Online-Nachricht - Donnerstag, 10.06.2021

Verfahrensrecht | Aussetzung des Verfahrens bei zweifelhafter Annahme einer typisch stillen Gesellschaft (BFH)

Erscheint es möglich, dass Einnahmen aus einer Beteiligung an einem Handelsgewerbe als atypisch stiller Gesellschafter im Rahmen einer Mitunternehmerschaft erzielt werden, muss das FG das Verfahren über die Rechtmäßigkeit des Einkommensteuerbescheides, in dem Einkünfte aus Kapitalvermögen gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG erfasst sind, gemäß § 74 FGO aussetzen, bis durch einen - positiven oder negativen - Bescheid entschieden ist, ob eine gesonderte und einheitliche Feststellung geboten ist. Unterbleibt dies, liegt ein von Amts wegen zu berücksichtigender Verstoß gegen die Grundordnung des Verfahrens vor (; veröffentlicht am ).

Hintergrund: Gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG gehören zu den Einkünften aus Kapitalvermögen auch Einnahmen aus der Beteiligung an einem Handelsgewerbe als stiller Gesellschafter oder aus partiarischen Darlehen, es sei denn, dass der Gesellschafter oder Darlehensgeber als Mitunternehmer anzusehen ist. Mitunternehmer ist derjenige Gesellschafter, der kumulativ Mitunternehmerinitiative entfalten kann und Mitunternehmerrisiko trägt.

Sachverhalt: Der Kläger beteiligte sich als stiller Gesellschafter an der A GmbH (GmbH), deren alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer sein Vater ist. Zuletzt belief sich seine Beteiligung auf 20 % des Stammkapitals der GmbH.

Nach dem Gesellschaftsvertrag war der Kläger zu 20 % am Gewinn und Verlust der Gesellschaft beteiligt. Betragsmäßige Obergrenzen sah der Vertrag nicht vor. An der Vermögenssubstanz und dem Firmenwert des Unternehmens war der Kläger nicht beteiligt. Bei Beendigung der Gesellschaft stand ihm eine Abfindung zu, bei deren Ermittlung stille Reserven unberücksichtigt blieben.

Die Geschäftsführung der stillen Gesellschaft oblag allein dem Vater des Klägers. Dem Kläger standen die Rechte nach § 716 BGB zu. Außerdem war er berechtigt, den Jahresabschluss des Geschäftsinhabers und die Buchführung durch einen Wirtschaftsprüfer prüfen zu lassen.

Neben dem Kläger war - zu denselben Bedingungen - auch Herr B als stiller Gesellschafter an der GmbH beteiligt. Letzterer war wie der Kläger, dem im Jahr 2002 Einzelprokura erteilt wurde, leitender Angestellter der GmbH.

In den Streitjahren flossen dem Kläger aus der stillen Beteiligung Einnahmen in Höhe von rund 110.000 € (2012), von 120.000 € (2013) und von 185.000 € (2014) zu, die er bei seinen Einkünften aus Kapitalvermögen erklärte. Zudem beantragte er jeweils die Durchführung der Günstigerprüfung nach § 32d Abs. 6 EStG sowie die Überprüfung des Steuereinbehalts nach § 32d Abs. 4 EStG und legte Steuerbescheinigungen der GmbH vor. Das FA erfasste in den Einkommensteuerfestsetzungen der Streitjahre die Zahlungen als dem tariflichen Steuersatz unterliegende Einkünfte aus Kapitalvermögen.

Die hiergegen gerichtete Klage hatte in erster Instanz Erfolg ().

Die Richter des BFH hoben das das Urteil auf und wiesen die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurück:

  • Es liegt ein von Amts wegen zu beachtender Verstoß gegen die Grundordnung des Verfahrens vor. Das FG hätte das Verfahren über die Rechtmäßigkeit der Einkommensteuerbescheide für die Streitjahre gemäß § 74 FGO aussetzen müssen, um den - ggf. negativen - Abschluss eines Verfahrens zur gesonderten und einheitlichen Feststellung der Einkünfte abzuwarten.

  • Im Streitfall ist ein Feststellungsverfahren durchzuführen, weil es zumindest möglich erscheint, dass der Kläger anders als von den Beteiligten angenommen die streitigen Gewinnbeteiligungen als atypisch stiller Gesellschafter im Rahmen einer Mitunternehmerschaft i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG bezogen hat und diese daher in einer gesonderten und einheitlichen Gewinnfeststellung zu erfassen sind.

  • Die Annahme einer Mitunternehmerstellung des Klägers kommt in Betracht, weil die geringere Ausprägung des Mitunternehmerrisikos des Klägers (möglicherweise) in Anbetracht seiner Tätigkeit als leitender Angestellter und Prokurist der GmbH durch eine stärkere Ausprägung seiner Mitunternehmerinitiative ausgeglichen worden sein könnte

  • Bleibt das Mitunternehmerrisiko eines stillen Gesellschafters hinter der Rechtsstellung zurück, die das HGB dem Kommanditisten zuweist, ist gleichwohl von einem atypisch stillen Gesellschaftsverhältnis auszugehen, wenn die Möglichkeit des stillen Gesellschafters zur Entfaltung von Mitunternehmerinitiative besonders stark ausgeprägt ist.

  • Diese Möglichkeit kann sich bei einer GmbH & Still auch aus der Stellung des stillen Gesellschafters als Geschäftsführer oder Prokurist der GmbH ergeben (vgl. , BStBl II 2017, 1133).

Quelle: ; NWB Datenbank (il)

Fundstelle(n):
NWB TAAAH-80862