen Generalklausel (im unternehmerischen Verkehr § 3 Abs. 1 UWG, im Verhältnis zu Verbrauchern § 3 Abs. 2 UWG; Weiterführung von , BGHZ 151, 84 - Kopplungsangebot I; Urteil vom - I ZR 253/00, BGHZ 154, 105 - Gesamtpreisangebot).

Gesetze: § 3 Abs 1 UWG, § 3 Abs 2 UWG, § 4a UWG, § 5 Abs 1 S 2 Alt 2 Nr 2 UWG, § 5a Abs 1 UWG, § 5a Abs 2 UWG

Instanzenzug: OLG Oldenburg (Oldenburg) Az: 6 U 252/19vorgehend LG Osnabrück Az: 14 O 437/18

Tatbestand

1Die Parteien sind Wettbewerber auf dem Markt der Vermietung von Wasserspendern an gewerbliche Kunden. Üblicherweise wird dabei neben der Vermietung des Geräts auch die Erbringung von Serviceleistungen angeboten, zu denen die regelmäßige Überprüfung der Geräte und die Durchführung erforderlicher Pflegeleistungen wie Reparaturen und der Austausch von Verschleißteilen zählen. Die Beklagte bietet die Serviceleistungen separat an, so dass der Kunde entweder nur das Gerät mieten oder daneben zusätzlich die Serviceleistung in Anspruch nehmen kann. Die Mietverträge haben regelmäßig eine feste Laufzeit von mindestens fünf Jahren.

2Im dritten Quartal 2016 erteilte die Beklagte ihren Vertriebsmitarbeitern die Weisung, in die Servicevereinbarung stets "0,00 €" einzutragen und die Servicegebühr stattdessen in den Mietpreis einzukalkulieren ("Altverträge"). Seit September 2018 lässt die Beklagte ihre Vertriebsmitarbeiter eine Servicegebühr von "1,00 €" eintragen ("Neuverträge").

3Nach erfolgloser Abmahnung hat die Klägerin beantragt, die Beklagte unter Androhung näher bezeichneter Ordnungsmittel zu verurteilen,

es zu unterlassen, im Zusammenhang mit dem Abschluss von Mietverträgen über Wasserspender gleichzeitig den Abschluss von gesonderten Verträgen über die Erbringung von Serviceleistungen für die Mietgeräte anzubieten, bei denen die Servicegebühr mit 0,00 € oder 1,00 € ausgewiesen ist, wenn die Servicegebühr zuvor in die Gerätemiete eingerechnet worden ist, sofern nicht üblicherweise tatsächlich eine gesonderte Servicegebühr, die nicht in die Miete einkalkuliert ist, gefordert wird.

4Außerdem hat sie die Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltsgebühren verlangt.

5Das Landgericht hat dem Unterlassungsantrag stattgegeben und die Beklagte wegen der vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren unter Zurückweisung der weitergehenden Klage zur Freistellung verurteilt. Die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht nach vorangegangenem Hinweis durch einstimmigen Beschluss zurückgewiesen.

6Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, verfolgt die Beklagte ihren Klagabweisungsantrag weiter.

Gründe

7I. Das Berufungsgericht hat die Vertragsgestaltung der Beklagten in beiden Varianten als irreführend angesehen. Zur Begründung hat es ausgeführt:

8Zu den Kunden der Beklagten gehörten insbesondere auch Kleinbetriebe, Gewerbetreibende und Einzelhandelsgeschäfte, bei deren Inhabern nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden könne, dass sie die Vorstellung hätten, das monatliche Serviceentgelt sei in den verlangten Mietpreis eingerechnet. Anders als in Fällen, in denen Mobilfunkverträge mit "kostenlosen" oder extrem günstigen Smartphones beworben würden, sei es den angesprochenen Verkehrskreisen nicht möglich, sich eine auch nur ungefähre Vorstellung von den in den Mietpreis für die Wasserspender einkalkulierten Servicekosten zu machen, weil derartige Kosten nicht allgemein bekannt seien. Den Adressaten der Werbemaßnahme sei es nicht oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten möglich, einen realistischen Preisvergleich der angebotenen Leistungen vorzunehmen. Die Quersubventionierung sei im Fall der "Neuverträge" keinesfalls transparenter als bei den "Altverträgen", sondern im Gegenteil völlig intransparent. Durch die niedrige Preisangabe gelange der Kunde zu der falschen Einschätzung, das Angebot der Beklagten sei besonders günstig, weil es einen besonders preiswerten Service einschließe.

9II. Die gegen diese Beurteilung des Berufungsgerichts gerichtete Revision der Beklagten hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Abweisung der Klage. Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Die Vertragsgestaltung der Beklagten stellt keine unlautere geschäftliche Handlung dar.

101. Der Klageantrag ist hinreichend bestimmt im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Danach darf ein Unterlassungsantrag - und nach § 313 Abs. 1 Nr. 4 ZPO eine darauf beruhende Verurteilung - nicht derart undeutlich gefasst sein, dass der Streitgegenstand und der Umfang der Prüfungs- und Entscheidungsbefugnis des Gerichts (§ 308 Abs. 1 ZPO) nicht erkennbar abgegrenzt sind, sich die beklagte Partei deshalb nicht erschöpfend verteidigen kann und die Entscheidung darüber, was ihr verboten ist, letztlich dem Vollstreckungsgericht überlassen bleibt (st. Rspr.; vgl. , GRUR 2021, 1400 Rn. 19 = WRP 2021, 1415 - Influencer I, mwN). Nach diesen Maßstäben macht das Wort "üblicherweise" im "Sofern"-Zusatz des Unterlassungsantrags diesen Antrag nicht unbestimmt. Der Zusatz stellt lediglich ein für den Verbotsumfang bedeutungsloses Begründungselement dar (vgl. , GRUR 2002, 177, 179 [juris Rn. 30] = WRP 2001, 1182 - Jubiläumsschnäppchen; Urteil vom - I ZR 250/12, GRUR 2016, 406 Rn. 34 = WRP 2016, 331 - Piadina-Rückruf).

112. Der Klägerin steht kein Unterlassungsanspruch aus § 8 Abs. 1 Satz 1, § 3 Abs. 1 UWG wegen einer unlauteren geschäftlichen Handlung der Beklagten zu.

12a) Die Werbung für Angebote, bei denen mehrere Waren und/oder Dienstleistungen in der Weise angeboten werden, dass bei Erwerb des einen Produkts das andere Produkt ohne Berechnung oder unter Berechnung eines nominellen Betrags abgegeben wird (sog. Kopplungsangebote), ist wettbewerbsrechtlich grundsätzlich zulässig. Die Möglichkeit, Güter und Dienstleistungen zu Gesamtangeboten (insbesondere Komplettangeboten) zusammenzustellen und dementsprechend zu bewerben, gehört zur Freiheit des Wettbewerbs (vgl. , BGHZ 154, 105, 108 [juris Rn. 15] - Gesamtpreisangebot, mwN). Das gilt auch dann, wenn ein Teil der auf diese Weise gekoppelten Waren oder Leistungen ohne gesondertes Entgelt abgegeben wird (vgl. , BGHZ 151, 84, 88 [juris Rn. 21] - Kopplungsangebot I).

13In der zu den §§ 1 und 3 UWG aF ergangenen Rechtsprechung hat der Bundesgerichtshof allerdings bereits anerkannt, dass wegen der Gefahr einer unsachlichen Beeinflussung und Irreführung der angesprochenen Verkehrskreise bei derartigen Kopplungsangeboten bestimmte Anforderungen erfüllt sein müssen. Vor allem muss einer Täuschung der angesprochenen Verkehrskreise über den tatsächlichen Wert des Angebots entgegengewirkt werden (vgl. BGHZ 151, 84, 86 und 89 [juris Rn. 16 und 23] - Kopplungsangebot I; , GRUR 2002, 979, 980 und 981 [juris Rn. 21 und 28] = WRP 2002, 1259 - Kopplungsangebot II). Eine solche Täuschung unterfällt nunmehr dem Irreführungsverbot des § 5 Abs. 1 UWG (dazu II 2 b). Ebenso muss vermieden werden, dass durch mangelnde Transparenz oder eine starke Anlockwirkung die Rationalität der Nachfrageentscheidung auf Seiten der angesprochenen Verkehrskreise über Gebühr zurückgedrängt wird (vgl. BGHZ 151, 84, 86 und 89 [juris Rn. 16 und 23] - Kopplungsangebot I; BGH, GRUR 2002, 979, 980 und 981 [juris Rn. 21 und 28] = WRP 2002, 1259 - Kopplungsangebot II). Das daraus folgende Transparenzgebot ist im unternehmerischen Verkehr nunmehr der Vorschrift des § 5a Abs. 1 UWG zu entnehmen (dazu II 2 c), während einer starken Anlockwirkung grundsätzlich mit den Regelungen in § 4a beziehungsweise § 3 Abs. 1 UWG begegnet werden kann (dazu II 2 d). Die danach an die Preisinformation bei Kopplungsangeboten zu stellenden Anforderungen sind im Streitfall erfüllt.

14b) Die beanstandete Vertragsgestaltung ist nicht irreführend gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 und 2 Fall 2 Nr. 2 UWG.

15aa) Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 UWG handelt unlauter, wer eine irreführende geschäftliche Handlung vornimmt, die geeignet ist, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Nach § 5 Abs. 1 Satz 2 UWG ist eine geschäftliche Handlung irreführend, wenn sie unwahre Angaben oder sonstige zur Täuschung geeignete Angaben über - nachfolgend aufgezählte - Umstände enthält; hierzu rechnen gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2 Fall 2 Nr. 2 UWG auch solche über den Preis oder das Vorhandensein eines besonderen Preisvorteils. Eine Irreführung liegt vor, wenn das Verständnis, das eine Angabe bei den Verkehrskreisen erweckt, an die sie sich richtet, mit den tatsächlichen Verhältnissen nicht übereinstimmt (st. Rspr.; vgl. , GRUR 2021, 1315 Rn. 12 = WRP 2021, 1444 - Kieferorthopädie).

16Kopplungsangebote sind danach irreführend im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 2 Fall 2 Nr. 2 UWG, wenn sie über den tatsächlichen Wert des Angebots, insbesondere über den Wert der angebotenen Zusatzleistung, zu täuschen geeignet sind (vgl. BGHZ 151, 84, 86 [juris Rn. 23] - Kopplungsangebot I; BGHZ 154, 105, 108 [juris Rn. 17] - Gesamtpreisangebot; , GRUR 2006, 164 Rn. 20 = WRP 2006, 84 - Aktivierungskosten II).

17bb) Das Berufungsgericht hat angenommen, die Vertragsgestaltung der Beklagten sei hinsichtlich der Angabe eines Serviceentgelts von "0,00 €" beziehungsweise "1,00 €" irreführend, weil die Quersubventionierung der Serviceleistungen durch die Gerätemiete für die Kunden der Beklagten nicht erkennbar sei. Bei den zu diesem Kundenkreis gehörenden Kleinbetrieben, Gewerbetreibenden und Einzelhandelsgeschäften könne nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass ihre Inhaber die Vorstellung hätten, das monatliche Entgelt sei in den verlangten Mietpreis eingerechnet. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

18cc) Das Berufungsgericht ist bei der Ermittlung der für die Frage einer Irreführung maßgeblichen Verkehrsauffassung von einem falschen rechtlichen Maßstab ausgegangen (dazu II 2 b cc [2]). Das von ihm seiner rechtlichen Beurteilung zugrunde gelegte Verkehrsverständnis ist zudem erfahrungswidrig (dazu II 2 b cc [3]).

19(1) Die Ermittlung und Würdigung der Verkehrsauffassung unterliegt nur einer eingeschränkten revisionsgerichtlichen Überprüfung dahingehend, ob das Berufungsgericht einen zutreffenden rechtlichen Maßstab zugrunde gelegt, den Tatsachenstoff verfahrensfehlerfrei ausgeschöpft und nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstoßen hat (st. Rspr.; vgl. , GRUR 2021, 1422 Rn. 16 = WRP 2021, 1441 - Vorstandsabteilung, mwN). Da es sich nicht um eine Tatsachenfeststellung im eigentlichen Sinn, sondern um die Anwendung spezifischen Erfahrungswissens handelt, kann ein Rechtsfehler auch darin bestehen, dass die festgestellte Verkehrsauffassung erfahrungswidrig ist (vgl. , GRUR 2019, 185 Rn. 36 = WRP 2019, 193 - Champagner-Sorbet II; Urteil vom - I ZR 126/19, GRUR 2021, 746 Rn. 43 = WRP 2021, 64 - Dr. Z). Solche Rechtsfehler sind dem Berufungsgericht unterlaufen.

20(2) Bei der Ermittlung der Verkehrsauffassung ist das Berufungsgericht rechtsfehlerhaft von einer gespaltenen Verkehrsauffassung ausgegangen. Es hat bei den Kunden der Beklagten zwischen Kleinbetrieben, Gewerbetreibenden sowie Einzelhandelsgeschäften einerseits und Unternehmen, juristischen Personen sowie Behörden andererseits unterschieden und angenommen, Kunden aus der ersten Gruppe würden die Quersubventionierung nicht erkennen. Eine derartige Differenzierung innerhalb eines einzigen angesprochenen Verkehrskreises widerspricht dem Grundsatz, dass es bei der Beurteilung der Irreführungsgefahr auf die Auffassung des durchschnittlich verständigen und vernünftigen Marktteilnehmers ankommt (zur Irreführung von Verbrauchern vgl. , GRUR 2014, 1013 Rn. 33 = WRP 2014, 1183 - Original Bach-Blüten). Eine andere Beurteilung ist nur ausnahmsweise dann gerechtfertigt, wenn die Sicht verschiedener Verkehrskreise zu ermitteln ist, die sich - wie etwa der allgemeine Verkehr und Fachkreise oder unterschiedliche Sprachkreise - objektiv voneinander abgrenzen lassen. Innerhalb eines einzigen Verkehrskreises - wie hier der gewerblichen Kundinnen und Kunden der Beklagten - scheidet eine gespaltene Verkehrsauffassung dagegen aus (zur Verwechslungsgefahr im Markenrecht vgl. , GRUR 2013, 631 Rn. 64 = WRP 2013, 778 - AMARULA/Marulablu; Urteil vom - I ZR 114/13, GRUR 2015, 587 Rn. 23 = WRP 2015, 732 - PINAR; zum lauterkeitsrechtlichen Nachahmungsschutz vgl. , juris Rn. 16 - Flying V).

21(3) Das vom Berufungsgericht zugrunde gelegte Verkehrsverständnis, bei der Bezifferung des Serviceentgelts mit "0,00 €" oder "1,00 €" in den Verträgen der Beklagten könne nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass die Kunden die Vorstellung hätten, das monatliche Serviceentgelt sei in den verlangten Mietpreis eingerechnet, widerspricht der Lebenserfahrung. Verbrauchern ist bekannt, dass Unternehmer etwaige Kosten für Nebenleistungen regelmäßig durch den Preis der Hauptleistung abdecken (vgl. Begründung des Regierungsentwurfs eines Gesetzes zur Aufhebung der Zugabeverordnung und zur Anpassung weiterer Rechtsvorschriften, BT-Drucks. 14/5594, S. 7; vgl. auch , BGHZ 139, 368, 373 [juris Rn. 18] - Handy für 0,00 DM). Erkennen schon Verbraucherinnen und Verbraucher eine solche Quersubventionierung, weiß der Kreis der - einheitlich zu bestimmenden - gewerblichen Kunden der Beklagten erst recht, dass ihr ein rentables Wirtschaften nur möglich ist, wenn sie vermeintlich kostenlose oder preisgünstige Nebenleistungen - wie hier den Service - durch die Hauptleistung - hier die Gerätemiete - mitfinanziert.

22c) Das angegriffene Angebot genügt auch dem für Kopplungsangebote geltenden Transparenzgebot gemäß § 5a Abs. 1 UWG.

23aa) Nach der zu den §§ 1 und 3 UWG ergangenen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist bei Kopplungsangeboten im Interesse der angesprochenen Verkehrskreise eine Transparenz des Angebots zu fordern, um dem gewissen Irreführungs- und Preisverschleierungspotential entgegenzuwirken, das die von Kopplungsangeboten geförderte Heterogenität des Angebots birgt (vgl. BGHZ 151, 84, 89 [juris Rn. 23] - Kopplungsangebot I; BGH, GRUR 2002, 979, 981 [juris Rn. 28] - Kopplungsangebot II). Dieses Transparenzgebot, das der Sicherstellung einer angemessenen Information der Marktteilnehmer dient, findet im Verhältnis zu Verbrauchern nunmehr in der Vorschrift des § 5a Abs. 2 UWG Ausdruck. Soweit - wie im Streitfall - das Verhältnis zu Unternehmern betroffen ist, ist dieses Transparenzgebot der Vorschrift des § 5a Abs. 1 UWG zu entnehmen.

24bb) Nach § 5a Abs. 1 UWG sind bei der Beurteilung, ob das Verschweigen einer Tatsache irreführend ist, insbesondere deren Bedeutung für die geschäftliche Entscheidung nach der Verkehrsauffassung sowie die Eignung des Verschweigens zur Beeinflussung der Entscheidung zu berücksichtigen.

25Die Anwendung des § 5a Abs. 1 UWG auf das im Streitfall maßgebliche Verhältnis zu sonstigen Marktteilnehmern ist mit Blick auf Art. 8 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 2006/114/EG über irreführende und vergleichende Werbung unionsrechtlich gerechtfertigt (vgl. , GRUR 2018, 541 Rn. 38 = WRP 2018, 429 - Knochenzement II). Nach der Rechtsprechung des Senats ist eine Irreführung durch Verschweigen von Tatsachen anzunehmen, wenn der verschwiegenen Tatsache nach der Auffassung des Verkehrs eine besondere Bedeutung zukommt, so dass das Verschweigen geeignet ist, das Publikum in relevanter Weise irrezuführen, also seine Entschließung zu beeinflussen. Eine Irreführung durch Unterlassen gemäß § 5a Abs. 1 UWG setzt die Verletzung einer Aufklärungspflicht voraus. Maßgebend für die Frage, ob eine Aufklärungs- oder Informationspflicht vorliegt, ist, inwieweit der angesprochene Verkehr auf die Mitteilung der Tatsache angewiesen und dem Unternehmer eine Aufklärung zumutbar ist (vgl. BGH, GRUR 2018, 541 Rn. 38 - Knochenzement II).

26cc) Das Berufungsgericht hat angenommen, die Werbung der Beklagten informiere nur unzureichend über den Inhalt des Angebots. Den angesprochenen Verkehrskreisen sei es nicht oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten möglich, einen realistischen Preisvergleich der von der Beklagten angebotenen Leistungen vorzunehmen, weil die einzelnen Preisbestandteile - Gerätemiete für Wasserspender sowie Servicekosten - nicht allgemein bekannt seien. Durch die niedrige Preisangabe gelange der Kunde zu der falschen Einschätzung, das Angebot der Beklagten sei besonders günstig, weil es einen besonders preiswerten Service einschließe. Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

27dd) Den Unternehmer trifft nach § 5a Abs. 1 UWG keine allgemeine Aufklärungspflicht über Tatsachen, die für die geschäftliche Entscheidung des angesprochenen Verkehrs möglicherweise von Bedeutung sind. Er ist nicht generell verpflichtet, auch auf weniger vorteilhafte oder gar negative Eigenschaften des eigenen Angebots hinzuweisen (vgl. BGH, GRUR 2018, 541 Rn. 38 - Knochenzement II). Eine solche umfassende Aufklärung wird weder von verständigen Verbraucherinnen und Verbrauchern noch von sonstigen Marktteilnehmern erwartet (vgl. BGHZ 154, 105, 109 [juris Rn. 17] - Gesamtpreisangebot). Unternehmer sind danach insbesondere nicht gehalten, in der Werbung die Elemente ihrer Preisbemessung nachvollziehbar darzustellen, um Preisvergleiche zu erleichtern (vgl. Marx in Götting/Meyer/Vormbrock, Gewerblicher Rechtsschutz, 2. Aufl., § 35 Rn. 41 f.; Sosnitza in Ohly/Sosnitza, UWG, 7. Aufl., § 5 Rn. 460; Bornkamm/Feddersen in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 39. Aufl., § 3 Rn. 8.21, § 5 Rn. 3.66 und 3.72; Büscher/Büscher, UWG, 2. Aufl., § 5 Rn. 422). Es ist vielmehr Sache der Verbraucher und der sonstigen Marktteilnehmer selbst, Preisvergleiche anzustellen und sich Gedanken über die Preiswürdigkeit des Angebots zu machen. Zumindest anhand des letztlich maßgebenden Gesamtpreises sind Preisvergleiche immer möglich (vgl. BGHZ 154, 105, 109 [juris Rn. 18] - Gesamtpreisangebot). Diesen Maßstäben genügt die angegriffene Vertragsgestaltung der Beklagten, in der insbesondere der Gesamtpreis des Angebots genannt wird.

28d) Der Gefahr einer übermäßigen Anlockwirkung eines Kopplungsangebots wirkt das Verbot aggressiver geschäftlicher Handlungen gemäß § 4a UWG sowie - im Verhältnis zu Verbrauchern - das Verbot von gegen die unternehmerische Sorgfalt verstoßenden geschäftlichen Handlungen gemäß § 3 Abs. 2 UWG entgegen. Im Verhältnis zu sonstigen Marktteilnehmern kommt die Anwendung der wettbewerbsrechtlichen Generalklausel des § 3 Abs. 1 UWG in Betracht, sofern die betreffende Verhaltensweise von ihrem Unlauterkeitsgehalt her den in den §§ 3a bis 7 UWG angeführten Beispielsfällen unlauteren Verhaltens entspricht (vgl. BGH, GRUR 2018, 541 Rn. 24 - Knochenzement II, mwN).

29Im vorliegenden Fall, der Angaben im unternehmerischen Verkehr betrifft, bestehen für Verstöße gegen § 4a UWG oder § 3 Abs. 1 UWG keine Anhaltspunkte.

30III. Auf die Revision der Beklagten ist die angegriffene Entscheidung deshalb aufzuheben. Der Senat hat in der Sache selbst zu entscheiden, weil die Aufhebung der Entscheidung nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO).

311. Auf der Grundlage der Feststellungen des Berufungsgerichts ist der Unterlassungsanspruch der Klägerin nicht begründet. Die von der Klägerin beanstandete Vertragsgestaltung, in welcher der Preis für die Servicevereinbarung mit "0,00 €" beziehungsweise "1,00 €" angegeben wird, die Servicegebühr aber tatsächlich im Preis für die Vermietung der Wasserspender enthalten ist, stellt ein wettbewerbsrechtlich zulässiges Kopplungsangebot dar.

32Die gewerblichen Kunden der Beklagten erkennen die der beanstandeten Vertragsgestaltung zugrundeliegende Quersubventionierung der Serviceleistungen durch den Mietpreis (vgl. oben Rn. 21). Die Beklagte verschleiert bei der von ihr gewählten Gestaltung der Miet- und Serviceverträge nicht den Preis des Gesamtangebots (vgl. oben Rn. 27) und handelt auch nicht im Sinne von § 4a UWG oder § 3 Abs. 1 UWG unlauter (vgl. oben Rn. 29).

332. Da das Verhalten der Beklagten wettbewerbsrechtlich zulässig ist, ist auch der Anspruch auf Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten nicht begründet.

343. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2021:251121UIZR148.20.0

Fundstelle(n):
BB 2022 S. 272 Nr. 6
NJW 2022 S. 9 Nr. 7
KAAAI-03062