OFD Magdeburg - S 0458 - 1 - St 251

Erstattung des Zinsabschlags zur Vermeidung von sachlichen Härten;
EStG § 44 a Abs. 4 Satz 3;
EStG § 44 b Abs. 5;
KStG § 32 Abs. 1;
AO §§ 228 ff.

I Allgemeines

Gem. Tzn. 36, 37 des (BStBl 2002 I S. 1346; Amtliches Einkommensteuer-Handbuch 2002 Anhang 36 II; Rundverfügung der , §§ 43 - 45 d EStG - ist im Hinblick auf die durch § 32 Abs. 1 KStG normierte Abgeltung der Körperschaftsteuer durch den Steuerabzug vom Kapitalertrag ein einbehaltener und abgeführter Zinsabschlag zur Vermeidung sachlicher Härten zu erstatten, wenn der Zinsabschlag auf Kapitalerträge, die steuerbefreiten inländischen Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen oder inländischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts zufließen, deswegen einbehalten worden ist, weil dem Schuldner der Kapitalerträge bzw. der die Kapitalerträge auszahlenden Stelle die Bescheinigung nach § 44 a Abs. 4 Satz 3 EStG nicht vorlag und der Schuldner von der Möglichkeit der Änderung der Steueranmeldung nach § 44 b Abs. 5 EStG keinen Gebrauch macht.

Der Zinsabschlag (zuzüglich des hierauf ggf. erhobenen Solidaritätszuschlags) ist in den vorgenannten Fällen auf Antrag der betroffenen Organisation von dem für sie zuständigen Betriebsfinanzamt zu erstatten, soweit sich nicht aus gesetzlichen Regelungen, wie z. B. § 38 Abs. 2 Satz 2 KAGG, eine andere Zuständigkeit ergibt.

II Antragsfrist

Für die zeitliche Befristung der unter I geregelten Erstattung des Zinsabschlags in besonderen Fällen ist auf die allgemeinen Grundsätze über die Zahlungsverjährung (§§ 228 ff. AO) abzustellen. Hierzu gilt Folgendes:

Gem. § 229 Abs. 1 Satz 1 AO beginnt die Zahlungsverjährung mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Anspruch erstmals fällig geworden ist.

Die Fälligkeit von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis richtet sich gem. § 220 Abs. 1 AO grundsätzlich nach den Vorschriften der Steuergesetze. Fehlt es - wie für den Fall der antragsgebundenen Erstattung des Zinsabschlags im Billigkeitsweg - an einer besonderen gesetzlichen Regelung über die Fälligkeit, so wird der Erstattungsanspruch mit seiner Entstehung fällig (§ 220 Abs. 2 Satz 1 AO).

Ist eine Steuer ohne rechtlichen Grund gezahlt worden oder fällt der rechtliche Grund für die Zahlung später weg (§ 37 Abs. 2 AO), entsteht der Erstattungsanspruch in dem Zeitpunkt, in dem die den materiell-rechtlichen Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis übersteigende Leistung erbracht wurde oder der rechtliche Grund für die Leistung entfallen ist (AEAO zu § 38, Nr. 1).

In den Fällen der Erstattung des Zinsabschlags aus Billigkeitsgründen besteht die Besonderheit darin, dass durch die positive Entscheidung des Finanzamts über den Erstattungsantrag der Rechtsgrund für die Zahlung - der sich aus den oben genannten Vorschriften des EStG ergibt - nicht nachträglich wegfällt, sondern bestehen bleibt. § 37 Abs. 2 AO ist daher für die Frage, wann der Erstattungsanspruch entstanden ist und wann somit die Zahlungsverjährung beginnt und endet, nicht einschlägig.

Der Erstattungsanspruch entsteht - wie auch in den Fällen der Erstattung bereits entrichteter Beträge durch Erlass gem. § 227 AO - mit Zugang der stattgebenden behördlichen Entscheidung beim Antragsteller (Inhaltsadressaten). Die Zahlungsverjährung beginnt mit Ablauf des betreffenden Jahres (§ 229 Abs. 1 Satz 1 AO). Die Verjährungsfrist beträgt fünf Jahre (§ 228 Satz 2 AO).

Der Antrag auf Erstattung des Zinsabschlags aus Billigkeitsgründen ist weder nach dem Gesetz noch nach dem -, a. a. O., fristgebunden. Die Ablehnung eines solchen Antrags kann jedoch rechtmäßig sein, wenn er mit Rücksicht auf den Zeitablauf zwischen Zahlung des Zinsabschlags und Antragstellung unverhältnismäßig spät gestellt worden ist. Anhaltspunkte für die Unverhältnismäßigkeit dieses Zeitraums können den gesetzlichen Fristen entnommen werden, deren Versäumung zu Rechtsverlusten führt (, BStBl 1981 II S. 82, und vom - VII R 26/84, BFH/NV 1987 S. 620). Bei der Bemessung des Zeitraums, bis zu dessen Ablauf der Antrag gestellt werden kann, darf nicht unberücksichtigt bleiben, dass der Antragsteller insoweit nicht besser gestellt werden darf als eine steuerpflichtige Körperschaft, bei der die Erstattung des Zinsabschlags nur durch Anrechnung auf die festzusetzende Steuer möglich wäre (§§ 31 KStG, 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG), wobei der Erstattungsanspruch gem. § 38 AO mit Ablauf des Veranlagungszeitraums entstehen würde (, BStBl 1996 II S. 557).

III Beispiel

Sachverhalt:

Das Kreditinstitut behält von den Kapitalerträgen, die einer steuerbefreiten inländischen Körperschaft am zufließen, Zinsabschlag in Höhe von 5.000 € ein, weil die Körperschaft keine Bescheinigung gem. § 44 a Abs. 4 Satz 3 EStG vorgelegt hat. Am beantragt die Körperschaft die Erstattung des Zinsabschlags aus Billigkeitsgründen.

Lösung:

Wäre die Körperschaft nicht von der KSt befreit, wäre sie gem. § 149 Abs. 1 Satz 1 AO i. V. m. §§ 31 KStG, 25 Abs. 2 Satz 1 EStG verpflichtet, für das Jahr 2001 eine Körperschaftsteuererklärung abzugeben. Die gesetzliche Abgabefrist für diese Erklärung würde gem. § 149 Abs. 2 Satz 1 AO mit Ablauf des enden. Die Festsetzungsfrist begänne gem. § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO mit Ablauf des und endete gem. § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO mit Ablauf des .

Würde das Finanzamt den Körperschaftsteuerbescheid im ehest möglichen Jahr, also im Jahr 2002, bekannt geben, wäre der aus der Anrechnung des Zinsabschlags auf die festzusetzende KSt sich ergebende Erstattungsanspruch gem. § 31 KStG i. V. m. § 36 Abs. 4 Satz 2 EStG der Körperschaft ”nach Bekanntgabe des Steuerbescheids auszuzahlen”, würde also mit der Bekanntgabe des Bescheids erstmals fällig (vgl. , BStBl 1990 II S. 523).

Die Zahlungsverjährung würde dann mit Ablauf des beginnen (§ 229 Abs. 1 Satz 1 AO) und gem. § 228 Satz 2 AO nach Ablauf von fünf Jahren enden. Fristende wäre somit der . Durch die Verjährung erlischt der Anspruch (des Steuerpflichtigen) aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 232 AO).

Der Antrag vom ist nach Eintritt der Zahlungsverjährung gestellt worden. Es wäre daher ermessensgerecht, ihn abzulehnen.

IV Unterbrechung der Verjährung

Wird der Antrag vor Eintritt der Zahlungsverjährung gestellt, wird die Verjährung gem. § 231 Abs. 1 Satz 1 AO unterbrochen. Die Unterbrechung endet dann nicht, bevor über den Antrag rechtskräftig entschieden worden ist (§ 231 Abs. 2 Satz 2 AO).

V Organisatorische Abwicklung

Soweit eine Erstattung des Zinsabschlags (und des hierauf ggf. erhobenen Solidaritätszuschlags) in Betracht kommt, ist wie folgt zu verfahren:

Der zuständige Veranlagungsbereich hat die Finanzkasse mit Vordruck ERH 24 (Erstattungsverfügung und Auszahlungsanordnung) anzuweisen, die Erstattung über die Sachkonten ”Zinsabschlag” (StNr. 970/00160) und ”Solidaritätszuschlag zum Zinsabschlag” (StNr. 970/91030) abzuwickeln.

OFD Magdeburg v. - S 0458 - 1 - St 251

Fundstelle(n):
WAAAA-80895