OFD München - S 0317 – 29 St 324

§ 147 AO Ordnungsvorschriften für die Aufbewahrung von Unterlagen hier: elektronische Archivierung von Tagesrechnungen und Lieferscheinen betr. Apotheken

Im OF-Bereich München gehen in letzter Zeit verstärkt Anfragen von Apotheken mit der Fragestellung ein, ob eine elektronische Archivierung von Tagesrechnungen vorgenommen werden kann.

Die Fragesteller beabsichtigen, ihre in Papierform vorliegenden Rechnungen und Lieferscheine zu vernichten und statt dessen auf ein ihnen angebotenes Archivierungssystem zurückzugreifen. Dieses System erfasst die Inhalte der nach § 147 Abs. 1 AO aufzubewahrenden Unterlagen bereits beim Großhändler tagesaktuell digital. Auf der Internetseite des Großhändlers werden den Apotheken diese Unterlagen zur Kontrolle, Einsicht und ggf. zum Ausdruck zur Verfügung gestellt.

Diese Daten werden zum Jahresende fälschungssicher und verschlüsselt auf CD kopiert und den Apotheken zusammen mit einer Wiedergabe-Software übersandt. Nach Ansicht des Programmvertreibers sei die CD das originär (digitale) Dokument; die dem Apotheker überlassene Rechnung in Papierform stelle lediglich ein Begleitdokument – eine Art Zweitschrift – dar, das lediglich dann aufbewahrungspflichtig sei, wenn der Apotheker auf dem Dokument (steuerlich relevante) Notizen vornehme.

Das beschriebene Verfahren ist aus mehreren Gründen abzulehnen:

  • Das zu den Grundsätzen ordnungsmäßiger DV-gestützter Buchführungssysteme (GoBS) ergangene AO-Kartei K. 2 zu § 146 – fordert unter II.a Angaben zur Kontierung, zum Ablagesystem und zum Buchungsdatum auf dem Beleg. Diese Vorgabe kann nur der Papierbeleg erfüllen, zumal dem Stpfl. keine andere Unterlage zum Buchungszeitpunkt zur Verfügung steht.

  • Voraussetzung für den Vorsteuerabzug nach § 15 UStG ist u.a. eine Rechnung i.S. § 14 UStG. Nach dem BStBl 1997 II 582, setzt die Ausübung des Rechts auf Vorsteuerabzug voraus, dass der Stpfl. im Besitz der Originalrechnung ist. Als Rechnung gilt gemäß § 14 Abs. 4 S.2 UStG zwar auch eine mit einer qualifizierten elektronischen Signatur oder einer qualifizierten elektronischen Signatur mit Anbieterakkreditierung nach dem Signaturgesetz versehene elektronische Abrechnung. Diese Voraussetzungen erfüllen aber die Daten auf der vom Archivsystemhersteller überlassenen Original-CD nicht.

  • Ob die Vorgaben für den Datenzugriff der Außenprüfung erfüllt sind (§ 147 Abs.6 AO), wenn für das Lesen der CD eine eigene Wiedergabesoftware benötigt wird, erscheint zumindest zweifelhaft, da auf den Prüfernotebooks keine fremde Software installiert werden kann.

Sowelt die eingegangenen Rechnungen inhaltlich dieselben Angaben wie die Lieferscheine enthalten (insbesondere Art und Umfang des Leistungsgegenstandes), brauchen die Lieferscheine nicht (zusätzlich) aufbewahrt werden.

Der Stpfl. hat natürlich die Möglichkeit, den eingegangenen, kontierten und gebuchten Papierbeleg in einem eigenen Archivsystem (digital) abzulegen und anschließend den Originalbeleg zu vernichten, ohne dass dies den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung – GoB – und auch dem Vorsteuerabzug entgegen stünde; §§ 146 Abs.5, 147 Abs.2 AO. O.g. BFH-Urteil fordert (lediglich) den Besitz der Originalunterlage im Zeitpunkt der Geltendmachung des Vorsteuerabzugs.

Abschließend sei darauf hingewiesen, dass für die Einhaltung der GoB und der GoBS allein der Stpfl. verantwortlich ist, Tz. 9 der GoBS. Diese Verantwortlichkeit erstreckt sich auch auf fremderstellte Systeme. Der Stpfl. hat somit u.a. auch die Datensicherheit zu gewährleisten und Vorsorge gegen Datenverlust, Unauffindbarkeit und Vernichtung zu treffen (Tz. 5 der GoBS).

Diese Verfügung wird im AIS bereitgestellt und inhaltlich in die AO-Kartei übernommen.

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Fundstelle(n):
CAAAA-80935