Online-Nachricht - Montag, 31.05.2021

Rechtsprechung | BFH urteilt zur Doppelbesteuerung der Renten II

Der BFH hat in einer zweiten Entscheidung zahlreiche weitere Streitfragen zum Problem der sog. doppelten Rentenbesteuerung geklärt. Er hat nicht nur über die Behandlung von Leistungen aus der freiwilligen Höherversicherung zur gesetzlichen Altersrente und Fragen der sog. Öffnungsklausel entschieden. Er hat auch klargestellt, dass es bei Renten aus privaten Kapitalanlageprodukten außerhalb der Basisversorgung (kurz: privaten Renten), die – anders als gesetzliche Altersrenten – lediglich mit dem jeweiligen Ertragsanteil besteuert werden, systembedingt keine Doppelbesteuerung geben kann. Zudem hat er entschieden, dass zum steuerfreien Rentenbezug nicht nur die jährlichen Rentenfreibeträge des Rentenbeziehers gehören, sondern auch die eines etwaig länger lebenden Ehegatten aus dessen Hinterbliebenenrente. Die Revision der Kläger, die eine doppelte Besteuerung eines Teils der bezogenen Renten beanstandet hatten, blieb ohne Erfolg (; veröffentlicht am ).

Sachverhalt: Der Kläger war als Zahnarzt Pflichtmitglied eines berufsständischen Versorgungswerks, blieb allerdings freiwilliges Mitglied in der gesetzlichen Rentenversicherung. Er erhielt im Streitjahr 2009 von der Deutschen Rentenversicherung Bund eine Altersrente und Zusatzleistungen aus der dortigen Höherversicherung. Zudem bezog er mehrere „Rürup“-Renten, ebenso zahlreiche Renten aus privaten Kapitalanlageprodukten. Das Finanzamt setzte für die gesetzliche Altersrente einschließlich der Leistungen der Höherversicherung den sich nach der gesetzlichen Übergangsregelung ergebenden Besteuerungsanteil von 58 % an. 42% der ausgezahlten Rente blieben steuerfrei. Im Hinblick auf die hohen Beitragsleistungen des Klägers in zwei Versorgungssysteme wandte das Finanzamt die sog. Öffnungsklausel an. Diese ermöglicht es, in bestimmten Konstellationen die Rente zumindest teilweise mit dem günstigeren Ertragsanteil zu versteuern. Die „Rürup“-Renten des Klägers brachte das Finanzamt mit dem Besteuerungsanteil, die sonstigen privaten Leibrenten – wie vom Gesetz vorgesehen – mit dem Ertragsanteil in Ansatz. Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab.

Die Kläger hielten die Entscheidung der Vorinstanz aus mehreren Gründen für unzutreffend. Sie meinten die gesetzliche Altersrente, eine der „Rürup“-Renten und diverse Renten aus privaten Versicherungen würden unzulässigerweise doppelt besteuert, weil nach ihren Berechnungen die aus versteuertem Einkommen erbrachten Beiträge höher seien als der steuerfreie Teil der zu er-wartenden Rentenzahlungen.

Der BFH sah dies anders:

  • Leistungen aus der freiwilligen Höherversicherung zur gesetzlichen Altersrente (§ 269 Abs. 1 SGB VI) sind als Teil der Rente einheitlich mit den regulären Rentenbezügen zu versteuern. Dass jene Leistungen sozialversicherungsrechtlich zu einer überdurchschnittlichen Versorgung aus der gesetzlichen Rentenversicherung führen und ausschließlich aus eigenen Beiträgen des Versicherten finanziert wurden, erachtete der BFH als unerheblich.

  • Die Auffassung der Kläger, dass die gesetzliche Öffnungsklausel, die bei überobligatorisch hohen Einzahlungen in ein Altersvorsorgesystem der Gefahr einer doppelten Besteuerung von Renten vorbeugen soll, nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut nur auf Antrag des Steuerpflichtigen anwendbar ist, wird geteilt.

  • Sie hätte danach im Streitfall keine Anwendung finden dürfen, weil die Kläger keinen entsprechenden Antrag gestellt hatten. Trotzdem blieb ihre Revision auch in diesem Punkt ohne Erfolg, denn die unzutreffende Anwendung der Öffnungsklausel verletzte die Kläger nicht in ihren Rechten. Die ihnen durch die Anwendung der Öffnungsklausel zu Unrecht gewährte Entlastung fiel nämlich höher aus als der Betrag, der ohne Geltung der Öffnungsklausel für das Streitjahr als doppelt besteuert anzusehen wäre.

  • Die Frage, ob Steuerpflichtige, die bewusst keinen Antrag auf Anwendung der gesetzlichen Öffnungsklausel zur niedrigeren Besteuerung ihrer Altersrente stellen, überhaupt eine doppelte Besteuerung rügen können, musste daher offen bleiben.

  • Es wird klargestellt, dass zum steuerfreien Rentenbezug nicht nur die jährlichen Renten-freibeträge des Rentenbeziehers, sondern auch die eines etwaig länger lebenden Ehegatten aus dessen Hinterbliebenenrente zu rechnen sind. Im Streitfall war daher auch der steuerfrei bleibende Teil einer späteren – bei statistischer Betrachtung wahrscheinlichen – Witwenrente der Klägerin zu berücksichtigen.

  • Regelmäßige Anpassungen einer der Basisversorgung dienenden gesetzlichen oder „Rürup“-Rente sind nach Auffassung des BFH auch in der Übergangsphase in voller Höhe und nicht – wie von den Kläger begehrt – mit dem geringeren individuellen Besteuerungsanteil zu berücksichtigen. Der BFH bestätigte insoweit seine bisherige Rechtsprechung.

  • Hinsichtlich der streitigen Renten des Klägers aus privaten Kapitalanlageprodukten außerhalb der Basisversorgung konnte der BFH keine doppelte Besteuerung feststellen. Die für diese Renten geltende Ertragsanteilsbesteuerung kann nach Ansicht des X. Senats bereits systematisch keine doppelte Besteuerung hervorrufen, weil der durch das Gesetz festgelegte Ertragsanteil in zulässiger Weise die Verzinsung der Kapitalrückzahlung für die gesamte Dauer des Rentenbezugs typisiert. Diese Art der Besteuerung verlangt nicht, dass die Beitragszahlungen in der Ansparphase steuerfrei gestellt werden.

Anmerkung von Honorarprofessor Dr. Gregor Nöcker, Richter im X. Senat des BFH:

Die nachgelagerte Besteuerung der Altersrente bleibt verfassungsgemäß. Ihre konkrete Ausgestaltung kann zur doppelten Besteuerung der Rente führen, wie es der entschiedene Einzelfall zeigt. Allerdings verletzte diese doppelte Besteuerung die Rechte des Klägers deshalb nicht, weil das Finanzamt rechtsfehlerhaft die sog. Öffnungsklausel (§ 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb Satz 2 EStG) anwandte und den Kläger im Streitjahr steuerlich in einem höherem Maß entlastete als es nach der konkreten Berechnung des BFH nötig gewesen wäre. Keine Rolle spielt die Frage der doppelten Besteuerung im Zusammenhang mit dem Ertragsanteil der Renten aus privaten Versicherungsverträgen, zu denen auch die Überschussbeteiligung weiterhin gehört.

Wie im Revisionsverfahren X R 33/19, das der BFH durch Urteil vom gleichen Tag entschieden hat, war allein die konkrete Berechnung der doppelten Besteuerung der vom Kläger bezogenen Altersrente problematisch. Die vom Kläger nicht beantragte Öffnungsklausel (§ 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb Satz 2 EStG) konnte bei der Berechnung, anders als von FA und FG angenommen, keine Rolle spielen. Auch deshalb berechnete der BFH die konkrete Doppelbesteuerung der Altersrente des Klägers (unter Einbeziehung von Besonderheiten auch bei der Hinterbliebenenrente). Die Berechnungsparameter erläutert er in seinem Urteil vom – X R 33/19 (dort unter II.3.c, d, e und g).

Nicht Teil des steuerfreien Rentenbezugs sind weiterhin nach Ansicht des BFH die regelmäßigen Anpassungen, im vorliegenden Fall die Erhöhung der sog. Rürup-Rente (vgl. insoweit, wenn auch zur Anpassung des aktuellen Rentenwertes (Ost): , BStBl. II 2020, 386, Rz 22ff.). Unproblematisch ist aus Sicht des BFH auch die Höhe der Ertragsanteilsbesteuerung der privaten Rentenzahlungen im Streitjahr 2009.

Da die Kläger aufgrund des Saldierungsgebots im Streitjahr nicht mehr, sondern weniger Steuern als vom BFH berechnet gezahlt haben, musste im vorliegenden Fall nicht darüber entschieden werden, wie bei einer konkreten (verfassungswidrigen) doppelten Besteuerung einer Rente weiter zu verfahren wäre.

Quelle: BFH Pressemitteilung Nr. 20 v. (JT)

Fundstelle(n):
NWB WAAAH-80096