BMF - III C 2 - S 7100/19/10001 :006 BStBl 2021 I S. 1859

Umsatzsteuer; Umsatzsteuerrechtliche Behandlung von Abmahnungen bei Urheberrechtsverletzungen und bei unlauteren Wettbewerbshandlungen

, und , XI R 1/17

Bezug:

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I. Grundsätze der , und , XI R 1/17

Mit Urteil vom , XI R 1/17, BStBl 2021 II S. 785, entschied der BFH, dass Zahlungen, die an einen Unternehmer als Aufwendungsersatz aufgrund von urheberrechtlichen Abmahnungen zur Durchsetzung seines Unterlassungsanspruchs geleistet werden, umsatzsteuerrechtlich als Entgelt im Rahmen eines umsatzsteuerbaren Leistungsaustauschs zwischen dem Unternehmer und dem von ihm abgemahnten Rechtsverletzer zu qualifizieren seien. Zwischen dem gezahlten Entgelt und der Abmahnleistung bestehe ein unmittelbarer Zusammenhang. Aus umsatzsteuerrechtlicher Sicht sei eine mögliche Ungewissheit einer Zahlung nicht geeignet, den unmittelbaren Zusammenhang zwischen der vom Leistenden erbrachten Leistung und der ggf. erhaltenen Zahlung aufzuheben. Unerheblich sei auch, auf welche nationale zivilrechtliche Grundlage der Zahlungsanspruch gestützt werde.

In einem früheren Urteil vom 21. Dezember 2016, XI R 27/14, BStBl 2021 II S. 779, hatte der BFH entschieden, dass Zahlungen, die an einen Unternehmer von dessen Wettbewerbern als Aufwendungsersatz aufgrund von wettbewerbsrechtlichen Abmahnungen geleistet würden, umsatzsteuerrechtlich als Entgelt im Rahmen eines umsatzsteuerbaren Leistungsaustauschs zu qualifizieren seien. Ein nicht steuerbarer Schadensersatz läge nicht vor.

Der BFH vertritt die Auffassung, dass der abmahnende Unternehmer seinerseits gegenüber dem Abgemahnten eine steuerbare Leistung gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG erbringe. Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG unterliegen der Umsatzsteuer die Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt, wobei das Entgelt hier im Aufwendungsersatz liege.

Die Leistung bestehe auch hier letztlich darin, dass der Abmahnende dem Abgemahnten einen Weg weise, den Abmahnenden als Unterlassungsgläubiger ohne Inanspruchnahme der Gerichte klaglos zu stellen. Dem Abgemahnten werde ein konkreter Vorteil eingeräumt, mit dem für den Abmahnenden unmittelbar ein Zahlungsanspruch verbunden sei.

Leistung
Leistungsgegenstand eines abmahnenden Unternehmers gegenüber einem Abgemahnten ist die Abmahnung. Eine Abmahnung ist die Mitteilung des Verletzten an den Rechtsverletzer, dass der Rechtsverletzer durch eine im Einzelnen bezeichnete Handlung einen Urheberrechtsverstoß oder eine unlautere Wettbewerbshandlung begangen habe, verbunden mit der Aufforderung, dieses Verhalten in Zukunft zu unterlassen. Die Leistung des Abmahnenden besteht darin, dass der Abgemahnte mit der Abmahnung nicht nur die Gelegenheit erhält, möglichst kostengünstig Geldansprüche des Abmahnenden zu befriedigen, sondern ihm werden (möglicherweise erstmals) der Rechtsverstoß zur Kenntnis gebracht und die notwendigen Informationen gegeben, um durch eine strafbewehrte Unterlassungserklärung den (nicht auf Geld gerichteten) Unterlassungsanspruch zu erfüllen. Außerdem wird mit der auf Durchsetzung des Unterlassungsanspruchs gerichteten Abmahnung weder eine Urheberrechtsverletzung, eine unlautere Wettbewerbshandlung noch ein Schaden ausgeglichen, sondern dem Rechtsverletzer aufgrund der Warn-, Streitbeilegungs- und Kostenvermeidungswirkung der Abmahnung ein Vorteil zugewendet. Er kann auf diese Weise einen Prozess vermeiden. Dem Rechtsverletzer wird damit die Möglichkeit gegeben, eine gerichtliche Auseinandersetzung auf kostengünstige Weise durch Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung abzuwenden.

Der auf Grund der berechtigten Abmahnung geltend gemachte Schadensersatz ist dagegen als echter Schadensersatz nicht umsatzsteuerbar.

Zeitpunkt der Leistung
Der Zeitpunkt der sonstigen Leistung bestimmt sich danach, wann die Dienstleistung bewirkt ist. Das ist der Fall, wenn dem Abgemahnten ein wirtschaftlicher Vorteil zugewandt wird. Zeitpunkt der Leistung ist der Zugang der Abmahnung bei dem Abgemahnten. Aus Vereinfachungsgründen wird es nicht beanstandet, wenn der Steuerpflichtige die Besteuerung für die Abmahnleistung in demjenigen Voranmeldungszeitraum vornimmt, in dem die Abmahnung an den Abgemahnten abgesendet wurde. Bestreitet der Abgemahnte substantiiert die Rechtsverletzung, hat der Abmahnende den Steuerbetrag im Besteuerungszeitraum, in dem die Abmahnung bestritten wird, zu berichtigen.

Bemessungsgrundlage
Der Aufwendungsersatzanspruch des Abmahnenden ermittelt sich nach dem Gegenwert für die Abmahnleistung. Im Rahmen von Urheberrechtsverletzungen bemisst sich der zu zahlende Kostenersatz damit nicht wie der Schadensersatz nach der sog. Lizenzanalogie, sondern nach dem Gegenstandswert des Unterlassungsanspruchs. Zum steuerbaren Entgelt für die Leistung des Abmahnenden gehören alle hierfür erhaltenen Zahlungen, d. h. auch der Ersatz von Ermittlungskosten zur Identifizierung des Rechtsverletzers (z. B. Gerichtskosten des richterlichen Gestattungsverfahrens sowie Kosten für die Auskunftserteilung durch den Internetprovider). In der Abmahnung sind die geltend gemachten Zahlungsansprüche in Schadensersatz und Aufwendungsersatz aufzuschlüsseln. Sollte entgegen § 97a Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 UrhG keine Aufschlüsselung erfolgen, ist der Pauschalbetrag insgesamt als Aufwendungsersatz und damit als Entgelt zu behandeln.

Steuersatz
Die Abmahnleistung unterliegt nach § 12 Abs. 1 UStG dem allgemeinen Steuersatz.

Unberechtigter Steuerausweis
Erfolgt die Zusendung einer Abmahnung an einen potentiellen Rechtsverletzer nicht aufgrund eines berechtigten Anspruchs (unberechtigte Abmahnung) und erteilt der Abmahnende hierüber eine Rechnung mit gesondertem Steuerausweis, liegt ein unberechtigter Steuerausweis gem. § 14c Abs. 2 Satz 1 UStG vor. Der Abmahnende schuldet bis zur Beseitigung der Gefährdung des Steueraufkommens den ausgewiesenen Steuerbetrag.

Billigkeitsmaßnahmen (Corona-Pandemie)
Die Unternehmen der Musikindustrie sowie alle anderen Rechteinhaber können sich auf die von der Finanzverwaltung wegen der Corona-Pandemie erlassenen allgemeinen Billigkeitsmaßnahmen berufen, sofern sie die Voraussetzungen hierfür erfüllen.

II. Änderung des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses

Unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Erörterung mit den obersten Finanzbehörden der Länder wird der Umsatzsteuer-Anwendungserlass (UStAE) vom , BStBl 2010 I S. 846, der zuletzt durch das b/19/10003 :001 (2021/1035367), BStBl 2021 I S. 1858, geändert worden ist, wie folgt geändert:

  1. In Abschnitt 1.3 wird nach Absatz 16 folgender Absatz 16a eingefügt:

    „(16a) 1Zahlungen, die an einen Unternehmer als Aufwendungsersatz aufgrund von urheberrechtlichen Abmahnungen zur Durchsetzung seines Unterlassungsanspruchs geleistet werden, und Zahlungen, die an einen Unternehmer von dessen Wettbewerbern als Aufwendungsersatz aufgrund von wettbewerbsrechtlichen Abmahnungen geleistet werden, sind umsatzsteuerrechtlich als Entgelt im Rahmen eines umsatzsteuerbaren Leistungsaustauschs zwischen dem Unternehmer und dem von ihm abgemahnten Rechtsverletzer zu qualifizieren (vgl. , BStBl 2021 II S. 779, und vom 13. 2. 2019, XI R 1/17, BStBl 2021 II S. 785). 2Im Fall einer unberechtigten Abmahnung schuldet der Abmahnende die Steuer nach § 14c Abs. 2 UStG, wenn und solange er diese in einer Rechnung ausgewiesen hat.“

  2. In Abschnitt 13.1 wird nach Absatz 6 folgender Absatz 7 angefügt:

    „(7) 1Eine Abmahnleistung im Sinne des Abschnitts 1.3 Abs. 16a gilt mit dem Zugang der Abmahnung beim Abgemahnten als ausgeführt. 2Aus Vereinfachungsgründen wird es nicht beanstandet, wenn der Steuerpflichtige die Besteuerung für die Abmahnleistung in demjenigen Voranmeldungszeitraum vornimmt, in dem die Abmahnung an den Abgemahnten abgesendet wurde (vgl. BStBl 2021 I S. 1859).“

III. Anwendung

Die Grundsätze dieses Schreibens sind in allen offenen Fällen anzuwenden.

Es wird jedoch nicht beanstandet, wenn die Beteiligten bei der Zahlung für vor dem durchgeführte Abmahnleistungen übereinstimmend, d. h. auch hinsichtlich eines Vorsteuerabzugs beim Abgemahnten, von einem nicht steuerpflichtigen Entgelt ausgehen.

BMF v. - III C 2 - S 7100/19/10001 :006


Fundstelle(n):
BStBl 2021 I Seite 1859
DB 2021 S. 2528 Nr. 43
DStR 2021 S. 2349 Nr. 40
UR 2021 S. 840 Nr. 21
UStB 2021 S. 357 Nr. 11
UVR 2021 S. 328 Nr. 11
EAAAH-90694