OFD Hannover - S 0550 - 2744 - StH 462 S 0550 - 2 - StO 321

Rechtsstellung und Umfang der steuerlichen Pflichten des Insolvenzverwalters

Rechtsstellung

Der Insolvenzverwalter ist ein Vermögensverwalter i. S. des § 34 Abs. 3 AO und hat daher die steuerrechtlichen Pflichten des Schuldners wahrzunehmen, soweit sie zum Verwaltungsbereich der Insolvenzmasse gehören. Er ist insbesondere zur Entrichtung der Steuern aus der Insolvenzmasse, die Gegenstand von Masseverbindlichkeiten sind, verpflichtet.

Etwas Anderes gilt im Falle der Eigenverwaltung unter der Aufsicht eines Sachwalters (§§ 270 ff. InsO). Da der Schuldner in diesem Fall nicht in seiner Verwaltungs- und Verfügungsmacht beschränkt ist, sind die steuerrechtlichen Pflichten auch nach Verfahrenseröffnung weiterhin durch ihn zu erfüllen.

Umfang der steuerlichen Pflichten des Insolvenzverwalters

Der Umfang der steuerlichen Pflichten, die ein Insolvenzverwalter zu erfüllen hat, ergibt sich aus den §§ 90, 93 ff. AO (allgemeine Mitwirkungspflichten im Besteuerungsverfahren), den §§ 140 ff. AO (Buchführungspflicht), und den §§ 149 ff. AO (Steuererklärungspflichten).

Der Insolvenzverwalter hat insoweit die folgenden Mitwirkungspflichten:

Er hat

  • alle notwendigen Steuererklärungen abzugeben, [1]

  • bei der Ermittlung des Sachverhalts mitzuwirken,

  • Auskünfte zu erteilen,

  • Urkunden vorzulegen usw.

Für eine GmbH z. B. hat der Insolvenzverwalter regelmäßig die Umsatzsteuererklärung, die Gewerbesteuererklärung, die Körperschaftsteuererklärung und die Erklärung zur Feststellung der Teilbeträge des verwendbaren Eigenkapitals abzugeben. Die erforderlichen Steuererklärungen sind gem. § 150 AO auf den amtlich vorgeschriebenen Vordrucken zu erstellen.

Über die vorstehenden Erklärungen hinaus hat der Insolvenzverwalter auch die Steueranmeldungen für den Schuldner abzugeben (Umsatzsteuervoranmeldungen, Lohnsteueranmeldungen und ggf. die Kapitalertragsteueranmeldungen).

Der Insolvenzverwalter kann sich seiner Verpflichtung, für den Schuldner Steuererklärungen und -anmeldungen abgeben zu müssen, nicht mit der Begründung entziehen, die Kosten für die Erstellung der Erklärungen durch einen Steuerberater könnten aus der Insolvenzmasse nicht entrichtet werden; ggf. muss der Insolvenzverwalter die Steuererklärungen selbst erstellen. [2] Da dieser Personenkreis regelmäßig in der Lage ist, auf Grund eigenen Könnens die geforderten Steuererklärungen anzufertigen, kommt es auf die Massearmut nicht an, weil es dem Insolvenzverwalter zuzumuten ist, diese Arbeiten selbst auszuführen. Sofern allerdings das Verfahren mangels Masse nach §§ 207, 211 InsO eingestellt wird, soll die Steuererklärungspflicht mit sofortiger Wirkung entfallen. [3]

Von der Steuererklärungspflicht kann sich der Insolvenzverwalter auch nicht mit der Begründung befreien, dass er nicht die notwendigen Geschäftsunterlagen besitzt bzw. er deren Richtigkeit und Vollständigkeit nicht übersehen kann. Dies folgt aus seiner Stellung als Vermögensverwalter, aber auch daraus, dass der Schuldner nach § 97 InsO zur Auskunft verpflichtet ist.

Die Frage, ob der Insolvenzverwalter zur Abgabe von Erklärungen für die einheitliche und gesonderte Gewinnfeststellung verpflichtet ist, hat das FG Schleswig-Holstein in seinem Urteil vom - III 57/91 -, ZIP 1991, 1609 - selbst dann verneint, wenn dieser sich gegenüber den Gesellschaftern dazu bereit erklärt hat, weil zu den insolvenzfreien Angelegenheiten einer Personengesellschaft auch die Durchführung einer einheitlichen Gewinnfeststellung i. S. der §§ 179 ff. AO gehört. Die Folgen der Gewinnfeststellung berühren nicht den nach Insolvenzrecht abzuwickelnden Vermögensbereich der Gesellschaft, sondern betreffen die Gesellschafter persönlich. Diese trifft somit auch weiterhin die Pflicht zur Abgabe der Erklärungen zur einheitlichen und gesonderten Feststellung der Einkünfte. [4]

Soweit der Insolvenzverwalter verpflichtet ist, Steuererklärungen und -anmeldungen abzugeben, und er dieser Verpflichtung nicht nachkommt, sind Zwangsmaßnahmen wie z. B. die Androhung und Festsetzung eines Zwangsgeldes (§§ 328, 329 AO) gegen ihn zulässig, und das selbst dann, wenn das Verfahren masselos ist.

Die Zwangsgeldandrohungen bzw. -festsetzungen sind gegen den Insolvenzverwalter persönlich zu richten und nicht gegen die Masse, weil der Insolvenzverwalter nach § 34 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 AO dafür zu sorgen hat, dass die steuerlichen Pflichten erfüllt werden.

Die Steuererklärungspflicht des Insolvenzverwalters gilt auch für die Zeit vor Verfahrenseröffnung, soweit der Schuldner noch keine Steuererklärung abgegeben hat. [5]

Erkennt der Insolvenzverwalter während des Verfahrens, dass der Schuldner für die Zeit vor der Insolvenzeröffnung keine, unrichtige oder unvollständige Erklärungen abgegeben hat, ist er verpflichtet, die unrichtige oder unvollständige Steuererklärung zu berichtigen bzw. zu vervollständigen. Dies ergibt sich aus dem Umstand, dass der Insolvenzverwalter bei der Verwaltung der Masse die rechtliche Stellung einnimmt, die der Schuldner vor Eröffnung des Verfahrens innehatte. [6] Da der Schuldner in der Regel keinen Zugang mehr zu den Unterlagen hat, kann er seiner steuerrechtlichen Berichtigungspflicht nicht mehr nachkommen. Diese geht mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens auf den Insolvenzverwalter über.

Zweifelhaft ist, wie zu verfahren ist, wenn neben insolvenzbefangenen ertragsteuerlichen Besteuerungsgrundlagen auch insolvenzfreie Einkünfte oder insolvenzunabhängige Aufwendungen (§§ 10, 33 ff. EStG) des Schuldners erklärt werden müssen oder der Schuldner zusammen mit seiner Ehefrau veranlagt wird. Der Insolvenzverwalter ist dann nicht zur Abgabe der Einkommensteuererklärung verpflichtet, sondern nur zur Abgabe der insolvenzbezogenen Besteuerungsgrundlagen. Schuldner und Ehefrau trifft die Pflicht, die sonstigen Besteuerungsgrundlagen anzugeben. Das Finanzamt hat die Angaben dann zusammenzuführen und muss ggf. schätzen.

Zunächst sollte aber versucht werden, die Einkommensteuererklärung vom Insolvenzverwalter, vom Schuldner oder dem nicht insolventen Ehegatten anzufordern. Erst wenn dies scheitert, ist das obige Verfahren zu wählen.

OFD Hannover v. - S 0550 - 2744 - StH 462 S 0550 - 2 - StO 321

Fundstelle(n):
NWB EN 514/2003
IAAAA-80852

1vgl. bereits BFH, BStBl 1951 III S. 212

2BFH, BStBl 1995 II S. 194

3BFH, ZIP 1996, 430

4BFH, BStBl II 1979 S. 780; 1995 II S. 194; DStR 1998, 947

5BFH, HFR 1961 S. 277; BFH, BStBl II 1972 S. 784; BFH, BStBl II 1993 S. 265

6BFH, HFR 1961 S. 277