OFD Hannover - S 0323 - 24 - StH 462 S 0323 - 1488 - StO 321

§ 152 AO Festsetzung von Verspätungszuschlägen

1 Zweck des Verspätungszuschlags (VZ)

Der VZ ist ein auf die speziellen Erfordernisse des Steuerrechts zugeschnittenes Druckmittel zur fristgerechten Abgabe der Steuererklärungen bzw. der Steueranmeldungen, durch das dem Finanzamt (FA) die Möglichkeit gegeben wird, in einem ordnungsgemäßen und planvollen Veranlagungsverfahren die rechtzeitige Festsetzung der Steuer vorzunehmen und die Entrichtung der Steuer sicherzustellen. Es soll auch bewirkt werden, dass der Steuerpflichtige (Stpfl.) in Zukunft die Steuererklärungen/Steueranmeldungen fristgerecht abgibt.

2 Tatbestandliche Voraussetzungen

Vor der Festsetzung eines VZ müssen zunächst die tatbestandlichen Voraussetzungen geprüft werden; die gebundene Entscheidungen zum Inhalt haben und für die deshalb keine Ermessensüberlegungen angestellt werden dürfen:

  • Verpflichtung zur Abgabe einer Steuererklärung (Tz. 2.1)

  • Fristüberschreitung (Tz. 2.2)

  • Schuldhaftes Versäumnis (Tz. 2.3)

Erst wenn diese Tatbestandsvoraussetzungen geprüft worden sind, schließen sich folgende Ermessensüberlegungen an:

  • Soll überhaupt ein VZ festgesetzt werden? (Entschließungsermessen)

  • Wenn ja, in welcher Höhe? (Auswahlermessen)

2.1 Erklärungspflicht

Die Pflicht zur Abgabe einer Steuererklärung ergibt sich aus § 149 Abs. 1 Satz 1 AO i. V. mit den Einzelsteuergesetzen. Eine Erklärung hat auch abzugeben, wer hierzu vom FA aufgefordert wird (§ 149 Abs. 1 Satz 2 AO). Wer hiernach verpflichtet ist, kommt als Adressat der VZ-Festsetzung in Betracht, wenn er die Erklärungspflicht nicht erfüllt.

2.2 Verspätete Abgabe/Nichtabgabe

2.2.1 Abgabefrist

Die Abgabefrist für Jahreserklärungen ergibt sich aus § 149 Abs. 2 AO. Danach endet sie am 31. Mai des Folgejahres. Verwaltungsregelungen ergänzen die Gesetzesvorschrift und führen zu einer großzügigeren Fristenhandhabung für die beratenen Fälle (vgl. hierzu die alljährlich ergehenden Verfügungen zur Durchführung des Veranlagungsverfahrens, Veranlagungsverfügung II/1 Nr. 1).

2.1.1.1 Verlängerungsanträge

Häufig wird stillschweigende Fristverlängerung (FV) beantragt. Das Schweigen des FA gilt hier nach der Verwaltungsübung als Stattgabe. Das FA muss sich daher klar äußern und dies festhalten, wenn es dem Antrag nicht entsprechen will. Dies gilt auch für Wiederholungs- oder Anschlussanträge.

Beispiel:

Ein Steuerberater beantragt FV bis . Das FA gewährt FV nur bis .

Am geht ein neuer FV-Antrag ein, mit dem stillschweigende FV bis gewünscht wird. Das FA äußert sich nicht. Hier ist von einer stillschweigenden FV bis auszugehen. Will das FA dieses Ergebnis vermeiden, muss es den zweiten Antrag sofort ablehnen. Es empfiehlt sich in solchen Fällen, bereits bei der ersten Fristgewährung darauf hinzuweisen, dass weiteren Anträgen nicht mehr entsprochen wird.

2.2.1.2 Verspätete Verlängerungsanträge

Werden verspätet gestellte FV-Anträge positiv entschieden, so ist von einer rückwirkenden Fristverlängerung (§ 109 Abs. 1 Satz 2 AO) auszugehen, die einen VZ ausschließt.

Auch hier kann Schweigen des FA als Zustimmung verstanden werden, wenn sich das FA nicht schon vorher eindeutig geäußert hat.

2.2.1.3 Nachfrist

Lehnt das FA eine FV ab, ist es in der Regel zweckmäßig, eine Nachfrist von zwei Wochen zu setzen, bei deren Einhaltung auf einen VZ verzichtet wird. Die Nachfrist stellt jedoch keine Verlängerung der Erklärungsfrist dar, wenn für den Stpfl. eindeutig erkenn- und bestimmbar ist, was gewollt ist.

Wurde aber bereits Anschlussverlängerung beantragt oder von vornherein deutlich gemacht, dass eine Fristverlängerung ausscheidet oder hält das FA aus anderen Gründen eine sanktionslose Nachfrist für unangebracht, sollte es dies klar äußern.

Beispiel:

”Ich werde von der Schätzung der Besteuerungsgrundlagen absehen, wenn die Erklärung bis TT.MM.JJ beim FA eingeht. Die Festsetzung eines Verspätungszuschlags bleibt hiervon unberührt.”

2.2.2 Verspätung
2.2.2.1 Jahreserklärungen

Wird eine bewilligte Abgabefrist nicht erheblich überschritten (nicht mehr als 3 Wochen), soll großzügig verfahren werden. Bei Eingang der Steuererklärungen nach dem 30. April des übernächsten Jahres ist nur dann kulant zu verfahren, wenn eine dann noch gewährte Frist nicht mehr als 2 Wochen überschritten wird.

2.2.2.2 USt-Voranmeldungen, LSt-Anmeldungen

Von der Festsetzung eines VZ ist bei einer bis zu fünf Tage verspäteten Abgabe der Anmeldung grundsätzlich abzusehen (Abgabe-Schonfrist). Dies gilt jedoch nicht in Missbrauchsfällen. Ein Missbrauch liegt insbesondere vor, wenn der Stpfl. die angemeldete Steuer nicht gleichzeitig mit der Abgabe der Anmeldung entrichtet, sondern die Zahlung bewusst verzögert. Es reicht aber aus, dass der Stpfl. die angemeldete Steuer mittels beigefügtem Scheck leistet, gleichzeitig mit der Abgabe der Anmeldung zur Zahlung anweist oder eine Einzugsermächtigung erteilt hat.

Für die Abgabe-Schonfrist gilt ebenfalls § 108 AO I. V. mit § 193 BGB

2.2.2.3 Umsatzsteuer-Sondervorauszahlung

Der BFH hat durch amtlich nicht veröffentlichtes Urteil vom , V R 9/01 (DStRE 2001, 1252) entschieden, dass die Finanzbehörde entgegen Abschn. 228 Abs. 2 UStR 2000 nicht berechtigt ist, eine Verspätungszuschlag festzusetzen, wenn der Unternehmer einen Antrag auf Dauerfristverlängerung nach dem 10.01. eines Jahres abgibt. In diesem Urteil hat der BFH nicht zwischen dem Antrag auf Dauerfristverlängerung und der Anmeldung der Umsatzsteuer-Sondervorauszahlung unterschieden.

Für den Antrag auf Dauerfristverlängerung und die Anmeldung der Umsatzsteuer-Sondervorauszahlung gelten unterschiedliche verfahrensrechtliche Regelungen. Wegen einer verspäteten Anmeldung der Sondervorauszahlung kann ein Verspätungszuschlag gem. § 152 AO festgesetzt werden. Für einen verspätet gestellten Antrag auf Dauerfristverlängerung gilt dies nicht, weil dieser Antrag keine ”Steuererklärung” ist und somit die Tatbestandsvoraussetzungen des § 152 Abs. 1 Satz 1 AO nicht erfüllt sind.

Der im Leitsatz des festgestellte Widerspruch der BFH-Auffassung zur Verwaltungsmeinung ist nicht erkennbar. Angesichts des eindeutigen Wortlauts des Abschn. 228 Abs. 2 UStR besteht keine Notwendigkeit, dessen Formulierung zu ändern.

2.2.2.4 Kapitalertragsteuer-Anmeldung

Die Abgabe-Schonfrist gilt nicht für Kapitalertragsteuer-Anmeldungen.

2.2.3 Nichtabgabe

Wird eine lückenhafte Erklärung abgegeben, muss nach den Einzelumständen entschieden werden, ob dies mit einer Nichtabgabe gleichzusetzen ist.

Entscheidend kommt es darauf an, ob die Angaben der Steuererklärung ausreichen, um ein ordnungsgemäßes Veranlagungsverfahren in Gang zu setzen [1]. ”Nur die Einreichung einer völlig unzureichenden Steuererklärung könnte der Nichteinreichung der Steuererklärung gleichstehen” [2].

Eine ”vorläufige” Erklärung steht nicht von vornherein einer Nichtabgabe gleich. Enthält sie allerdings nur geschätzte Zahlen oder weist sie in mehreren wesentlichen Punkten Lücken auf, ist von einer Nichtabgabe auszugehen.

Die fehlende Unterschrift ist kein so schwerwiegender Mangel, dass Nichtabgabe anzunehmen wäre. Dies gilt zumindest dann, wenn sie zeitriah nachgeholt wird.

2.3 Entschuldbares Versäumnis

Ein VZ scheidet aus, ”wenn die Versäumnis entschuldbar erscheint” (§ 152 Abs. 1 S. 2 AO). Es kommt auf die individuelle, nach den persönlichen Verhältnissen zu verlangende Sorgfalt an. Das Verschulden des steuerlichen Vertreters ist dem Stpfl. zuzurechnen (§ 152 Abs. 1 S. 3 AO). Im Regelfall genügt es, wenn der Steuerbürger die Entschuldigungsgründe glaubhaft macht. Einzelne denkbare Entschuldigungsgründe (keine abschließende Aufzählung) sind:

  • Schwere Erkrankung

  • Hohes Alter

  • Schwerer Unglücksfall.

Keine Entschuldigungsgründe sind:

  • Arbeitsüberlastung des Stpfl.

    Diesem muss zugemutet werden, private (auch berufliche) Interessen zurückzustellen, wenn es darum geht, öffentlich-rechtliche Pflichten dem Staat gegenüber zu erfüllen [3]. Im Übrigen kann er auch einen Angehörigen der steuerberatenden Berufe mit der Erstellung der Steuererklärung beauftragen.

  • Arbeitsüberlastung des steuerlichen Vertreters

    Dieses Vorbringen kann nach ständiger Rechtsprechung [4] ebenfalls nicht als Entschuldigungsgrund gewertet werden. Der allgemeinen Arbeitsüberlastung der Angehörigen der steuerberatenden Berufe, die auf Personalmangel, Urlaub und Krankheit von Mitarbeitern, Abwesenheit wegen Geschäftsreisen und Fortbildungsveranstaltungen usw. zurückzuführen ist, wird mit den allgemeinen Regelungen zur Fristverlängerung in den jährlichen gleich lautenden Erlassen der obersten Finanzbehörden der Länder hinreichend Rechnung getragen. Grundsätzlich ist ein Steuerberater, der zur fristgemäßen Erledigung erteilter Aufträge außerstande ist, verpflichtet, durch Einstellung zusätzlicher Kräfte, Ablehnung neuer oder Rückgabe vorhandener Mandate Abhilfe zu schaffen [5]. Arbeitsüberlastung des steuerlichen Beraters kann die verspätete Abgabe der Steuererklärung daher allenfalls dann entschuldigen, wenn sie durch außergewöhnliche, nicht vorhersehbare Umstände verursacht worden ist [6].

  • Anstehende oder laufende Außenprüfung bzw. anhängige Einspruchs- oder Klageverfahren betreffend vorangegangene Besteuerungszeiträume.

    Das Versäumnis ist regelmäßig dann nicht entschuldbar, wenn die Steuererklärung wiederholt nicht oder wiederholt nicht fristgemäß abgegeben wurde oder eine vom FA antragsgemäß bewilligte Fristverlängerung (§ 109 AO) nicht eingehalten wurde.

OFD Hannover v. - S 0323 - 24 - StH 462 S 0323 - 1488 - StO 321

Fundstelle(n):
AAAAA-80859

1BFH, BStBl 1970 II S. 168

2BFH a. a. O.

3 BStBl III 1961 S. 542

4vgl. BStBl 1987 II S. 764

5FG Baden-Württernberg. Urteil vom , 7 K 240/90 - n. v.

6vgl. HFR 1963 S. 29